Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff ist der Titel einer völkerrechtlichen und rechtsphilosophischen Abhandlung Carl Schmitts, die er 1938 veröffentlichte. Er befasst sich darin mit der Entgrenzung kriegerischer Auseinandersetzungen aufgrund supranationaler Organisationen und universeller Rechtsprinzipien. Kriege würden zunehmend aufgrund universalistischer Ansprüche geführt, die Gegner würden dabei nicht mehr als Feinde betrachtet, sondern kriminalisiert und entmenschlicht.

Inhalt

Carl Schmitts Abhandlung besteht aus drei Teilen. Im ersten, dem Bericht über zwei völkerrechtstheoretische Werke setzt er sich mit zwei völkerrechtlichen Werken auseinander: G. Scelles Précis de Droit des Gens und Hersch Lauterpachts The function of Law in the International Community.

Im zweiten Teil analysiert er zwei Abhandlungen aus The British Yearbook of International Law 1936, Sir John Fischer Williams’ Sanctions under the Covenant und Arnold McNairs Collective Security.

Der dritte Teil enthält seine Kritische Erörterung der neuen völkerrechtlichen Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff.

Schmitt geht von dem Verständnis der Rechtmäßigkeit von Kriegen aus, die er im Westfälischen Frieden findet. Dieses Verständnis hat sich gewandelt, insofern kriegerische Handlungen entgrenzt seien. Er sieht das Ende der Epoche der Staatlichkeit gekommen. Die Entwicklung eines „moralisierenden“ Kriegsbegriffs sieht er als Gefahr für die politische Selbstbestimmung.

... die Unterscheidung von gerechten und ungerechten Kriegen (führt) eine immer tiefere und schärfere, immer ‚totalere‘ Unterscheidung zwischen Freund und Feind herbei.“ (S. 50)

Rezeption

Jürgen Habermas sieht im Gedankengang Schmitts eine richtige Einsicht, die auch von Enzensberger oder Adorno geteilt würde: Die Menschenrechtspolitik einer Weltorganisation verkehre sich in Menschenrechtsfundamentalismus, wenn sie einer Intervention, die tatsächlich nicht mehr ist als der Kampf einer Partei gegen die andere, eine moralische Legitimation im Deckmantel einer juristischen Scheinlegitimation verschaffe. Habermas schließt sich Klaus Günther an: „Moralisch berechtigte Appelle drohen fundamentalistische Züge anzunehmen, wenn sie nicht auf die Implementation rechtlicher Verfahren für die (Positivierung sowie) Anwendung und Durchsetzung der Menschenrechte zielen, sondern unmittelbar auf das Deutungsschema durchgreifen, mit dem Verletzungen von Menschenrechten zugerechnet werden, und wenn sie die einzige Quelle der geforderten Sanktionen sind.“ Der Menschenrechtsfundamentalismus wird jedoch, so Habermas im Anschluss an Günther, nicht, wie von Schmitt postuliert, durch den Verzicht auf Menschenrechtspolitik vermieden, sondern allein durch die „weltbürgerrechtliche Transformation des Naturzustandes zwischen den Staaten in einen Rechtszustand“.

Zitat

Wenn die Völkerrechtsordnung einer aus staatlich organisierten Völkern gebildeten Völkerrechtsgemeinschaft auf dem Staat als dem Träger der letzten Entscheidung über sein ius belli, und auf einem darauf folgendem, nichtdiskriminierenden Kriegs- und Neutralitätsbegriff ruht, so hebt die Einführung einer völkerrechtlich maßgeblichen Diskriminierung nicht nur den nichtnichtdiskriminierenden, sondern jeden Kriegsbegriff auf. Die Frage ist heute also nicht mehr: gerechter oder ungerechter, erlaubter oder unerlaubter Krieg?, sondern: Krieg oder Nicht-Krieg? (S. 47)

Text

  • Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff. 2007. 4. Aufl. (Wiederabdruck der 1. Auflage von 1938) 58 S. ISBN 978-3-428-12642-2

Literatur

  • Reinhard Mehring (Hg.): Carl Schmitt. Der Begriff des Politischen. Ein kooperativer Kommentar. Akademie Verlag GmbH, Berlin 2007. ISBN 3-05-003687-7

Einzelnachweise

  1. Reinhard Mehring (Hg.): Carl Schmitt. Der Begriff des Politischen, S. 167 ff
  2. Jürgen Habermas: Kants Idee des Ewigen Friedens – aus dem historischen Abstand von 200 Jahren. In: Kritische Justiz, Nomos Verlagsgesellschaft 1995, Bd. 28, Nr. 3 (1995), S. 293–319
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