Beim Eisenbahnunfall auf der Storebæltsbro stießen am Morgen des 2. Januar 2019 auf der Westbrücke der Storebæltsbro Teile der Ladung eines Güterzugs, die sich aus ihrer Verankerung gelöst hatte, mit einem Personenzug der Dänischen Staatsbahnen zusammen. Acht Menschen starben, 16 wurden darüber hinaus verletzt. Es handelt sich um den schwersten Eisenbahnunfall in Dänemark seit dem Eisenbahnunfall von Sorø am 25. April 1988.

Ausgangslage

Infrastruktur

Die Eisenbahn- und Straßenbrücke Storebæltsbro zwischen Fünen und Sprogø quert den Westteil des Großen Belt. Die Bahnstrecke ist zweigleisig und elektrifiziert. Die Brücke ist mit zwei Windmessstellen ausgestattet.

Züge

Der Fernverkehrszug InterCityLyn 210 befand sich auf dem Weg von Aarhus H nach Kopenhagen Flughafen. Er war aus zwei Garnituren der Baureihe MG (IC 4) gebildet. In dem Zug befanden sich 131 Reisende und drei DSB-Mitarbeiter. Kurz vor dem Unfall war er auf die Westbrücke der Storebæltsbro aufgefahren.

In der Gegenrichtung war der Ganzzug 9233 von DB Cargo Scandinavia von Høje Taastrup nach Fredericia unterwegs. Der Zug wurde von der Lokomotive 185 401 des Typs Traxx 2 gezogen und bestand aus Doppeltaschenwagen, die Sattelauflieger geladen hatten, die wiederum mit Leergut der Brauerei Carlsberg beladen oder leer unterwegs und damit relativ leicht waren. Der Zug ist auch als Øltog bekannt. Er war mit etwa 100 km/h unterwegs.

Wetterlage

Es herrschte heftiger Wind aufgrund des Sturmtiefs Alfrida. Im Bereich der Brücke herrschten Sturmböen mit einer Windgeschwindigkeit von 20–21 m/s (ca. 75 km/h). Deshalb war auf der parallelen Straße bereits seit dem Vorabend der Lkw-Verkehr und seit dem Morgen auch der Pkw-Verkehr eingestellt worden.

Zum Unfallzeitpunkt war es noch dunkel.

Besondere Betriebsbedingungen

Die automatisch gesteuerte Sicherheitsanlage auf der Brücke gab vor, dass bei Windgeschwindigkeiten bis 21 m/s im 10-Minuten-Mittel Güterzügen eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h signalisiert wurde. Bei Windgeschwindigkeiten von 25 m/s (90 km/h) wurde der Verkehr mit Güterzügen eingestellt. Für Personenzüge betrug die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch in diesem Fall weiterhin 180 km/h. Die Grenzwerte wurden von Banedanmark festgelegt und galten seit Mai 2018, als sie verschärft worden waren.

Unfallhergang

Da die gemessene Windgeschwindigkeit noch knapp unterhalb des dafür angesetzten Wertes lag, wurde dem Güterzug keine verminderte Höchstgeschwindigkeit 80 km/h signalisiert. Er befuhr die Brücke mit etwa 120 km/h. Der Triebfahrzeugführer des Personenzuges hatte, weil die Wagen im Sturm heftig schüttelten, die Geschwindigkeit von sich aus auf 100 bis 120 km/h zurückgenommen. Gegen 07:30 Uhr befuhren beide Züge die Brücke in entgegengesetzter Richtung. Kurz vor der Zugbegegnung drückte der Wind den vordersten Sattelauflieger aus seiner Halterung und in das Lichtraumprofil des entgegenkommenden Personenzuges. Der Triebfahrzeugführer des ICL beobachtete an dem entgegenkommenden Güterzug in der Dunkelheit Funkenflug und leitete um 7:29:28 Uhr eine Schnellbremsung ein. Bei der Zugbegegnung riss der gelöste Sattelauflieger die Front und die Seite des vorderen Teils der ersten MG-Doppeleinheit auf. Keines der beteiligten Fahrzeuge entgleiste.

