Gaius Suetonius Tranquillus (deutsch meist Sueton; * wohl um 70 in Hippo Regius; † nach 122) war ein römischer Schriftsteller und Verwaltungsbeamter. Suetons bedeutendstes Werk sind die Kaiserviten (lateinisch De vita Caesarum libri VIII = Acht Bücher über das Leben der Kaiser), in denen er das Leben Caesars und der römischen Kaiser von Augustus bis Domitian schildert. Für die modernen Historiker liefert er mit seinen Schriften eine wertvolle Informationsquelle über das Leben römischer Gelehrter sowie der ersten römischen Kaiser, wenngleich seine Angaben teils mit Vorsicht zu behandeln sind, da Sueton vieles aus seinen Quellen allzu unkritisch übernahm.

Leben

Quellenlage

Über Sueton selbst existiert keine zeitgenössische Biographie. Selbst die Lebensdaten sind nur ungefähr aus seinen eigenen, nur teilweise überlieferten Werken zu erschließen. Wichtige Hinweise finden sich in mehreren Briefen des jüngeren Plinius, der Suetons Förderer war.

Herkunft

Sueton wurde um das Jahr 70 geboren, was sich daraus erschließen lässt, dass er die Zeit Domitians nach eigener Beschreibung als „jungen Mann“, adulescens bzw. adulescentulus erlebte. Er stammte wahrscheinlich aus Hippo Regius, dem heutigen Annaba, einer ursprünglich phönizischen Hafenstadt westlich von Karthago, die seit dem Dritten Punischen Krieg (149–146 v. Chr.) zum römischen Imperium gehörte. Darauf weisen Fragmente einer Inschrift hin, die in Hippo Regius 1951 zum Vorschein kamen und deren Inhalt offenbar Sueton gilt. Aber auch verschiedene Städte in Italien (Pisaurum, Lanuvium und Ostia) wurden aufgrund von Indizien als Heimatstädte vermutet.

Die Familie besaß offenbar bereits über mehrere Generationen Beziehungen zum Kaiserhaus. Sueton zitiert seinen Großvater als Quelle für eine Anekdote über Caligula. Sein Vater Suetonius Laetus gehörte dem Ritterstand (equester ordo) an und nahm im Vierkaiserjahr 69 als Militärtribun (tribunus angusticlavius) der Legio XIII Gemina auf Seiten Othos am Bürgerkrieg teil. Andere Stationen seiner militärischen Laufbahn, zu der weitere Offiziers- und Verwaltungsposten gehört haben könnten, sind nicht bekannt.

Ausbildung

Sueton dürfte eine standesgemäße Ausbildung in den sogenannten artes optimae erhalten haben. Diese höhere römische Bildung hatte Politik, Rechtswesen, Rhetorik, Philosophie, Poesie, Musik, Mathematik, Astronomie und Medizin zum Inhalt. Die Fächer dieser Universalbildung standen aber nicht gleichberechtigt nebeneinander. Der Rhetorik wurde das größte Gewicht beigemessen. Sueton überliefert den Namen eines seiner Lehrer, Princeps.

Karriere

Im Anschluss an seine Ausbildung arbeitete der junge Sueton als Gerichtsredner in Rom, wie zwei Briefe des Plinius zeigen, die in die Regierungszeit Nervas oder die ersten Jahre Trajans gehören dürften. Später, in den ersten Jahren des 2. Jahrhunderts, gab er diese Tätigkeit offenbar zugunsten der Schriftstellerei auf.

