Der Blaue Wittelsbacher ist ein großer naturblauer Diamant vom Typ IIb mit einer Reinheit von VS2. Durch seinen ersten Schliff hatte er ein Gewicht von 35,56 Karat (7,11 g). Er war Teil der österreichischen und bis 1918 der bayerischen Kronjuwelen. 2008 wurde er von dem britischen Juwelier und Edelsteinhändler Laurence Graff erworben, der ihn 2009 umschleifen ließ und in The Wittelsbach-Graff Diamond umbenannte. Sein Gewicht beträgt heute nur noch 31,06 Karat (6,21 g). Der Umschliff wird von Experten kritisch beurteilt.

Wegen seiner Größe, Farbe und Klarheit ist der Blaue Wittelsbacher oft mit dem Hope-Diamanten verglichen worden. Bis zum Neuschliff im Jahr 2009 maß er 24,40 mm im Durchmesser und 8,29 mm in der Tiefe. Er hatte 82 Facetten, die atypisch angeordnet waren. Die sternförmigen Facetten in der Krone des Diamanten waren vertikal gespalten, und der Unterteil hatte 16 nadelartige Facetten, die in Paaren angeordnet von der Kalette nach außen zeigten. Er gilt als der älteste bekannte Brillant.

Geschichte

Die Erwerbungsgeschichte des Diamanten liegt im Dunkeln. Es ist auch ungeklärt, wo er seinen Schliff erhielt. Als im Dezember 1666 Margarita Theresa aus Spanien nach Wien kam, brachte sie eine Mitgift aus Juwelen von ihrem Vater, König Philipp IV. von Spanien, mit, darunter wahrscheinlich auch das vermutlich aus einem indischen Bergwerk in Kollur bei Golkonda stammende Juwel. Sie vermachte den Stein, der zu diesem Zeitpunkt als Mittelstück eines Brust-Kleinods gefasst war, ihrem Mann Kaiser Leopold I., der ihn wiederum ihrer gemeinsamen Tochter Maria Antonia als Mitgift gab. 1722 kam der Diamant durch die Heirat ihrer Nichte Maria Amalia mit Karl Albrecht von Bayern als Teil ihrer Mitgift an das Haus Wittelsbach und wurde erstmals als blauer Brillant inventarisiert. Nach der Kaiserkrönung Karls VII. ließ Maria Amalia den Diamanten in ihre Kaiserinnenkrone einarbeiten.

1761, fünf Jahre nach Maria Amalias Tod, veranlasste Kurfürst Maximilian III. Joseph, vielleicht inspiriert von der Fassung des Dresdner Grünen Diamanten, die Einarbeitung des Blauen Wittelsbachers in ein Ordenszeichen des Ordens vom Goldenen Vlies. Als Kurfürst Max Joseph 1806 zum ersten König von Bayern erhoben wurde, ließ er nach einem Entwurf von Charles Percier eine Königskrone anfertigen, die den Blauen Wittelsbacher als Leitstein enthielt. In einem Inventar von 1807 wurde der Stein auf einen Wert von 300.000 Gulden geschätzt, so viel wie sämtliche anderen königlichen Schmuckstücke zusammengenommen. Bis 1918 blieb der Diamant an der Spitze der Krone des Königreichs Bayern Haus- und Staatssymbol. Zum letzten Mal in der Öffentlichkeit in dieser Fassung gesehen wurde er 1921 bei der Beisetzung von König Ludwig III.

Der Diamant kam in den Wittelsbacher Ausgleichsfonds. 1931 wollte das Haus Wittelsbach zur Lösung von Liquiditätsproblemen als Folge der Weltwirtschaftskrise den Blauen Wittelsbacher bei Christie’s versteigern lassen und erhielt dafür auch eine Genehmigung der Bayerischen Staatsregierung unter Heinrich Held; bei der Auktion am 21. Dezember 1931 fand sich jedoch kein Käufer. Ein Verkauf kam erst 1951 in Antwerpen zustande; 1958 wurde der Stein ohne Namen oder Hinweis auf seine historische Bedeutung auf der Brüsseler Weltausstellung gezeigt. Im August 1961 erwarb der Juwelenhändler Jozef Komkommer in Antwerpen den Diamanten von einer Erbengemeinschaft des Edelsteinhändlers Romi Goldmuntz und verkaufte ihn, nachdem der Ausgleichsfonds einen Rückkauf abgelehnt hatte, 1964 über den Hamburger Juwelier Renatus Wilm an einen zunächst Unbekannten, von dem später bekannt wurde, dass es der Kaufhausmagnat Helmut Horten war, der ihn für seine damalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Heidi Jelinek erwarb.

