Der Codex Theodosianus ist eine spätantike Gesetzessammlung, die der oströmische Kaiser Theodosius II. (408–450) gemeinsam mit seinem Vetter, dem jungen weströmischen Kaiser Valentinian III. (425–455), in Auftrag gab, um die römischen Gesetze und das Kaiserrecht seit 312 (und im Anschluss an die Codices Gregorianus und Hermogenianus) zusammenzustellen.

Nach achtjähriger Arbeit wurden die 16 Teile des Codex im Jahr 438 vollendet und veröffentlicht – in lateinischer Sprache, die bis ins 6. Jahrhundert auch in Ostrom die Sprache des Rechts war. Wichtig war, dass die Zusammenstellung für das Gesamtreich Gültigkeit haben sollte; dies ist ein Zeichen dafür, dass das Imperium Romanum auch nach der so genannten Reichsteilung von 395 nicht etwa in zwei unabhängige Staaten zerfallen war, sondern im Verständnis der Zeitgenossen lediglich (wie bereits in den Jahrzehnten vor 395) aus Gründen der Arbeitsteilung von zwei Kaisern regiert wurde. Auch nach 438 erließen daher Ost- und Westkaiser gemeinsame Gesetze, das letzte stammt aus dem Jahr 472. Die Sammlung ist eine überaus wichtige historische Quelle, sie verschafft Einblick in die gaianischen Institutionen, welche Bestandteil der florierenden Rechtswissenschaft der klassischen Zeit waren.

Der Codex Theodosianus wurde in Westeuropa auch nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums im Jahr 476 weiter benutzt; vor allem unter den Westgoten, aber auch in anderen germanischen Nachfolgereichen Roms bildete die Sammlung eine Grundlage der eigenen Gesetzbücher. Die wisigotische Interpretation des Codex soll vornehmlich auf den spätantiken Quellen des oströmischen Kaisers Justinian beruht haben und nicht auf den Redaktionen des gotischen Warlords Alarich. Der Codex Theodosianus war der wichtigste Vorläufer für den Codex Iustinianus, den Justinian im Jahr 528 in Auftrag gegeben hatte und der alle damals noch gültigen Gesetze seit Hadrian aufnahm.

In einem Hauptort Siziliens soll um 450 ein Scholienapparat zur zweiten Hälfte des Codex entstanden sein, der sich durch eine einzige Handschrift, den Codex Vaticanus reginae 886 repräsentiert. Bedeutung für die Nachwelt erlangten die vatikanischen Summarien, weil so die Bücher 9 bis 16 wieder vollständig wurden, mehrfach gewürdigt und ediert von G. Hänel, Carlo Manenti und letztlich Theodor Mommsen und Paul M. Mayer, dort im Band 1.1. Prolegomena derer Ausgabe. Über die Zusammenstellung hinaus summierte der Scholiast verschiedene Passagen der Bücher mit Eigenbeiträgen.

Ausgaben

  • Iacobus Gothofredus: Codex Theodosianus cum perpetuis commentariis Jacobi Gothofredi. Leipzig 1736–1743 (Nachdruck 1975), online.
  • Theodor Mommsen, Paulus Meyer: Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes. Vier Teilbände. Berlin 1905 (Nachdruck 1954, 1970):
    • Band 1.1: Prolegomena von Mommsen, online, online, online, online
    • Band 1.2: Text des Codex Theodosianus und der constitutiones Sirmondianae, online
    • Band 2: Leges novellae ad Theodosianvm pertinentes, online
    • Band [3]: Tabulae sex (4 Seiten Text und 6 Fototafeln in Großformat), kein Digitalisat
  • Iacobus Gothofredus: Codex Theodosianus 16,8,1-29. Übersetzt und bearbeitet von Renate Frohne (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Band 453). Bern – Frankfurt/Main – New York – Paris 1991, ISBN 3-261-04287-7.
  • Clyde Pharr: The Theodosian Code. And Novels. And the Sirmondian Constitutions. A Translation with Commentary, Glossary, and Bibliography, Princeton 1952.

Literatur

Wikisource: Codex Theodosianus – Quellen und Volltexte (Latein)

Einzelnachweise

  1. Christoph F. Wetzler: Rechtsstaat und Absolutismus. Überlegungen zur Verfassung des spätantiken Kaiserreichs anhand CJ 1.14.8.; in: Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 1997, Einführung.
  2. C. G. Bruns, Otto Lenel: Geschichte u. Quellen des römischen Rechts, in: Holtzendorf/Kohlers, § 4; Goten 19 Enzyklopädie I (1915) S. 389 ff.
  3. Franz Wieacker in: Latein. Kommentare zum Codex Theodosianus, Symbolae Friburgenses in honorem Ottonis Lenel (1935) S. 259—356, insbesondere S. 269 ff.
  4. Vatikan, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Reg. Lat. 886
  5. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-06157-8. S. 177–188.
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