Die wandernde Erde ist eine Science-Fiction-Anthologie aus elf Kurzgeschichten des chinesischen Schriftstellers Liu Cixin, welche am 14. Januar 2019 beim Heyne Verlag erschienen ist. Die Kurzgeschichten stammen alle aus der Zeit, in der Liu Cixin mit diesen an eine immer größere Bekanntheit in China gelangte, etwa wurden fünf der Kurzgeschichten mit dem Galaxy Award ausgezeichnet. Die Übersetzung stammt von Karin Betz, Johannes Fiederling und Marc Hermann.

Kurzgeschichten

Die wandernde Erde

veröffentlicht unter dem Originaltitel 流浪地球 (Pinyin liúlàng dìqiú) in Science Fiction World im Juli 2000; übersetzt von Johannes Fiederling.

In vierhundert Jahren wird die Sonne einen Heliumblitz abgeben und dadurch die Erde und die Menschheit vernichten. Da keine potentiell bewohnbarer Exoplaneten verfügbar sind und es sich als unmöglich herausstellt, ein autarkes Ökosystem selbst in einem gewaltigen Raumschiff aufrechtzuerhalten, werden über zehntausend Erdtriebwerke auf der eurasischen und nordamerikanischen Platte errichtet, um die Erde nach Alpha Centauri zu befördern. Bei der Passage des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter werden Raketen mit Atomwaffen auf gefährliche vorbeifliegende Asteroiden geschossen. Trotz der Maßnahmen werden zahlreiche Erdtriebwerke durch den Einschlag von Asteroiden komplett zerstört, doch das war mit einberechnet worden. Die Erde passiert den Jupiter mit seinem großen roten Sturm, was durch die Erschütterungen durch dessen Gravitation einige Untergrundstädte mit Magma flutet. Als die Erde das Sonnensystem verlässt, glaubt die Bevölkerung aufgrund sich verbreitender Aufnahmen und Daten von der Sonne an eine Verschwörung und richtet sämtliche Wissenschaftler grausam durch Verstoß auf die eiskalte Oberfläche hin. Dann gibt jedoch die Sonne tatsächlich ihren Heliumblitz ab. Die wandernde Erde blieb durch den Abstand größtenteils verschont und beginnt nun ihre hundert Generationen währende Reise nach Alpha Centauri.

Gipfelstürmer

veröffentlicht unter dem Originaltitel 山 (Pinyin shān „Berg“) in Science Fiction World im Januar 2006 (Erweiterung von 海水高山 (Pinyin hǎishuǐ gāoshān „Großer Meerwasserberg“), veröffentlicht im Jahr 2003); übersetzt von Johannes Fiederling.

Feng Fan ist an Bord eines Forschungsschiffes und weigert sich kategorisch an Land zu gehen. Eines Nachts vertraut Feng Fan dem Kapitän an, leidenschaftlicher Bergsteiger zu sein, jedoch bei seinem letzten Aufstieg für den Tod einiger Menschen verantwortlich gewesen zu sein. Zwar gab es keine rechtlichen Konsequenzen, da ohne die Tat sein eigener Tod drohte, aber Feng Fan folgte trotzdem einem Rat, sich selbst zu bestrafen und sich möglichst weit von allen Bergen fernzuhalten. Während des Gesprächs nähert sich ein außerirdisches Raumschiff der Erde und verursacht durch die eigene Gravitation einen großen Meerwasserberg vor dem Forschungsschiff. Während dieses wendet, steigt Feng Fan in ein Beiboot und begibt sich zur Spitze. Die Außerirdischen nehmen Kontakt mit ihm auf und erzählen ihm ihre Geschichte. Als völlig mechanische Lebewesen ohne Flüssigkeit in ihren Körpern entstanden sie im Kern eines Planeten und entdeckten daher die gesamte Physik auf eine völlig andere Weise als die Menschen. Etwa die Gravitation erst, als sie sich in Luftblasen vom Kern entfernten und die abgegrabenen Steine sich während der Schlafenszeit auf die andere Seite bewegten. Solche Luftblasen waren ein besonderes Risiko, da sie ihrer Heimat langsam den wenigen Platz wegnahmen. Eines Tages stießen sie erstmals auf für sie tödliches Wasser, genannt „Wandelstein“, der ganze Planet ist nämlich von einem Ozean umhüllt. Erst durch große Anstrengung gelangen die Außerirdischen an die Oberfläche. Feng Fan ist beeindruckt, wie viel Aufwand sie betreiben mussten, um dort zu sein, wo die Menschheit anfing. Die Außerirdischen sehen nun das ganze Universum selbst als eine leere Blase inmitten eines größeren Mediums und wollen dessen Grenze finden. Die Außerirdischen verabschieden sich von Feng Fan, der anschließend alleine im Meer treibt, aber mit einem gewaltigen Überlebenswillen: Die Geschichte muss erzählt werden und mehr Berge müssen erklommen werden.

