Strukturformel
Allgemeines
Name Essigsäureethylester
Andere Namen
  • Ethylacetat (IUPAC)
  • Ethylethanoat (system. IUPAC)
  • Ethansäureethylester
  • Essigester
  • ESTP
  • Äthylacetat
  • ETHYL ACETATE (INCI)
Summenformel C4H8O2
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit fruchtigem Geruch

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 141-78-6
EG-Nummer 205-500-4
ECHA-InfoCard 100.005.001
PubChem 8857
ChemSpider 8525
Wikidata Q407153
Eigenschaften
Molare Masse 88,11 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,894 g·cm−3 (25 °C)

Schmelzpunkt

−83 °C

Siedepunkt

77 °C

Dampfdruck
  • 98,4 hPa (20 °C)
  • 160 hPa (30 °C)
  • 251 hPa (40 °C)
  • 380 hPa (50 °C)
pKS-Wert

29,5 (DMSO)

Löslichkeit

mäßig in Wasser (85,3 g·l−1 bei 20 °C)

Brechungsindex

1,372

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP), ggf. erweitert

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225319336
EUH: 066
P: 210233240305+351+338403+235
MAK
  • DFG: 200 ml·m−3 bzw. 750 mg·m−3
  • Schweiz: 200 ml·m−3 bzw. 730 mg·m−3
Toxikologische Daten

5620 mg·kg−1 (LD50, Ratte, oral)

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Essigsäureethylester, auch Ethylacetat oder kurz Essigester (im Laborjargon EE), ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Carbonsäureester. Es ist der Ester gebildet aus Essigsäure und Ethanol. Die farblose Flüssigkeit ist ein charakteristisch fruchtig riechendes Lösungsmittel, das in der chemischen Industrie und in Laboratorien oft verwendet wird.

Vorkommen

Natürlich kommt Essigsäureethylester in vielen Früchten vor, zum Teil auch als eine charakteristische oder eine der mengenmäßig wichtigsten Komponenten, zum Beispiel in Bananen, Zuckermelonen, den Beeren von Morella caroliniensis, Brombeeren, Himbeeren (12–18 % der flüchtigen Aromakomponenten) und Berg-Papaya. Außerdem kommt sie im Aroma von Kirschen, Birnen, Orangen (im Saft bzw. Fruchtfleisch, aber nicht in der Schale), Guaven, Papaya,, Feigen, Oliven und Olivenöl, Äpfeln (z. B. in den Sorten Golden Delicious, Granny Smith und Fuji), Passionsfrucht, Pfirisch, Feijoa, den Früchten des Kaffeebaums, Garten-Erdbeeren und Moschus-Erdbeeren, Quittenschale, sowie Cashew-Äpfeln und Acerola vor. Auch in vielen Fruchtsäften ist es eine wichtige Aromakomponente, beispielsweise aus Blaubeeren, Himbeeren, Brombeeren, Granatapfel, Birnen, Aprikosen und Pfirsich. In Zuckermelonen wurde die Biosynthese untersucht, dort werden gegen Ende des Reifeprozesses durch Veresterung diverser Alkohole mittels Alkoholacetyltransferasen Ethylacetat und andere Ethylester gebildet.

Ethylester werden bei der Fermentation von Wein gebildet und spielen eine wichtige Rolle für dessen Aroma. Ethylacetat ist dabei die mengenmäßig wichtigste Komponente. In sehr geringer Konzentration (unter 80 mg/L) verbessert er die Geschmacksqualität des Weins, während eine hohe Konzentration ein wichtiger Faktor bei der Bildung von Geschmacksfehlern ist. Dabei wird Ethylacetat enzymatisch durch Hefen wie Saccharomyces cerevisiae produziert. Auch in anderen alkoholischen Getränken wie Bier, Apfelwein und Whisky kommt es in nennenswerten Mengen vor. Ebenso in Essig. Zum Teil können flüchtige Verbindungen Aufschluss über die Anwesenheit bestimmter Bakterien sein. In einer Studie mit einer Gruppe von sechs Mikroorganismen war in dieser Gruppe Ethylacetat charakteristisch für Escherichia coli. Bei Verwesungsprozessen entstehen viele flüchtige Verbindungen, auch dort wurde Ethylacetat nachgewiesen.

