Charon
Charon, aufgenommen von der Raumsonde New Horizons am 14. Juli 2015
Vorläufige oder systematische Bezeichnung Pluto I, S/1978 P 1
Zentralkörper Pluto
Eigenschaften des Orbits
Große Halbachse 19.596 km
Exzentrizität 0,0
Periapsis unbekannt
Apoapsis unbekannt
Bahnneigung
zum Äquator des Zentralkörpers
0,00005°
Umlaufzeit 6,3872 d
Mittlere Orbitalgeschwindigkeit 0,223 km/s
Physikalische Eigenschaften
Albedo 0,42
Scheinbare Helligkeit 17,26 mag
Mittlerer Durchmesser 1.212 km
Masse 1,586 × 1021 kg
Oberfläche 4.578.343 km2
Mittlere Dichte 1,70 g/cm3
Siderische Rotation synchron
Fallbeschleunigung an der Oberfläche 0,288 m/s2
Fluchtgeschwindigkeit 591 m/s
Oberflächentemperatur −258 °C bis −213 °C / 15 bis 60 K
Entdeckung
Entdecker

J. W. Christy

Datum der Entdeckung 22. Juni 1978
Anmerkungen Größter Plutosatellit; plutosynchron gebundene Rotation
Größenvergleich zwischen den Paaren ErdeMond und Pluto–Charon (unten rechts) im gleichen Maßstab (Fotomontage).

Charon (auch Pluto I, zur Aussprache siehe unten) ist der innerste und größte der fünf bekannten Monde des Zwergplaneten Pluto. Entdeckt wurde er im Jahr 1978. Sein mittlerer Durchmesser beträgt 1212 Kilometer, was etwas mehr als die Hälfte des Durchmessers von Pluto ausmacht. Verglichen mit anderen Monden im Sonnensystem ist Charon damit im Verhältnis zu seinem Hauptkörper ungewöhnlich groß und der gemeinsame Schwerpunkt liegt weit außerhalb von Pluto.

Im August 2006 diskutierte die Internationale Astronomische Union (IAU), ob Charon und Pluto gemeinsam als Doppelplanet den Status eines Zwergplaneten (Plutoids) erhalten sollen. Beschlossen wurde jedoch nur über Pluto; Charon ist vorerst im Status Satellit verblieben.

Entdeckung

Charon wurde am 22. Juni 1978 von dem Astronomen James Walter Christy vom United States Naval Observatory in Washington, D.C. bei der Auswertung von fotografischen Platten entdeckt, die Monate zuvor vom 1,55-Meter-Kaj-Strand-Astrometric-Reflector angefertigt worden waren. Christy stellte fest, dass Pluto auf den Fotografien periodisch eine leichte Ausbeulung aufwies (siehe Bild). Dieses Phänomen, das auf einen Mond des Pluto hinwies, konnte später noch auf fotografischen Platten nachgewiesen werden, die bereits am 29. April 1965 belichtet worden waren. Die Periode der Ausbeulung entsprach der Rotationsperiode von Pluto, die durch dessen Lichtkurve bekannt war, und wies dadurch auf einen synchronen Orbit hin. Alle Zweifel wurden beseitigt, als Pluto und Charon zwischen 1985 und 1990 einander wiederholt bedeckten, was nur in zwei Abschnitten innerhalb der 248-jährigen Umlaufperiode von Pluto geschieht. Es war also ein glücklicher Zufall, dass dies so bald nach Charons Entdeckung stattfand. Die Entdeckung eines Plutomondes erlaubte es den Astronomen, Plutos Masse und Größe genauer zu bestimmen. Zuvor wurde Pluto noch deutlich größer eingeschätzt.

Benennung und Aussprache

Die Entdeckung wurde am 7. Juli 1978 bekanntgegeben; der neue Himmelskörper erhielt die vorläufige Bezeichnung S/1978 P 1.

Am 3. Januar 1986 wurde der Mond von der IAU offiziell nach dem Fährmann Charon benannt, der in der griechischen Mythologie die Verstorbenen über den Totenfluss Styx in das Reich des Totengottes Hades (lateinisch Pluto) bringt. Die IAU bevorzugte damit den Namensvorschlag Christys, der damit auch auf die ersten vier Buchstaben des Namens seiner Ehefrau Charlene, von ihm Char genannt, anspielte. Zur Aussprache des Namens existieren daher drei Varianten: Eine, die den ersten Laut als ch (wie in „ich“) ausspricht, also [ˈçaːrɔn] oder [çˈaːʁɔn], sowie eine, bei der das Wort mit einem k-Laut beginnt, also [ˈkaːrɔn]. Die Aussprache mit einem sch-Laut zu Beginn ist, Christy folgend, im Englischen verbreitet, wo der Name des Mondes dann wie der Vorname Sharon ['ʃærən] klingt.