Der einflussreiche Plinius wurde zu Suetons Förderer: Er half ihm beim Kauf eines kleinen Guts in der Nähe von Rom. Plinius sorgte bei Kaiser Trajan auch dafür, dass Sueton das Privileg des Dreikindrechts (ius trium liberorum) verliehen bekam. Dieses Recht war eigentlich eine Steuererleichterung für Familienväter oder Mütter mit mindestens drei Kindern. Es nahm Sueton von der Ehepflicht aus, die im Römischen Reich bestand, und vereinfachte ihm den Zugang zur öffentlichen Ämterlaufbahn. Diese begann für einen Angehörigen des Ritterstandes gewöhnlich mit dem Militärdienst. Auch dabei unterstützte Plinius Sueton und verhalf zu einem Militärtribunat unter Trajan. Sueton trat die Stelle aber auf eigenen Wunsch nicht an, sondern ließ sie auf einen Verwandten übertragen. Trotzdem konnte er in der höheren kaiserlichen Verwaltung aufsteigen. Die in Hippo gefundene Inschrift nennt an weiteren Funktionen ein lokales Priesteramt (flamen) und die Bestellung als Richter (iudex selectus) durch Trajan. Plinius selbst wurde um 111 vom Kaiser Trajan zum Statthalter der Provinz Bithynia et Pontus berufen. Der zehn Jahre jüngere Sueton gehörte vermutlich für ungefähr zwei Jahre zu seinem Gefolge. Plinius starb noch in Bithynien oder kurz nach seiner Rückkehr und damit hatte Sueton seinen Patron verloren. Trotzdem begann Sueton in den folgenden Jahren eine Laufbahn am Hof des Kaisers. Er übernahm zunächst das nicht genau zu bestimmende, vielleicht mit Archivaufgaben befasste Amt a studiis, dann die Aufsicht über die öffentlichen Bibliotheken Roms (a bybliothecis); vielleicht waren beide Ämter auch miteinander vereinigt. Vermutlich wurde Sueton von seinem neuen Patron gefördert, dem Prätorianerpräfekten Septicius Clarus, der seinerseits schon der Förderer von Suetons altem Patron, Plinius, gewesen war.

Im Jahr 117 wurde Hadrian Nachfolger Trajans. Durch seinen Förderer Septicius Clarus übernahm Sueton um 121 das Amt ab epistulis, die Leitung der Kanzlei des Kaisers. In dieser Funktion besaß er einen bedeutenden politischen wie verwaltungstechnischen Einfluss. Hochgestellte Privatpersonen, meist aber Beamte oder Körperschaften, konnten an den Kaiser bei juristischen Problemen Anfragen stellen. Dieser ließ sie dann von seiner Kanzlei in höflicher Briefform (epistula) beantworten. Im Kaisertum besaß dann diese Meinungsäußerung Gesetzeskraft; dies macht den Einfluss von Suetons Amt ab epistulis deutlich. Zu den weiteren Aufgaben des Amtes zählten die Versendung der kaiserlichen Befehle, der Briefverkehr mit den Provinzstatthaltern, die Verkündung von Ernennungen und Beförderungen und gelegentlich auch Briefverkehr mit dem Ausland.

Wohl im Jahr 122 wurde Sueton in eine Hofintrige verwickelt (dies sagt zumindest die oft unzuverlässige Historia Augusta aus): Man warf seinem Förderer Septicius Clarus, ihm selbst und weiteren Mitgliedern des Hofstaats Verletzung der Etikette gegenüber der Kaiserin Vibia Sabina vor und entfernte sie vom Hof. Ziel der Aktion war nicht Sueton, sondern vielmehr die Entfernung einer alten Clique von Beamten, die schon unter Trajan gedient hatten.

Lebensende

Da Sueton nun bei Hadrian in Ungnade gefallen war, zog er sich zurück und widmete sein weiteres Leben ausschließlich den Studien. Er lebte vielleicht noch bis in das vierte Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts, über diesen letzten Lebensabschnitt sind aber keine Informationen überliefert und nur die große Anzahl seiner Schriften spricht für eine längere Lebenszeit.

Sueton als Schriftsteller

Die Schriftstellerei war in Rom gesellschaftlich weniger anerkannt als eine politische oder militärische Tätigkeit. Für Angehörige der Oberschicht blieb sie in der Regel eine Freizeitbeschäftigung, was auch bei Sueton im größeren Teil seines Lebens so gewesen sein dürfte. Plinius der Jüngere charakterisiert Sueton:

Für Stubengelehrte, wie dieser einer ist, genügt weitaus soviel an Grund und Boden, wie viel sie brauchen, um ein Nickerchen zu machen.

