Das Jugendbuch Erntelager Geyer ist die erste Prosa-Veröffentlichung des bekannten Kinderbuchautors Otfried Preußler. Es handelt vom Ernteeinsatz einer Gruppe Jungen des Deutschen Jungvolkes in einem bäuerlichen Dorf im Sudetenland im Spätsommer 1940. Es ist ein typischer HJ-Jugendroman, der dem jugendlichen Leser neben der Beschreibung des Jungenlagers und der Arbeit auf den Bauernhöfen nationalsozialistische Propaganda vermittelt.

Entstehung

Das Manuskript schrieb Preußler nach seinem eigenen Erntelagereinsatz, den er im Spätsommer 1940 als HJ-Fähnleinführer beim Deutschen Jungvolk geleitet hatte, im Winter 1940/1941. Bereits im August 1942 konnte Preußler angeben, in welchem Verlag das Buch erscheinen wird. Es wurde im Frühjahr 1944 vom Junge Generation Verlag Berlin herausgegeben. Gedruckt wurde das Buch bei Reinhard Meyer, Ratibor. Über die Auflage ist nichts bekannt. Eine Schätzung unter Berücksichtigung der Umstände der Bücherproduktion in den letzten Kriegsmonaten und dem Vergleich mit anderen Verlagen beläuft sich auf etwa 2000 bis 3000 Exemplare. Es wurde im Zuteilungsverfahren ausgegeben.

Nach Kriegsende erschien das Buch in der damaligen SBZ auf der Liste der auszusondernden Literatur, es wurde wie alle nationalsozialistischen Schriften eingesammelt und vernichtet. Nach heutigem Kenntnisstand gibt es nur noch vier Exemplare in Nationalbibliotheken.

Inhalt

Der Roman ist in zehn Abschnitte gegliedert.

1 – „Ein bunter Haufe“ (S. 5–14)

Eine Gruppe von 20 Pimpfen, also Jungen des Deutschen Jungvolkes, im Alter von etwa 14 Jahren („[...] die die Schule verließen und am ersten September eine Lehre oder ihren Beruf beginnen wollten“, S. 5) fahren mit der Eisenbahn aus der Stadt. Sie kennen einander noch nicht. „Sie hatten sich nach einem Aufruf der Hitlerjugend und des Arbeitsamtes freiwillig zum Ernteeinsatz gemeldet.“ (S. 5). Das Ziel ist Wernersdorf. Ihr Lagerführer ist der Fähnleinführer Jörg Fischer (S. 7). Es wird gesungen, Mundharmonika gespielt und über den bevorstehenden Ernteeinsatz und den Lagerführer gesprochen. Jörg Fischer kennt nur die vier Jungenschaftsführer: Hellmut, Rudi, Karl und Flachs. In Wernersdorf richten sich die Jungen in der leerstehenden Schule ein und treten am nächsten Morgen nach dem Frühsport zum ersten Fahnenappell an.

2 – „Wo bleiben die Abenteuer?“ (S. 14–39)

Die Jungen begeben sich zu den zugeteilten Bauernhöfen und beginnen mit der ihnen als Stadtkindern ungewohnten und harten Landarbeit. Sie beißen die Zähne zusammen, um vor den Bauern zu bestehen. Abends erzählen sie einander von ihren Erlebnissen auf den Höfen und „Harald zeigte stolz seine Blasen, obwohl er innerlich Pech und Schwefel fluchte.“ (S. 20). Bei einem aufkommenden Streit bildet Jörg Fischer zwei Jungenschaften: „Eine führte Rudi, die andere Helmut.“ (S. 25). Am Ende des Lagers will Fischer entscheiden, welche Jungenschaft die bessere gewesen ist. „So begann der Jungenschaftswettstreit.“ (S. 25).

Am nächsten Tag betrachtet Jörg beim Heumachen die weite Landschaft, erinnert sich an eine frühere Wanderung mit seinem Vater an der deutsch-tschechischen Grenze und reflektiert die Grenzlandthematik und die Metapher vom „blutenden Reichskörper“.

Flachs ist unzufrieden mit seinem Einsatz, da er erst nur Kornkaffee mahlen muss und anschließend den etwa zweijährigen Sohn der Bäuerin, Wilfried, betreuen muss.

Abends gehen die Jungen zum Dorfteich, um bei rauen Jungenspielen zu baden.

3 – „Der große Tag“ (S. 39–45)

Flachs ist glücklich, dass er nun bei der Ernte helfen kann und bemüht sich, die ungewohnt schwere Arbeit in der Sommerhitze zu bewältigen. Er reißt sich zusammen, denn „was war denn sein bißchen Mühe schon den Leistungen der Truppe gegenüber?“ (S. 44).

4 – „Schmuggler, Grenzer und ein Feigling“ (S. 46–60)

Lagerführer Jörg schreibt abends einen Wochenbericht für den Bannführer. Als im Schlafraum nach der Nachtruhe noch insgeheim geredet wird, verhängt er als Kollektivstrafe einen nächtlichen Lauf, bis sich Hummel als „Täter“ zu erkennen gibt, was ein Gespräch mit Jörg über Hummels Feigheit zur Folge hat. Jörg lehnt ab, dass Hummel das Lager verlässt, stattdessen soll er sich in der Gemeinschaft beweisen.

Am Sonntag wandern die Jungen mit Jörg auf den Hahnenberg. Sie treffen den Altbauern Eduard, der ihnen Geschichten über den Grenzschmuggel zwischen Sachsen und der Tschechoslowakei erzählt. Ab 1938 gingen auch junge Männer heimlich über die Grenze, um dem Militärdienst in der Tschechoslowakei zu entkommen. Dies endete mit der Annexion im Oktober 1938.

Die Jungen spielen ein raues Geländespiel, bei dem es um Grenzer und Schmuggler geht. Hummel kann sich bei dem Spiel bewähren.

5 – „Wer ist der Feind?“ (S. 60–78)

Die Jungen des Erntelagers Wernersdorf besuchen am Sonntagnachmittag die Jungen des Marschendorfer Erntelagers. Die Begrüßung besteht aus einem Überfall und einer gewaltigen Schlägerei, „die ganze Angelegenheit war nur eine Begrüßungsform, die bei vielen Pimpfen gang und gäbe war.“ (S. 61). Die Marschendorfer Jungen liegen mit den Fürstenfelder Jungen in einer Fehde, worum sie von den Wernersdorfer Jungen beneidet werden.

