Kronos (altgriechisch Κρόνος Krónos) ist in der griechischen Mythologie der jüngste Sohn der Gaia (Erde) und des Uranos (Himmel), Anführer der Titanen sowie Vater von Zeus und den Kroniden. In der römischen Mythologie entspricht ihm Saturn(us).

Etymologie

Sein Name wurde in der antiken Volksetymologie der Orphiker schon sehr früh mit dem des Zeitgottes Chronos (Χρόνος Chrónos) gleichgesetzt, was aber etymologisch falsch ist; ursprünglich waren es zwei verschiedene Götter, die dann in manchen Überlieferungen miteinander verschmolzen wurden. Die Etymologie ist umstritten; man hat eine Ableitung von κραίνειν kraínein, deutsch vollenden, erwogen, dann wäre Kronos der „Vollender“. Auch wurde vermutet, dass der Name vorgriechischen Ursprungs sei und somit Kronos aus einer vorgriechischen Tradition übernommen wurde. Der Autor des 1962 gefundenen Derveni-Papyrus, einer der ältesten bekannten literarischen Schriften der griechischen Antike, bietet eine andere Etymologie, indem er Kronos von κρούειν kroúein, deutsch stoßen, schlagen, herleitet.

Mythologie

In der Frühzeit der Mythologie hatte Kronos noch keinen festen Platz in der Genealogie der Götter; von den verschiedenen Versionen des Mythos hat sich die von Hesiod überlieferte durchgesetzt, die Kronos zu einem Sohn von Uranos und Gaia macht.

Da Uranos seine Kinder – die Kyklopen und Hekatoncheiren – so sehr hasste, dass er sie in den Tartaros verbannte, brachte Gaia ihre weiteren Kinder – die Titanen – im Geheimen zur Welt. Sie stiftete schließlich Kronos an, den Vater mit einer Sichel zu entmannen.

Kronos wurde damit zum Herrscher der Welt und Begründer des Goldenen Zeitalters. Er wurde von seiner Schwester Rhea (Rheia) zum Gatten genommen. Aus Angst, selbst entmachtet zu werden, fraß er jedoch alle Kinder, die aus dieser Verbindung entstanden: Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon, die Kroniden. Den jüngsten Sohn jedoch, Zeus, versteckte Rhea auf Anraten von Gaia und Uranos in der Höhle von Psychro im Dikti-Gebirge auf Kreta, während sie dem Kronos einen in eine Windel gewickelten Stein überreichte, den dieser verschlang, ohne den Betrug zu bemerken. So konnte Zeus ungestört heranwachsen. Später gelang es Zeus, seinen Vater mit List und Gewalt zu überwinden, worauf Kronos erst den Stein und dann seine verschlungenen Kinder ausspuckte. Den Stein stellte Zeus an der Kultstätte Pytho (Delphi) auf, damit er dort von den Sterblichen bestaunt werde.

Die Orphiker erzählten, dass Kronos eines Tages von dem damals aus den Eichen fließenden Honig berauscht dalag und so von Zeus gefesselt werden konnte. Anschließend brachte dieser ihn auf die „Insel der Seligen“, die Elysischen Gefilde, die am Rande des Erdkreises liegen, wo Kronos bis heute weile. Daher halte dort noch immer das Goldene Zeitalter an, das für den Rest der bekannten Welt mit seiner Entmachtung sein Ende gefunden habe. Metis, die erste Geliebte des Zeus, war diesem bei der Entmachtung des Vaters behilflich, indem sie ihm den Trank reichte, der Kronos betäubte und ihn schließlich dazu zwang, alle zuvor verschlungenen Kinder wieder von sich zu geben.

Verehrung

Kronos war eine relativ schattenhafte Gestalt aus der Mythologie, die nur in sehr geringem Maße kultisch verehrt wurde. Allerdings gab es ein ihm zu Ehren gefeiertes ländliches Fest, die Kronien. Der von ihm ausgespuckte Stein wurde in Delphi verehrt; man salbte ihn täglich mit Öl und umwickelte ihn an Festtagen mit wollenen Binden. Er ist nicht zu verwechseln mit einem anderen ebenfalls in Delphi aufgestellten und verehrten Stein, dem Omphalos. Der Steinkult war in der Antike im Mittelmeerraum verbreitet.