Bei der Namensgebung stand auf Vorschlag von Christys Kollegen vom Naval Observatory auch noch Persephone zur Diskussion, die Gemahlin Plutos in der Mythologie.

Nach einer Anfrage im Jahr 2015 von der Internationale Astronomische Union nach Namensvorschlägen zur Benennung von Bergen, Kratern etc. auf dem Mond, wurde 2018 entschieden, Namen von Literaten, Entdeckern und aus der Mythologie zu verwenden. Beispiel: 'Butler Mons', 'Clarke Montes', 'Kubrick Mons', 'Nemo Krater', 'Dorothy Krater'.

Anders als der Erdmond oder Pluto verfügt Charon über kein offizielles astronomisches Symbol oder eines, das allgemein verwendet wird.

Eine leichte Verwechslungsgefahr besteht zum etwa ein Jahr zuvor entdeckten Asteroiden und Kometen (2060) Chiron, der aber nach einem Zentauren aus der Mythologie benannt wurde.

Bahneigenschaften

Umlaufbahn

Pluto und Charon befinden sich 19.596 km voneinander entfernt. Sie umkreisen einander in einer in Bezug auf das Sonnensystem retrograden, beinahe perfekt kreisförmigen Umlaufbahn um den gemeinsamen Schwerpunkt, der sich wegen des relativ geringen Massenunterschiedes etwa 1200 km über der Oberfläche des Pluto befindet. Damit sind Charon und Pluto physikalisch ein Doppelsystem. Die Bahnexzentrizität beträgt etwa 0,0 ist also nicht messbar, und die Bahn ist 0,00005° gegenüber dem Äquator von Pluto geneigt.

Charon und Pluto umrunden einander in 6 Tagen, 9 Stunden, 18 Minuten.

Rotation

Charon rotiert synchron um das Baryzentrum. Er weist damit wie der Erdmond eine gebundene Rotation auf und zeigt seinem Hauptkörper immer dieselbe Seite. Im Unterschied zu Erde und Mond wurden die Rotationszeiten von Pluto und Charon durch Gezeitenkräfte beiderseits abgebremst und synchronisiert; daher wendet auch Pluto Charon immer dieselbe Seite zu. Dies ist der einzige bestätigte Fall einer doppelt gebundenen Rotation im Sonnensystem, was als Hantelrotation bezeichnet wird.

Physikalische Eigenschaften

Charon hat einen mittleren Durchmesser von 1212 km, der etwas mehr als der Hälfte des Zentralkörpers entspricht. Charons Masse beträgt etwa 12 Prozent der Masse von Pluto. Er ist der zwölftgrößte Mond im Sonnensystem.

Innerer Aufbau

Charons mittlere Dichte wurde mit 1,7 g/cm³ bestimmt. Er sollte damit zu etwa 55–60 % aus Gestein und zu 40–45 % aus Wassereis bestehen; ein augenfälliger Unterschied zu Pluto, dessen Gesteinsanteil bei etwa 70 % liegt.

Zum inneren Aufbau von Charon gibt es zwei Theorien: Entweder ist Charon ein differenziert aufgebauter Körper mit einem Gesteinskern und Eismantel, oder er besteht aus einer einheitlichen Eis-Gestein-Mischung. Durch die Entdeckung von Hinweisen auf Kryovulkanismus wird die erste Theorie favorisiert. Damit gilt Charon als Eismond.

Der relativ hohe Anteil an felsigem Material und das Fehlen einer merklichen Atmosphäre stützen die Annahme, nach der dieser verhältnismäßig große Trabant analog der Entstehung des Erdmondes das Produkt der großen Kollision eines Vorgängers von Pluto mit einem anderen plutogroßen Körper des Kuipergürtels ist.

Helligkeit

Von der Erde aus betrachtet ist Charon mit einer Helligkeit von 16m sehr lichtschwach. Von Pluto aus betrachtet ist er auf Grund seiner Größe sehr hell und erreicht bei Voll-Charon etwa −10,6m. Das aschgraue Licht des Neu-Charons ist mit −4m heller als das des Erdmondes mit −2,8m. Pluto von Charon aus betrachtet erreicht bei Voll-Pluto mit −12,5m die Helligkeit unseres Vollmondes. Ursache ist die zur Größe geringe Entfernung zwischen Pluto und Charon. Die dadurch entstehenden Gezeitenkräfte sind knapp 20-mal so stark wie im Erde-Mond-System.

