Das elektronische Rezept, auch E-Rezept, soll für gesetzlich Krankenversicherte die klassischen, papierbasierten Verschreibungen von Arznei- und Heilmitteln (Muster 16, „rosa Formular“) ersetzen. Dies soll 2023 verbindlich eingeführt werden.

Optional könnten auch Verordnungen zulasten der Unfallversicherung und Privatrezepte („blaues Formular“) digitalisiert werden. In Deutschland gibt es mit der Telematik bereits ein geschütztes Netzwerk (ähnlich einem VPN), das die Anbieter (Praxen, Krankenhäuser, Apotheken) und Kostenträger verbindet. Nach dem Stammdatenabgleich und der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das E-Rezept die dritte Telematik-Anwendung, die vom Gesetz- und Verordnungsgeber durchgesetzt wird.

Ärzte sollen die Informationen zum Rezept mithilfe der Praxisverwaltungssoftware erzeugen, mit ihrem elektronischen Heilberufsausweis signieren, und über die Telematik auf ein zentrales Informationssystem senden, wo Apotheker und andere Leistungserbringer sie auslesen und weiterverarbeiten können. Die Leistungen sollen auf dem gleichen Weg gegenüber den Kostenträgern quittiert werden. Die Patienten können die Information auf eine spezielle Smartphone-App bekommen oder ersatzweise einen Ausdruck mit einem DataMatrix-Code.

Wo das E-Rezept nicht möglich ist, etwa bei Hausbesuchen, kann weiter das Papierformular verwendet werden. Sonderrezepte (BtM, Heilmittel, DIGA) müssen weiter auf Papier ausgestellt werden.

Erste Praxistests gab es schon 2002. Gesetzliche Grundlage für das E-Rezept wie auch alle anderen Telematikanwendungen wurde dann das von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vertretene GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 (§ 300ff SGB V). Aufgrund von Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit den hochsensiblen persönlichen Gesundheitsdaten, aber auch fehlender Unterstützung durch die wichtigsten Akteure (ärztliche Selbstverwaltung, Apothekenverbände) hat sich die Einführung immer wieder verzögert.

Gegenwärtig (Januar 2023) wurde der Rollout wegen Datenschutzverstößen abgebrochen; die verpflichtende Einführung wurde auf den „Sommer 2023“ vertagt. Einige Ärzte und Zahnärzte stellen jedoch bereits E-Rezepte aus. Sie bestehen meist aus einem Papierausdruck mit einem DataMatrix-Code (Token). Für die Einlösung ist kein Smartphone und keine App erforderlich. Die komplett digitale papierlose Nutzung des E-Rezeptes ist derzeit nur für eine Minderheit der Versicherten technisch möglich (hierfür wäre ein NFC-fähiges Smartphone und eine NFC-fähige Gesundheitskarte mit zugehöriger PIN erforderlich, die Auslieferung der Gesundheitskarten verzögert sich u. a. wegen Chipmangels). Daher wird auch die Gematik-App derzeit kaum genutzt. Technisch wäre auch eine Übermittlung per E-Mail möglich, was aber aus Datenschutzgründen untersagt wurde.

Vor- und Nachteile

Beim klassischen Rezept sind Übertragungsfehler möglich, etwa durch nicht oder schlecht lesbare Handschrift, durch mangelnde Druckqualität, Überlagerung des Stempels, oder durch mechanische Beschädigung des Papierrezepts. Das elektronische Rezept vermeidet diese Fehlerquellen. Papierbasierte Rezepte können mit vertretbaren Mitteln gefälscht werden, z. B. indem Mittel und Mengen geändert, oder ein Kreuz bei „Zuzahlungsbefreiung“ gesetzt wird. Eine digitale Verschreibung und Signatur verhindert solche einfachen Manipulationen zuverlässig.