Am nächsten Morgen finden die Jungen zu ihrer Freude einen Fehdebrief, unterzeichnet von der „BLUTIGEN HACKE“. Bei der Erntearbeit von Rudi ist ein Frontsoldat auf Heimaturlaub dabei und erzählt von einem Angriff, während der Junge gebannt zuhört.

Abends hält Jörg einen Heimabend über das Bauerntum: „Der Lagerführer erzählte, wie eigentlich der Bauer am Beginn des Volkes steht, und wie wichtig er für die Nation ist, nicht nur, weil er sie ernährt, sondern weil er ihr auch eine gesunde Nachkommenschaft für die Zukunft verbürgt.“ (S. 69). Er spricht von der Kraft des Bauerntums, die sich immer mehr verstärkt und dann in „solchen alles überragenden Männern“ (S. 70) wie dem Führer, der ebenfalls dem Bauerntum entstamme, zutage tritt.

Das Rätsel um die Verfasser des Fehdebriefs geht weiter.

6 – „Die blutige Hacke“ (S. 78–90)

Die Jungen versuchen weiterhin herauszubekommen, wer die BLUTIGE HACKE ist und folgen ausgelegten Nachrichten. Es entwickelt sich eine wilde Jagd, bei der sich Jörg als Urheber der Fehdebriefe zu erkennen gibt. Harald erfährt von dem Bauernjungen Franz einiges über den HJ-Dienst auf dem Land.

7 – „Florian Geyer“ (S. 90–105)

Karl hilft Schweine zu verladen und arbeitet anschließend auf dem Feld. Jörg arbeitet beim Verladen der Garben. Abends hält er wieder einen Heimabend und erzählt vom Bauernkrieg: „Und vor den Augen der Jungen stiegen die Bilder dieser Zeit auf. Sie sahen unterdrücktes Volk, geknechtet und verachtet von einem Adel, der nur auf seinen Vorteil schaute. Sie sahen geschundene Menschen, gepreßt und ausgesaugt von einer Geistlichkeit, die Liebe predigte und Haß säte.“ (S. 96). Der Krieg sei eine „heilige Notwendigkeit“ (S. 96), ein Ritter schwingt sich als Führer auf: Florian Geyer. Jörg liest aus einem Buch vor, von den Kämpfen der Bauern und ihrem Untergang, und benennt schließlich zur Begeisterung der Jungen das Erntelager, das „in den letzten Wochen eine Einheit geworden (sei) Florian Geyer“. (S. 97).

Anderntags wandern die Jungen zur Burg Fürstenfeld und besichtigen sie unter der Führung des Kastellans. Der Burgvogt erzählt den Jungen von der Besetzung der Burg durch die Hussiten, diesen „Mordbrennern“ und ihren Kämpfen mit den Deutschen.

Der stille Gert zeigt sich überraschend als hervorragender Orgelspieler. Nachmittags wird gebadet und ein Erzählerwettstreit für den Jungenschaftswettstreit durchgeführt.

8 – „Hummel wird verdächtigt“ (S. 105–113)

Während der Erntearbeit setzt ein Gewitter ein. Auch am nächsten Tag regnet es noch und nach ihrer Landarbeit werden unter Jörgs Leitung Faustkämpfe für den Jungenschaftswettstreit ausgetragen. Hummel fehlt unentschuldigt, obwohl auch er hätte boxen müssen. Er kommt sehr spät, entschuldigt sich bei Jörg für sein Fehlen, da er noch auf dem Hof helfen musste, und darf seinen Boxkampf am nächsten Morgen austragen. Jörg reflektiert die Verhaltensänderung von Hummel und bringt sie mit ihrem Gespräch über Ehre in Zusammenhang.

9 – „Regentage“ (S. 113–131)

Da der Regen anhält, arbeitet Flachs auf dem Hof und auch die anderen Jungen versehen verschiedene Arbeiten, während die eigentliche Ernte ruht. Die Jungen spielen am Abend Heimspiele im Rahmen des Jungenschaftswettstreites. Die fortwährende Nässe lässt die Ernte verfaulen, und das bekümmert die Bauern. Auch im Jungenlager herrscht bedrückte Stimmung. Jörg erzählt eine aufmunternde Geschichte und plant mit den Jungen für Sonntag einen Lagerzirkus. Als das Wetter sich bessert, wird die Ernte fortgeführt. Abends wird unter Albernheiten der Lagerzirkus aufgeführt, der auch zum Punktestand des Jungenschaftswettstreites beiträgt.

Am nächsten Morgen beim Flaggenhissen regnet es wieder, und Jörg beschwört die Jungen, auch unter den schweren Bedingungen ihre Aufgaben zu erledigen: „[...] während er die Hand zum Gruße hielt: ,[...] du musst stets zur Fahne stehn.' “ (S. 129). Eine vermeintliche Viehseuche bedroht zusätzlich zur verregneten Ernte die Lage der Bauern und drückt die Stimmung auch der Jungen.

10 – „Die Sieger“ (S. 132–142)

Das Wetter bessert sich, und die Jungen singen und lesen am Abend, „vor allem aber die PK [Propagandakompanie, d. A.]-Berichte aus der Zeitung.“ (S. 132). Die Ernte geht weiter und abends sind die Jungen am Badesee und veranstalten einen Hindernislauf für Punkte des Jungenschaftswettstreites. Schließlich herrscht Punktegleichstand zwischen den Jungenschaften, Jörg muss eine Entscheidung treffen. Er bestellt die beiden Jungenschaften auf den Gipfel des Hahnenberges, dort entbrennt eine Rauferei, bei der Flachs siegt und damit den Sieg für seine Jungenschaft eintragen kann, er aber weigert sich und meint, es könne keine Sieger und Unterlegenen geben, da doch alle das Gleiche geleistet hätten. Darauf verkündet Jörg, dass alle Jungen Sieger wären.

Am Vorabend des letzten Tages lässt Preußler die Jungen über ihre zukünftigen Berufe sinnieren. Während alle Jungen typische Berufswünsche haben, möchte Jörg Siedler (in den eroberten und entvölkerten Ostgebieten) werden. Die Jungen verabschieden sich von ihren Bauern und treten an zum letzten Fahnenappell. Jörg spricht: „‚[...] Wir werden nicht vergessen, wie schwer Bauernarbeit und wie hart das Bauernleben oft ist. [...] Alles können wir schaffen, wenn wir zusammenhalten, alle Widerstände werden klein vor einer Gemeinschaft, die fest und treu ist. Erntelager ‚Geyer‘ – stillgestanden!‘ Langsam ging die Fahne nieder.“ (S. 141). Die Jungen fahren mit dem Zug zurück in die Stadt.