Gewinnung und Darstellung

Für die Herstellung von Ethylacetat sind diverse Reaktionen bekannt. Für die Industrie sind drei Verfahren relevant: Die durch Schwefelsäure katalysierte Veresterung von Essigsäure und Ethanol (Fisher-Prozess); durch die Tischtschenko-Reaktion oder durch Addition von Essigsäure an Ethylen.

Veresterung

Eines der großtechnischen Herstellungsverfahren der chemischen Industrie beruht auf der säurekatalysierten Veresterung von Essigsäure mit Ethanol.

Diese Gleichgewichtsreaktion wird nach dem Prinzip von Le Chatelier (Prinzip vom kleinsten Zwang) durch fortlaufende Abtrennung des entstehenden Wassers oder kontinuierliches Abziehen des Esters auf die Seite der Produkte verlagert.

Tischtschenko-Reaktion

Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von Ethylacetat bietet die Tischtschenko-Reaktion. Danach wird Acetaldehyd bei Temperaturen von 0–5 °C in Gegenwart von Aluminiumtriethanolat-Lösung in einer Rührkesselkaskade umgesetzt.

Bei 95%igem Umsatz erreicht die Selektivität von Ethylacetat etwa 96 % (bezogen auf Acetaldehyd). Das wesentliche Nebenprodukt ist Acetaldol, welches durch Aldoladdition von Acetaldehyd entsteht. Das Produktgemisch wird in einer kontinuierlichen Destillationskolonne aufgetrennt und das Ethylacetat abdestilliert. Dieses Verfahren wird besonders in Regionen mit preisgünstiger Verfügbarkeit von Acetaldehyd (vor allem Europa und Japan) und in Ländern mit wirtschaftlich unattraktiven Ethanolpreisen durchgeführt.

Biotechnologische Gewinnung

Ethylacetat kann durch Veresterung mittels einer Lipase (z. B. von Candida antarctica) gewonnen werden. Eine andere Möglichkeit ist die Reaktion durch Hefen wie Kluyveromyces marxianus.

Direkte Synthese aus Ethanol

Über einem geeigneten Oxid-Katalysator aus Kupfer, Zink, Zirconium und Aluminium bei hohen Drücken (8 bar) kann Ethylacetat direkt aus Ethanol gewonnen werden. Eine mildere Reaktion ist die Umsetzung von Ethanol mit einem Ruthenium-Katalysator.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Ethylacetat liegt unter Normalbedingungen als farblose, niedrigviskose und entzündbare Flüssigkeit vor. Der Schmelzpunkt liegt bei −83 °C, wobei eine Schmelzenthalpie von 10,48 kJ·mol−1 realisiert wird. Bei Normaldruck siedet die Verbindung bei 77 °C. Die Verdampfungsenthalpie beträgt am Siedepunkt 31,94 kJ·mol−1. Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,22809, B = 1245,702 und C = −55.189 im Temperaturbereich von 289 K bis 349 K. Die Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie lässt sich entsprechend der Gleichung ΔVH0=Aexp(−βTr)(1−Tr)βVH0 in kJ/mol, Tr =(T/Tc) reduzierte Temperatur) mit A = 54,26 kJ/mol, β = 0,2982 und Tc = 523,2 K im Temperaturbereich zwischen 298 K und 363 K beschreiben.

Zusammenstellung der wichtigsten thermodynamischen Eigenschaften
Eigenschaft Typ Wert Bemerkungen
Standardbildungsenthalpie ΔfH0liquid
ΔfH0gas
−480,57 kJ·mol−1
−445,43 kJ·mol−1
als Flüssigkeit
als Gas
Standardentropie S0liquid
S0gas
259,4 J·mol−1·K−1
362,75 J·mol−1·K−1
als Flüssigkeit
als Gas
Verbrennungsenthalpie ΔcH0liquid −2235,4 kJ·mol−1
Wärmekapazität cp 168,94 J·mol−1·K−1 (25 °C)
1,92 J·g−1·K−1 (25 °C)
113,64 J·mol−1·K−1 (25 °C)
1,29 J·g−1·K−1 (25 °C)
als Flüssigkeit

als Gas
Kritische Temperatur Tc 523,2 K
Kritischer Druck pc 38,82 bar
Kritische Dichte ρc 3,497 mol·l−1
Azentrischer Faktor ωc 0,36641

