Emil Dosenheimer (* 11. Februar 1870 in Ungstein; † 16. Februar 1936 in Heidelberg) war ein deutscher Jurist und in der Stadt Frankenthal (Pfalz) 1. Vorsitzender des Volksbildungsvereins, der Freireligiösen Gemeinde und der Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft sowie stellvertretender Vorsitzender des Mieteinigungsamtes. Außerdem war er 1. Vorsitzender des Pfälzischen Verbandes für freie Volksbildung und stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Freireligiösen Gemeinden der Pfalz.
Leben
Dosenheimers Eltern waren der Kaufmann Abraham Dosenheimer und dessen Ehefrau Helene geb. Adler. Der Vater betrieb in Ungstein/Rheinpfalz (die Pfalz gehörte damals zu Bayern und wurde zur Unterscheidung von der Oberpfalz Rheinpfalz genannt) ein Ladengeschäft, das er 1891 aufgab. Emil Dosenheimer hatte noch drei Geschwister, und zwar:
- Robert Dosenheimer, Kaufmann, geb. am 17. Februar 1860 in Ungstein, verstorben am 18. Dezember 1935 in Worms am Rhein,
- Flora Lurch geb. Dosenheimer, geb. am 2. Juni 1864 in Ungstein, verstorben am 27. Dezember 1946 in Gresy-sur-Aix/Frankreich und
- Elisabetha – genannt Elise – Dosenheimer, geb. am 22. Dezember 1868 in Ungstein, verstorben am 11. April 1959 in den USA, die durch ihre Werke über Hebbel und das deutsche Drama bekannt geworden war.
Die Eltern Dosenheimer hatten schon frühzeitig erkannt, dass eine gute Bildung die beste Investition für die Zukunft ist, und so waren sie bemüht, ihren Kindern den Erwerb des Abiturs zu ermöglichen. Bei drei Kindern war ihnen Erfolg beschieden.
Von 1876 bis 1880 besuchte Emil Dosenheimer die Volksschule in Ungstein. Danach besuchte er bis 1886 die Lateinschule in Bad Dürkheim. Zu Ostern 1886 trat er in die Obersekunda des Großherzogliches Gymnasium in Worms am Rhein ein und legte dort Ostern 1889 sein Abitur ab. In dieser Zeit wohnte er bei seinem Onkel Karl (1823–1901), der 1860 von Ungstein nach Worms gezogen war.
Danach studierte Emil Dosenheimer vom Wintersemester 1889/90 bis Sommersemester 1893 Rechtswissenschaften in München. Wintersemester 1890/91 und Sommersemester 1891 unterbrach er das Studium, wohl, um seinen Eltern bei der Auflösung des Geschäftes und beim Umzug von Ungstein nach Frankenthal behilflich zu sein. Ab dem Sommersemester 1892 gab er die Stadt Frankenthal als seine Heimat an. Die Fortsetzung seines Studiums zum Wintersemester 1891/92 dürfte ihm nur möglich gewesen sein, weil ihn neben seinen Eltern auch der Ehemann seiner Schwester Flora, der Mehlhändler Heinrich Lurch, finanziell unterstützte.
Nach Abschluss des Studiums begann 1893 für Emil Dosenheimer die Vorbereitungspraxis. So war er in Frankenthal als Rechtspraktikant beim Bezirksamt (Landratsamt), Amts- und Landgericht sowie bei Rechtsanwalt Stößel tätig. Die Staatsprüfung bestand er Ende 1896 mit der Gesamtnote II. Anschließend war er eineinhalb Jahre bei den Rechtsanwälten Stößel und Dr. Mappes in Frankenthal tätig, bevor er Amtsanwalt an den Amtsgerichten Homburg und Waldmohr wurde. Am 5. Juli 1900 wurde er Sekretär beim Landgericht Frankenthal, bevor er Januar 1902 als Königlich Bayerischer Amtsrichter zum Amtsgericht Waldmohr ging. Im Januar 1906 wurde er an das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein versetzt.
1913 erschien im Neuen Frankfurter Verlag Emil Dosenheimers Buch „Ursachen des Verbrechens und ihre Bekämpfung“. Er verarbeitete darin seine Erfahrungen aus dem juristischen Alltag. Er hatte erkannt, das Verbrechen oft gesellschaftliche Ursachen haben und diese beseitigt werden müssen, um Straftaten zu vermeiden. Eine zweite Auflage des Buches erschien im Jahre 1924.