Autobiographische Aspekte

Der Roman ist in weiten Teilen autobiographisch. So war Preußler im Sommer 1940 selbst als Fähnleinführer Lagerführer eines Erntelagers des Deutschen Jungvolkes. Dies ist belegt durch einen in Briefform geschriebenen Text mit dem Titel Lieber Soldat! Preußler berichtet darin von der mit „seinen 26 Pimpfen“ durchgeführten Fahrt in den Harz im Sommer 1939 und vom Ernteeinsatz im Sudetenland im Spätsommer 1940.

Das durchgeführte Erntelager ist auch durch eine zweite Quelle belegt: Lange nach Kriegsende und nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft erhielt Preußler eine Postkarte, die auf den 12. März 1951 datiert ist. Absender ist ein(e) Toni Krause aus Wetzwalde. Dem Inhalt der Karte ist zu entnehmen, dass Preußler ein „Landdienstjahr“ auf dem Hof der Familie Krause in dem Dorf Wetzwalde absolviert hat. Preußler hat aber nie ein Landjahr absolviert, da dieses für Jugendliche gedacht war, die nach der achten Klasse die Schule verließen und es 1940 kaum noch Landjahr-Einsätze gegeben hat. Daher ist hier wohl ein Ernteeinsatz der HJ gemeint. Der Text der Postkarte erwähnt das „schöne Buch Erntelager“ und erwähnt auch den Sohn der Familie, Wilfried, der auch im Erntelager Geyer vorkommt. Eine Figur des Erntelagers, der kleine Flachs, ist unter anderem mit der Betreuung des etwa zweijährigen Wilfrieds beschäftigt (S. 30 ff.).

Die Einsatzorganisation der Erntehilfslager oblag insbesondere in den Ferien der HJ. Im Jahr 1940 waren die Sommerferien vom Reichserziehungsminister auf 90 Tage ausgedehnt worden.

Das Dorf Wernersdorf/Vernéřovice, in dem der Roman spielt, liegt etwa 100 km östlich von Preußlers Geburts- und Wohnort Reichenberg/Liberec. Die Beschreibung der Örtlichkeiten zeigt, dass Preußler den Ort vermutlich aus eigener Anschauung kannte; andere Örtlichkeiten des Romans wie der Ort Marschenbach und Fürstenfeld bzw. Schloss Fürstenfeld sind frei erfunden.

Otfried Preußler war im Winter 1940/41, als er das Buch schrieb, 17 Jahre alt. Dieses Alter muss man auch für den Lagerführer, den Fähnleinführer Jörg Fischer annehmen, der noch nicht zum Krieg eingezogen worden war.

Preußler beschreibt Jörg Fischer als „ganz groß“, „der Dienst bei ihm wird nie langweilig“, denn „verwegene Einfälle hat er immer“ und dass „sein Fähnlein in der Stadt eines der besten sei.“ Er stammt offenbar aus dem Sudetenland, da von der Befreiung seiner Heimat die Rede ist. Jörg Fischer ist das Ideal eines Lagerführers: mutig, sportlich, diszipliniert, verantwortungsvoll, gerecht und in jeder Hinsicht ein Vorbild für die Jungen. Er unterrichtet die Jungen über die Bedeutung des Bauerntums für das Deutsche Reich und schult sie in der Blut-und-Boden-Ideologie. Otfried Preußler war wie oben ausgeführt selbst Fähnleinführer und damit gehörte es auch zu seinen Aufgaben, genau solche Fahrten des Deutschen Jungvolkes zu leiten. In Jörg Fischer erschafft er sich also quasi ein Idealbild seiner selbst. Jörg Fischer ist Preußlers Alter Ego. Preußler selbst sagte später über seine schriftstellerische Arbeit:

„Ich für meine Person bin davon überzeugt, dass ich glaubhaft nur dann von etwas erzählen kann, wenn ich im Augenblick des Erzählens fest daran glaube.“

Rezeptionsgeschichte

Am 4. November 1944 wurde das Buch als HJ-Roman vom Verlag Junge Generation im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel angekündigt: „Otfried Preußler, Erntelager Geyer. 141 Seiten. Preis: Pappband 2.70 RM. Von den arbeitsreichen und fröhlichen Wochen des Ernteeinsatzes der Hitler-Jugend erzählt fesselnd und anschaulich ein Jungvolkführer. Zuteilungsverfahren.“

Im Juni 1944 erschien in den Sudetendeutschen Monatsheften in der Rubrik „Bücherschau“ eine kurze Rezension zum Erntelager Geyer, geschrieben von Dr. Eduard Frank: „Eine frisch und herzhaft erzählte Jungengeschichte, die wohl nur einer schreiben kann, der all das einmal selbst erlebt hat. Das Buch ist keine am Schreibtisch geklitterte Geschichte, sondern irgendwie Erlebnisbericht. Freilich muß sich nicht alles gerade so zugetragen haben, wie es Preußler erzählt. Aber innerlich wahr und lebendig ist jede Zeile. Darum wird jeder Junge das Buch mit Spannung lesen und dem Erwachsenen kann es einen Einblick geben in das neue Leben der jungen Generation.“

Die erste Erwähnung der Buches Erntelager Geyer nach Kriegsende findet sich in einer Dissertation aus der DDR von 1988, verfasst von der Germanistin Ines Japé.

In dem Standardwerk Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945 von Norbert Hopster, Petra Josting und Joachim Neuhaus von 2001 bzw. 2005 wird das Erntelager Geyer im bibliographischen Teil dreimal aufgeführt und in Band 2 an sechs Stellen auszugsweise besprochen bzw. erwähnt. Hier wird das Buch als typisches Beispiel von „Konjunkturliteratur“ der „HJ-Literatur“ und spezieller der „Literatur der Organisationen und Dienste“ zugeordnet.

Auch im 2003 erschienenen Standardwerk zur Geschichte der Hitlerjugend von Michael Buddrus wird das Erntelager Geyer im Literaturverzeichnis aufgeführt. Es zeigt sich also, dass das Buch zu Beginn des neuen Jahrtausends Teilen der historischen und literaturwissenschaftlichen Forschung bekannt gewesen ist bzw. bekannt gewesen sein konnte.