Oberfläche

Charons Oberfläche hat eine Größe von etwa 4.580.000 km2. Sie hat ein Rückstrahlvermögen von etwa 40 %. Dies ist im Vergleich zu anderen Kuipergürtelobjekten ziemlich hell und entspricht annähernd der Albedo der Erde. Anders als Plutos Oberfläche, die von gefrorenem Stickstoff und Methan überzogen ist, scheint Charons Oberfläche aus dem weniger flüchtigen Wassereis zu bestehen. Außerdem erscheint Charon im Unterschied zum inhomogen rotbräunlich gefärbten Pluto in einem einheitlich neutralen Grau.

Die Oberflächentemperatur an den Polen bewegt sich zwischen −213 °C und −258 °C. Das entspricht dem in dieser Entfernung zu erwartenden Strahlungsgleichgewicht. Der Druck einer eventuellen, äußerst dünnen Atmosphäre kann höchstens 0,011 Pa betragen.

Das Gemini-Observatorium gab am 17. Juli 2007 bekannt, dass es auf Charon Kryovulkane entdeckt habe, die eine Mischung aus kristallinem Wassereis und Ammoniumhydroxid an die Oberfläche bringen, die sich dann global ablagert. Dass das Eis noch immer in kristalliner Form vorliegt, weist auf kürzliche Ablagerungen hin, da die Ultraviolettstrahlung der Sonne und die kosmische Strahlung das Eis innerhalb von etwa 30.000 Jahren in ein amorphes Stadium verwittert haben müsste.

Auffällig ist das fast völlige Fehlen größerer Einschlagkrater auf den Bildern der Raumsonde New Horizons. Dies spricht für eine junge Oberfläche, die noch bis in jüngere Zeit durch geologische oder andere Prozesse umgeformt wurde, wodurch insbesondere auf der südlichen Hemisphäre die üblicherweise vorhandenen älteren Einschlagkrater überdeckt oder abgetragen wurden.

Besonders markant ist Charons rötliche Polarregion. Sie bekam den informellen Namen Mordor Macula, nach dem Land Mordor in J. R. R. Tolkiens Roman Der Herr der Ringe. Möglicherweise schlägt sich dort während der über 100-jährigen Polarnacht aus der Plutoatmosphäre entwichenes Methan nieder, das, bevor es wieder verdampfen kann, bis in den Sommer durch energiereiche Strahlung stufenweise in beständigere, rotbraune Tholine umgewandelt wird. Entsprechend dieser Erklärung deuten Analysen des von Charons Polarnachtseite reflektierten Plutolichts darauf hin, dass es auch in der Südpolregion eine dunkle Verfärbung gibt.

Für die Nomenklatur der Formationen auf Charon hat die IAU die Herkunftsbereiche von möglichen Namensgebern auf Ziele und Meilensteine fiktiver Erkundungen sowie fiktive und mythologische Fahrzeuge, Reisende und Forscher festgelegt. Am 12. April 2018 wurden die ersten zwölf Namen offiziell bestätigt.

Erforschung

Die ersten Bilder, die Pluto und Charon als zwei separate Körper zeigten, gelangen in den 1990er Jahren mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Später wurde dies durch den Einsatz von adaptiver Optik auch mit erdgebundenen Teleskopen möglich.

Die am 19. Januar 2006 gestartete Raumsonde New Horizons flog am 14. Juli 2015 in 12.500 km Entfernung an Pluto vorbei und passierte einige Minuten später ihren zum ferneren Charon nächstgelegenen Bahnpunkt bei einem geringsten Abstand von 28.800 km. Ihre weitere Flugbahn führte die Sonde noch durch die Schatten der beiden Himmelskörper, sodass mit ihr sowohl eine Verfinsterung durch Pluto als auch eine durch Charon beobachtet werden konnte.

Charon in der Fiktion

In der Videospielserie Mass Effect entpuppt sich Charon als ein Portal für interstellare Raumfahrt.