1914 wurde er zum Oberamtsrichter ernannt, bevor er 1916 unter gleichzeitiger Ernennung zum Landgerichtsrat an das Landgericht Frankenthal versetzt wurde. Bis dahin wurde seine Arbeit nie beanstandet und er immer als tüchtiger, gewandter, gewissenhafter, mit guten Kenntnissen im Straf- und Zivilrecht ausgestatteter Richter beurteilt.
Zwischenzeitlich hatte Emil Dosenheimer am 27. Dezember 1906 in Ludwigshafen am Rhein die 14 Jahre jüngere, aus Mannheim stammende Paula Friedmann geheiratet, Tochter des Kaufmanns Leopold Friedmann und seiner Ehefrau Rosa geb. Aberle. In Ludwigshafen am Rhein erblickten am 15. November 1907 der Sohn Ernst Karl und am 8. Juni 1910 die Tochter Gertrud Helene das Licht der Welt.
Da Emil Dosenheimer die gesetzliche Mindestgröße nicht erreichte, wurde er nicht zum Kriegsdienst einberufen.
Im April 1916 zog die Familie von Ludwigshafen nach Frankenthal in die Pilgerstraße 2. Das Bewusstsein, als Bürgerin und Bürger mitverantwortlich für das Geschick der Stadt zu sein, prägten das Ehepaar Dosenheimer. So führten seit April 1919 Emil Dosenheimer und der Bezirksamtsassessor Dr. Hermann Fitz unentgeltlich allgemeine Volksbildungskurse durch, deren Ziel es war, Arbeitslosen und heimkehrenden Soldaten wieder Hoffnung für die Zukunft zu geben und der jungen Demokratie eine Stütze zu sein, wobei sie sich auch selbst als Lehrkräfte zur Verfügung stellten. Aufgrund ihrer Erfahrungen wurde am 13. Dezember 1919 der Volksbildungsverein gegründet, wobei Dr. Hermann Fitz 1. Vorsitzender und Emil Dosenheimer 2. Vorsitzender wurde. Als Dr. Hermann Fitz im Februar 1923 durch die Franzosen ausgewiesen wurde, übernahm Emil Dosenheimer das Amt des 1. Vorsitzenden und blieb es bis zu seiner Versetzung im Herbst 1929 nach Landau in der Pfalz.
Emil Dosenheimer und Dr. Hermann Fitz waren auch die treibenden Kräfte für die Gründung des Pfälzischen Verbandes für freie Volksbildung. Bei dessen Gründungsversammlung am 10. Juli 1920 in Neustadt an der Haardt wurde Emil Dosenheimer zum 1. Vorsitzenden gewählt. Am 19. Februar 1933 trat er nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten von diesem Amt zurück. Das Wirken Dosenheimers für die Volksbildung wurde vom Kultusministerium mehrfach gewürdigt. Von 1921 bis 1923 war Emil Dosenheimer stellvertretender Vorsitzender des städtischen Mieteinigungsamtes und veröffentlichte in juristischen Fachzeitschriften mehrere Aufsätze. In dieser Zeit war er Richter bei der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal und wurde zum 1. Juni 1924 zum Oberlandesgerichtsrat ernannt.
1919 wurde Emil Dosenheimer, der in Mannheim der Freireligiösen Gemeinde beigetreten war, in den Vorstand und am 2. April 1920 zum 1. Vorsitzenden der Freireligiösen Gemeinde Frankenthal gewählt und blieb dies bis zu seinem Wegzug nach Landau in der Pfalz. Er war auch stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Freireligiösen Gemeinden in der Pfalz. Seine Auffassung von der freien Weltanschauung fasste er in kurzer Form zusammen: „Nicht frei von Religion, sondern frei in der Religionsauffassung, Sieg des vernunftgemäßen Denkens, frei von Glaubenszwang, höchstes sittliches Verantwortungsgefühl seinen Mitmenschen gegenüber, das sich in wahrer Nächstenliebe frei von Heuchelei geltend mache.“
Am 21. September 1924 trat Emil Dosenheimer als Redner auf dem Antikriegstag der Freien Gewerkschaften in Frankenthal auf. Er forderte den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund und kündigte die Gründung einer Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft in Frankenthal an, zu deren Vorsitzenden er gewählt wurde und dies bis zu seinem Weggang nach Landau in der Pfalz blieb.
1926 erschien in Neuen Frankfurter Verlag das Buch: „Für und wider die Todesstrafe“, in dem Emil Dosenheimer die Stellungnahme namhafter Persönlichkeiten zu diesem Thema veröffentlichte. Er, der immer ein Gegner der Todesstrafe war, tat dies, um in die Meinungsbildung einzugreifen, weil der Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches in § 29 weiterhin die Todesstrafe vorsah.