Erst 2015 wurde die Existenz des Buches mit den Veröffentlichungen von Peter Becher und Murray G. Hall und einem nachfolgenden Bericht im ORF der Öffentlichkeit bekannt.

Becher erkennt drei Erzählebenen in dem Roman: „So verbindet der Roman die Abenteuerwelt eines Jungenlagers mit der Wertschätzung des bäuerlichen Lebens und der Begeisterung für den Nationalsozialismus. Er schildert eine heile deutsche Welt, eingebettet in den Sommer der größten Zuversicht und Siegesbegeisterung, wenige Wochen nach der Einnahme von Paris und der Kapitulation Frankreichs, fast ein Jahr vor Beginn des Russlandfeldzuges.“

Hall sieht zwei zentrale Aussagen des HJ-Romans, die „Übernahme der Blut-und Boden-Ideologie des Nationalsozialismus und damit die Verklärung des Bauerntums.“ und die „Heim-ins-Reich und Grenzlandthematik“.

Das 2018 erschienene Buch der Germanistin Sandra Maruńska enthält einen Exkurs zum Erntelager Geyer. Es wird insbesondere die der Gruppe zugemutete Kriegssehnsucht betont: „Stellenweise liest sich Preußlers Buch wie ein praktischer Ratgeber für von Kriegseuphorie gezeichneter deutscher Kinder. [...] Der Kampf wird somit zur Parole, die gleichermaßen für alle als Lebens- und Überlebensgrundsatz gilt.“ Auch die Führerfunktion des Lagerführers Jörg Fischer wird herausgehoben: „In Jörgs Abschiedsrede erklingen Töne, die einerseits auf den Einfluss der Heimatkunstbewegung hinweisen können, andererseits auf Preußlers Huldigung der nationalsozialistischen Ideologie schließen lassen.“

2019 erschien ein Artikel von Carsten Gansel, der sich mit den literarischen Anfängen Otfried Preußlers beschäftigt. Dem folgte 2022 ein Buch. Darin wird der Text „Formen der Jugendkultur im Rahmen der bündischen Jugend“ zugeordnet. Es gehe um „die für die Adoleszenz maßgebliche Identitätssuche und Ich-Findung.“

Literarische Analyse

Bauerntum und „Blut und Boden“

Die körperliche Arbeit ist für die etwa 14-jährigen Stadtjungen hart. So resümiert der SD-(Sicherheitsdienst-)Bericht über den HJ-Ernteeinsatz 1940, „dass die Stadtkinder den Anforderungen der Erntearbeit nicht voll gewachsen waren.“ und sich nur in körperlich leichten Nebentätigkeiten bewähren würden. Zusätzlich wird in den Heimabenden die Bedeutung des Bauerntums betont. Es ist Otfried Preußlers Alter Ego Jörg Fischer, der die Stadtjungen über den Stellenwert des Bauerntums im Nationalsozialismus aufklärt:

„Als ihnen dann Jörg von großen Deutschen erzählte, die aus Bauernblut hervorgegangen waren, erkannten sie, daß [sic!] es nichts Minderwertiges oder Niedriges sei, von bäuerlichen Vorderen abzustammen. Denn auch die Ahnen des Führers kamen aus dem Bauerntum, und gerade in gesunden Bauerngeschlechtern lebt die Kraft weiter und verstärkt sich immer mehr, die dann bei solchen alles überragenden Männern zutage tritt. Und sie verstanden, warum der Führer die deutschen Bauern aus aller Welt heimholte, warum das Reich die Bauernschaft förderte, warum sich Hitlerjugend und SS in den Dienst der Neubauernwerbung und Neusiedlung gestellt haben: Weil ein Volk nur dann stark und jung bleiben kann, wenn es ein kräftiges und gesundes Bauerntum hat.“

Der Germanist und außerordentliche Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Wien, Murray G. Hall, analysiert diesen Aspekt so:

„Wo der Autor die harmlose Ebene der willigen jugendlichen Hände, die bei der Ernte helfen und Einsatz und Opferbereitschaft einüben, verlässt, kommt es zu Übernahme der Blut-und-Boden-Ideologie des Nationalsozialismus und damit zur Verklärung des Bauerntums.“

„Heim-ins-Reich“- und Grenzlandthematik

Da die Handlung im Grenzgebiet zwischen dem deutschsprachigen Teil der Tschechoslowakischen Republik und dem Deutschen Reich spielt, ist die immer wiederkehrende Grenzlandthematik eine Bedeutungsebene des Textes. Jörg Fischer reproduziert sinnend die Metapher vom blutenden deutschen Volkskörper, die ab 1919 insbesondere im Osten verbreitet war. Er erinnert sich an einen Spaziergang mit seinem Vater an der Steinreihe der Grenze und er „hat es nicht verstehen können, daß es auch andere Dinge gibt, die Länder voneinander trennen, als Berge.“ Er sieht, „daß die Steine das Land ohne jeden sichtbaren Grund teilten“. So reflektiert er:

„Aber dieser Weg zwischen Heimat [die ČSR, d. A.] und Reich, den er als kleiner Junge einmal gegangen war, blieb vor seinem inneren Auge, und das Land wurde ihm zum Gleichnis für das Volk, das es trug. Denn auch dieses Volk wurde von Grenzen getrennt, wo es nach Gottes Willen zusammengehörte, und die unverständliche sinnlose Willkür zerriß es wie den Boden.“

Jörg „verstand, wenn sie daheim sagten, daß Deutschland an allen Enden blute.“ Adolf Hitler habe jedoch das „Bluten gestillt“. Durch das Münchner Abkommen im Oktober 1938 wurde das Sudetenland dem Deutschen Reich zugeschlagen, die Annexion Österreichs erfolgte schon im März 1938, und 1939 der Überfall auf Polen.