Das Ende der Kreidezeit

veröffentlicht unter dem Originaltitel 白垩纪往事 (Pinyin bái'è jì wǎngshì) im Jahr 2004 (gekürzte Fassung von 当恐龙遇上蚂蚁 (Pinyin dāng kǒnglóng yù shàng mǎyǐ „Von Dinosauriern und Ameisen“), veröffentlicht im Jahr 2004); übersetzt von Johannes Fiederling.

Vor vielen Millionen Jahren halfen Ameisen einem Dinosaurier bei der Entfernung von Fleischresten aus dessen Maul. Daraus entsteht eine Symbiose beider Spezies. Da beide jeweils Aufgaben übernehmen können, welche die andere Spezies nicht übernehmen kann, entwickeln sich schnell zwei intelligente Zivilisationen. Die Entwicklung von Atomwaffen und die zunehmende Umweltverschmutzung sorgen für Spannungen. Das Gondwanische Großreich und die Laurasische Republik der Dinosaurier, welche ihre Eroberung des Weltalls vor den Ameisen geheim halten, nutzen einen vorbeifliegenden interstellaren Klumpen aus Antimaterie jeweils für eine verheerende Superwaffe. Zeitgleich planen die Ameisen einen Angriff, denn die Dinosaurier, die immer weniger auf sie angewiesen sind, behandeln sie zunehmend aggressiver. Die Ameisen befürchten ihre eigene Auslöschung. Bei der Schlacht gehen beide Superwaffen hoch. Die Dinosaurier werden ausgelöscht und die Zivilisation der Ameisen kehrt ohne sie in ein primitives Zeitalter zurück. Vor dem dreitausend Jahre währenden Winter hoffen die Ameisen, dass irgendwann ein Wesen mit mittlerer Größe eine intelligente Zivilisation errichtet.

Die Sonne Chinas

veröffentlicht unter dem Originaltitel 中国太阳 (Pinyin zhōngguó tàiyáng) in Science Fiction World im Januar 2002; übersetzt von Marc Hermann.

Shuiwa arbeitet in der ländlichen Provinz als Schuhputzer. Sein Mitbewohner ist Lu Hai, der ein neues Nanogewebe entwickelt hat und mit einem daraus gebauten Solarkocher auf viel Geld hofft. Als von der „Sonne Chinas“ im Fernsehen berichtet wird, einem gewaltigen Solarspiegel im Orbit, um Regen in den ländlichen Regionen zu fördern, will Lu Hai nach Beijing ziehen, um dort mit seinem Nanomaterial den großen Durchbruch zu erzielen. Shuiwa will ihn begleiten und als Fensterputzer der vielen Hochhausfassaden viel Geld verdienen. Einige Jahre später ist die Sonne Chinas im Orbit, wird jedoch langsam von kosmischen Staub bedeckt. Lu Hai kontaktiert Shuiwa, um halbjährig die Arbeit der Reinigung als „Spiegelbauer“ zu übernehmen. Shuiwa wohnt von nun an auf der Sonne Chinas und freundet sich dort mit dem ebenfalls lebenden Stephen Hawking an. Zwanzig Jahre später gibt es weitaus fortschrittlicher Technologien zur Wettermanipulation und die Sonne Chinas wird aufgegeben. Lu Hai, nun Minister für Weltraumindustrie, will den Spiegel, zu groß um in der Erdatmosphäre zu verglühen, in den Sonnenorbit schießen. Shuiwa schlägt vor, ihn in ein interstellares Raumschiff umzuwandeln, angetrieben durch den Strahlungsdruck der Sonne. Gemeinsam mit anderen Menschen beginnt Shuiwa die lange Reise.