Sueton verfasste eine Vielzahl von Werken mit historischen, grammatischen und naturwissenschaftlichen Inhalten, die Mehrzahl davon in lateinischer Sprache, einige aber auch in griechischer Sprache. Der Großteil dieser Schriften ist verloren. So sind von einer um 110 entstandenen großen Schriftensammlung De viris illustribus (Von den berühmten Männern) nur noch Fragmente vorhanden: In vollständiger Form enthielt es wohl Kurzbiographien von Berühmtheiten der römischen Literatur; es hatte die Kapitel Dichter, Redner, Geschichtsschreiber, Philosophen sowie Grammatiker und Rhetoren. Von dieser letzten Abteilung, Grammatiker/Rhetoren, ist etwas mehr als die Hälfte überliefert; außerdem sind zwei weitere Biographien aus anderen Abteilungen erhalten. Ansonsten kennt man De viris illustribus nur aus Zitaten nachfolgender Autoren.

Aus solchen Zitaten kennt man auch noch mindestens vierzehn andere Werke Suetons, z. B. Über die Spiele der Griechen, von denen aber nichts im Original überliefert wurde. Man hat teilweise versucht, einige Werke aus den gefundenen Zitaten zu rekonstruieren.

De vita Caesarum

Fast vollständig erhalten ist das bekannteste Werk Suetons, das nach 120 erschien: De vita Caesarum, die Kaiserbiographien. Diese acht Bücher umfassende Schrift widmete Sueton seinem Patron Septicius Clarus. Sie enthält zwölf Biographien römischer Alleinherrscher: die des Gaius Iulius Caesar (bis 44 v. Chr.) sowie der Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.), Tiberius (14–37), Caligula (37–41), Claudius (41–54), Nero (54–68), Galba (68–69), Otho (69), Vitellius (69), Vespasian (69–79), Titus (79–81) und Domitian (81–96).

Jede Biographie steht für sich, die Proportionen sind dabei ziemlich ungleich: Die ersten sechs Biographien der Herrscher aus der Julisch-Claudischen Dynastie sind drei- bis viermal so umfangreich wie die der späteren Kaiser. Möglicherweise entstanden die späteren Biographien erst nach Suetons Entlassung aus dem kaiserlichen Dienst (122); der Zugang zu den kaiserlichen Archiven hätte ihm demnach nicht mehr offengestanden und seine Materialbasis wäre entsprechend dünner ausgefallen. Wieweit Sueton von den kaiserlichen Archiven überhaupt Gebrauch machte, ist jedoch mehr als fraglich. Eine andere Erklärung tendiert deshalb dahin, dass Suetons übrige Werke (die erhaltenen Gelehrtenbiographien sowie das verlorene Pratum) sich größtenteils mit Gestalten der ausgehenden Republik befassten; die überproportionale Länge der Caesar- und der Augustusvita ließen sich somit auf den Umstand zurückführen, dass Sueton diese Zeit von seinen anderen Arbeiten her bereits kannte und über eine entsprechend große Materialkenntnis verfügte. Die späteren Biographien wären lediglich ein „Anhängsel“, um die Reihe zu komplettieren.

Sein Werk versucht nicht, diese zwölf Herrscher in einer gemeinsamen Kette des Geschichtsverlaufes darzustellen. Stattdessen untersucht er seine Objekte einzeln und detailliert in Kapiteln, die jeweils verschiedenen Aspekten gewidmet sind: Herkunft, öffentliche Karriere, Privatleben und Sexualität, Äußeres und Gesundheit, Bildung und Interessen, Religiosität sowie Tod.

Porträts und Büsten nach den Kaiserbiografien dienten an europäischen Fürstenhöfen zur Repräsentation ihrer Herrschaft.

Suetons Arbeitsweise

Sueton stützte sich wie andere antike Schriftsteller auch überwiegend auf ältere literarische Arbeiten und betrieb nur im eingeschränkten Umfang Quellenarbeit, wie sie bei modernen Historikern üblich ist. Punktuell zog er etwa auch Inschriften heran. Besondere Sorgfalt widmete er Familie und Geburt der dargestellten Personen, wo er sich offenkundig bemühte, alle verfügbaren Quellen zu verwenden. Sueton zitiert an zahlreichen Stellen Passagen aus anderen Werken wie Testamenten oder Briefen, die in den meisten Fällen aber keine Archivfunde waren, sondern aus zeitgenössischen Schriften stammten. Unklar bleibt das Ausmaß der Verwendung von mündlich überlieferten Berichten; offenbar folgte Sueton ihnen nur dann, wenn sie von einer sein Vertrauen besitzenden Person (etwa sein Vater und Großvater) stammten.

