Die Evangelische Kirche in der Kernstadt Euskirchens, Nordrhein-Westfalen, liegt in der Kölner Straße 41.
Baugeschichte
Die Kirche geht in ihrem Ursprung auf einen Entwurf des Kölner Architekten Emil Schreiterer (1852–1923; Architekturbüro Schreiterer & Below) zurück. Die Einweihung der Saalkirche mit vorgesetztem Turm und angebautem Pfarrhaus erfolgte am 28. November 1895. In den letzten Kriegsmonaten des Zweiten Weltkriegs wurde das Ensemble bis auf den Kirchturm durch Fliegerbomben zerstört. Beim Wiederaufbau ab 1951 wurde der Turm mit veränderter Turmspitze erhalten. Das Kirchenschiff wurde zweigeschossig angelegt. Der Gottesdienstraum befindet sich im Nachkriegsbau im Obergeschoss, während im Erdgeschoss Raum für einen großen Gemeindesaal geschaffen wurde. Die Einweihung der wiedererrichteten Kirche wurde am 6. Dezember 1953 gefeiert.
Wegen des Anwachsens von 3.400 (1953) auf 7.500 (2003) Gemeindemitglieder wurde das bestehende Gemeindezentrum mit Beginn des Jahres 2004 modernisiert und erweitert. Anstatt der früheren fünf Eingänge wurde, nach Abriss des Altbaubestands zwischen Kirche und Pfarrhaus, ein verglastes Foyer und ein zweigeschossiger Verbindungstrakt geschaffen, der zentral die Kirche und die Räumlichkeiten des Anbaus erschließt. Für die Pläne, die unter dem Motto „Einladende Gemeinde“ entwickelt wurden, zeichnete das Bonner Büro für Architektur und Städtebau verantwortlich. Das komplexe Raumprogramm (Jugendräume, Krabbelgruppe, Andachtsraum, Raum der Stille, Küche und WC-Anlagen) musste zwischen drei Baukörpern (Kirche, Pfarrhaus und einem benachbarten Lagergebäude) eingepasst werden. Das Multifunktionsbauwerk als Teil der Offenen Kirche mit ca. 600 Quadratmetern Nutzfläche wurde 2005 als letztes evangelisches Gemeindezentrum im Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel mit dessen finanzieller Mithilfe und einem eigens gegründeten Kirchenbauverein fertiggestellt.
Gemeindegeschichte
Die Geschichte der reformierten Christen in Euskirchen geht bis in die Reformationszeit zurück. Zwischen 1590 und 1620 sollen in Euskirchen erste evangelische Gottesdienste gefeiert worden sein. Doch durch den Religionsvergleich von 1672 blieb nur in Flamersheim und Großbüllesheim die Möglichkeit, über die Jahrhunderte hinweg den reformatorischen Glauben lebendig zu erhalten. Erst mit der Zugehörigkeit zum preußischen Herrschaftsbereich ab 1815 und der entstehenden Tuchindustrie wuchs auch wieder eine evangelische Gemeinde in der Stadt selber.
Durch Friedrich Wilhelm III. erhielt die Gemeinde 1824 das Angebot, die Kapuzinerkirche und den Cürtelehnhof als Gottesdienstraum zu nutzen. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb die Gemeinde in der Wilhelmstraße (heute Nr. 67) ein Haus, das sie als Betsaal, Schulraum und Lehrerwohnung nutzte. 1891 wurde dann das Grundstück an der Kölner Straße erworben, auf dem die Kirche errichtet werden sollte.