„Er dachte noch immer an diese Jahre zurück, [...] und erlebte in seinen Gedanken noch eine mal die stolzen Tage nach, an denen der Führer Zug um Zug das Bluten gestillt und alle Deutschen ins Reich geholt hatte, die unter fremder Herrschaft dahinleben mußten.“

Charakterliche-ideologische Bildung und Führer-Gefolgschafts-Prinzip

Ein wesentlicher Erzählstrang des HJ-Romans ist die charakterlich-ideologische Bildung der Jungen. Sieben Jungen werden, neben dem Lagerführer Jörg Fischer, im Text namentlich vorgestellt. Mehrere Jungen erfahren im Laufe der Handlung eine Entwicklung, die sie durch die Überwindung individueller Schwächen zu einem funktionierenden Mitglied der NS-Gemeinschaft machen. Dabei ist die strikte Einordnung in das hierarchische Führerprinzip vorausgesetzt. Ziel ist es, ein im nationalsozialistischen Sinne idealer Charakter zu werden, wie er am Beispiel von Jörg klar vorgestellt wird. So reflektiert Jörg Hummels Verhalten: „Warum hat sich Hummel eigentlich so verändert? Ob das wirklich alles davon kam, daß er ihn damals bei der Ehre genommen hat?“ Die schwere Arbeit wird zur Charakterprobe: „Vom Bücken begann es langsam im Kreuz zu knacken, und Karl kam häufiger in die Versuchung, etwas oberflächlicher zu arbeiten [...] “ Dann besinnt er sich und „[...] gab sich einen Stoß.“ Flachs geht es nicht anders und er denkt: „Aber er meinte dann, daß er ja kein Soldat sei, und so etwas gar nicht verdiene, denn was war denn sein bißchen Mühe schon den Leistungen der Truppe gegenüber?“ Er hat irgendwann genug von der schweren Arbeit, aber überwindet seine vermeintliche Schwäche: „Flachs schämte sich für seine dummen Grübeleien gestern Nacht und schob alles auf das schlechte Wetter.“ Den anderen Jungen geht es ähnlich: „Den ganzen Morgen hatten sie doch nur daran gedacht, eine Möglichkeit zum Fortkommen zu finden. [...] Jetzt war sie auf einmal da. Aber sonderbar: keiner ergriff sie.“ So schließt Jörg: „Ich glaube, daß mancher von uns nicht so durchgehalten hätte, ohne die Kameraden des Lagers. [...] Alles können wir schaffen, wenn wir zusammenhalten, alle Widerstände werden klein vor einer Gemeinschaft, die fest und treu ist.“

Antisemitische und antitschechische Passagen

Juden werden in dem Buch ein einziges Mal erwähnt. Nach tagelangem Regen mitten in der Erntezeit lässt Preußler den alten Bauer Eduard sprechen: „’Es ist, als ob die Juden ihren Petrus bestochen hätten,’ und [er] quetschte gleich noch ein paar saftige Flüche durch sein spärliches Gebiss.“ (S. 117). Dies entspricht einem alten antisemitischen Stereotyp, wonach Juden für schlechtes Wetter und Missernten verantwortlich gemacht wurden.

Obwohl keine tschechische Figur in der Handlung auftritt, wird indirekt das Verhältnis zu den Tschechen thematisiert. So berichtet der alte Burgvogt bei der Schlossbesichtigung über die Hussiten und ihre Gräueltaten bei der Besetzung der Burg: Diese „Mordbrenner“ und „Kelchbrüder“ hätten es „wilder getrieben als später Schweden und Panduren zusammengenommen. Da gab es nichts was sie verschont hätten.“ Denn „Sie hatten eine unheimliche Wut auf alle Deutschen.“ Deutsche stellten sich ihrem Treiben entgegnen, aber dann „haben die Tschechen sie erschlagen“ und „im Grenzland noch eine Weile nach ihrer Art die Herren gespielt“. Die reformatorische bzw. revolutionäre Bewegung der Hussiten wird dabei mit Tschechen gleichgesetzt und der deutschen Bevölkerung gegenübergestellt, die als unschuldige Opfer der als grausam, deutschfeindlich und moralisch unterlegen dargestellten Hussiten/Tschechen dargestellt werden. Damit bedient sich Preußler eines historischen Stereotyps der Darstellung der Hussiten, das auch im Nationalitätenkonflikt der 1930er-Jahre im Sudetenland immer wieder reproduziert wurde. So auch Konrad Henlein, Gründer der Sudetendeutschen Partei und späterer Reichskommissar und Gauleiter im Sudetenland: „Sudetendeutsche! Noch lastet auf Euch die Schreckensherrschaft der hussitisch-bolschewistischen Verbrecher in Prag. [...]“.

Fazit

Über weite Teile berichtet der Roman vom Lagerleben der Jungen und dem Einsatz in der Landarbeit. Dem heutigen Leser fällt sofort der sehr raue körperliche Umgang der Jungen auf, es ergeben sich ständig Raufereien oder diese werden ebenso wie Faustkämpfe und wilde Geländespiele gezielt veranstaltet. Für das ursprüngliche Zielpublikum mögen diese Beschreibungen des Jungenlagers spannend gewesen sein, zugleich erfolgt eine Indoktrinierung in nationalsozialistischer Ideologie. Der Jugendroman Erntelager Geyer ist somit ein typisches Produkt der Propagandaliteratur des Nationalsozialismus.

So schließt der Literaturhistoriker Peter Becher: „So verbindet der Roman die Abenteuerwelt eines Jungenlagers mit der Wertschätzung des bäuerlichen Lebens und der Begeisterung für den Nationalsozialismus.“

Die Literaturwissenschaftlerin Carola Leitner fasst zusammen: „Der Roman verbindet die abenteuerliche Welt eines Burschenlagers mit dem Enthusiasmus für den Nationalsozialismus und der Hochachtung des Bauernstandes.“

Die Germanistin Ines Japé schreibt 1988 in ihrer Dissertation in der damaligen DDR: „Wird beachtet, dass dieses Buch von einem sechzehn- bis achtzehnjährigen Preußler geschrieben wurde, so kann auf die Verarbeitung unmittelbar eigener Erlebnisse, Gedanken und Gefühle durchaus geschlossen werden. Zum Ausdruck kommt die Begeisterung, mit der er in der Hitlerjugend tätig ist, die Überzeugtheit von den Idealen und Zielen und der Glaube an die Richtigkeit der Politik der Faschisten.“

Der Germanist Murray Hall resümiert: „Wie dieser Hitlerjugend-Roman zeigt, hat der noch sehr junge Autor Otfried Preußler zentrale Elemente der NS-Ideologie internalisiert, ob das der Stellenwert des Bauern im NS-Staat ist (Agraradel) oder die Bedeutung von ‚Bauernblut‘, Sinn und Zweck der Hitlerjugend als ‚Kanonenfutter‘, die Grenzlandthematik mit der ‚unnatürlichen‘ Trennung deutscher Volksgruppen in Europa oder der Hass auf die Tschechen.“

Die Professorin für Germanistische Literaturdidaktik Petra Josting schreibt: "Insgesamt betrachtet wird im Erntelager Geyer eine Vielzahl von NS-Ideologemen verbreitet. Sie beziehen sich auf Arbeit, Dienst, Führer-Gefolgschaft, Gemeinschaft, den gesunden deutschen Menschen, Blut und Boden und Großdeutschland."

