Erbmarschall war in der Landgrafschaft Hessen ein seit 1342 erbliches Hofamt, das auch nach der Teilung der Landgrafschaft Bedeutung behielt.

Geschichte

Der Marschall war ursprünglich der Aufseher der fürstlichen Pferdeställe, also der „Stallmeister“. Seine Bedeutung wandelte sich später im Sinne „Kommandeur der Reiterei“. Der Marschall war im Mittelalter eines der vier bzw. fünf alten Hofämter.

Der erste Landgraf von Hessen, Heinrich I., ernannte Gottfried von Rodenstein 1255 zu seinem Marschall. Dieser diente in diesem Amt bis zum Ende des Thüringisch-hessischen Erbfolgekriegs und schied 1265 aus. Nach ihm hatten Rupert von Ruhne (1271 bis zu seinem Tode vor 1285) und Heinrich Romrod (1296–1298) das Amt inne.

1343 erhielt Heinrich von Eisenbach das Amt des Marschalls, nunmehr erstmals als erbliches Amt. Von Rörich II. von Eisenbach, der ohne leibliche Lehnserben geblieben war, ging es 1422 auf die Brüder Eckhard II. und Friedrich von Röhrenfurth über, und als diese 1432 ohne männliche Nachkommen gestorben waren kam das Erbmarschallamt an Eckhards Schwiegersohn Hermann II. Riedesel. Das Amt bestand auch nach der Teilung der Landgrafschaft Hessen für deren Nachfolgelandgrafschaften ungeteilt weiter, und es blieb bis zu seiner Aufhebung 1918 im Hause Riedesel. (Für das Kurfürstentum Hessen erlosch das Amt mit der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866.) Das Amt hatte jeweils der älteste männliche Riedesel inne. Auch wenn es sich um ein Erblehen handelte, musste das Lehen nach dem Tod eines Amtsinhabers formell neu verliehen werden. Ab der Teilung Hessens erfolgte diese neue Belehnung durch den jeweils älteren der beiden Landgrafen. Die Belehnung wurde dem jüngeren dann lediglich angezeigt. In seltenen Ausnahmen konnten durch kaiserliche Verfügung Personen aus der Erbfolge ausgeschlossen werden. So wurde Johann Volprecht Riedesel zu Eisenbach krankheitshalber kein Erbmarschall, obwohl er nach dem Tode von Hermann Riedesel zu Eisenbach (1682–1751) eigentlich erbberechtigt war. Der gegen diese Enterbung gerichtete Prozess vor dem Reichskammergericht wurde nach drei Jahren ohne Urteil eingestellt.

Der Erbmarschall stand der Althessischen Ritterschaft vor. Er führte den Vorsitz auf den Landtagen der Landstände der Landgrafschaft Hessen und führte bis zur Teilung Hessens die Akten der Stände in Lauterbach.

Während der Zeit des Deutschen Bunds hatten die Senioren des Hauses Riedesel Virilstimmen in der ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen und in der Kurhessischen Ständeversammlung. Im Kurfürstentum Hessen hatte August Riedesel zu Eisenbach bereits den Vorsitz im Landtag von 1815/16. Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen nahm der Erbmarschall einen Sitz im preußischen Herrenhaus ein.

Mit dem Ende der Monarchien im Deutschen Reich 1918 erlosch das Hofamt des hessischen Erbmarschalls. Die Althessische Ritterschaft besteht jedoch als Stiftung unter der Bezeichnung Ritterschaftliches Stift Kaufungen bis heute, und das Oberhaupt der Familie Riedesel steht mit dem Ehrentitel Erbmarschall dieser vor.

Erbmarschalle

Bild NummerErbmarschallAmtszeitLebensdatenAnmerkung
1Heinrich I. von Eisenbach1343–1350
2Johann II. von Eisenbach1350–1367
3Rörich I. von Eisenbach1367–1395
4Rörich II. von Eisenbach1395–1422† 1428verzichtete 1422 auf das Amt
5Eckhardt II. und Friedrich von Röhrenfurth (Brüder)1422–1432Friedrich † 14301418–1422 bereits Stellvertreter für Rörich II. von Eisenbach

Literatur

  • Georg Landau: Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer. 3. Band, S. 381–404, und 4. Band, S. 6–10, 71–73, Bohné, Kassel 1836 u. 1839.
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 309–310.
  • Hans Georg Ruppel, Birgit Groß: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (= Darmstädter Archivschriften. Bd. 5). Verlag des Historischen Vereins für Hessen, Darmstadt 1980, ISBN 3-922316-14-X, S. 217.
  • Fritz Zschaeck: Die Riedesel zu Eisenbach. Bd. 4: Vom Tode Konrads II 1593 bis zum Vertrag mit Hessen-Darmstadt 1593–1713, Offenbach 1957
Commons: Erbmarschall (Hessen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Landgrafen-Regesten online Nr. 1062. Regesten der Landgrafen von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS)..
  2. Landgrafen-Regesten online Nr. 3165. Regesten der Landgrafen von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  3. Landgrafen-Regesten online Nr. 8852. Regesten der Landgrafen von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  4. Landgrafen-Regesten online Nr. 9042. Regesten der Landgrafen von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  5. Landgrafen-Regesten online Nr. 3180. Regesten der Landgrafen von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  6. Landgrafen-Regesten online Nr. 9034. Regesten der Landgrafen von Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  7. Karl Siegmar von Galéra: Die Riedesel zu Eisenbach: Vom Reich zum Rheinbund 1713–1806, 1961, S. 8–9
  8. Die Nummerierung basiert zunächst auf der Darstellung von Landau. Diese entspricht aber nicht der heute üblichen Zählung. Ab Ziffer 25 (20) wird daher (zunächst in Klammern) die heutige Zählweise mit angegeben
  9. Urkunde: HStAD Bestand R 4 Nr. 21533 In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen).
  10. Georg IV. Riedesel 1589, Ersrode. Grabdenkmäler in Hessen bis 1650 (Stand: 19. Februar 2006). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 19. November 2018.
  11. E. E. Becker: Die Riedesel zu Eisenbach, Darmstadt 1936
  12. Riedesel zu Eisenbach, Margarete. Hessische Biografie (Stand: 21. April 2017). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 19. November 2018.
  13. „Riedesel zu Eisenbach, Adolph Hermann Freiherr“. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  14. „Riedesel Freiherr zu Eisenbach, Hermann XVIII.“. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  15. „Riedesel zu Eisenbach, Hermann XIX. Freiherr“. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  16. „Riedesel zu Eisenbach, Friedrich Georg Freiherr“. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  17. Ruppel/Groß: Hessische Abgeordnete…
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