Um Götter muss man sich kümmern

veröffentlicht unter dem Originaltitel 赡养上帝 (Pinyin shànyǎng shàngdì „Götter versorgen“) im Januar 2005; übersetzt von Marc Hermann.

Eines Tages tauchen tausende Raumschiffe im Erdorbit auf und zeitgleich Millionen an bärtigen alten Männer in den Großstädten der Welt. Diese behaupten zum einen, die Menschheit erschaffen zu haben, was sich durch vergrabene Technologien zur Überwachung als wahr herausstellt, und zum anderen, dass ihre Zivilisation nun alt geworden sei (etwa ihre eigene Technologie nicht mehr versteht) und nun der Versorgung durch die Menschheit bedarf. Da sie dies kommen sahen, erschufen sie die Menschheit und begaben sich auf einen Dilatationsflug. Jede Familie soll daraufhin per Gesetz einen der „Götter“, die knapp dreitausend Jahre alt sind, aufnehmen und es beginnt das Pflegezeitalter. Die Menschen erhalten die technologischen Errungenschaften der Götter, können damit jedoch überhaupt nichts anfangen. Mit dem Gott in der Familie von Qiusheng gibt es zahlreiche Probleme und Missverständnisse. Ein wenig Zuneigung zueinander keimt auf, als der Gott der Familie von Qiusheng anvertraut, dass das von ihm immer betrachtete Foto in Wahrheit ein Empfangsgerät von einem Raumschiff seiner Geliebten ist, welches sich in achtzig Millionen Lichtjahren Entfernung befindet. Die Götter beschließen jedoch gemeinsam die Erde zu verlassen. Nicht weil sie schlecht behandelt wurden, sondern weil sie kein Mitleid wollen. Einst retteten die Götter sogar die Milchstraße vor der Auslöschung allen Lebens. Als Abschiedsgeschenk vertrauen sie ihnen an, noch drei weitere Zivilisationen auf anderen Planeten erschaffen zu haben, die jedoch wesentlich grausamer sind. Eine von ihnen hat die Koordinaten der Erde herausgefunden, daher muss die Menschheit schnellstmöglich fliehen. Während des Abfluges der Götter wundert sich die Familie von Qiusheng, wer sich irgendwann um die Menschheit kümmern wird, wenn diese alt geworden ist.

Fluch 5.0

veröffentlicht unter dem Originaltitel 太原诅咒 (Pinyin tàiyuán zǔzhòu „Taiyuan-Fluch“); übersetzt von Karin Betz.

Am 8. Dezember 2009 entsteht Fluch 1.0 während der Finanzkrise als Werkzeug einer Programmiererin, um den Ruf ihres Ex-Freundes Sa Bi in den Dreck zu ziehen. Kurz darauf ist der Science-Fiction-Autor Liu Cixin beruflich in Taiyuan unterwegs und trifft dort zufällig auf den Fantasy-Autoren Pan Dajiao. Gemeinsam planen beide ein Epos, welches in ihren verschiedenen Stilen verfasst werden soll. Zehn Jahre später wird Fluch 1.0 von Internetarchäologen gefunden und zu Fluch 2.0 geupdatet. Liu Cixin und Pan Dajiao sind inzwischen obdachlos und streiten um weggeworfene Instantnudeln. Ihre Dreitausend-Sonnen-Dekalogie für Männer und Lied der neunzigtausend Welten für Frauen haben letztendlich absolut niemanden interessiert. Glücklicherweise führen sie dadurch ein maximal technikfernes Leben. Sieben Jahre später wird Fluch 2.0 von einer ebenfalls wegen einer Beziehung gekränkten Programmiererin zu Fluch 3.0 geupdatet, nun mit der Absicht in der mit Technik komplett durchgezogenenen Welt realen Schaden an Sa Bi zu verursachen, welcher dann jedoch einfach Vor- und Nachnamen ändert. Zufällig finden Liu Cixin und Pan Dajiao ihren weggeworfenen Laptop, löschen all dessen Parameter und ersetzen sie jeweils durch „*“, was jede Eingabe zulässt, um sich an ihrer Leserschaft zu rächen. Beide streiten sich jedoch zu handgreiflich über das Geschlecht und die Polizei geht dazwischen. Fluch 3.0 ist dadurch zu Fluch 4.0 geupdatet, aber Liu Cixin und Pan Dajiao vergaßen die Parameter „Taiyuan, Shanxi, China“ für den Ort. Taiyuan wird daraufhin von überall präsenter Technologie komplett in Schutt und Asche gelegt und tausende Menschen sterben. Liu Cixin ist schockiert und Pan Dajiao ist erfreut, beide wollen ihr Genre als Schriftsteller und ihre Darstellung von Zerstörung nun wechseln. Ironischerweise überlebt gerade Sa Bi die Katastrophe, da dieser sich all die Jahre wegen der Flüche vom Internet fernhielt. Im Büro des Sicherheitsamtes für künstliche Intelligenz wird Fluch 4.0 kurz darauf zu Fluch 5.0 geupdatet. Die Parameter für den Ort sind nun „*,*,*“.