Folgen

Unmittelbare Folgen

Bei dem Eisenbahnunfall wurden acht Menschen getötet und 16 weitere verletzt. Sieben der Todesopfer befanden sich auf der aufgerissenen linken Seite des vorderen Fahrzeugs, ein Mann wurde weiter hinten im Zug durch umherfliegende Teile getötet. Der Triebfahrzeugführer hatte sich zur Seite geworfen und überlebte. Die Oberleitung des vom Reisezug befahrenen Gleises wurde auf einer Strecke von 500 m und die des zweiten Gleises auf 200 m beschädigt.

Der Straßen- und Zugverkehr wurde eingestellt.

Weitere Folgen

Ab 10:52 Uhr wurde die Straßenverbindung wieder freigegeben. Schienenersatzverkehr fuhr an Stelle ausfallender Züge.

Um 16 Uhr am Unfalltag musste der Straßenverkehr Richtung Westen erneut gesperrt werden, da sich lange Schlangen Neugieriger gebildet hatten. 40 Autofahrer erhielten vor Ort eine Geldstrafe, weil sie mit Mobiltelefonen Fotos von der Unfallstelle gemacht hatten.

Der Zugbetrieb wurde am 3. Januar 2019 – zunächst eingleisig – wieder aufgenommen. Erster Zug war der IC 833, der den Bahnhof Østerport um 08:20 Uhr verließ. Gegen 17 Uhr sollte der tagsüber eingleisige Betrieb wieder auf beiden Gleisen durchgeführt werden.

DB Cargo Scandinavia verlegte die Verkehrsleistung, die normalerweise durch den Øltog erbracht wird (drei Fahrten pro Woche), bis zur Klärung der Unfallursache auf die Straße.

Das Trafik-, Bygge- og Boligstyrelsen (deutsch Behörde für Transport-, Bau- und Wohnungswesen) untersagte am 8. Januar 2019 den Verkehr mit Taschenwagen sämtlicher Bauarten. Dies wurde für einzelne Transportunternehmen aufgehoben, sobald sie ein Dokumentationssystem vorweisen konnten, mit dem belegt wurde, dass in jedem Einzelfall überprüft wurde, dass der Königszapfen des Sattelaufliegers ordnungsgemäß in die entsprechende Verankerung des Taschenwagens eingerastet ist. Ab dem 11. Januar 2019 konnten Hector Rail und ab dem 15. Januar 2019 CFL Cargo und TX Logistik den Transport der Taschenwagen wieder aufnehmen.

Im März 2019 hat die Europäische Union aufgrund des Unfalls ein Dringlichkeitsverfahren zur Sicherheit von Lkw-Aufliegern auf Taschenwagen eingeleitet. Es soll innerhalb von zwei Monaten Möglichkeiten der Risikominderung ermitteln, möglichst ohne den kombinierten Verkehr einzuschränken.

Geänderte Betriebsbedingungen

Als Folge dieses Unfalles wurden die Sicherheitsbestimmungen für Zugfahrten über die Storebæltsbro am 8. Januar 2019 verschärft:

  • Für Güterzüge gilt: Bei Seitenwind bis 15 m/s (ca. 55 km/h) im 10-Minuten-Mittel gelten keine Einschränkungen, zwischen 15 und 20 m/s dürfen Züge maximal 80 km/h fahren. Bei höherer Windgeschwindigkeit wird der Güterverkehr eingestellt. Beides gilt nicht für Lokzüge.
  • Reisezugverkehr ist bis zu 25 m/s ohne Einschränkung möglich, bei höheren Windgeschwindigkeiten wird auch er eingestellt.