Am 10. Dezember 2008 wurde der Blaue Wittelsbacher bei einer Auktion von Christie’s in London für 16,4 Millionen Pfund Sterling, also 23,4 Millionen US-Dollar bzw. 18,4 Millionen Euro, versteigert. Der Erwerber war der Londoner Juwelier und Edelsteinhändler Laurence Graff. Der Preis war bis zum 16. November 2010 der höchste, der bei einer Auktion für einen Diamanten erzielt wurde.

Nachschliff und Wanderung

Am 7. Januar 2010 berichtete die New York Times, Graff habe den Stein von drei Edelsteinschleifern neu schleifen lassen, um Absplitterungen zu beseitigen und Reinheit und Brillanz besser zur Geltung zu bringen, wodurch der Stein vier Karat verloren habe. Der Neuschliff wurde von Experten, darunter Hans Ottomeyer, durchgehend kritisch bewertet, da der Stein dadurch seinen historischen Charakter verloren habe. Ottomeyer bezeichnete den Neuschliff nach einem Bericht der FAZ als Vandalisierung; Graff habe den Stein zum „Königlichen Lutschbonbon“ gemacht.

Der Diamant, nunmehr als The Wittelsbach-Graff Diamond geführt, wurde vom 29. Januar bis zum 1. September 2010 neben dem Hope-Diamanten im National Museum of Natural History der Smithsonian Institution in Washington, D.C. ausgestellt. Im Anschluss daran war er von Ende Oktober 2010 bis Januar 2011 in der Harry Frank Guggenheim Hall of Minerals des American Museum of Natural History in New York City zu sehen. Im Juni 2011 meldete die New York Times, der Stein sei kürzlich von Graff für eine ungenannte Summe verkauft worden. Vermutlich ist der gegenwärtige Eigentümer Scheich Hamad bin Chalifa Al Thani mit einer Kaufsumme von mindestens 80 Millionen US-Dollar.

Siehe auch

Film

  • Der Blaue Wittelsbacher. Ein Diamant für Bayern. Eine historische Dokumentation von Bernhard Graf, BR 2011.

Literatur

  • Rudolf Dröschel, Jürgen Evers, Hans Ottomeyer: The Wittelsbach Blue, in: Gems and Gemology ISSN 0016-626X, 44 (2008), S. 348–363
  • Johannes Erichsen (Hrsg.): Bayerns Krone 1806: 200 Jahre Königreich Bayern. Hirmer, München 2006, ISBN 3-7774-3055-2
  • Jürgen Evers, Leonhard Möckl, Heinrich Nöth: Der Wittelsbacher und der Hope-Diamant, in: Chemie in Unserer Zeit ISSN 0009-2851, 46 (2012), S. 356–364
  • Bernhard Graf: Der Blaue Wittelsbacher. Ein Star-Diamant für Bayern. In: The Munich Show: Mineralientage München. (Messekatalog) München 2011, S. 186–203.
  • K. de Smet: De grote blauwe diamant, alias „De Wittelsbacher“, kroongetuige van drie eeuwen Europese geschiedenis. Uitgeversmij Standaard-Boekhandel, Antwerpen / Amsterdam 1963
(deutsche Ausgabe) Der grosse blaue Diamant: der Wittelsbacher: Kronzeuge dreihundertjähriger europäischer Geschichte. Standaard-Boekhandel 1963
  • Hans Ottomeyer: Die Kroninsignien des Königreiches Bayern. Schnell und Steiner, München 1979, ISBN 3-7954-0707-9 (Aus bayerischen Schlössern)

