Als Diptychon (Plural Diptychen, Diptycha; von altgriechisch δίπτυχος díptychos „doppelt gefaltet“) werden zweiteilige Relieftafeln oder Gemälde bezeichnet, die in der Regel mit Scharnieren zum Aufklappen verbunden sind.

Spätantike

Diptychen waren ursprünglich paarweise zusammenhängende Schreibtäfelchen aus Holz oder Metall, deren vertiefte Innenflächen mit einer Wachsschicht bedeckt und mit einem Metallstift zu beschreiben waren. Mit Riemen oder Ringen zusammengehalten, wurde der Inhalt durch Zusammenklappen geschützt.

Besonders kostbar sind die von spätantiken Konsuln („Konsulardiptychen“) und anderen Würdenträgern verschenkten Diptychen aus Elfenbein, die sich aus dem 4. bis 6. Jahrhundert erhalten haben. Die Darstellungen auf ihren Außenseiten beziehen sich auf den Anlass (Jahreswechsel, Amtsantritt etc.). Einige Kaiserdiptychen bestehen aus jeweils aus fünf Elfenbeinplatten zusammengesetzten Hälften.

Mittelalter

Einige dieser Reliefs haben sich erhalten, weil sie im Mittelalter wiederverwendet wurden, doch dienten sie nicht mehr als Schreibtafeln, sondern als Buchdeckel oder Hüllen für Verzeichnisse von Lebenden und Toten, derer im Gottesdienst besonders zu gedenken war (siehe Diptychon in der Liturgie). Byzantinische und weströmische Elfenbeinreliefs dieser Art dürften im Besitz Karls des Großen gewesen sein, wie am Stil der Elfenbeinarbeiten aus der Hofschule Karls des Großen ablesbar ist. Von der karolingischen bis in die romanische Zeit wurden solche Werke nachgeahmt.

Nachdem sich in ottonischer Zeit die Kunst des Elfenbeinreliefs vom hochrechteckigen Zuschnitt der klassischen Schreibtafeln abgewandt hatte, wird in der Gotik das Diptychonformat in diesem Zweig der Reliefkunst wiederbelebt. Pariser Werkstätten des späten 13. Jahrhunderts produzierten bis ins 15. Jahrhundert in großer Menge diese Doppeltäfelchen. Ihre Bildschemata zeigen auf den Innenseiten teils flächenfüllende Einzeldarstellungen, teils gegliederte Felderteilungen mit szenischen Folgen: Passionserzählungen und mariologische Themen herrschen vor und verweisen auf den Andachtsbildcharakter der als Haus- und Reisealtärchen gebrauchten Kleinkunstwerke. An ihr hohes künstlerisches Niveau reichen die deutschen, italienischen und englischen Nachahmungen nicht heran.

Gemalte Diptychen

Gleichzeitig mit diesen gotischen Elfenbeindiptychen treten in Italien auch gemalte Diptychen erstmals auf. Im frühen 14. Jahrhundert folgen Deutschland, später auch Frankreich und die Niederlande. Auch die Außenseiten eines Diptychon können bemalt sein. Seine Rolle als privates Devotionsobjekt brachte es mit sich, dass sich im Spätmittelalter die Stifter oder Auftraggeber auf der einen Hälfte des Bildpaars im Gestus der Verehrung einer gegenüber angebrachten Darstellung darstellen ließen. Von da war es nicht mehr weit zum rein profanen Diptychontyp mit Doppelporträt, wie es aus Anlass von Verlobung oder Hochzeiten in den Jahrzehnten um 1500 gehäuft vorkommt. Wo es die mechanische Verbindung, das kleine Format, den privaten Charakter verliert und zu zwei einzelnen, wenn auch korrespondierenden repräsentativen Tafelbildern wird, ist allerdings der Begriff Diptychon nicht mehr angemessen.

Beispiel für ein Andachtsbild-Diptychon

Wilton-Diptychon (um 1395, National Gallery London)

  

Beispiel für ein weltliches Diptychon

Hans Holbein der Jüngere (1516, Kunstmuseum Basel)

Berühmte Diptychen

Siehe auch

Literatur

  • Lexikoneintrag: Diptychon. In: Lexikon des Mittelalters. Band 3. München 1986, Spalte 1102/1103.
  • Wolfgang Kermer: Studien zum Diptychon in der sakralen Malerei: Von den Anfängen bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. Mit einem Katalog. Doktorarbeit Universität Tübingen 1966. Stehle, Düsseldorf 1967.
  • John Oliver Hand, Catherine A. Metzger, Ron Spronk: Anmut und Andacht: das Diptychon im Zeitalter von Jan van Eyck, Hans Memling und Rogier van der Weyden. Belser, Stuttgart 2007, ISBN 3-7630-2473-5.
  • David Ganz und Marius Rimmele (Hrsg.): Klappeffekte. Faltbare Bildträger in der Vormoderne (= Bild+Bild Band 4). Reimer, Berlin 2016, ISBN 978-3-496-01554-3.
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Einzelnachweise

  1. Richard Delbrück: Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler: Studien zur spätantiken Kunstgeschichte II. Berlin 1929.
  2. Hermann Schnitzler: Die Elfenbeinwerke der Hofschule, in: Karl der Große, Katalog zur Ausstellung Aachen 1965, S. 309–347, hier S. 320.
  3. Raymond Koechlin: Les Ivoires gothiques français. 2 Bände. Paris 1924, S. ?? (französisch; Volltext auf gallica.bnf.fr).
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