Sueton wählte die Form der Biographie, damals eine relativ junge literarische Gattung. In der Biographie gab es mehrere verschiedene Strömungen, was die Struktur betraf: Sueton entschied sich für eine Biographie, wie sie für literarische Persönlichkeiten üblich war. Diese Form stammte aus Alexandria und ging teils chronologisch, teils aber thematisch vor: Den römischen Leser interessierten vor allem der cursus honorum der Person sowie Einzelheiten aus ihrem Leben. Sueton beschäftigte sich mit Träumen, Vorzeichen, Wundern und Anekdoten. Ein Beispiel hierfür kann wieder aus der Biographie von Tiberius genannt werden: Hier verrät der Säugling Tiberius beinahe die Flucht der Eltern.

Die Biographie wählte dabei wegen der besseren Übersicht jeweils einzelne Rubriken und folgte einem bestimmten Schema: 1. Herkunft, 2. Jugend und Erziehung; bis hier geht Sueton noch chronologisch vor, 3. militärische und politische Tätigkeit, 4. Privatleben, 5. Vorzeichen bei Geburt und Tod, 6. Tod, Begräbnis und Testament.

In diesem Schema gibt es dabei kein einheitliches Band, das das Bündel von Informationen zusammenhält: Sueton füllt vielmehr das Schema so konsequent aus, dass sich der Leser leicht zurechtfindet. In der Rubrik „militärische und politische Tätigkeit“ ist die Chronologie aufgehoben. Es gibt hier systematische Kategorien wie Kriegstaten, Bauten, Lebensführung u. a., schließlich wird am Ende der chronologische Faden wieder aufgenommen.

Suetons Systematisierung geht bis in skurrile Details: Die Geliebten Caesars werden geographisch geordnet nach solchen a) aus Rom, b) aus den Provinzen, c) von ausländischen Königshöfen. Sonst sind die Kategorien aber sinnvoll gewählt; es gibt z. B. eine Einteilung in Privatleben und öffentliche Leistungen, der Charakter des jeweiligen Herrschers wird beschrieben durch Tugenden und Fehler.

Wichtig ist es zu betonen, dass die Biographieform, die Sueton wählte, eigentlich für Künstler üblich war. Suetons Leistung ist es gewesen, sie auf politische Persönlichkeiten übertragen zu haben, nachdem er das Schema schon auf seine Lebensbeschreibungen von literarischen Berühmtheiten, De viris illustribus, angewandt hatte.

Form

Sueton ordnete alles seinem Rubrikenschema unter, selbst seinen Stil: Häufig beginnt er die Kapitel oder Absätze mit dem Wort, das Thema und Gegenstand des gesamten Kapitels angibt. Seine Sprache ist einfach und klar. Er verwendet einleitendes et, sed und autem („und“, „aber“, „dagegen“); er hütet sich damit vor bombastischer Ausdrucksweise, wie sie als eine der großen Stilrichtungen seiner Zeit in Mode war. Man kann Sueton aber nicht der zweiten großen Stilrichtung, dem Archaismus, zurechnen, die sich bemühte, alte lateinische Formen zu verwenden. Vielmehr hielt sich Sueton in der Mitte dieser modischen Strömungen, sein Stil wird klassisch genannt. Freilich wurde kritisiert, dass er oft unelegant wirke.

Rezeption

Antike, Mittelalter und Renaissance

Sueton hat mit seinen Werken großen Einfluss auf die spätere Geschichtsschreibung ausgeübt. Seine Spuren lassen sich bis in die Spätantike und das Mittelalter verfolgen: Der Biograph Marius Maximus ahmte im 3. Jahrhundert Sueton im Stil nach, wobei er aber weitschweifiger und noch anekdotenhafter verfuhr. Seine (heute verlorenen) Biographien waren eine Quelle der Historia Augusta. Diese wurde nach Meinung der meisten Wissenschaftler Ende des 4./Anfang des 5. Jahrhunderts verfasst, wobei sich der anonyme Autor ebenfalls Sueton als Vorbild nahm (vgl. die Anspielungen in den Viten des Pupienus und Balbinus [4, 5] sowie des Probus [2, 7]). Aurelius Victor setzte im 4. Jahrhundert Suetons Kaiserbiographien in vergröberter Form fort; als eine wichtige Quelle diente ihm die Enmannsche Kaisergeschichte, die wohl ebenfalls in biographischer Form gestaltet war.