Die online-Bestellung von Arzneimitteln wird erheblich vereinfacht, Medienbrüche dabei verhindert. Die Abrechnung der Apotheken mit dem Krankenkassen beschleunigt sich ebenfalls, indem die Belege elektronisch eingereicht (bzw. auf die schon für die Kasse sichtbaren Rezeptdaten verwiesen) werden können.

Prinzipiell könnten E-Rezept auch per E-Mail an die Patienten gesendet werden, die dann etwa für Folgerezepte nicht mehr in die Praxis kommen müssten. Tatsächlich läge diese Verbindung außerhalb der Telematik, hat bisher keinen End-zu-End-Verschlüsselungsstandard, und wurde daher für unzulässig erklärt.

Es könnte vor allem bei den Kassen und bei großen Anbietern wie Versandapotheken finanzielles Einsparpotential in der Verwaltung geben. Archive werden digital günstiger, einige Portokosten entfallen. Dem stehen hohe Investitionskosten gegenüber. Zwar erhalten die Praxen und Apotheken für die Telematikanbindung selbst eine Kostenerstattung, doch verbleiben Kosten etwa für Updates der Verwaltungssoftware, Schulungen etc., die sie selbst tragen müssen.

Der Aufwand, jedes Rezept (1 Rezept enthält nur noch 1 Medikament) elektronisch zu signieren, belastet den Praxisalltag zeitlich stark, zumal eine angedachte Stapel-Signatur vielfach noch nicht verfügbar ist und bei mehreren Ärzten in einer Praxis die Arztausweise jeweils ausgewählt werden müssen. Es ist absehbar, dass sich Schummelmechanismen einschleichen, etwa indem der elektronische Arztausweis und die PIN frei verfügbar in der Praxisanmeldung liegen.

Ärzteverbände haben immer vor dem Missbrauch gespeicherter Rezeptdaten gewarnt. Gesundheitsdaten sind eine begehrte Ware. So enthält etwa die Datenschutzerklärung der Seite Das E-Rezept für Deutschland zu „notwendigen“ Cookies 17 Einträge, doch die Verbindungsaufnahme mit Google Analytics wird verschwiegen. Dieses taucht an anderer Stelle bei „Statistiken“ auf. Meta (Facebook) setzt Cookies, „um Werbeprodukte anzuzeigen, zum Beispiel Echtzeitgebote dritter Werbetreibender.“

Zentrale Lösungsansätze bedingen eine performante und verlässliche Internetverbindung, die bislang in Deutschland nicht flächendeckend gewährleistet wird. In der Praxis wird mitunter weiterhin Gebrauch von Papier-Rezepten notwendig sein, darunter beim Verlust der Karte, der Zerstörung oder Beschädigung der Karte, dem Ausfall der Computeranlage beim Arzt oder beim Apotheker etwa durch Schadsoftware, bei Notfallsituationen oder Hausbesuchen sowie zahlreichen anderen Situationen. Diese Notwendigkeit zweier Systeme kann zu mehr Bürokratie führen.

Stand der Einführung

Das E-Rezept wurde mit dem 2019 in Kraft getretenen Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) unter dem Gesundheitsminister Jens Spahn wieder aufgegriffen und vorangetrieben. Die Gematik hat am 16. November 2020 in einem europaweiten Vergabeverfahren zur Einführung des E-Rezepts die IBM Deutschland GmbH mit der Entwicklung und dem Betrieb des Fachdienstes für das E-Rezept beauftragt.