Glocken
Im Jahr 1925 goss die renommierte Glockengießerei Otto aus Hemelingen/Bremen drei Bronzeglocken für die Ev. Kirche in Euskirchen. Die Glocken haltende Schlagtonreihe: e' – g' – a' und wogen zusammen 2,3 Tonnen. Im Zweiten Weltkrieg wurden zwei Glocken zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Gewöhnlich blieb den Gemeinde nur die kleinste Glocke erhalten, die a'-Glocke mit 908 mm Durchmesser und einem Gewicht von 459 kg. Sie hängt heute in dem unter Denkmalschutz stehenden Turm der Kirche, der heute folgende drei Glocken beheimatet: Die kleine Taufglocke stammt aus dem Jahr 1895 und wurde 1925 von Otto umgegossen. Die Inschrift, die sie trägt, entstammt dem 1. Johannesbrief: „Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
Die sogenannte Ruferglocke ruft die Gemeinde zu den Gottesdiensten und wird auch während des Vater-Unser-Gebetes geläutet. Sie wurde 1953 von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn im Dillkreis, gegossen und trägt die Inschrift: „Für den Frieden unseres Volkes und der ganzen Welt.“
Die Totenglocke ist ebenfalls seit 1953 in Euskirchen. Sie ist die älteste der drei Glocken und eine Leihgabe. Sie wurde 1701 für die evangelische Kirche in Nikolaiken (Ostpreußen, heute Polen) gegossen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie für Rüstungszwecke demontiert, jedoch nicht mehr eingeschmolzen. Bei Kriegsende lagerte sie in Hamburg. Sie trägt die Inschriften: „Oh Mensch, nach Gottes Wort dich richt“, „Kommt alle herzu, ihr Christenleut“ und die Namen des Nikolaikener Kirchenvorstands von 1701.
Orgel
Die vollmechanische Schleifladenorgel wurde 1960 von der Orgelbaufirma Paul Ott erbaut und hat 24 Register auf zwei Manualen und Pedal.
Literatur
- Sabine Simon: Schreiterer & Below. Ein Kölner Architekturbüro zwischen Historismus und Moderne. Verlag Mainz, Aachen 1999, ISBN 3-89653-475-0, S. 432–434 (zugleich Dissertation RWTH Aachen 1998) [noch nicht für diesen Artikel ausgewertet].
- Dietrich Höroldt, Waltraud Joch (Hrsg.): Evangelische Kirchen und Gemeinden der Kirchenkreise Bonn, Bad Godesberg, An Sieg und Rhein. Bonn 1996, ISBN 3-427-85041-2, S. 78–80.
- Kirchenführer Evangelische Kirchengemeinde Euskirchen. Selbstverlag.
Einzelnachweise
- ↑ Neubau mit viel Glas geplant – Offenheit architektonisch umgesetzt, Kölner Stadtanzeiger, 6. Mai 2003 (genios.de)
- ↑ Raum der Stille, Innenaufnahme in: Webseite der Gemeinde, abgerufen am 10. Februar 2023
- ↑ Grundstein für neues Gemeindezentrum gelegt, Kölnische Rundschau, 1. November 2004 (genios.de)
- ↑ Vor allem für die Kinder- und Jugendarbeit gebaut, Kölner Stadt-Anzeiger, 1. November 2004 (genios.de)
- ↑ Offene Kirche, Webseite der Gemeinde, abgerufen am 10. Februar 2023
- ↑ Von Bad Godesberg bis Zülpich: Evangelischer Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel, Webseite des Kirchenkreises, abgerufen am 10. Februar 2023
- ↑ Gerhard Reinhold: Otto Glocken - Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, S. 588, hier insbes. S. 526.
- ↑ Gerhard Reinhold: Kirchenglocken - christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Nijmegen/NL 2019, S. 556, hier insbes. S. 386, 488, urn:nbn:nl:ui:22-2066/204770 (Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen).
- ↑ Baudenkmale der Kölner Straße. In: Webseite der Stadt Euskirchen. Kreisstadt Euskirchen, Der Bürgermeister, abgerufen am 13. Dezember 2018.
- ↑ Euskirchen, Ev. Kirche – Organ index, die freie Orgeldatenbank. Abgerufen am 19. Oktober 2021.
Weblinks
- Homepage der Evangelischen Kirchengemeinde Euskirchen
- Christoph Kühn: Evangelische Kirche Euskirchen in der Kölner Straße, Historie 1590–1953, im Auftrag des LVR-Fachbereichs Umwelt, 2012, „KuLaDig“- Webseite
- Fabio Cecere: Die Evangelische Kirche in Euskirchen, Beschreibung und Fotos auf der Webseite der Stadt Euskirchen
Koordinaten: 50° 39′ 37,9″ N, 6° 47′ 39,13″ O