Eidgenössische Feste (französisch Fête Fédérale, italienisch Festa federale, rätoromanisch Festa federala) sind nationale Feste in der Schweiz, die beim Aufbau der Willensnation Schweiz eine tragende Rolle spielten und für deren Zusammenhalt weiterhin von Bedeutung sind. Die gemeinsamen Feste drücken die Verbundenheit aller Teilnehmer aus, obgleich diese verschiedenen sprachlichen und kulturellen Gruppen (deutscher, französischer, italienischer und rätoromanischer Kulturkreis) angehören.

Geschichte

Heinrich Zschokke, der Leiter des Büros für Nationalkultur in der Helvetischen Regierung in Luzern, regte um 1799 die Durchführung von Nationalfesten an. Er hatte Verbindungen zur Helvetischen Gesellschaft, der bedeutendsten gesamtschweizerischen Vereinigung, die im aufklärerischen Geist der Zeit (Sozietätsbewegung) eine alle Grenzen überschreitende Freundschaft, die Entfaltung eines Nationalgefühls und den eidgenössischen Zusammenhalt pflegte.

Die Schweiz hatte mit dem Franzoseneinfall von 1798, den Jahren der französischen Besetzung und als europäischer Kriegsschauplatz ihre Machtlosigkeit und Abhängigkeit erfahren. Diese Demütigung liess kein nationales Erwachen wie in Frankreich oder Deutschland und keine nationale Hochstimmung aufkommen, dafür das Gefühl vaterländischer Zusammengehörigkeit. Die aufgezwungene, zentralistische Helvetische Republik hatte dem Volk den Einheitsstaatsgedanken gründlich verleidet.

Die Unspunnenfeste von 1805 und 1808 gelten als Vorläufer der eidgenössischen Feste. Mit den Unspunnenfesten sollte dem Schweizervolk nach den Jahren der Demütigung wieder einmal Gelegenheit zu echter Festfreude geboten werden, schweizerische Kampfspiele und Lieder sollten das Selbstgefühl und das Nationalbewusstsein stärken. Die Unspunnenfeste hatten auch eine vermittelnde Funktion zwischen den Anhängern des Ancien Régime, die ihre Position wieder zu stärken versuchten und den Patrioten, die versuchten die freiheitlichen Errungenschaften der Helvetik zu retten.

Die ersten «Eidgenössischen» fanden bereits vor der Gründung des Bundesstaates von 1848 statt. Sie waren wichtige Plattformen für die Bildung der Willensnation Schweiz und die Einführung der Direkten Demokratie: Das erste Eidgenössische Fest war das Eidgenössische Schützenfest 1824 in Aarau. In der Regenerationszeit wurden die Schützenfeste zur Plattform der politischen Erneuerungsbewegungen. 1832 fand das erste Eidgenössische Turnfest und 1843 das erste Eidgenössische Sängerfest statt. Parallel dazu wurde mit Gedenkfeiern und Festspielen die Erinnerung an Ereignisse der eidgenössischen Geschichte wie Bündnisse, Schlachten und Kriege neu belebt. Als Vorläufer dieser vaterländischen Feiern sind die seit dem Spätmittelalter zelebrierten Schlachtjahrzeiten und die in Flugdruckschriften zirkulierenden Schlachtlieder der alten Eidgenossen zu betrachten.

Lieder und Ansprachen an den «Eidgenössischen» enthielten oft Aufrufe zu politischen Veränderungen. Prominente Liberale aus anderen Kantonen erhielten Applaus. Dies wurde nicht überall gerne gesehen. Am Eidgenössischen Schützenfest von 1830 in Bern veranlasste die dortige Kantonsregierung beim Organisationskomitee, dass es über Lieder und Ansprachen eine diskrete Zensur verhängte. Einzelne Sektionen reagierten auf diese Bevormundung und drohten das Fest vorzeitig zu verlassen. Der konservativ-demokratische Pfarrer und Volksliederdichter Gottlieb Jakob Kuhn beklagte, dass alte Schweizerart und alte Schweizerlieder nicht mehr Mode seien und schloss sein Lied mit dem Refrain „Drum fort mit der Zensur“. Der ungestörte Ablauf des Anlasses war schlussendlich nur möglich, in dem die Veranstalter auf jede Beeinflussung von Reden und Gesang verzichteten.