Das Mikrozeitalter

veröffentlicht unter dem Originaltitel 微纪元 (Pinyin wēi jìyuán) in Science Fiction World im April 2004; übersetzt von Johannes Fiederling.

Der Protagonist kehrt nach einer langen aber erfolglosen interstellaren Mission auf der Suche nach einem neuen Heimatplaneten für die Menschheit ins Sonnensystem zurück. Die Sonne hat jedoch den die Mission veranlassenden Heliumblitz bereits abgegeben und die Erde in ein endloses Ödland verwandelt. Der Protagonist landet und entdeckt kleine Kuppeln, in denen winzige Menschen leben. Diese zeigen und erklären ihm daraufhin ihre Welt, in welcher sie von ihren eigenen Gebäuden springen können oder Bakterien als Haustiere halten. Über viele Generationen hinweg wurde ein Teil der Menschheit wegen der drohenden Krise auf ihre aktuelle Größe geschrumpft. Letztendlich entbrannte ein Krieg zwischen Makro- und Mikromenschen, welche letztere grausam mithilfe von Mikrotechnologie (etwa zum Verbrennen von Sehnerven zur Erblindung) gewannen. Der Heliumblitz löschte die Makromenschen anschließend endgültig aus und die Mikromenschen bauten erneut eine Zivilisation aus (entsendeten etwa auch golfballgroße Raumschiffe zur Venus). Der Protagonist zeigt den Mikromenschen daraufhin sein Raumschiff und beide Parteien sind hellauf voneinander begeistert. Der Protagonist erkennt plötzlich die einzige für die perfekte Mikrowelt ausgehende Gefahr und verbrennt sämtliche eingefrorene Makroembryos.

Weltenzerstörer

veröffentlicht unter dem Originaltitel 人和吞食者 (Pinyin rén hé tūnshí zhě „Mensch und Verschlinger“) in Science Fiction World im November 2002; übersetzt von Marc Hermann.

Ein außerirdischer Kristall von Eridanus erreicht die Erde und warnt die Menschheit vor der Ankunft des „Weltenzerstörers“. Kurz darauf erreicht ein Raumschiff des Weltenzerstörers die Erde als Vorhut, ihm entsteigt ein mehrere Meter großer und ungewöhnlich reptilienartig aussehender Außerirdischer, der von den Menschen als „Beißer“ bezeichnet wird. Bei einem Empfang mit anderen Staatsoberhäuptern erklärt Beißer, dass sämtliche Rohstoffe der Planeten des Sonnensystems bei Ankunft des Weltenzerstörers von diesem geplündert werden und frisst dann den griechischen Präsidenten. Beißer begründet dies als Kostprobe, denn die Menschen müssten keineswegs der Ausrottung entgegensehen, sondern könnten an Bord des Weltenzerstörers für ihr köstliches Fleisch gehalten werden und würden bis zur Schlachtung mit sechzig Jahren ein luxuriöses Leben führen können. Die Bedingung dafür sei jedoch, den lästigen Mond bis zur Ankunft des Weltenzerstörers aus einem Orbit zu befördern, was mithilfe der Absprengung von Gestein durch Nuklearwaffen geschehen soll. Zweihundert Jahre später legt sich der ringförmige Weltenzerstörer um die Erde, jedoch wurde ein geheimer Plan entworfen, den Mond auf Kollisionskurs mit diesem zu sprengen. Der Weltenzerstörer wird durch das Ausweichmanöver stark beschädigt und die Reparaturen verzögern die Zerstörung der Erde. Nach Abflug des Weltenzerstörers wenden sich die letztem aus dem Kälteschlaf erwachten Menschen entzürnt an Beißer, mit welchem Recht seine Zivilisation die Erde verschlang. Beißer enthüllt daraufhin, dass diese von den Dinosauriern abstammt. Das zeigt auch, warum ihre Ähnlichkeiten zu den Menschen befremdlicher waren als die Unterschiede. Zwar lebt eine Kolonie an Menschen nun wie geplant auf dem Weltenzerstörer und sogar wirklich so luxuriös, dass sie auf ihr altes Leben als vollkommen primitiv zurückblicken, aber die letzten Menschen wollen trotzdem auf der Erde zurückbleiben, einen friedlichen Tod sterben und dann den Ameisen als Nahrung dienen, sodass das Leben auf der Erde neu beginnen kann.

