Koordinaten: 50° 56′ 28,68″ N,  56′ 59,86″ ODer Goldene Vogel (auch Goldener Vogel, umgangssprachlich auch: „Flügelauto“) ist ein mit Flügeln versehener, vergoldeter PKW auf dem Treppenturm des denkmalgeschützten Zeughauses in der Kölner Altstadt. Er ist das Relikt einer Kunstaktion von HA Schult (Idee und Gestaltung) und Elke Koska (Realisation) aus dem Jahr 1989, das im Rahmen des Aktionszyklus Fetisch Auto entstand. Seinen aktuellen und lange Zeit umstrittenen Standort als „Denkmal der Autozeit“ nimmt der Goldene Vogel seit dem 25. April 1991 ein.

Entstehung: Fetisch Auto

Fetisch Auto war eine zweiwöchige Kunstaktion im April 1989, bei der neue Exemplare des Ford Fiesta an verschiedenen Orten Kölns künstlerisch verfremdet in Szene gesetzt wurden. HA Schult und Elke Koska versprachen ein „Ereignis-Puzzle aus elf dramatischen Bild-Tableaus“. Das Sponsoring der Fahrzeuge und weiterer Kosten übernahmen die Fordwerke in Köln anlässlich ihres 60-jährigen Standortjubiläums, initiiert von dem im selben Monat ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden Daniel Goeudevert. Dokumentiert wurde die Aktion durch den Fotografen Thomas Höpker.

Unter anderem wurde einer der PKW, in Trompe-l’œil-Technik als „Marmor“ verkleidet, in der Nähe der Dombauhütte am Heinrich-Böll-Platz ausgestellt. Es gab ein Auto aus Eis („Die eingefrorene Zeit“), eines als „Osterei“ dekoriert in einer Straßenunterführung am Dom, eines als „Welle“ auf dem Rhein schwimmend und eines als „Wolke“ an einem Hubschrauber über die Innenstadt schwebend. Ein Fiesta „tanzte“ in der Disco des Alten Wartesaals, und im Atrium des Römisch-Germanischen Museums verteilten sich ausgebreitet die vergoldeten Einzelteile eines der Autos. Eines der „Puzzleteile“ war Der Goldene Vogel, der am 13./14. April 1989 mit einem Kran vorübergehend auf dem Turm des Stapelhauses abgestellt wurde.

Installation auf dem Zeughausturm

Weil der Goldene Vogel nach Aussage HA Schults bei der Kölner Bevölkerung so beliebt war, dass sie ihn nach der Aktion von 1989 zurückhaben wollte, schenkten die Fordwerke 1991 das Kunstwerk – „verbunden mit einem ansehnlichen Geldbetrag für das Museum“ – dem Förderverein des Kölnischen Stadtmuseums, das im Zeughaus seinen Sitz hat. Am 25. April 1991 wurde es auf dem achteckigen Treppenturm installiert und ist mit Ausnahme von zwei kurzen Sanierungsphasen dort als Wahrzeichen geblieben.

Beschreibung

Ein Ford Fiesta des Baujahrs 1989 wurde entkernt, im Motorraum mit 1,2 Tonnen Eisenbahnschienen beschwert und in mehreren Schichten mit Epoxidharz ausgekleidet. Die je 800 Kilogramm schweren Flügel sind aus glasfaserverstärktem Polyesterharz mit 10 cm Wandstärke geformt. Die goldene Oberfläche ist ein Überzug aus Zinkchromat und Acrylmetalllack.

Um das Objekt auf dem über 23 Meter hohen Turm des historischen Zeughauses zu befestigen, wurde dieser über zwei Etagen durch einen „Königsstuhl“ konstruktiv verstärkt. Dieser Aussteifungsverband hat ein Eigengewicht von einer Tonne. Das Gesamtobjekt ist 6,20 Meter lang, 10 Meter breit und 3,50 Meter hoch. Es wiegt vier Tonnen ohne den Unterbau und soll nach Aussage des Künstlers Temperaturen von −50 °C bis 100 °C sowie Wind bis Orkanstärke standhalten.

