Die Cistophori (gr.) (auch Cistophoren; Singular Cistophorus) waren im hellenistisch-römischen Kleinasien Münzen im Wert von etwa drei Drachmen oder drei Denaren. Sie waren vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. in Gebrauch. Zu unterschiedlichen Zeiten wurden die Münzen in 15 unterschiedlichen Städten Kleinasiens geprägt, beispielsweise in Pergamon, Sardeis, Smyrna und im bithynischen Nikomedia.

Aufkommen

Die ersten Prägungen der Cistophori entstanden etwa in der Zeit zwischen 175 und 160 v. Chr. unter dem attalidischen König Eumenes II. und ersetzten die bis dahin praktizierte attalidische Prägung von Tetradrachmen. Dabei wurde der Nominalwert der Münzen beibehalten, der Münzgewicht-Standard jedoch von bisher etwa 16,8 Gramm auf den chiisch-rhodischen oder ptolemäischen Standard von etwa 12,75 Gramm reduziert.

Die Cistophori wurden in der Folge zur einzigen gültigen Währung im Attalidenreich, was dafür sorgte, dass Silbermünzen aus anderen Regionen umgetauscht werden mussten. Aufgrund des geringeren Gewichtes, aber gleichen Nennwertes der Cistophori bedeutete dies, dass der attalidische König einen Gewinn von etwa einem Viertel des Gewichtes einer Münze machte.

Gestaltung

In der ursprünglichen Cistophoren-Prägung zeigte die Vorderseite (Avers) einen Efeukranz, innerhalb dessen ein Schlange in eine halbgeöffnete geflochtene Kiste kriecht oder aus ihr herauskommt. Diese Kiste (lateinisch/griechisch cista) wurde als cista mystica bezeichnet und war ein Symbol der Mysterien des Gottes Dionysos. Von dieser Darstellung leitet sich auch der Name Cistophori her (wörtlich: „die Kistentragenden“, also die eine Kiste zeigenden Münzen). Auf der Rückseite (Revers) der Münzen war ein Goryt (Pfeilköcher) dargestellt, auf dessen beiden Seiten sich je eine Schlange aufrichtete. Beide Schlangen sind im Paarungsakt miteinander verbunden und können orphisch gedeutet werden. Links von der Reversdarstellung war meist der Name der Stadt, aus der die Münze stammte, als Münzzeichen in Form eines Monogramms wiedergegeben.

Eine kleine Gruppe Cistophori – nämlich genau diejenigen aus den Städten Thyateira, Stratonikeia am Kaïkos und Apollonis – tragen zusätzlich noch die Aufschrift ΒΑ ΕΥ als Abkürzung für Βασιλεύς Εὐμένης, „König Eumenes“, sowie Zahlen zwischen 1 und 4, die als Angabe von Regierungsjahren gedeutet werden. Ursprünglich vermutete man, dass es sich um Regierungsjahre des Attaliden Eumenes II. (regierte 197–158 v. Chr.) handele. Das hätte bedeutet, dass die Entstehung dieses Münztyps deutlich früher angesetzt hätte werden müssen als eigentlich angenommen. E. S. G. Robinson zeigte jedoch 1954, dass diese speziellen Cistophori erst unter Aristonikos († 129 v. Chr.) geprägt wurden, der mehrere Jahre gegen die römische Übernahme des Attalidenreiches Widerstand leistete und sich anscheinend selbst den Herrschernamen Eumenes gegeben hatte.

In römischer Zeit wurde die cista mystica auf der Vorderseite durch ein Porträt des regierenden Kaisers ersetzt; die Rückseite zeigte oft Personifikationen wie die römische Göttin Pax.

Stellung im Währungssystem

Standardwährung waren Drachmen und Denare. Doch schon der Name Marcus Tullius Ciceros als Prokonsul von Kilikien (51/50 v. Chr.) auf diesen Münzen zeigte die Akzeptanz dieses Zahlungsmittels. Die Cistophori des Marcus Antonius von 39 v. Chr. wurden aufgrund ihrer Qualität geschätzt.

Als regelrechte „Kolonialmünzen“ wurden Cistophori von den Römern für den Zahlungsverkehr bereits unter Augustus akzeptiert. Dessen erste Ausgabe 28 v. Chr. litt an einem Metallmangel, so dass man eine erhebliche Menge von Cistophori aus Zeiten der Republik und Drachmen einschmolz. Die Münzen von Ephesos und Pergamon arbeiteten zusammen, um die ungeheure Menge von 15 bis 20 Millionen Cistophori zwischen 28 und 18 v. Chr. überhaupt prägen zu können.