Einzelnachweise

  1. Fancy Deep Grayish Blue, Christies website with the Wittelsbach’s auction lot
  2. 1 2 3 Christie’s Press Release. November 3, 2008. (PDF; 156 kB) Abgerufen am 11. Dezember 2008.
  3. 1 2 Out of the Blue, Prestige and Riches In: New York Times, 7. Januar 2010, abgerufen am 8. Januar 2010; Zitat: „By recutting it, some critics suggest, Mr. Graff has not so much improved it as altered it out of all recognition.“
  4. Dröschel/Evers/Ottommeyer (Lit.), S. 360
  5. Nach Dröschel/Evers/Ottommeyer (Lit.), S. 352. Frühere Darstellungen (bei de Smet) über die Erwerbung des Steins und seine frühere Geschichte konnten nicht verifiziert werden, siehe auch Schleifstein der Schande. In: Spiegel Online Wissenschaft, 25. Januar 2010
  6. Dröschel/Evers/Ottommeyer (Lit.), S. 355
  7. Österreichisches Staatsarchiv
  8. Bavaria considers bid to bring mysterious Wittelsbach diamond home. In: The Times, 7. November 2008.
  9. 1 2 Diamond sells for recession-busting $24.3 M In: CNN, 2008. Abgerufen am 11. Dezember 2008. „The diamond has a royal lineage. Christie’s traces it thus: King Philip IV of Spain (1605–1665) selected the diamond in 1664 as part of a dowry for his daughter, the Infanta Margarita Teresa (1651–1673). She had become engaged to Leopold I of Austria (1640–1705), who later became Holy Roman Emperor. When she died in 1673, her husband retained the diamond, which was passed on to his heirs. In 1722, the diamond entered the Wittelsbach family when the Archduchess Maria Amalia of Austria (1701–1756) married the Bavarian Crown Prince, Charles Albert (1697–1745). It was worn by successive rulers until the abdication of King Ludwig III (1845–1921) in 1918.“ 
  10. Der Glanz ist sein Geschäft. In: Die Zeit, Nr. 48/1966
  11. Hannes Hintermeier: Der „Blaue Wittelsbacher“ – Ein Schnäppchen im Vergleich zur Landesbank. In: FAZ, 10. Dezember 2008
  12. „Blauer Wittelsbacher“ – Diamant für mehr als 18 Millionen Euro versteigert. In: Die Welt, 11. Dezember 2008
  13. NZZ executive: Der Juwelier der Reichen und Schönen (Memento vom 19. März 2009 im Internet Archive)
  14. Financial Times Deutschland vom 17. November 2010 (Memento vom 19. November 2010 im Internet Archive), abgerufen am 17. November 2010
  15. The Earth Times- Historic diamond fetches 16 million pounds at London auction. 10 December 2008. Abgerufen am 10. Dezember 2008
  16. Hannes Hintermeier: Die Abschaffung der Ewigkeit Frankfurter Allgemeine Faz.Net. 16. Januar 2010
  17. 3sat-Sendung am 10. August 2013 "Ein Diamant für Bayern – Der Blaue Wittelsbacher", Film von Bernhard Graf. Zitat: „"Königliches Lutschbonbon", "Schleifstein der Schande", "Der Lack ist ab!" - weltweit empörten sich Experten über die Versteigerung und den Umschliff des Blauen Wittelsbachers, des zweitgrößten blauen Diamanten der Welt.“
  18. Der Stein in seinem jetzigen, umgeschliffenen Zustand, und (2) in seinem historischen
  19. A Rare Encounter. Ausstellungswebseite (englisch) (Memento des Originals vom 2. Februar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 3. August 2010
  20. Laut Graff London (Memento des Originals vom 24. November 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  21. The King of Really Big Diamonds Heads to China, Artikel vom 19. Juni 2011, abgerufen am 19. Juni 2011
  22. Süddeutsche Zeitung vom 26. Januar 2013, abgerufen am 26. Januar 2013
  23. Evers/Möckl/Nöth (Lit.), S. 363.
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