Rezeption und Kontroversen

Auseinandersetzung mit Regierungspräsident Antwerpes

Der damalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes residierte mit seiner Behörde unmittelbar gegenüber dem Zeughaus und legte bereits früh Widerspruch gegen das Kunstobjekt auf dem denkmalgeschützten Zeughausturm ein. Er argumentierte unter anderem damit, dass man das Denkmalschutzgesetz, das bei privatem Denkmaleigentum oft genug streng ausgelegt werde, für einen öffentlichen Bau nicht derart ignorieren könne. Die Installation war nämlich ohne Genehmigung des Denkmalkonservators (seit 1991 Ulrich Krings) erfolgt – wobei es vonseiten der vorherigen Konservatorin Hiltrud Kier die Interpretation gab, dass es für eine vorübergehende Aufstellung keiner Genehmigung bedurft hätte.

Als Vertreter der oberen Denkmalbehörde untersagte Antwerpes folgerichtig die Veränderung des Baudenkmals durch den Goldenen Vogel. Die Kontroverse wurde monatelang unter großer Beteiligung der Lokalpresse geführt und von ihr und HA Schult auch kontinuierlich „angeheizt“; überregional wurde sie als „Kölner Posse“ oder auch „bizarr“ wahrgenommen. Schließlich einigte man sich nach Eingreifen des NRW-Stadtentwicklungsministers Franz-Josef Kniola (oberste Denkmalbehörde) rechtskräftig auf eine Übergangslösung, bei der sich die Stadt Köln verpflichtete, das Flügelauto bis Ende 1998 wieder abzunehmen. Spätestens seit 1993 setzte die Stadt Köln das Motiv des Flügelautos in ihrer Werbung ein, und 1994 feierte man den 1111. Tag seit der „Landung“ des Vogels auf dem Turm. Stadtmuseum und Förderverein gaben zu diesem Anlass einen Dokumentationsband heraus, und sogar Antwerpes verfasste hierfür ein grimmig-launiges Grußwort.

Als der Goldene Vogel Ende 1998 immer noch auf dem Turm stand, stellte der Regierungspräsident der Stadtverwaltung ein Ultimatum bis zum 22. Februar 1999, danach werde seine Behörde das Fahrzeug selbst vom Gebäude entfernen lassen. In der Folge unterband NRW-Stadtentwicklungsministerin Ilse Brusis in ihrer Rolle als Leiterin der obersten Denkmalbehörde per Erlass dieses Vorhaben und genehmigte den Verbleib des Flügelautos bis Ende 2000. Antwerpes legte dagegen im Januar 1999 das Mittel der Remonstration ein, womit er die Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses in Zweifel zog, allerdings letztlich ohne Erfolg. Er ging im November 1999 mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand.

Weitere Entwicklungen

Anfang April 2005 wurde das Flügelauto zum ersten Mal für Reparaturarbeiten vom Zeughausturm abmontiert. Seitens der städtischen Denkmalbehörde, deren Leiter Ulrich Krings am 8. April seinen letzten Arbeitstag vor seinem Ruhestand hatte, wurde aufgrund der bereits seit Jahren ausgelaufenen Sondergenehmigung verlangt, dass man es dabei belasse und den „illegalen Zustand“ nun beende.

Hier griff der neue Regierungspräsident Jürgen Roters ein, der anders als sein Vorgänger der Ansicht war, der Goldene Vogel auf dem Zeughaus sei eine gelungene „Verbindung von neuer Kunst mit historischer Bausubstanz“. Die städtische Denkmalbehörde – in einer Phase ohne eigene Leitung – erteilte daraufhin eine erneute befristete Genehmigung bis Ende 2010. Im Weiteren wurden diese Genehmigungen in Fünfjahresschritten, zuletzt bis 2020, regelmäßig verlängert.