In Ägypten wurde Kronos in griechisch-römischer Zeit mit dem Erdgott Geb gleichgesetzt, der im ägyptischen Pantheon als Vater der Götter Osiris, Isis, Seth und Nephthys eine ähnliche Position einnahm wie Kronos in der griechischen Mythologie. Besonders gut ist diese Gleichsetzung in Tebtynis im südlichen Faiyum bezeugt: Geb bzw. Kronos waren hier in eine lokale Ausformung des Kultes um den Krokodilgott Sobek integriert. Die Gleichsetzung zeigte sich einerseits in der lokalen Götterikonografie, in der Geb als Mensch mit Attributen des Kronos bzw. Kronos mit Attributen des Geb dargestellt wurde. Andererseits wiesen sich die Priester des örtlichen Haupttempels in ägyptischen Texten als Priester des „Soknebtynis-Geb“, in griechischen Texten aber als Priester des „Soknebtynis-Kronos“ aus. In der lokalen Bevölkerung waren zudem neben ägyptischen Namen, die sich auf den Gott Geb bezogen, auch griechische Namen beliebt, die von dem Namen Kronos hergeleitet waren, insbesondere „Kronion“.

Stammbaum der Titanen

 
 
 
ChaosGaiaUranos
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Göttergeschlechtder Titanen
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Okeanos
 
 
Kreios
 
 
Hyperion
 
 
Theia
 
 
Themis
 
 
Phoibe
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kronos
 
Koios
 
Iapetos
 
Rhea
 
Mnemosyne
 
Tethys
 
 

Stammbaum der olympischen Götter

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kronos
 
 
 
Rhea
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Hestia
 
Hades
 
Poseidon
 
Demeter
 
 
Zeus
 
Hera
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Athene
 
Apollon
 
Artemis
 
Hermes
 
Dionysos
 
Aphrodite
 
Hephaistos
 
Ares

Literatur

Commons: Kronos – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Geoffrey S. Kirk, John E. Raven, Malcolm Schofield (Hrsg.): Die vorsokratischen Philosophen. Einführung, Texte und Kommentare. Neuauflage. Metzler, Stuttgart 2001, S. 31. 62–66; Gerhard Baudy: Kronos. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 6, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01476-2, Sp. 864–870, hier Sp. 864.
  2. Max Pohlenz: Kronos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XI,2, Stuttgart 1922, Sp. 1982–2018, hier: 1986 f. (Digitalisat).
  3. Theokritos Kouremenos, George M Parássoglu, Kyriakos Tsantsanoglou (Hrsg.): The Derveni Papyrus. Edited with Introduction and Commentary. Olschki, Florenz 2006, ISBN 88-222-5567-4, Kolumne 14,2–9, S. 89 und S. 133; Gábor Betegh: The Derveni Papyrus. Cosmology, Theology and Interpretation. Cambridge University Press, Cambridge 2004, S. 185; Anton Bierl: ‘Riddles over Riddles’: ‘Mysterious’ and ‘Symbolic’ (Inter)textual Strategies. The Problem of Language in the Derveni Papyrus. In: Ioanna Papadopoulou, Leonard Muellner (Hrsg.): Poetry as Initiation. The Center for Hellenic Studies Symposium on the Derveni Papyrus. Center for Hellenic Studies, Cambridge [MA]/London 2014, S. 202 f. ()
  4. Hesiod, Theogonie 133–138
  5. Hesiod, Theogonie 159–200; Servius zu Vergil, Aeneis 5,801
  6. Hesiod, Theogonie 453–506; Bibliotheke des Apollodor 1,1,4
  7. Bibliotheke des Apollodor 2,1,1
  8. Holger Kockelmann: Der Herr der Seen, Sümpfe und Flußläufe. Untersuchungen zum Gott Sobek und den ägyptischen Krokodilgötter-Kulten von den Anfängen bis zur Römerzeit. Band 1. Harrassowitz, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-447-10810-2, S. 8188.
  9. Vincent Rondot: Derniers visages des dieux dʼÉgypte. Iconographies, panthéons et cultes dans le Fayoum hellénisé des IIe–IIIe siècles de notre ère. Presses de lʼuniversité Paris-Sorbonne; Éditions du Louvre, Paris 2013, S. 7580; 122127; 241246.
  10. Benjamin Sippel: Gottesdiener und Kamelzüchter: Das Alltags- und Sozialleben der Sobek-Priester im kaiserzeitlichen Fayum. Harrassowitz, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-447-11485-1, S. 7378.
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