Zum 1. Juli 2021 sollte das E-Rezept bundesweit starten; im Mai 2021 wurde dieses Ziel aufgegeben; stattdessen sollte es vorerst nur in der „Focusregion“ Berlin-Brandenburg in einzelnen (ca. 50) Arztpraxen und nahegelegenen Apotheken getestet werden, tatsächlich startete das E-Rezept am 2. Juli mit simulierten Tests in einer einzelnen Arztpraxis und einer Apotheke. Die E-Rezept-App der Gematik stand dennoch pünktlich ab dem 1. Juli 2021 im Google-Play- bzw. App-Store und der Huawei AppGallery zum Download bereit; Ab 1. Januar 2022 sollte die Nutzung des E-Rezepts bundesweit für gesetzlich Versicherte für Arzneimittel verpflichtend werden; der Termin wurde erneut verschoben, nachdem sich herausstellte, dass im bisherigen Testbetrieb nur wenige dutzend E-Rezepte den Prozess durchlaufen hatten und viele Fragen noch ungeklärt waren.

Zum 1. Januar 2022 sollte das E-Rezept bundesweit eingeführt werden. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) stoppte die Pläne hierfür nur zehn Tage zuvor vorerst. Mindestens 30.000 E-Rezepte sollen in der laufenden Testphase abgerechnet werden (bis Ende November 2021 waren es nach Aussage der KBV lediglich 42 Stück gewesen), bevor das E-Rezept bundesweit eingeführt werden solle, gab die Gematik am 27. Januar 2022 als Zielgröße bekannt.

Ende Mai 2022 einigten sich die Gesellschafter der Gematik darauf, dass Apotheken in Deutschland ab 1. September 2022 E-Rezepte annehmen können sollen. In Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe sollten ab diesem Termin in Pilot-Praxen und -Krankenhäusern dann hochlaufend zu einem flächendeckenden Verfahren E-Rezepte ausgestellt werden; die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ist jedoch wenige Tage vor dem Termin mit Verweis auf datenschutzrechtliche Bedenken ausgestiegen; somit verblieb vorerst nur die Region Westfalen-Lippe. Nachdem Anfang November 2022 sowohl die Kassenärztliche als auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe die Einführung des E-Rezeptes bis auf weiteres ausgesetzt haben, gibt es in Deutschland (Stand 3. Nov. 2022) keine Pilotregion mehr. Die von der Gematik vorgelegte Spezifikation für den Abruf des E-Rezeptes über die Versichertenkarte war zuvor vom Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik für nicht datenschutzkonform erklärt worden. Die Gematik hatte gehofft, dass die Datenschützer das Verfahren dennoch dulden – was sich nicht bewahrheitet hat. Dadurch wird sich die flächendeckende Einführung des E-Rezeptes weiter verzögern.

Österreich

Am 16. März 2020 gab der Dachverband der Sozialversicherungsträger aufgrund der COVID-19-Pandemie in Österreich vorzeitig Teile des Programmes für E-Rezepte frei, sodass sich Patienten notwendige Medikamente abseits von Corona-Erkrankungen telefonisch beim Arzt verschreiben lassen können und diese dann direkt in der Apotheke mittels e-card abgeholt werden können. Die chefärztliche Bewilligungspflicht wurde für die meisten Medikamente vorübergehend ausgesetzt. Gleichzeitig sind Arbeitsunfähigkeitsmeldungen nunmehr auch telefonisch möglich. Durch diese Maßnahmen soll der direkte Patientenkontakt auch bei den niedergelassenen Ärzten drastisch reduziert werden.

Polen

Seit Anfang Januar 2020 wird in Polen das E-Rezept verwendet. Der Patient bekommt einen 4-stelligen Code per SMS, E-Mail, mündlich oder schriftlich mitgeteilt und kann das Rezept in jeder beliebigen Apotheke realisieren. Ein Vorläufer des E-Rezepts wurde schon im Jahre 2011 in einer Kreisstadt getestet.

Literatur

  • D. Balthasar: Integration von Versicherten-Daten in telematische Strukturen des Gesundheitssystems unter der Berücksichtigung des Akzeptanzproblems. 2003, ISBN 3-8386-7443-X.
  • D. Kraft: Telematik im Gesundheitswesen. (= DuD-Fachbeiträge). Deutscher Universitäts-Verlag, 2003, ISBN 3-8244-2166-6.
  • Heike E. Krüger-Brand: Elektronisches Rezept. Im zweiten Anlauf soll es klappen. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 117, Heft 1–2, 6. Januar 2020, S. B 8 – B 12.