Im Laufe der Zeit verloren die Cistophori an Wert. Hatten sie unter Augustus noch ein Gewicht von 11,71 Gramm, verringerte es sich während der Regierungszeiten von Claudius, Vespasian und Hadrian, der die Produktion noch einmal forcierte, auf 10,8 und schließlich auf 9,95 Gramm. Unter Septimius Severus und Caracalla wurden die Cistophori zu einem Äquivalent von drei Denaren.

Die Cistophori des Augustus gelten als Beleg für die Rückkehr der Prosperität, die man der Entdeckung neuer Silberminen in Thrakien und Kleinasien zu verdanken hatte. Die Cistophori deckten das Bedürfnis der Provinzen nach einer festen Währung für die nächsten 150 Jahre, so dass das Silber aus den neuentdeckten Minen bald mehr zur Prägung der Cistophori als zur Prägung von Denaren verwendet wurde. Denare setzten sich in Kleinasien erst im 2. Jahrhundert n. Chr. durch.

Literatur

Überblicke

  • Alexander Mlasowsky: Cistophoren. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 2, Metzler, Stuttgart 1997, ISBN 3-476-01472-X, Sp. 1222–1223.
  • Peter Franz Mittag: Griechische Numismatik. Eine Einführung (Alte Geschichte Forschung). Verlag Antike, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-938032-85-5, S. 188 f.

Spezialstudien

  • Lucia Carbone: Hidden Power. Late Cistophoric Production and the Organization of Provincia Asia (128–89 BC) (= Numismatic Studies. Band 42). The American Numismatic Society, New York 2020, ISBN 978-0-89722-363-8.
  • Fred S. Kleiner, Sydney P. Noe: The early Cistophoric Coinage (= Numismatic studies. Band 14). The American Numismatic Society, New York 1977.
  • William E. Metcalf: The Cistophori of Hadrian (= Numismatic Studies. Band 15). The American Numismatic Society, New York 1980, ISBN 0-89722-181-8 (zugleich Dissertation, University of Michigan, Ann Arbor 1973).
  • William E. Metcalf: The Later Republican Cistophori (= American Numismatic Society. Numismatic Notes and Monographs. Band 170). The American Numismatic Society, New York 2017, ISBN 0-89722-347-0.
  • C. H. V Sutherland: The Cistophori of Augustus (= Royal Numismatic Society. Special publication 5, ISSN 0080-4487). Royal Numismatic Society, London 1970.
  • Peter Thonemann (Hrsg.): Attalid Asia Minor. Money, International Relations, and the State. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-965611-0 (darin vor allem: Andrew Meadows: The Closed Currency System of the Attalid Kingdom. S. 149–205).

Einzelnachweise

  1. Dies steht jedoch im Gegensatz zum eigentlichen rhodischen System, 1 Tetradrachmon = 12,36 g; durchschnittliches Gewicht zwischen 11,90 bis 12,55 g. Vgl. Arthur Suhle: Kulturgeschichte der Münzen. Battenberg, München 1969, S. 30.
  2. Peter Franz Mittag: Griechische Numismatik. Eine Einführung. Verlag Antike, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-938032-85-5, S. 188.
  3. Alexander Mlasowsky: Cistophoren. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 2, Metzler, Stuttgart 1997, ISBN 3-476-01472-X, Sp. 1222–1223.; Peter Franz Mittag: Griechische Numismatik. Eine Einführung. Verlag Antike, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-938032-85-5, S. 188.
  4. Elke Krengel: Orphik in Pergamon: Die Bedeutung des Schlangenpaares auf den Cistophoren und römischen Prägungen. In: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte. Band 66, 2016, S. 1–41. ()
  5. Arthur Suhle: Kulturgeschichte der Münzen. Battenberg, München 1969, S. 30 f.
  6. E. S. G. Robinson: Cistophori in the Name of King Eumenes. In: Numismatic Chronicle. Band 14, 1954, S. 1–8.
  7. Kenneth W. Harl: Coinage in the Roman Economy, 300 B.C. to A.D. 700. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1996, ISBN 0-8018-5291-9, S. 99.
  8. Kenneth W. Harl: Coinage in the Roman Economy, 300 B.C. to A.D. 700. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1996, ISBN 0-8018-5291-9, S. 100.
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