In der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten weitere Feste ihren festen Platz in der traditionellen Festkultur und der Pflege des eidgenössischen Zusammenhalts. Dabei wurde bewusst auf die Integration der verschiedenen Sprachen und Konfessionen geachtet: 1864 das Eidgenössische Musikfest, 1894 das Eidgenössische Schwingfest und das Eidgenössische Pontonierwettfahren. Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest wurde 1895, das Eidgenössische Armbrustschützenfest 1898, das Eidgenössische Hornusserfest 1903, das Eidgenössische Tambouren- und Pfeiferfest 1908, das Eidgenössische Jodlerfest 1924 und das Eidgenössische Trachtenfest 1931 erstmals abgehalten.

Als zentrales Element grosser eidgenössischer Feste und Jubiläen erlebte das Festspiel – eine neuere Variante der Gedenkfeiern – seine Blütezeit zwischen 1886 und 1914.

Seit 1926 wird das Eidgenössische Feldschiessen jährlich mit rund 150'000 Teilnehmern im ganzen Land verteilt an jeweils zwei Tagen durchgeführt.

Organisation

Die eidgenössischen Feste werden durch die nationalen oder kantonalen Dachorganisationen der Vereine und Verbände organisiert. Nur der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag (ab 1796) und der Schweizer Bundesfeiertag (ab 1891) sind staatlich angeordnet.

Nach dem Muster der Eidgenössischen bildete sich analog dem föderalistischen Staatsaufbau und dem Subsidiaritätsprinzip ein weit verzweigtes Netz von kantonalen und regionalen Vereinsfesten, wobei die Eidgenössischen Feste jeweils den Höhepunkt dieser abgestuften Festkultur darstellen. An den Festen können sich die auf Gemeindeebene organisierten achtzig- bis hunderttausend Vereine – die Hälfte davon sind Sportvereine – in friedlichem Wettkampf messen und der Öffentlichkeit zeigen, welche Leistungen und Fähigkeiten sie sich durch jahrelanges Training und Übungen angeeignet haben. Die Hälfte der Einwohner über vierzehn Jahre sind Mitglieder in mindestens einem Verein.

Die Feste werden in regelmässigen Abständen und jedes Mal an neuen Festorten durchgeführt, um die regionalen Interessen, Möglichkeiten und den föderalen Aufbau der Eidgenossenschaft gebührend zu berücksichtigen. Obwohl die verkehrstechnisch gut erschlossenen Städte des Mittellands im Vorteil sind, gibt es auch Abstecher in die Innerschweiz, den Jura und das Tessin, um alle Kantone einzubeziehen.