Einzelnachweise

  1. Das E-Rezept für Deutschland. Abgerufen am 24. September 2023 (deutsch).
  2. Das E-Rezept kommt! | BMG. Abgerufen am 24. September 2023.
  3. Elektronisches Rezept (eRezept). In: Praxisservice. Kassenärztliche Bundesvereinigung, 3. November 2022, abgerufen am 27. Januar 2023.
  4. Kirsten Sucker-Sket: Eine wechselvolle Beziehung. In: Deutsche Apothekerzeitung. 22. August 2019, abgerufen am 27. Januar 2023.
  5. Detlef Borchers: E-Rezept: Nach 20 Jahren ist es da. In: heise online. 31. August 2022, abgerufen am 27. Januar 2023.
  6. eRezept: Einlösen mit eGK erst ab Sommer 2023 - Westfalen-Lippe stoppt vorerst weiteren Rollout. In: Praxisnachrichten. Kassenärztliche Bundesvereinigung, 3. November 2022, abgerufen am 27. Januar 2023.
  7. Friedhelm Greis: Datenschützer untersagen unverschlüsselten Versand per Mail. In: Golem.de. 22. August 2022, abgerufen am 27. Januar 2023.
  8. Helge David: Telematikinfrastruktur: Neue Kostenerstattungsbeträge, alte Probleme. In: dzw.de. 17. Mai 2022, abgerufen am 27. Januar 2023.
  9. 990-EZ file reduces error rates for nonprofits. In: Board & Administrator for Administrators Only. Band 33, Nr. 10, 22. Mai 2017, ISSN 1525-7878, S. 3–3, doi:10.1002/ban.30472 (doi.org [abgerufen am 24. September 2023]).
  10. Das E-Rezept für Deutschland. gematik GmbH Berlin, abgerufen am 27. Januar 2023.
  11. Fachdienst E-Rezept: Auftrag geht an IBM. Abgerufen am 1. Dezember 2020 (deutsch).
  12. Handy statt rosa Zettel: Was sich durch das neue E-Rezept für Patienten ändert. In: t-online.de. 23. Juni 2021, abgerufen am 30. Juni 2021.
  13. Testphase: E-Rezept. Abgerufen am 19. Mai 2021.
  14. Elektronisches Rezept. Abgerufen am 15. Oktober 2021 (deutsch).
  15. E-Rezept. Abgerufen am 22. November 2020 (deutsch).
  16. Update Pressemitteilung | gematik-Gesellschafter beschließen einstimmig nächste Schritte fürs E-Rezept, auf gematik.de
  17. Pressemitteilung | Flächendeckende E-Rezept-Nutzung erfolgt stufenweise – Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein starten | Gematik. Abgerufen am 5. Juni 2022.
  18. Nach Sicherheitsbedenken der Datenschützer zum Abruf via E-GK | E-Rezept-Einführung in Westfalen-Lippe ausgesetzt, Deutsche Apotheker Zeitung vom 3. November 2022
  19. Stopp des E-Rezept-Rollouts in Westfalen-Lippe | AVWL und E-Rezept-Enthusiasten bedauern weitere Verzögerung, Deutsche Apotheker Zeitung vom 3. November 2022
  20. Julia Borsch: Kelber kritisiert „Scheuklappenmentalität“ von BMG und Gematik. In: DAZ online. 22. November 2022, abgerufen am 27. Januar 2023.
  21. Philip Pfleger: Coronavirus: Elektronisches Rezept – so funktioniert es. In: ORF.at. 17. März 2020, abgerufen am 27. Januar 2023.
  22. ÖGK: Leichtere Arzt-Patient-Kommunikation auf ORF vom 13. März 2020, abgerufen am 13. März 2020.
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