Abweichende Position zur Kritik an Preußler

Dem treten Preußlers Erben entgegen, indem sie einerseits auf eine vermutete Rolle des Lektorats an der Endfassung dieses Romans verweisen und andererseits die Erlebniswelt der Protagonisten in Traditionslinien verorten, die dem Wandervogel und der Bündischen Jugend entstammen und dann vom NS-Staat okkupiert wurden:

Auf der Homepage, die von Otfried Preußlers Erben betrieben wird, findet sich ein Text ohne Autorenangabe, der eine abweichende Position zu der Kritik an Preußler als Autor dieses frühen Jugendromans einnimmt. Es wird als wahrscheinlich dargestellt, dass Preußler am Lektorat nicht beteiligt gewesen sei, da er sich in der Zeit direkt vor der Veröffentlichung im Kriegseinsatz befunden habe. Im Wesentlichen ließen sich zwei Stellen mit nationalsozialistischen Bezügen erkennen (S. 30 und S. 70): „Allerdings quasi als Texteinschübe, mit völlig anderem Duktus und anderer Terminologie als im gesamten übrigen Text. Hier scheint der Eingriff eines Lektors mehr als wahrscheinlich.“ Die Preußler-Erben vertreten die Position, dass Preußler selbst also für die eindeutig nationalsozialistischen Bezüge nicht verantwortlich gemacht werden könne, und führen dafür auch noch weitere Argumente an. Sie verweisen auf den Literaturwissenschaftler Carsten Gansel, der „die Handlungen und Gedankenwelt der Jungen im Erntelager im adoleszenztypischen Verhalten innerhalb der Jungendkultur [sic]“ verorte, „die noch in der Tradition von Turnerschaft und Bündischer Jugend“ stehe. „Elemente wie Männlichkeit, Kameradschaft, Fahnen, Führer und Gefolgschaft aber auch Arbeit und Bauerntum spielen dabei eine wesentliche Rolle.“ Sie verweisen ausdrücklich darauf, dass die Überführung dieser Jugendorganisationen in die Hitler-Jugend zwangsweise erfolgt sei, was historisch nicht richtig ist.

Sie schreiben von „tendenziösen Versuche einer Delegitimierung“ von Preußler und führen aus: „In den sozialen Medien werden derzeit isoliert und aus dem Kontext extrahierte Textstellen in pseudowissenschaftlicher und populistischer Weise verbreitet und eine ‚ideologische Zuordnung‘ konstruiert, die dem Jugendbuch in keiner Weise gerecht wird.“ Dazu werden keine Belege angegeben.

Ihr Resümee ist: „Preußler hat sich zu seiner Jugend im Nationalsozialismus, entgegen vielfachen Behauptungen, eindeutig geäußert, und zwar literarisch. Krabat ist das klare Ergebnis seiner persönlichen Aufarbeitung jener Zeit. Nicht zufällig wurde es zu seinem wichtigsten Werk und nebenbei zum Klassiker der deutschen Literatur.“

Verlag

Der Verlag Junge Generation Berlin wurde aus Vorgängerverlagen im Dezember 1936 als Kommanditgesellschaft mit dem Namen „Junge Generation Verlagsgesellschaft Reichel“ mit Sitz in Berlin-Lichterfelde, Drakestr. 17, gegründet und bestand bis Kriegsende. Bis dahin brachte er etwa 250 Bücher und Hefte heraus. Insbesondere in den Kriegsjahren verzeichnet sich eine starke Produktion, offenbar hatte der Verlag keine Probleme mit der Papierzuteilung. Der Verlag war in der Produktion von NS-Propagandaliteratur überaus aktiv und nutze die Konjunktur der HJ-, BDM- und RAD-Literatur. Die abgedeckten Themenbereiche waren u. a. siegreiche deutsche Kriegsgeschichte, Germanentum, Überlegenheit deutscher Technik, Führer- und Kämpferfiguren, deutsche Helden, der Krieg, Kolonialliteratur und Adolf Hitler selbst.

Neben Büchern der NS-Propagandaliteratur wurden auch Reihen und Serien für heranwachsende Jungen und Mädchen herausgegeben. Die Reihe „Die Mädelbücherei“ war für junge Leserinnen gedacht, während die „Trommlerbücher“ sich an Jungen richtete. Ein Trommler bildet auch das Verlagssignet. Die Verlagsreihe „Bücher der jungen Generation“ war speziell, wie die gesamte Verlagsproduktion, für den BDM und Hitlerjungen gedacht. Die letzte Buchankündigung des Verlages stammt vom 11. November 1944.

Somit zeigt sich, „dass der Erstlingsroman von Otfried Preußler in einem passenden ideologischen Umfeld erschienen und in die Tradition des Hitlerjugend-Romans eingebettet ist.“

Illustrationen

Der Umschlag des Buches und neun Zeichnungen im Text stammen von Ferdinand Spindel. Sie veranschaulichen einzelne ausgewählte Episoden aus dem Text. Ferdinand Spindel arbeitete 1940–1944 für den Verlag Junge Generation, Berlin-Lichterfelde, und illustrierte in dieser Zeit 13 Jugendbücher.

Exemplare

Nach aktuellem Kenntnisstand existieren vom Erntelager Geyer nur noch wenige Exemplare und zwar in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, in der Staatsbibliothek Berlin und in der Wiener Nationalbibliothek. Darüber hinaus ist die Existenz von zwei Exemplaren im Privatbesitz bekannt.