Erste Eidgenössische Feste

JahrEidgenössisches ...Erster AustragungsortVeranstalterLetztes FestTeilnehmerBesucherNächstes Fest
1805 Unspunnenfest / Unspunnen-Schwinget Interlaken Verein Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest, Unspunnen 2017 Fest und Schwinget, Interlaken 4'000 90'000 2023 Schwinget und 2029 Fest, Interlaken
1824 Schützenfest Aarau Schweizer Schützenverband (SSV) 2015 Raron, Visp 37'000 10'000 2020 Luzern
1832 Turnfest Aarau Schweizerischer Turnverband (STV) 2019 Aarau 69'000 200'000 2025 Lausanne
1843 Sängerfest/Gesangsfest Zürich Eidg. Sängerverein/Schweizerische Chorvereinigung (SCV) 2015 Meiringen 13'000, 400 Chöre 30'000 2022 Gossau (2. Quartal)
1864 Musikfest Solothurn Eidg. Musikverein / Schweizer Blasmusikverband 2016 Montreux 284 Musikvereine 150'000 2026 ?
1895 Schwing- und Älplerfest Biel Eidgenössischer Schwingerverband (ESV) 2019 Zug 276 420'000 in drei Tagen 2022 Pratteln
1894 Pontonierwettfahren (Pontoniersport) Zürich Schweizerischer Pontonier-Sportverband 2022 Aarburg AG 1'500 7'000 42. Eidgenössisches Pontonierwettfahren 2025 in Schmerikon
1898 Armbrustschützenfest Zürich-Oberstrass Eidgenössischer Armbrustschützenverband 2019 Ringgenberg BE 1'000  ? 2021 ?
1903 Hornusserfest (Hornussen) Heimiswil Eidgenössischer Hornusserverband (EHV) 2018 Walkringen 5'500 20'000 39. Eidgenössisches Hornusserfest im 2024 in Höchstetten BE
1908 Tambouren- und Pfeiferfest Zürich Schweizerischer Tambouren- und Pfeiferverband (STPV) 2018 Bulle 3'000 10'000 2022 ?
1924 Jodlerfest Basel Eidgenössischer Jodlerverband 2017 Brig-Glis 10'000 110'000 26.–28. Juni 2020 Basel
1926 Feldschiessen alle Kantone Schweizer Schützenverband (SSV) jährlich ganze Schweiz 150'000 - jährlich ganze Schweiz
1931 Eidgenössisches Trachtenfest / Trachtenchorfest seit 2001 Genf Schweizerische Trachtenvereinigung 2016 Lugano Trachtenchorfest 2'000 75'000 Schweizerisches Volkstanzfest 2019 in Langnau im Emmental, Eidgenössisches Trachtenfest 2023 in Zürich
1937 Eidgenössische Nationalturntage Neuenburg Eidgenössischen Nationalturnverband (ENV) 2017 Eschenbach LU 400 5'000  ?
1971 Ländlermusikfest / Volksmusikfest Sargans Verband Schweizer Volksmusik 2015 Aarau 1'500 100'000 13. Eidgenössisches Volksmusikfest in Crans-Montana vom 19. bis 22. September 2019
1978 Jungmusikantentreffen Zug Verband Schweizer Volksmusik 2017 Baar 400 2021
1979 Eidgenössisches Scheller- und Trychlertreffen Euthal einladende Ortsgruppe 2017 Märstetten 3'000 35'000 2020 Bremgarten AG
1992 Eidgenössisches Frauen- und Meitlischwingfest (Schwingen) Aeschi bei Spiez Eidgenössischer Frauenschwingverband EFSV und einladende Ortsgruppe 2018 Uezwil AG 126 1'100 29. September 2019 Menznau
2008 Jungtambouren- und Pfeiferfest Zofingen Schweizerischer Tambouren- und Pfeiferverband (STPV) 2018 Bulle 25.-27. September 2020 in Aarau
2013 Schweizer Jugendmusikfest Zug jugendmusik.ch 2019 Burgdorf 16.-17. September 2023 in St. Gallen

Einzelnachweise

  1. Heinrich-Zschokke-Gesellschaft: Heinrich Zschokke und die Helvetische Gesellschaft – ein Beitrag zur Entstehung der modernen Schweiz
  2. Peter Dürrenmatt: Schweizer Geschichte. Schweizer Druck- und Verlagshaus AG, Zürich 1963
  3. Fest-Ankündigungen von 1805 im Pariser Le Moniteur Universel und in den Gemeinnützigen Schweizerischen Nachrichten
  4. Zu den Schlachtliedern vgl. Rainer Hugener: Gesungene Geschichte(n). Eidgenössische Schlachtlieder in Chroniken und Flugschriften (Teil 1 und 2), in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 72 (2022), S. 257–273 (doi:10.24894/2296-6013.00107), S. 425–445 (doi:10.24894/2296-6013.00113).
  5. Die Entstehung des demokratischen Volksstaates 1831-1880 im Kanton Bern (Memento vom 10. Juli 2007 im Internet Archive)
  6. Unspunnen-Schwinget
  7. Unspunnenfest
  8. Eidgenössisches Turnfest Aarau 2019
  9. SPSV. Abgerufen am 3. Januar 2023.
  10. AARBURG 2022 - Start. Abgerufen am 3. Januar 2023.
  11. Termine. Abgerufen am 3. Januar 2023.
  12. Homepage EHF 2021
  13. Schweizerischer Tambouren- und Pfeiferverband
  14. 31. Eidgenössisches Jodlerfest Basel
  15. 14. Eidgenössisches Scheller- und Trychlertreffen
  16. Eidgenössischer Frauenschwingverband EFSV
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