Azeotrope

In 100 ml Wasser lösen sich ca. 8 ml Essigsäureethylester bei 20 °C. Die Verbindung bildet mit Wasser und vielen organischen Lösungsmitteln azeotrope Gemische. Das Azeotrop mit Wasser enthält bei Normaldruck 8,43 % Wasser und siedet bei 70,38 °C. Die Azeotropzusammensetzung und der Azeotropsiedepunkt ist druckabhängig. Mit sinkendem Druck sinkt der Wassergehalt im azeotropen Gemisch sowie dessen Siedepunkt.

Druckabhängigkeit der Azeotropzusammensetzung und des Azeotropsiedepunkts
p in Torr255075100200300400500600700760800900100011001200130014001500
p in mbar3367100133267400533667800933101310671200133314671600173318662000
x(H2O) in %3,604,004,364,705,796,567,117,547,928,258,438,548,809,049,269,479,679,8610,04
Tb in °C−1,8910,017,423,037,646,853,859,464,168,270,471,875,178,281,083,585,988,290,3

wobei 1 Torr ≈ 133,322 Pa entspricht und 760 Torr in etwa der Normaldruck auf Meereshöhe ist.

Die azeotropen Zusammensetzungen und Siedepunkte mit weiteren organischen Lösungsmitteln finden sich in der folgenden Tabelle. Keine Azeotrope werden mit Toluol, Benzol, n-Propanol, n-Butanol, iso-Butanol, sec-Butanol, Aceton, 1,4-Dioxan, Methylacetat und Isopropylacetat gebildet.

Azeotrope mit verschiedenen Lösungsmitteln
Lösungsmittel n-HexanCyclohexanMethanolEthanol2-Propanol
Gehalt Ethylacetat in Ma%3854566975
Siedepunkt in °C6572627276
Lösungsmittel ChloroformTetrachlorkohlenstoffButanonSchwefelkohlenstoffAcetonitril
Gehalt Ethylacetat in Ma%724382377
Siedepunkt in °C7875774675

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Ethylacetat bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei −4 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 2 Vol.‑% (73 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 12,8 Vol.‑% (470 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG). Eine Korrelation der Explosionsgrenzen mit der Dampfdruckfunktion ergibt einen unteren Explosionspunkt von −6 °C sowie einen oberen Explosionspunkt von 25 °C. Die Explosionsgrenzen sind druckabhängig. Eine Erniedrigung des Druckes führt zu einer Verkleinerung des Explosionsbereiches. Die untere Explosionsgrenze ändert sich bis zu einem Druck von 100 mbar nur wenig und steigt erst bei Drücken kleiner als 100 mbar an. Die obere Explosionsgrenze verringert sich mit sinkendem Druck analog.

Explosionsgrenzen unter reduziertem Druck (gemessen bei 100 °C)
Druck in mbar10138006004003002502001501005025
Untere Explosionsgrenze (UEG) in Vol.‑%1,71,81,81,81,91,92,02,12,22,83,5
in g·m−3626364656769717479102126
Obere Explosionsgrenze (OEG) in Vol.‑%12,812,612,211,811,611,611,611,411,49,98,1
in g·m−3468461448433426419419426426364295

Die Sauerstoffgrenzkonzentration liegt bei 20 °C bei 9,8 Vol.‑%, bei 100 °C bei 9,4 Vol%. Der maximale Explosionsdruck beträgt 9,5 bar. Der maximale Explosionsdruck verringert sich mit sinkenden Ausgangsdruck.

Maximaler Explosionsdruck unter reduziertem Druck
Druck in mbar1013800600300200150100
Maximaler Explosionsdruck (in bar) bei 20 °C9,27,15,42,61,81,41,1

Die Grenzspaltweite wurde mit 0,95 mm (50 °C) bestimmt. Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA. Mit einer Mindestzündenergie von 0,46 mJ sind Dampf-Luft-Gemische extrem zündfähig. Die Zündtemperatur beträgt 470 °C. Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1. Die Zündtemperatur sinkt mit steigendem Druck wesentlich ab. Die elektrische Leitfähigkeit liegt mit <1·10−7 S·m−1 im mittleren Bereich für flüssige Stoffe.