Autor und sein Frühwerk

Preußler selbst hat sich nach 1945 über die Existenz des Buches nie geäußert. Lediglich ein einziges Mal taucht das Buch auf: Im Werkbericht, den Preußler 1953 an den Leiter der Künstlergilde Esslingen e. V., Ernst Schremmer, im Zuge seiner Bewerbung um Mitgliedschaft, schickte. Schremmer war 1940–1945 Kriegsersatz-Angestellter, Pressereferent beim Reichsstatthalter, Gauleiter und SS-Obergruppenführer Konrad Henlein in Reichenberg. Da Ernst Schremmer wie Preußler in Reichenberg lebte und ebenfalls im nationalsozialistischen Kulturbetrieb tätig war, ist anzunehmen, dass er Otfried Preußler bzw. seinem Vater bekannt war. Diese Nennung des Buches hatte also einen speziellen Adressaten und war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

In keinem späterem Werkverzeichnis gibt es eine Erwähnung des Buches Erntelager Geyer, auch nicht im 2010 herausgekommenem Erinnerungsband. Wenn Preußler angibt, dass Der kleine Wassermann sein erstes Kinderbuch gewesen sei, so ist dies nur insofern richtig, als dass das Erntelager Geyer ein Jugendbuch war. In einem Interview aus dem Jahr 2002 beantwortet Preußler die Frage „Welches war ihr erstes Buch?“ direkt: „Das war ‚Der kleine Wassermann‘.“

Das Buch wurde vor der Wiederentdeckung von keinem Biografen erwähnt. Und Preußler selbst hatte öffentlich keinen Hinweis darauf gegeben. Hall vermutet, der Autor habe sich später für das Jugendwerk geniert. Die Germanistin Sandra Maruńska vermutet, er habe diesen Text auch später gar nicht für eine Fehlleistung gehalten.

Literatur

  • Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944.
  • Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 135–147.
  • Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre. Galiani Berlin, Berlin 2022, ISBN 978-3-86971-250-5.
  • Ines Japé: Der Kinder- und Jugendbuchautor Otfried Preußler. Untersuchungen zum literarischen Funktionsverständnis und den künstlerischen Leistungen des massenwirksamen Autors. Diss. Pädagogische Hochschule. Güstrow 1988.
  • Otfried Preußler: Ich bin ein Geschichtenerzähler. Herausgegeben von Susanne Preußler-Bitsch und Regine Stigloher. Thienemann Verlag 2010.
  • Norbert Hopster, Petra Josting, Joachim Neuhaus: Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945. Ein Handbuch. Band 1: Bibliographischer Teil mit Registern. Verlag J. B. Metzler, 2001.
  • Norbert Hopster, Petra Josting, Joachim Neuhaus: Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945. Ein Handbuch. Band 2: Darstellender Teil. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2005.
  • Michael Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg: Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. De Gruyter Saur, Berlin/Boston 2003.
  • Peter Becher: Ein unbekannter Roman von Otfried Preußler. In: Sudetenland – Europäische Kulturzeitschrift, 57. Jhrg, Heft 2/2015, S. 247–251
  • Carola Leitner: Otfried Preußlers „braunes“ Frühwerk. „Erntelager ‚Geyer‘ – stillgestanden!“, News orf.at vom 6. September 2015, abgerufen am 7. September 2019
  • Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre. Galiani Berlin, Berlin 2022, ISBN 978-3-86971-250-5.
  • Niklas Zimmermann: Der Mann, der einmal Otfried Syrowatka war. In: FAZ. 3. August 2022, abgerufen am 13. März 2023.
  • Sandra Maruńska: Otfried Preußlers kinder- und jugendliterarische Texte zwischen didaktischem Auftrag und kulturpolitischer Sendung. In: Dresdner wissenschaftliche Bibliothek. Band 11. Neisse Verlag, Dresden 2018, ISBN 978-3-86276-247-7.