Da ein Konstruktionsbüro deutliche Mängel am Turm und an der Betonstandplatte des Flügelautos feststellte, wurde das Auto im November 2012 für eine erneute Sanierung zum zweiten Mal abgenommen. Auszubildende der Fordwerke lackierten den Goldenen Vogel neu und erneuerten die Haube, die Heckklappe sowie die Radkappen. Im April 2013 wurde er wieder auf seinen inzwischen angestammten Platz auf dem Zeughausturm montiert.

Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, Kritik

Seitens der Feuilletons waren die Stimmen der ursprünglichen Aktion Fetisch Auto gegenüber eher amüsiert-skeptisch, was sich vor allem aus der unkritischen Haltung gegenüber Automobilität sowie der allzu deutlichen Produktplatzierung speiste. Der Rheinische Merkur beobachtete eine „generalstabsmäßige Verherrlichung des Automobils“, der Spiegel schrieb: „Die Aktion war […] für den Sponsor maßgeschneidert. Rechtzeitig zur Auslieferung der neuen Fiesta-Generation von Ford inszenierte der Künstler mit der Geste eines Autoverkäufers eine Sonderschau, wie sie affirmativer kaum sein kann.“

Bezüglich des Goldenen Vogels auf dem Zeughausturm konzentrierten sich zeitgenössische Kommentare in der Lokalpresse ähnlich wie die „offizielle“ Kontroverse auf das Argument „zweierlei Maß beim Denkmalschutz“ oder den jeweiligen persönlichen (Kunst-)Geschmack. Der Vorwurf der Werbung für Ford stand immer wieder im Raum, was Schult bereits 1989 mit dem Satz „Ich mache keine Werbung. Schon gar nicht für eine amerikanische Autofirma“ pariert hatte. Der Kunsthistoriker Eberhard Roters wurde hingegen in einer HA-Schult-Werkschau noch 2013 mit dem folgenden Satz von 1992 zitiert:

„HA Schult’s ‚Goldener Vogel‘: Das Goldene Kalb als Pegasus, das ist der Nenner. Wie könnte der Zeitgeist heute einleuchtender veranschaulicht werden?“

Eberhard Roters, Berlin 1992: Pressemappe „Die Zeit und Der Müll“, 2013

1993 adaptierte die Umweltorganisation Robin Wood das Flügelauto für eine autokritische Aktion, bei der die Gruppe ein vergoldetes Fahrrad auf einer knapp 10 Meter hohen Granitstele von Heinz Mack auf dem Roncalliplatz installierte.

Einer Umfrage der Universität Köln 2003 zufolge nahm der Goldene Vogel in der „Rangfolge der bekanntesten Kölner Denkmäler“ den dritten Platz ein. Die FAZ hingegen nannte das Objekt 2012 noch das „plumpe goldene Flügelauto“ des „führenden Kunstclowns der Stadt“, das „seit zwei Jahrzehnten nicht wegzubekommen“ sei.