Suetons Biographien waren auch das Muster für zwei vielgelesene christliche Werke: Der Kirchenvater Hieronymus verfasste im fünften Jahrhundert eine Literaturgeschichte mit dem Namen De viris illustribus. Im neunten Jahrhundert orientierte sich der Biograph Karls des Großen, Einhard, in der Vita Karoli Magni an Suetons Rubrikenidee, ohne jedoch seinem Vorbild blind zu folgen. In der Renaissance schließlich ließ sich Francesco Petrarca von Sueton inspirieren (De viris illustribus).

Moderne Bewertungen

Im selben Maße, wie Sueton als Muster für Biographien verdrängt wurde, wuchs die negative Kritik an ihm. Es entwickelte sich, vor allem im 19. Jahrhundert, eine Ansicht, nach der Sueton kein richtiger Geschichtsschreiber sei. Zum einen wurde oft Suetons Rubrikenschema kritisiert, da Sueton damit die übliche Darstellungsform für literarische Berühmtheiten auf politische Herrscher übertrug. Die Einteilung des Lebens in Kategorien sei zu mechanisch; sie verhindere eine Einordnung in die historische Entwicklung. Selbst zusammenhängende Ereignisse habe Sueton in getrennten Rubriken angeführt.

Der zweite Vorwurf betrifft Suetons Erzählfreudigkeit bei nebensächlichen Einzelheiten. Die Kritiker sagen, ein Flickenteppich von Anekdoten schließe beispielsweise eine wirkliche Analyse des Charakters von Tiberius aus und es ergebe sich kein psychologisch stimmiges Gesamtbild. Sueton habe seine Materialsammlung einfach kritiklos zusammengestellt, so dass Nebensächliches gleichwertig mit Wichtigem werde. Ein Beispiel: Sueton beschreibt den Waldbrand in Tiberius’ Kindheit genauso ausführlich wie dessen Feldzüge. So verlören historisch bedeutende Ereignisse erheblich an Gewicht und die historische Perspektive werde verzerrt. Diesen Kritikpunkt formulierte man auch so: Sueton habe die „Sichtweise eines Kammerdieners“, seine enge Perspektive der Darstellung widerspreche der Größe der porträtierten Persönlichkeiten.

Neben der Kritik an der literarischen Qualität ist auch ein gehöriges Maß an inhaltlicher Skepsis bei der Lektüre von Suetons Biographien anzuraten. Sueton übernahm die Behauptungen seiner Quellen oft kritiklos. Viele Anekdoten basieren auf teils wilden Gerüchten und entbehren jeglicher Neutralität. Gerade was die vielen Schauergeschichten über zahlreiche Kaiser angeht, so muss man Sueton wohl eher als eine Art antiken Klatschreporter und nicht so sehr als historisch immer zuverlässige Quelle verstehen, der in seinen Schriften vielfach eher die Sensationslust seiner Leser befriedigen wollte, statt Fakten wiederzugeben.

In dieser Kritik wird jedoch außer Acht gelassen, welche Absicht Sueton überhaupt mit seinen Werken verfolgte: Tacitus und Sueton werden oft vergleichend nebeneinandergestellt. Dabei wollte Sueton nicht mit Tacitus konkurrieren, sein Ziel war es nicht, der Nachwelt eine genaue Beschreibung der Epoche zu überliefern.

Sueton hatte vielmehr folgende Absicht: Er schrieb für seine Zeitgenossen. Die geschichtlichen Zusammenhänge waren diesen weitgehend bekannt, deshalb verfasste Sueton eine unterhaltsame Ergänzung zu den Schilderungen eines Tacitus. Suetons Interesse galt vielen Bereichen, so kam es ihm gelegen, die Vielzahl seiner Details in Rubriken zu ordnen. Mit seinen Anekdoten, Klatsch und allzu menschlichen Zügen entsprach Sueton dabei dem Geschmack seiner Leser: Interesse an Einzelheiten war eine typisch römische Eigenschaft. Seine Kaiserviten werden von der modernen Forschung als eine wichtige Quelle für die frühe Kaiserzeit angesehen, in denen er auch durchaus wichtige Informationen vermittelte.