Einzelnachweise

  1. Deutsche Nationalbibliographie, Nr. 201, 29. April 1944, S. 281.
  2. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 4.
  3. Verzeichnis der auszusondernden Literatur. Abteilung für Volksbildung im Magistrat der Stadt Berlin, 12. Februar 1946, S. 146. Liste der auszusondernden Literatur. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der SBZ, 1. April 1944, S. 319.
  4. Buchstabe P, Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Vorläufige Ausgabe nach dem Stand vom 1. April 1946 (Berlin: Zentralverlag, 1946). Abgerufen am 20. März 2023.
  5. Erntelager Geyer. Abgerufen am 21. März 2023.
  6. Das Exemplar in Köln ist nur eine Kopie, aber es gibt in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien ein weiteres Exemplar. https://search.onb.ac.at/primo-explore/search?institution=43ACC_ONB&vid=ONB&tab=default_tab&search_scope=ONB_gesamtbestand&mode=basic&displayMode=full&bulkSize=10&highlight=true&dum=true&query=any,contains,erntelager%20geyer&displayField=all
  7. Otfried Preußler: „Lieber Soldat!“. In: Kameraden: Sudetendeutsche Briefe an Wehr- und Werkmänner. NSDAP Gauleitung Sudetenland, Heft 6/1940, S. 12–1.4
  8. Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre. Galiani Berlin, Berlin 2022, S. 143.
  9. M. Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg: Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. De Gruyter Saur Berlin/Boston 2003, S. 685.
  10. Otfried Preußler, Erntelager Geyer, Junge Generation Verlag, Berlin 1944. S. 7.
  11. Otfried Preußler, Erntelager Geyer, Junge Generation Verlag, Berlin 1944. S. 88.
  12. Otfried Preußler, Erntelager Geyer, Junge Generation Verlag, Berlin 1944. S. 9
  13. Otfried Preußler, Erntelager Geyer, Junge Generation Verlag, Berlin 1944. S. 70.
  14. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer, Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 144.
  15. Otfried Preußler: Ich bin ein Geschichtenerzähler, herausgegeben von Susanne Preußler-Bitsch und Regine Stigloher, Thienemann Verlag 2010, S. 169.
  16. Otfried Preußler, Erntelager Geyer. In: Dr Hellmuth Langenbucher (Hrsg.): Börsenblatt des Deutschen Buchhandels. Nr. 78. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Leipzig 4. November 1944, S. 665.
  17. Eduard Frank: Otfried Preußler, Erntelager Geyer. Bücherschau. In: Sudetendeutsche Monatshefte. Hrsg.: Deutscher Heimatbund, Gauverein Sudetenland, Leitung Josef Moder. Heft 2, Juni 1944, S. 79.
  18. Ines Japé: Der Kinder- und Jugendbuchautor Otfried Preußler. Untersuchungen zum literarischen Funktionsverständnis und den künstlerischen Leistungen des massenwirksamen Autors. Diss. Pädagogische Hochschule Güstrow, 1988.
  19. Norbert Hopster, Petra Josting, Joachim Neuhaus: Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945. Ein Handbuch. Band 1: Bibliographischer Teil mit Registern. Verlag J. B. Metzler, 2001, Sp. 930, 1502, 2170 (Nr. 4173).
  20. Norbert Hopster, Petra Josting, Joachim Neuhaus: Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945. Ein Handbuch. Band 2: Darstellender Teil. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2005, Sp. 40, 151, 159, 180, 254, 256.
  21. Michael Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg: Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. De Gruyter Saur, Berlin/Boston 2003, S. 1035.
  22. Peter Becher: Ein unbekannter Roman von Otfried Preußler. In: Sudetenland – Europäische Kulturzeitschrift, 57. Jhrg, Heft 2/2015, S. 247–251.
  23. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 135–147.
  24. Carola Leitner: Otfried Preußlers „braunes“ Frühwerk. News orf.at vom 6. September 2015.
  25. Peter Becher: Ein unbekannter Roman von Otfried Preußler, Sudetenland – Europäische Kulturzeitschrift, 57. Jhrg, Heft 2/2015, S. 251.
  26. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer, Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 144.
  27. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer, Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 145.
  28. Sandra Maruńska: Otfried Preußlers kinder- und jugendliterarische Texte zwischen didaktischem Auftrag und kulturpolitischer Sendung. In: Dresdner wissenschaftliche Bibliothek. Band 11. Neisse Verlag, Dresden 2018, S. 143–148.
  29. Sandra Maruńska: Otfried Preußlers kinder- und jugendliterarische Texte zwischen didaktischem Auftrag und kulturpolitischer Sendung. In: Dresdner wissenschaftliche Bibliothek. 1. Auflage. Band 11. Neisse Verlag, Dresden 2018. S. 145.
  30. Sandra Maruńska: Otfried Preußlers kinder- und jugendliterarische Texte zwischen didaktischem Auftrag und kulturpolitischer Sendung. In: Dresdner wissenschaftliche Bibliothek. 1. Auflage. Band 11. Neisse Verlag, Dresden 2018. S. 148.
  31. Carsten Gansel: Kindheit und Jugend erinnern und erzählen – Zu Otfried Preußlers literarischen Anfängen. In: Carsten Gansel et al. (Hrsg.): Erzählen über Kindheit und Jugend in der Gegenwartsliteratur, Okapi Verlag, 2019, S. 205–243.
  32. Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre. Galiani Berlin, Berlin 2022.
  33. Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre. Galiani Berlin, Berlin 2022, S. 139.
  34. Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre. Galiani Berlin, Berlin 2022. S. 135.
  35. M. Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg: Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. De Gruyter Saur, Berlin/Boston 2003, S. 686.
  36. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 70.
  37. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 144.
  38. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 146.
  39. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 29.
  40. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, 30.
  41. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 30.
  42. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 30.
  43. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 30.
  44. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 112.
  45. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 16.
  46. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 44.
  47. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 123.
  48. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 128f.
  49. Otfried Preußler: Erntelager Geyer. Junge Generation Verlag, Berlin 1944, S. 141.
  50. Otfried Preußler: Erntelager Geyer, Junge Generation Verlag, Berlin 1944. S. 100 f.
  51. J. Krebs, E. Lehmann: Sudetendeutsche Landeskunde. Kiel 1992, S. 159.
  52. Henlein: Die Stunde der Befreiung naht! In: Innsbrucker Nachrichten. Parteiamtliches Organ der NSDAP. Gau Tirol. 85. Jahrgang, Nr. 217. Innsbruck 19. September 1938, S. 1.
  53. Peter Becher: Ein unbekannter Roman von Otfried Preußler. In: Sudetenland – Europäische Kulturzeitschrift, 57. Jhrg, Heft 2/2015, S. 251.
  54. Carola Leitner: Otfried Preußlers „braunes“ Frühwerk. News orf.at vom 6. September 2015.
  55. Ines Japé: Der Kinder- und Jugendbuchautor Otfried Preußler. Untersuchungen zum literarischen Funktionsverständnis und den künstlerischen Leistungen des massenwirksamen Autors. Diss. Pädagogische Hochschule Güstrow 1988, S. 31.
  56. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 147.
  57. Petra Josting: Erntelager Geyer [1944] - Otfried Preußlers erstes Buch. In: Julia Benner, Andrea Weinmann (Hrsg.): kjl&m. 1. Auflage. Otfried Preußler revisited, 23. extra. kopaed, München 2023, ISBN 978-3-96848-110-4, S. 49.
  58. Otfried Preußler 1923 – 2013. Offizielle Homepage der Erbengemeinschaft nach Otfried Preußler, abgerufen am 13. August 2023.
  59. Erntelager Geyer. Offizielle Homepage der Erbengemeinschaft nach Otfried Preußler, abgerufen am 13. August 2023.
  60. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 137–142.
  61. Zuteilungsverfahren: Die Mädelbücherei. In: Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (Hrsg.): Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Nr. 79. Leipzig 11. November 1944, S. 674.
  62. Murray G. Hall: Ein Phantombuch? Otfried Preußlers Hitlerjugend-Roman Erntelager Geyer. In: Stifter Jahrbuch, 30/2016, S. 142.
  63. Norbert Hopster, Petra Josting, Joachim Neuhaus: Kinder- und Jugendliteratur 1933-1945 Band 1: Bibliographischer Teil mit Registern. J.B. Metzler, Stuttgart Weimar 2001, ISBN 3-476-01836-9, S. 1886.
  64. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen: Biographie Schremmer, Ernst. Abgerufen am 9. März 2023.
  65. Otfried Preußler: Ich bin ein Geschichtenerzähler. Herausgegeben von Susanne Preußler-Bitsch und Regine Stigloher. Thienemann Verlag, 2010, S. 253.
  66. Otfried Preußler: Ich bin ein Geschichtenerzähler. Herausgegeben von Susanne Preußler-Bitsch und Regine Stigloher. Thienemann Verlag, 2010, S. 46, 90.
  67. Otfried Preußler im Gespräch mit Ernst Emrich (2002). BR, 2002, abgerufen am 12. März 2023.
  68. Carola Leitner: Otfried Preußlers „braunes“ Frühwerk. News orf.at vom 6. September 2015.
  69. Sandra Maruńska: Otfried Preußlers kinder- und jugendliterarische Texte zwischen didaktischem Auftrag und kulturpolitischer Sendung. In: Dresdner wissenschaftliche Bibliothek. 1. Band 11. Neisse Verlag, Dresden 2018, ISBN 978-3-86276-247-7, S. 144.
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