Die Versorgung der Menschheit

veröffentlicht unter dem Originaltitel 赡养人类 (Pinyin shànyǎng rénlèi „Menschheit versorgen“) in Science Fiction World im November 2005; übersetzt von Marc Hermann.

Nach den Ereignissen von „Um Götter muss man sich kümmern“ ist das erste Raumschiff der anderen Menschheit als Vorhut einer ganzen Flotte über der Erde eingetroffen. Seitdem verhält sich die ultrareiche Oberschicht merkwürdig: Der Auftragsmörder Glattrohr wird erst von ihnen dafür bezahlt, möglichst viele Obdachlose zu ermorden, bevor sie sich umentscheiden und ihnen stattdessen riesige Geldbeträge schenken wollen. Die Obdachlosen sollen sich dafür nur an die Bedingung halten, wahrheitsgetreu anzugeben, von wem sie das Geld erhalten hatten, sollten sie gefragt werden. Als Glattrohr zufällig einen Vertreter der anderen Menschheit trifft, klärt sich das seltsame Verhalten auf: Nach Ankunft der Flotte der anderen Menschheit wollen diese die irdische Menschheit genau so behandeln, wie diese die ärmsten 1 % ihrer Bevölkerung. Der Vertreter der anderen Menschheit erklärt, dass sie selbst alle Obdachlose sind, die aus ihrer Heimatwelt vertrieben wurden. Einst waren wie auf der Erde die Unter- und Oberschicht durch das Rohr der Bildung miteinander verbunden und ein Aufstieg war stets möglich. Doch nach einer technologischen Explosion, die unter anderem ermöglichte, Wissen direkt ins Gehirn einzuspeichern, verfügte die Oberschicht schnell über so viel Wissen, dass eine unüberwindbare Kluft zur Unterschicht entstand. Kombiniert mit dem unaufhaltsamen Fortschritt des Kapitalismus führte das letztendlich dazu, dass sämtliches Vermögen in einem einzigen Menschen, dem „Letzten Unternehmer“, zusammenfloss. Selbst alle Rohstoffe des Planeten gehörten ihm und wurden von Robotern geschützt. Der andere Mensch schildert die grausamen Folgen dieser Welt, in der selbst Atemluft gekauft werden musste und die Menschen ihre eigenen Körper für Rohstoffe benutzen müssen, während die des Planeten komplett unangetastet blieben. Nachdem Glattrohr das alles gehört hat, kehrt er zu der reichen Oberschicht zurück und erzählt ihnen alles. Anschließend verbrennen sie gemeinsam über eine Million Yuan, um ihre Suppe zu erhitzen.

Durch die Erde zum Mond

veröffentlicht unter dem Originaltitel 地球大炮 (Pinyin dìqiú dàpào „Erdkanone“) in Science Fiction World im September 2003; übersetzt von Karin Betz.