Zündtemperaturen unter erhöhtem Druck
Druck in bar1,01,52,56,212,4
Zündtemperatur in °C470350300240220

Entsprechend den Gefahrgutvorschriften ist Ethylacetat der Klasse 3 (Entzündbare flüssige Stoffe) mit der Verpackungsgruppe II (mittlere Gefährlichkeit) zugeordnet (Gefahrzettel: 3).

Metabolismus und Toxikologie

Ethylacetat kann über Atmung und Haut aufgenommen werden. Im menschlichen Körper wird es schnell durch Esterasen in Essigsäure und Ethanol abgebaut. Es kann Augen, Schleimhäute und Atemwege reizen. In hohen Konzentrationen kann es zu Schläfrigkeit und Benommenheit über Ohnmacht bis hin zu Tod durch Erstickung führen. Bei längerer Exposition gegenüber einer Atmosphäre mit 400 ppm Ethylacetat wurde allerdings nur eine starke Geruchsbelästigung festgestellt und keine neurologischen oder motorischen Einschränkungen. Chronische Exposition kann zu Organschäden an Lunge, Herz, Leber und Nieren führen.

Verwendung

Ethylacetat wird industriell im großen Maßstab gewonnen. So betrug die weltweit verwendete Menge 1998 schätzungsweise 1 Mio. Tonnen, im Jahr 2008 2,5 Mio. Tonnen. Es ist eines der wichtigsten Lösungsmittel für Farb- und Klebstoffzubereitungen. Es ist allerdings auch ein wichtiges Lösungsmittel in Industrieprozessen, zum Beispiel zum Aufbringen von Überzugsmitteln auf Tabletten oder für die Entkoffeinierung von Kaffee.

Ethylacetat findet vielfältige Anwendung in der Kosmetik, so wird es in der Größenordnung 100 bis 1000 als Duftstoff für Kosmetika eingesetzt. In Nagelpolituren dient es oft als Lösungsmittel für Nitrocellulose. Zudem findet es Verwendung in Nagellackentfernern und hat dort Aceton als Lösemittel weitestgehend ersetzt. Kosmetische Zubereitungen mit mindestens 5 % Ethylacetat wirken antimikrobiell, sodass bei diesen eine separate Kontrolle auf Mikroorganismen in der Regel nicht nötig ist.

Essigsäureethylester wird als natürlicher Aromastoff verwendet für Frucht- und Brandynoten. In der EU ist Ethylacetat unter der FL-Nummer 09.001 als Aromastoff für Lebensmittel allgemein zugelassen.

In der Entomologie ist es ein häufig eingesetzte Tötungsmittel bei der Präparation von Insekten. Es zerstört allerdings die DNA der Insekten, sodass es ungeeignet ist, wenn anschließend eine DNA-Sequenzierung vorgenommen werden soll.

Als Elektrolyt in Lithium-Ionen-Batterien wird üblicherweise Ethylencarbonat verwendet. Die Verwendung von Ethylacetat, insbesondere bei tiefen Temperaturen, wird erforscht.

Nachweis

Ein Nachweis, auch quantitativ, ist mittels NMR möglich.

Einzelnachweise

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  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Eintrag zu Ethylacetat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 21. Februar 2018. (JavaScript erforderlich)
  3. 1 2 3 M. Pintos, R. Bravo, M. C. Baluja, M. I. Paz Andrade, G. Roux-Desgranges, J.-P. E. Grolier: Thermodynamics of alkanoate + alkane binary mixtures. Concentration dependence of excess heat capacities and volumes. In: Canadian Journal of Chemistry. 66, 1988, S. 1179–1186, doi:10.1139/v88-193.
  4. Xian Man Zhang, Frederick G. Bordwell, Michael Van Der Puy, Herbert E. Fried: Equilibrium acidities and homolytic bond dissociation energies of the acidic carbon-hydrogen bonds in N-substituted trimethylammonium and pyridinium cations. In: Journal of Organic Chemistry. Band 58, Nr. 11, 1993, S. 3060–3066, doi:10.1021/jo00063a026.
  5. CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification. 3. Auflage. 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  6. Eintrag zu Ethyl acetate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
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