Literatur

  • Michael Euler-Schmidt: HA Schult Goldener Vogel. Hrsg.: Werner Schäfke, Freunde des Kölnischen Stadtmuseums. Köln 1994, ISBN 3-7465-8239-3.
Commons: Flügelauto – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 6 Michael Euler-Schmidt: HA Schult Goldener Vogel. Hrsg.: Werner Schäfke, Freunde des Kölnischen Stadtmuseums. Köln 1994, ISBN 3-7465-8239-3 (ohne Paginierung).
  2. 1 2 3 4 Fetisch Fiesta. In: DER SPIEGEL. Nr. 16, 17. April 1989 (spiegel.de).
  3. Anne Linsel: Daniel Goeudevert: Der Vogel im Aquarium. In: DIE ZEIT. Nr. 34. Hamburg 18. August 1989 (zeit.de).
  4. 1 2 3 Günter Engelhard: Das Auto tanzt, das Auto fliegt, das Auto wogt, das Auto friert. In: Rheinischer Merkur. Koblenz 21. Mai 1989 (zitiert nach: HA Schult, Kunst ist Aktion, 2001, ISBN 3-803-03099-4; dort: ohne Seitenangabe, Faksimile).
  5. HA Schult, Thomas Höpker, Klaus Honnef, Eva Windmöller: Fetisch Auto. Claasen, Düsseldorf 1989, ISBN 3-546-48181-X, S. 125.
  6. „Goldener Vogel“ landete. In: Kölnische Rundschau. Köln 26. April 1991.
  7. H. A. Schult. In: nrw-museum.de. museumsplattform nrw, abgerufen am 26. Juli 2020.
  8. Goldener Vogel von 1994 nennt offenbar fälschlich Baujahr 1990, da die Kunstaktion 1989 stattfand
  9. Jetzt schießt Antwerpes den „Goldenen Vogel“ ab. In: Kölner Stadt-Anzeiger. Köln 29. Januar 1992 (zitiert nach HA Schult Goldener Vogel, 1994, Faksimile).
  10. Antwerpes will den Fetisch Auto vom Sockel holen. In: Kölner Stadt-Anzeiger. Köln 27. November 1991 (zitiert nach HA Schult Goldener Vogel, 1994, Faksimile).
  11. Das Relikt einer Ausstellung. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 28. November 1991 (zitiert nach HA Schult Goldener Vogel, 1994, Faksimile).
  12. HA Schult: Umzug mit Getöse. In: kunstforum.de. Abgerufen am 26. Juli 2020.
  13. 1 2 Andreas Rossmann: Kölner Denkmalposse: Macht das Flügelauto endlich die Fliege? In: FAZ.NET. 12. April 2005, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 26. Juli 2020]).
  14. 1 2 Streit bis zu Clement um das goldene Kunstauto. In: Welt am Sonntag. 17. Januar 1999.
  15. 1 2 Gregor Timmer: Vogel im rechtsfreien Raum. In: rundschau-online.de. 31. März 2003, abgerufen am 26. Juli 2020.
  16. 1 2 Roters engagiert sich für Flügelauto. In: taz, die tageszeitung. 12. April 2005, S. 1 (Köln aktuell).
  17. Köln: "Flügelauto" soll auf Museumsdach bleiben. In: Rheinische Post. Düsseldorf 14. Januar 2010.
  18. Inge Wozelka: 25 Jahre Flügel-Auto: HA war's Schult! In: Kölner Express. Köln 21. April 2016, S. 21.
  19. 1 2 Thomas Adam: Stadtmuseum: Erneuerung für Auto und Turm. In: ksta.de. 21. Juni 2011, abgerufen am 26. Juli 2020 (deutsch).
  20. Rainer Morgenroth: Kunst: Kölner "Flügelauto" schwebt Richtung Werkstatt. In: DIE WELT. 13. November 2012 (welt.de [abgerufen am 26. Juli 2020]).
  21. Stadt Köln, Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.): Flügelauto kehrt zurück. Kunstwerk bekam bei den Ford-Werken eine „Generalüberholung“. Köln 27. März 2013.
  22. Die Zeit und Der Müll. Trash-Kunst und Konsumkritik. Werkschau des Aktionskünstlers HA Schult im Diözesanmuseum Paderborn vom 22. Februar bis 12. Mai 2013 (Pressemitteilung). Paderborn 2013, S. 19 (archive.org [PDF]).
  23. Aktion von Robin Wood auf dem Roncalliplatz. Flügel-Rad als Protest. In: Kölnische Rundschau. Köln 18. Juni 1993 (zitiert nach HA Schult Goldener Vogel, 1994, Faksimile).
  24. Oliver Jungen: Kunstarchiv in Köln: Kann das weg? In: FAZ.NET. 20. April 2012, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 27. Juli 2020]).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.