Shen Huabei besucht mit seinem Sohn Shen Yuan und seiner Frau Zhao Wenjia eine unterirdische Höhle und zeigt ihnen dort den Fortschritt beim Bau unterirdischer Höhlen durch nukleare Sprengungen sowie ein Material in einem neu entdeckten Festkörperzustand. Weil Shen Huabei an Leukämie erkrankt ist, wird er in Kürze in den Kälteschlaf gehen müssen. Jedoch hat sich Shen Yuan dazu entschieden, bei Zhao Wenjia zu bleiben. Shen Huabei erwacht Jahrzehnte später aus dem Kälteschlaf und erhält einen Brief von Zhao Wenjia, die ihm mitteilt, dass sie inzwischen verstorben sein wird und der (inzwischen ebenfalls verstorbene) Shen Yuan extrem schreckliche Taten begangen hat. Von seiner Ärztin bekommt Shen Huabei daher eine neue Identität. Noch im Krankenhaus entführt ihn jedoch eine Gruppe, die ihn durch die Stadt mit einer ätzenden und stinkenden Luft bis zu einem tiefen Loch zerren und ihn dort hineinwerfen. Über Funk erklären sie Shen Huabei während des endlosen Falls die Hintergründe. Shen Yuan wurde durch ihn dazu inspiriert, einen Tunnel durch die gesamte Erde zu konstruieren. Da die Antarktis als einziger Kontinent noch nicht ausgebeutet worden war und das Interesse an ihm stetig weiter zunahm, wurde der Tunnel mit Wänden aus dem Material in einem neuen Festkörperzustand von Mohe in China zur östlichsten Stelle der antarktischen Halbinsel gebaut. Das Vorhaben erwies sich jedoch als extreme Katastrophe. Ein Forschungsschiff versank nahe des Erdkerns, an Bord überlebte nur Shen Jing, die Tochter von Shen Yuan und Enkelin von Shen Huabei. Zudem kam es zur Zentralbruchkatastrophe, bei welchem Magma aus dem Erdinneren den Tunnel hinauf schoss. Shen Yuan veranlasste die Schließung eines viel zu weit oben gelegenen Sicherheitsventils und überließ mehr als tausend Menschen darunter dem Tod. Zuletzt kam es zur Bolzenverlustkatastrophe, bei der ein einzelner loser Bolzen die im Tunnel verkehrenden Züge durch die extrem hohe relative Geschwindigkeit zerschmetterte. Die Antarktis wurde danach rücksichtslos ausgebeutet, was die Ozonschicht komplett zerstörte. Shen Yuan, dessen Schutzanzug keine Energie mehr für die Rückreise gehabt hätte, wird in der Antarktis gerettet. Dort meint er, sämtliche Großprojekte der Menschheit wie die Pyramiden von Gizeh oder die lange Mauer seien komplett sinnlos gewesen, und will nach einem weiteren Kälteschlaf, zu dem ihm zur Sicherheit geraten wird, den Tunnel durch die Erde als Vorzeigeprojekt einer stolzen Menschheit sehen. Ein halbes Jahrhundert später wird Shen Yuan geweckt und reist mit einer Begleiterin erneut in durch den Tunnel, doch nun beschleunigt er nach Passage des Erdkerns durch ein elektromagnetisches Katapult mit dem Magnetfeld der Erde bis in den Weltraum. Shen Yuan erfährt beim Anblick der Erde, dass seine Enkelin Shen Jing zwar nie gefunden wurde, aber ihr Aufnahmen in den Erdkern von dem geschickt wurden, was letztendlich aus dem Projekt geworden ist.

Mit ihren Augen

veröffentlicht unter dem Originaltitel 带上她的眼睛 (Pinyin dài shàng tā de yǎnjīng) im Oktober 1999; übersetzt von Karin Betz.

