Henriette Karoline Friedericke Jagemann von Heygendorff, auch Caroline Jagemann (* 25. Januar 1777 in Weimar; † 10. Juli 1848 in Dresden) war eine der hervorragendsten tragischen Schauspielerinnen und Sängerinnen ihrer Zeit sowie Theaterintendantin.
Leben
Karoline Jagemann war die Tochter des Gelehrten und Bibliothekars Christian Joseph Jagemann (1735–1804) und der Marianne Barbara Spörer (19. Mai 1748 in Schwabach – 10. September 1825 in Weimar) sowie Schwester des Malers Ferdinand Jagemann (1780–1820).
Sie erhielt 1790 in Mannheim unter August Iffland und Heinrich Beck Schauspiel- und Gesangsunterricht, debütierte 1792 in der Titelrolle von Paul Wranitzkys Singspiel Oberon am dortigen Nationaltheater und am 18. Februar 1797 in derselben Rolle am Weimarer Hoftheater, wo sie im gleichen Jahr als Hofsängerin engagiert worden war.
Jagemann gehörte gemeinsam mit der Sopranistin Henriette Eberwein, dem Tenor Karl Melchior Jakob Moltke und dem Bassisten Karl Stromeier zum „Weimarer Quartett“. 1798 gastierte sie in Berlin, 1800 in Wien, später auch in Stuttgart, Frankfurt am Main und Leipzig.
Mit Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach traf sie im Haus von Christiane Friederike von Löwenstern (1761–1847) zusammen. Christiane Friederike von Gersdorff war seit 1781 die Ehefrau des herzoglich sachsen-weimarischen Rats und livländischen Hofgerichtsassessors Paul von Löwenstern (1752–1842) und machte nach Carl von Stein auf Kochberg (1765–1837) in dessen Abwesenheit die parties fines für den Herzog, welcher die Abende da viel zubringt, wozu sich Dlle. Jagemann einfindet. Nach Carl von Stein hatte die Jagemann an der Löwenstern eine starke Parthie für sich.
Sie wurde 1801 die Geliebte des Herzogs, der sie 1809 zur „Freifrau von Heygendorff“ ernannte und ihr das Rittergut Heygendorf überließ. Ihrem vom Großherzog gezeugten Sohn Karl wurde am 16. Mai 1809 offiziell der Titel von Heygendorff verliehen und er und seine Kinder wurden in den großherzoglich-sächsischen Adel aufgenommen.
Der pessimistische Philosoph Arthur Schopenhauer verliebte sich 1809 als junger Mann unglücklich in die elf Jahre ältere Schauspielerin und schrieb für sie sein einziges überliefertes Liebesgedicht.
Im selben Jahr wurde Karoline Jagemann von Heygendorff zur Operndirektorin ernannt und übernahm, nachdem sie gegen Goethe intrigiert und 1817 dessen Rückzug aus dem Theaterbetrieb bewirkt hatte, die alleinige Leitung des Hoftheaters, seit 1824 als Oberdirektorin.
Nach dem Tod des Herzogs Karl August (1828) zog sich Karoline von Heygendorff von der Bühne zurück und lebte die letzten Jahre bei ihrem Sohn in Dresden. In Weimar hatte sie nach dem Tod des Herzogs keinen Rückhalt in der höheren Gesellschaft mehr. Die einst gegen Goethe gerichtete Intrige fiel ihr nun zur Last. „Der von Johann Peter Eckermann überlieferte Topos, sie habe als Mätresse des Herzogs durch ihre Intrigen Johann Wolfgang von Goethe aus dem Amt als Theaterleiter vertrieben, hielt sich im 20. Jahrhundert beharrlich. Dieses negative Bild der Sopranistin wurde erst jüngst in der Forschung relativiert.“
Karoline Jagemann starb in Dresden und wurde im Familiengrab Heygendorff auf dem Trinitatisfriedhof beerdigt.
Rollen
Zu ihren großen Rollen gehörten die „Elisabeth“ in „Maria Stuart“ (1800) und die „Beatrice“ in der „Braut von Messina“ (1803).
Eigentlich fiel auch die Rolle der „Jungfrau von Orléans“ in ihr Fach. Herzog Karl August aber wollte seine Geliebte nicht als geharnischte Jungfrau auf der Bühne sehen und sorgte dafür, dass Schillers Drama erst nach einiger Verzögerung mit einer anderen, weniger bekannten Titelheldin aufgeführt wurde.
Literatur
- Ruth B. Emde: Selbstinszenierungen im klassischen Weimar: Caroline Jagemann, Band 1: Autobiographie, Kritiken, Huldigungen, Band 2: Briefwechsel, Dokumente, Reflexionen, Göttingen 2004, ISBN 978-3892447436 Digitalisat
- Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Verlag von Paul List, Leipzig 1903, S. 470, (Textarchiv – Internet Archive).
- Reinhold Köhler: Jagemann, Karoline. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 643.
- Wolfgang Freiherr von Löhneysen: Jagemann von Heygersdorff, Karoline, seit 1809. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 294–296 (Digitalisat).
- Agnes Schmidt: „Caroline Jagemann (1777–1848), Frau von Heygendorff. Sängerschauspielerin neben Goethe und Schiller“. In: Nicole K. Strohmann und Antje Tumat (Hg.); unter Mitarbeit von Lukas Kurz und Juana Zimmermann: Bühnenrollen und Identitätskonzepte. Karrierestrategien von Künstlerinnen im Theater des 19. Jahrhunderts, Hannover 2016, S. 111–137.
Weblinks
- Literatur von und über Karoline Jagemann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Karoline Jagemann in der Datenbank Find a Grave (englisch)
- Maren Gottschalk: 10.07.1848 - Todestag von Caroline Jagemann WDR ZeitZeichen vom 10. Juli 2018. (Podcast)
Einzelnachweise
- ↑ Er war der älteste Sohn der bekannten Charlotte von Stein und 1786–1796 mecklenburgisch-schwerinischer Kammerjunker, späterer Kammerherr
- ↑ Selbstinszenierungen im klassischen Weimar: Caroline Jagemann, Autobiographie, Kritiken, Göttingen 2004, S. 311 (Digitalisat)
- ↑ Selbstinszenierungen im klassischen Weimar: Caroline Jagemann (2004), S. 39
- ↑ Zeitzeichen. WDR, 10. Juli 2018, abgerufen am 19. Juli 2018.
- ↑ Der Anlass für das Ende von Goethes Theaterleitung war der Auftritt eines dressierten Pudels auf der Bühne des Hoftheaters. Jagemann setzte die Aufführung des Erfolgsstücks Der Hund des Aubry, eines ins Deutsche übersetzten Melodrams von René Charles Guilbert de Pixérécourt, beim Großherzog durch, entgegen Goethes Theatergrundsätzen und gegen seinen Einspruch bei Carl August. Er drohte schriftlich aus Jena mit seinem Rücktritt. Der Pudel Dragon trat am 12. April 1817 auf und tags darauf war Goethe entlassen.
- ↑ Nicole K. Strohmann und Antje Tumat: „Bühnenrollen – Identitätskonzepte – Karrierestrategien. Einführende Überlegungen zu Künstlerinnen im Theater des 19. Jahrhunderts“. In: Dies. (Hg.): Bühnenrollen und Identitätskonzepte. Karrierestrategien von Künstlerinnen im Theater des 19. Jahrhunderts, Hannover 2016, S. 9–23, hier S. 17. Zur neueren Forschung zu Jagemann siehe Agnes Schmidt 2016.