Bei seinem Bewerbungen um die Stelle als stellvertretender Landgerichtsdirektor beim Landgericht Frankenthal bekam er die gegen seine persönlichen Auffassungen gerichtete Stimmung der bayerischen Justiz zu spüren. Deshalb wurde er erst im Oktober 1929 zum stellvertretenden Landgerichtsdirektor befördert, aber nicht in Frankenthal, sondern in Landau in der Pfalz, dem kleinsten Landgericht des Oberlandesgerichtsbezirks Zweibrücken. Zum 1. April 1930 verzog die Familie Dosenheimer von Frankenthal nach Landau.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten durfte Emil Dosenheimer nicht in seinem Amt bleiben, sondern wurde wegen seiner jüdischen Abstammung auf Grund § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 zum 1. April 1933 beurlaubt und zum 1. Juli 1933 in den dauernden Ruhestand versetzt. Sein pensionsfähiges Diensteinkommen und seine Dienstzeit wurden so festgesetzt, als hätte er im Zeitpunkt des Ausscheidens das 65. Lebensjahr vollendet.
In Landau in der Pfalz war Emil Dosenheimer Vorsitzender des Historischen Vereins der Pfalz, Ortsgruppe Landau, und Mitglied des Ausschusses des Theatervereins. Er trat von diesen Ämtern nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zurück.
Das umfangreiche gesellschaftliche Wirken Dosenheimers wäre ohne die Unterstützung seiner Ehefrau nicht möglich gewesen, die jahrelang mit großer Opferwilligkeit die Flut von Arbeit bewältigte.
Ende Juli 1933 verzog die Familie Dosenheimer von Landau nach Mannheim und im Oktober von dort nach Heidelberg, wo er am 16. Februar 1936 verstarb. Seine Urne wurde am 5. März 1936 im Familiengrab auf dem alten Judenfriedhof in Frankenthal beigesetzt. Das Grab wurde während des NS-Regimes beseitigt.
Die Tochter Gertrud Helene (verheiratete Schwerin), die in Frankenthal die Karolinenschule besucht und am Städtischen Mädchenlyzeum in Ludwigshafen am Rhein das Abitur abgelegt hatte, studierte an den Universitäten in München, Heidelberg, Freiburg, Grenoble/Frankreich und Köln und emigrierte 1937 in die USA. Sie verstarb am 7. April 1993 in Chicago. Der Sohn Ernst Karl, der bereits 1936 nach Palästina emigrierte, verstarb am 12. November 1987 in Nahariya (Israel).
Die Ehefrau Paula geb. Friedmann konnte sich zur Emigration nicht entschließen, weil sie befürchtete, wohl nicht unbegründet, dadurch die Pensionsansprüche zu verlieren. So wurde sie am 22. Oktober 1940 in das Camp de Gurs deportiert. Aufgrund des Einsatzes von Dr. Paul Rehfeld, einem Enkel der Schwester Flora von Emil Dosenheimer, konnte sie 1942 in die USA ausreisen. Sie verstarb am 7. Juli 1970 in New York City.
Am 12. April 2005 wurden für die Familie Emil Dosenheimer in der Pilgerstraße, Hausnummer 2, dem Ort, an dem sie in Frankenthal wohnte, vier Stolpersteine verlegt. In Landau in der Pfalz wurde für Emil Dosenheimer im Marienring, Hausnummer 13 (Landgericht) ein Stolperstein verlegt.
Literatur
- Paul Theobald: Emil Dosenheimer – ein Leben für Demokratie, Freiheit und Recht In: Frankenthal einst und jetzt, Hrsg.: Stadtverwaltung Frankenthal, 2005, S. 49–53
Werke
- Ursachen des Verbrechens und ihre Bekämpfung, Neuer Frankfurter Verlag, Frankfurt 1913
- Der Teufel Alkohol, Neuland-Verlag, Hamburg 1925
- Für und wider die Todesstrafe, Neuer Frankfurter Verlag, Frankfurt 1926
Einzelnachweise
- ↑ Aufbau vom 17. April 1959, Seite 41
- ↑ Reinhard Weber: Rechtsnacht - Jüdische Justizbedienstete in Bayern nach 1933, S. 58 und 59
- ↑ Frankenthaler Zeitung vom 31. März 1933
- ↑ Aufbau vom 23. April 1993, S. 21
- ↑ Aufbau vom 30. November 1987, Seite 28
- ↑ Aufbau vom 17. Juli 1970, Seite 24
- ↑ Wochenblatt Frankenthal vom 20. April 2005, Seite 1
- ↑ Stolpersteine in Landau (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)