Weitere Vorfälle

Am 13. Januar 2021 wurde erneut ein loser Lkw-Auflieger auf einem Taschenwagen festgestellt. Der Zug, der über die Brücke fahren sollte, wurde in Nyborg gestellt. Wiederum handelte es sich um einen LKW-Anhänger von Carlsberg auf einem Wagen von DB Cargo. Zum Zeitpunkt des Vorfalls fuhren alle Güterzüge aufgrund des Windes mit einer reduzierten Geschwindigkeit von 80 km/h. Trafik-, Bygge- og Boligstyrelsen (deutsch: Behörde für Transport-, Bau- und Wohnungswesen) stellte sofort den Güterverkehr bis zur Klärung des Vorfalles – aber mindestens für zwei Wochen – über die Brücke ein und ließ von der Havariekommission HCLJ den Vorfall untersuchen.

Literatur

Anmerkungen

  1. dänisch bedeutet Øl Bier und tog Zug
  2. So die Bezeichnung in Skandinavien. Von der Freien Universität Berlin wurde das Tief André genannt. Zur meteorologischen Analyse und weiteren Sturmfolgen siehe hier.

Einzelnachweise

  1. Zugunglück in Dänemark – Zahl der Toten steigt auf acht. In: spiegel.de. 3. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019.
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 jst/lund: Tragischer Unfall auf der Brücke über den Storebælt. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 2, 2019, S. 98–100.
  3. 1 2 3 4 Kaare Sørensen: Det ved vi om ICL 210 og ulykken, der kostede seks livet. In: TV 2. 2. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019 (dänisch).
  4. Banedanmark (Hrsg.): SIN-L – Lokale instrukser. Instruks 1.4 Storebæltsforbindelsen, Sikkerhedsbestemmelser, 2.2.1. Restriktioner ved kraftig vind. 2. Oktober 2017, S. 239 (dänisch).
  5. 1 2 Politiet opjusterer dødstal: Otte er dræbt i togulykken. In: politiken.dk. 3. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019.
  6. Togene kører igen over Storebælt i morgen klokken 10. In: bane.dk. 2. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019 (dänisch).
  7. Mark Lindved Norup: Politiet lukkede Storebæltsbroen: Fokuser på vejen og ikke ulykken. In: dr.dk. 2. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019 (dänisch).
  8. Efter ulykke: Vi kan nu igen køre tog over Storebælt. In: dsb.dk. 3. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019 (dänisch).
  9. Ulykke på Storebæltsbroen. In: bane.dk. 3. Januar 2019, archiviert vom Original am 3. Januar 2019; abgerufen am 3. Januar 2019.
  10. Hector Rail darf Taschenwagen wieder einsetzen. In: Deutsche Verkehrs-Zeitung. 11. Januar 2019, abgerufen am 21. Mai 2019.
  11. CFL und TX dürfen in Dänemark wieder Taschenwagen einsetzen. In: Deutsche Verkehrs-Zeitung. 15. Januar 2019, abgerufen am 21. Mai 2019.
  12. JNS Urgend procedure Task Force 2019/01. Action Plan. In: era.europa.eu. 26. April 2019, abgerufen am 21. Mai 2019 (englisch).
  13. Bengt Dahlberg: Europäische Union: ERA veröffentlicht Aktionsplan zum Unfall am Großen Belt. In: lok-report.de. 8. Mai 2019, abgerufen am 21. Mai 2019 (WKZ, Quelle ERA, Trafik-, Bygge- og Boligstyrelsen).
  14. Banedanmark (Hrsg.): Supplerende Sikkerhedsbestemmelser: SR SSB 106-2019. TIB 1, Storebæltsforbindelsen. Restriktioner ved tværvind. 8. Januar 2019 (dänisch).
  15. Banedanmark (Hrsg.): Supplerende Sikkerhedsbestemmelser: SR SSB 147-2021. TIB 1, Storebæltsforbindelsen. Restriktioner ved tværvind. 1. November 2021 (dänisch).
  16. Hjalte Josefsen: Trailer-transporten over Storebælt stoppet efter løs lastbiltrailer. In: ing.dk. 14. Januar 2021, abgerufen am 19. Januar 2021 (dänisch).

Koordinaten: 55° 18′ 4,7″ N, 10° 51′ 40″ O

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