Sueton stand in der Tradition der römischen Laudatio funebris, der Grabrede. Diese Reden beim Begräbnis Verstorbener, die später aufgezeichnet wurden, waren Suetons Biographien sehr ähnlich, sie wollten unterhalten oder sogar Neugier befriedigen. Diese Zielsetzung erklärt auch, weshalb Sueton den Leser kaum politisch oder moralisch beeinflussen will: Er suchte sich die Herrscher Roms deshalb als handelnde Figuren aus, weil sie für alle Bewohner des römischen Reiches große Bedeutung hatten. Er legte großen Wert auf eine Beschreibung des Charakters, denn er sah das Leben der Kaiser weniger durch ihre geschichtliche Rolle bestimmt als durch ihre Persönlichkeit.

Ausgaben

Übersetzungen

  • Max Heinemann (Übers.): Cäsarenleben. Kröner, Leipzig-Stuttgart 1936, 8. Auflage 2001, ISBN 3-520-13008-4.
  • André Lambert (Hrsg. und Übers.): Leben der Caesaren. Artemis-Verlag, Zürich 1955 (zahlreiche Nachdrucke).
  • Hans Martinet (Übers.): Das Leben der römischen Kaiser. Patmos, Düsseldorf 2001, ISBN 3-491-96032-0.
  • Hans Martinet (Hrsg. und Übers.): De vita caesarum/Die Kaiserviten. Lat.-dt., Düsseldorf 1997, ISBN 3-7608-1698-3.
  • Adolf Stahr (Übers.): Sueton’s Kaiserbiographien. Stuttgart 1857; online bei Google Books (klassische dt. Übersetzung).

Literatur

  • Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius und ihr Fortwirken. Band 2. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-026525-5, S. 1192–1209.
  • Klaus Sallmann, Peter Lebrecht Schmidt: C. Suetonius Tranquillus. In: Klaus Sallmann (Hrsg.): Die Literatur des Umbruchs. Von der römischen zur christlichen Literatur, 117 bis 284 n. Chr. (= Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. Band 4). C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-39020-X, S. 14–53.
  • Barry Baldwin: Suetonius. The biographer of Caesars. Hakkert, Amsterdam 1983, ISBN 90-256-0846-9.
  • Michael Grant: Klassiker der antiken Geschichtsschreibung. Beck, München 1973, ISBN 3-406-02647-8, S. 276–287.
  • Helmut Gugel: Studien zur biographischen Technik Suetons (= Wiener Studien. Zeitschrift für klassische Philologie und Patristik. Band 7). Böhlau, Wien 1977, ISBN 3-205-07025-9.
  • Tristan Power, Roy K. Gibson (Hrsg.): Suetonius the Biographer. Studies in Roman Lives. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-969710-6.
  • Tristan Power: Collected Papers on Suetonius. Routledge, Abingdon / New York 2021, ISBN 978-0-367-55565-8.
  • Andrew Wallace-Hadrill: Suetonius. 2. Auflage. Bristol Classical Press, London 1995, ISBN 1-85399-451-0.
Commons: Gaius Suetonius Tranquillus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Gaius Suetonius Tranquillus – Quellen und Volltexte (Latein)

Anmerkungen

  1. Nero 57, 2.
  2. Domitian 12, 2.
  3. 1 2 AE 1953, 73.
  4. Caligula 19, 3.
  5. Otho 10.
  6. De grammaticis 4,9.
  7. Plinius, epistulae 1, 18 und 1, 24.
  8. Plinius, epistulae 1, 24.
  9. Plinius, epistulae 10, 94; Antwortbrief Trajans 10, 95.
  10. Plinius, epistulae 3, 8.
  11. Historia Augusta, Hadrian 11, 3.
  12. Plinius, epistulae, 1, 24.
  13. Vgl. dazu Luc De Coninck: Suetonius en de Archivalia. Brüssel 1983, besonders S. 74–85.
  14. Reinhard Stupperich: Die zwölf Cäsaren Suetons. Zur Verwendung von Kaiserporträt-Galerien in der Neuzeit. Mannheimer Historische Forschungen 6, 1995 (online)
  15. Luc De Coninck: Suetonius en de Archivalia. Brüssel 1983; Jacques Gascou: Suètone historien. Rome, 1984.
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