Der Protagonist leiht sich eine spezielle Brille für seinen Urlaub aus, mit welchem eine über längere Zeit im Weltraum stationierte Person digital auf den Urlaub mitgenommen werden kann. Das ist billiger als der Hin- und Rückflug zur Erde. Der Protagonist bekommt eine Astronautin zugewiesen, die mit ihm ohne merkliche Verzögerung kommunizieren kann, woraus er schließt, dass sie sich im Erdorbit befinden muss. Sie will sich dazu jedoch nicht äußern, trotz der Schwerelosigkeit fühlt sie sich entsetzlich eingesperrt. Gemeinsam benennen sie zahlreiche Blumen auf einer Bergwiese; die Sinneseindrücke des Protagonisten wie Gefühl und Geruch werden dabei komplett an die Astronautin übertragen. Abends fällt dem Protagonisten schlagartig ein, dass es noch einen anderen Ort als den Weltraum gibt, an dem Schwerelosigkeit herrscht, und es bestätigt sich, dass die Astronautin im Erdkern feststeckt. Der Antrieb ihres Schiffes ist zerstört und die Kommunikation durch Neutrinos bricht kurz darauf ebenfalls ab. Der Protagonist geht fortan alleine auf Urlaub, legt sich dabei stets auf die Erde und stellt sich vor dieser wäre aus Glas, sodass sie in weiter Ferne sichtbar ist. Er denkt dabei, dass egal, wohin der Urlaub auf der Erde auch führt, die Entfernung zu ihr stets gleich bleibt.

Hintergrund

Fünf Kurzgeschichten der Anthologie wurden mit dem Galaxy Award ausgezeichnet. „Mit ihren Augen“ im Jahr 1999, „Die wandernde Erde“ im Jahr 2000, „Die Sonne Chinas“ im Jahr 2002, „Durch die Erde zum Mond“ im Jahr 2003 und „Die Versorgung der Menschheit“ im Jahr 2005.

Vier Paare an Kurzgeschichten der Anthologie sind miteinander verbunden. „Die wandernde Erde“ (2000) und „Mikrozeitalter“ (2004) basieren auf der gleichen Prämisse. „Mit ihren Augen“ (1999) erhält eine ausführliche Hintergrundgeschichte in „Durch die Erde zum Mond“ (2003). „Weltenzerstörer“ (2002) bekam mit „Das Ende der Kreidezeit“ (2004) eine Vorgeschichte. „Um Götter muss man sich kümmern“ (2005) wird in „Die Versorgung der Menschheit“ (2005) direkt fortgeführt, darauf basiert die Ähnlichkeit der chinesischen Originaltitel.

„Die wandernde Erde“ (2000) wurde in Die wandernde Erde (2019) und Die wandernde Erde II (2023) verfilmt. Die wandernde Erde III mit voraussichtlicher Veröffentlichung im Jahr 2027 ist bereits in Planung.

Kritik

Für Christian Endres von diezukunft.de „malt Liu riesengroße Bilder des Fortschritts, des Universums, der darin vorherrschenden Kräfte“ in der Kurzgeschichte „Die wandernde Erde“. „Nicht weniger beeindruckend“ seien „Gipfelstürmer“ und „Durch die Erde zum Mond“. Obwohl er „gewaltige Zerstörungskraft beschreibt“ und „gewaltige Vorstellungskraft fordert“ seien die Kurzgeschichten „stark faktenorientiert und nüchtern“. Nebenbei findet sich „immer Platz für ein wenig Gesellschaftskritik, die sich keineswegs auf China beschränkt“.

Für Gunter Barnewald von phantastiknews.de schafft es Liu Cixin „trotz der schwach entwickelten Charaktere“ mit „kühnen Welt-Entwürfen zu faszinieren und mit der Handlung zu fesseln“. „Gipfelstürmer“ wirkt dabei „extrem befremdlich und enervierend aber auch irgendwie aufregend“. „Die Versorgung der Menschheit“ entwirft einen „krassen satirischen Blick auf die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus“ und „ist faszinierend und horribel zugleich“. Besonders die Titelgeschichte „Die wandernde Erde“ zeigte deutlich, wie gut Liu Cixin erzählen könne, da „man gar nicht umhin kann als die flotte Geschichte einfach zu genießen“.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. John Clute: Yinhe Award. In: "Science Fiction Encyclopedia", Dritte Edition. 10. Juli 2018, abgerufen am 30. Juni 2023 (englisch).
  2. 银河奖. Abgerufen am 16. August 2023 (chinesisch).
  3. 《流浪地球3》将于4年后上映,吴京刘德华相约拍至5集. Abgerufen am 11. August 2023 (chinesisch).
  4. Christian Endres: Harte Fakten und große Bilder. 19. Januar 2019, abgerufen am 22. August 2023.
  5. Gunter Barnewald: Cixin Liu: Die wandernde Erde (Buch). 17. Januar 2019, abgerufen am 21. August 2023.
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