Siehe auch

Literatur

  • Alan Stern, Jacqueline Mitton: Pluto and Charon. Ice Worlds on the Ragged Edge of the Solar System. 2nd edition, revised and updated. Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 3-527-40556-9.
Commons: Charon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 David R. Williams: Pluto Fact Sheet. In: NASA.gov. 31. März 2023, abgerufen am 5. April 2023 (englisch).
  2. Ryan S. Park: Planetary Satellite Physical Parameters. In: NASA.gov. 19. Februar 2015, archiviert vom Original am 4. September 2021; abgerufen am 5. April 2023 (englisch).
  3. Charon – By the numbers. In: NASA.gov. Abgerufen am 7. April 2023 (englisch).
  4. Charon – In depth. In: NASA.gov. 16. September 2022, abgerufen am 5. April 2023 (englisch).
  5. 1 2 NASA: New Horizons probes the mystery of Charon's red pole. In: phys.org. 11. September 2015, abgerufen am 5. April 2023 (englisch).
  6. IAU.org: Pluto and the Developing Landscape of Our Solar System. Zitat: For now, Charon is considered just to be Pluto's satellite. The idea that Charon might qualify to be called a dwarf planet in its own right may be considered later.
  7. James W. Christy, Robert S. Harrington: The satellite of Pluto. In: Astronomical Journal. Bd. 83, 1978, S. 1005–1008, doi:10.1086/112284, online
  8. IAUC 3241: 1978 P 1 7. Juli 1978 (Entdeckung).
  9. IAUC 4157: Satellites of Saturn and Pluto 3. Januar 1986 (Benennung).
  10. [ˈçaːrɔn] in Helmut Boor (Hrsg.): Theodor SiebsDeutsche Hochsprache (18. Auflage), de Gruyter, Berlin 1966, S. 263.
  11. [ˈçaːrɔn] in Max Mangold (Bearb.): Duden. Das Aussprachewörterbuch (6. Auflage), Dudenverlag, Mannheim 2005, ISBN 3-411-04066-1, S. 238.
  12. [çˈaːʁɔn] in Eva-Maria Krech, Eberhard Stock, Ursula Hirschfeld, Lutz-Christian Anders: Deutsches Aussprachewörterbuch, de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-018202-6, S. 408.
  13. „Kahron“ in Carl Venator: Die in unserer Sprache gebräuchlichen Fremdwörter (3. Auflage), L. Pabst, Darmstadt 1838, S. 79.
  14. „Karon“ in Pierer’s Universal-Lexikon Band 3, Altenburg 1857, S. 874.
  15. SpaceRef Editor: New Horizons Team Names Science Ops Center After Charon's Discoverer. 10. Oktober 2002, abgerufen am 22. August 2022 (amerikanisches Englisch).
  16. International Astronomical Union. Pluto's largest moon, Charon, gets its first official feature names. Abgerufen am 7. Februar 2023.
  17. M. J. Person, J. L. Elliot, A. A. S. Gulbis, J. M. Pasachoff, B. A. Babcock, S. P. Souza, J. Gangestad: Charon’s Radius and Density from the Combined Data Sets of the 2005 July 11 Occultation. In: Astronomical Journal. 03/2006; 132(4), S. 1575–1580, ISSN 1538-3881, doi:10.1086/507330, arxiv.org.
  18. Hans-Arthur Marsiske: Der Schatten des Charon. In: Telepolis 8. Januar 2006 (Größe von Charon auf wenige Kilometer genau).
  19. Bruno Sicardy u. a.: Charon’s size and an upper limit on its atmosphere from a stellar occultation. In: Nature. Bd. 439, 2006, S. 52–54, doi:10.1038/nature04351.
  20. Measuring the Size of a Small, Frost World In: ESO Pressemitteilung 4. Januar 2006 (englisch).
  21. Charon: An Ice Machine in the Ultimate Deep Freeze. Gemini-Observatorium datum=2019-02-20, abgerufen am 5. April 2023 (englisch, Kryovulkanismus)..
  22. Rainer Kayser: Warum Charon ein rotes Käppchen trägt. (Memento vom 7. Februar 2018 im Internet Archive) 20. September 2016.
  23. W. M. Grundy et al., The formation of Charon’s red poles from seasonally cold-trapped volatiles, Nature 2016 doi:10.1038/nature19340
  24. Namen auf Pluto-Mond. Vom Spock-Krater nach Mordor und zurück. In: Spiegel Online, 29. Juli 2015
  25. IAU: Naming of Astronomical Objects. Zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2016
  26. USGS, Astrogeology Science Center: First Names Approved for Charon.
  27. Charon im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN)/USGS
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