Ferroselit
Ferroselit-Kristalle und -aggregate aus El Quemado, Departamento General Lamadrid, La Rioja, Argentinien
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Fse

Chemische Formel FeSe2
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)

II/C.07
II/D.20-020

2.EB.10a
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m
Raumgruppe Pnnm (Nr. 58)Vorlage:Raumgruppe/58
Gitterparameter a = 4,80 Å; b = 5,78 Å; c = 3,58 Å
Formeleinheiten Z = 2
Zwillingsbildung stern- und kreuzförmig, lamellar
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 6 bis 6,5 (VHN = 858 bis 933, durchschnittlich 897 kg/mm2)
Dichte (g/cm3) gemessen: 7,20; berechnet: 7,139
Spaltbarkeit vollkommen
Bruch; Tenazität sehr spröde
Farbe stahlgrau bis zinnweiß mit einem rosa Stich, auch messing- oder bronzefarben
Strichfarbe schwarz
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz
Magnetismus wird durch Erhitzen magnetisch

Ferroselit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung FeSe2 und damit chemisch gesehen Eisendiselenid. Als enge Verwandte der Sulfide werden die Selenide in dieselbe Klasse eingeordnet.

Ferroselit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt dünne, prismatische Kristalle bis etwa einen Millimeter Länge sowie stern-, kreuzförmige und lamellare Zwillinge. Er findet sich aber auch in Form feinkörniger Massen. Das in jeder Form undurchsichtige (opake) Mineral ist meist von stahlgrauer bis zinnweißer Farbe mit rosafarbener Tönung. Bekannt sind auch messinggelbe Ferroselite. Mit der Zeit läuft das Mineral an der Luft dunkel an und wirkt dann eher bronzefarben. Die Strichfarbe ist allerdings immer schwarz. Frische Mineralproben zeigen auf den Oberflächen einen lebhaften Metallglanz.

Nicht verwechselt werden darf Ferroselit mit dem Eisensilikat Ferrosilit.

Etymologie und Geschichte

Die synthetisch hergestellte Verbindung FeSe2 ist seit 1938 bekannt. Davor ergaben Analysen des Zweistoffsystems Fe–Se von W. F. De Jong und H. W. V. Willems 1928 sowie Gunnar Hääg und Anna-Lisa Kindström 1933, dass darin keine stabile Phase mit der Zusammensetzung FeSe2 existiert, das heißt, die Verbindung ließ sich nicht durch einfaches zusammenschmelzen der Komponenten herstellen. Staffan Tengnér konnte schließlich nachweisen, dass Eisen und Selen in feinpulvriger Form vermischt und vier Monate lang auf eine Temperatur von 250 °C erhitzt, eine homogene FeSe2-Phase mit Markasit-Struktur bildeten.

Als natürliche Bildung wurde Eisendiselenid im autonomen Gebiet der Republik Tuwa (russisch Тувинской Автономной Области; englisch Tuvinsk Autonomous Territory) im russischen Föderatrionskreis Sibirien, genauer Südsibirien entdeckt. Die Analyse und Erstbeschreibung wurden von Je. S. Burjanowa, A. I. Komkow (russisch Е. З. Бурьянова, А. И. Комков) durchgeführt, die das Mineral nach dessen Zusammensetzung als Ferroselit bezeichneten. Die Publikation der Erstbeschreibung erfolgte 1955 im Zuge der Berichte der Akademie der Wissenschaften (russisch Доклады Академии наук Doklady Akademii Nauk) und wurde 1956 bei der Veröffentlichung der New Mineral Names im englischsprachigen Fachmagazin American Mineralogist bestätigt. Michael Fleischer versah die Kurzbeschreibung allerdings mit einem Diskussionshinweis, dass der Name unglücklich gewählt sei, da er leicht mit dem des Silikats Ferrosilit verwechselt werden könne.

Als genaue Typlokalität gilt die Lagerstätte Ust'-Uyuk (auch Ust' Uyuk) im Bezirk Turan mit Vanadium-Selen-Uran-Vererzungen in zementiertem Sandstein. Die Lagerstätte ist ebenfalls Typlokalität für das 1957 erstbeschriebene Mineral Cadmoselit.

Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogisches Museum, benannt nach A. J. Fersman (englisch Fersman Mineralogical Museum, Abkürzung FMM) in Moskau unter der Katalog-Nummer 69853 und im Bergbaumuseum der Staatliche Bergbau-Universität (englisch Mining Museum, Abkürzung MM) von Sankt Petersburg unter der Katalog-Nummer 46-2/1 aufbewahrt.

Da der Ferroselit bereits vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) 1958 bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Ferroselit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral. Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Ferroselit lautet „Fse“.

Klassifikation

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Ferroselit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit M : S < 1 : 1“, wo er zusammen mit Frohbergit, Hastit (diskreditiert 2009), Kullerudit und Markasit die „Markasit-Reihe“ mit der System-Nr. II/C.07 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/D.20-020. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : S,Se,Te < 1 : 1“, wo Ferroselit zusammen mit Anduoit, Frohbergit, Iridarsenit, Kullerudit, Markasit, Mattagamit, Omeiit und Petříčekit die „Markasitgruppe“ mit der System-Nr. II/D.20 bildet.

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Ferroselit dagegen in die Abteilung der „Metallsulfide mit M : S  1 : 2“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach dem genauen Stoffmengenverhältnis und den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : S = 1 : 2, mit Fe, Co, Ni, PGE usw.“ zu finden ist, wo es zusammen mit Frohbergit, Kullerudit, Markasit und Mattagamit die „Markasitgruppe“ mit der System-Nr. 2.EB.10a bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Ferroselit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Anduoit, Frohbergit, Hastit, Kullerudit, Löllingit, Markasit, Mattagamit, Nisbit, Omeiit, Rammelsbergit, Safflorit und Seinäjokit in der „Markasitgruppe (Orthorhombisch: Pnnm)“ mit der System-Nr. 02.12.02 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 1 : 2“ zu finden.

Chemismus

In der idealen (synthetisch hergestellten) Zusammensetzung von Ferroselit (FeSe2) besteht das Mineral aus Eisen (Fe) und Selen (Se) im Stoffmengenverhältnis von 1 : 2. Dies entspricht einem Massenanteil (Gewichtsprozent) von 26,12 Gew.-% Fe und 73,88 Gew.-% Se.

Die Analyse des Typmaterials aus der Lagerstätte Ust'-Uyuk ergab dagegen eine leicht abweichende Zusammensetzung von 27,87 Gew.-% Fe und 72,13 Gew.-% Se. Eine weitere analysierte Probe aus dem Steinbruch „Trogtal“ im Landkreis Goslar (Harz) in Niedersachsen lag mit 26,4 Gew.-% Fe und 74,0 Gew.-% Se ebenfalls nah an der Idealzusammensetzung, enthielt allerdings zusätzlich geringe Fremdbeimengungen von 0,1 Gew.-% Cobalt (Co) und 0,2 Gew.-% Kupfer (Cu).

Kristallstruktur

Ferroselit kristallisiert in der orthorhombischen Raumgruppe Pnnm (Raumgruppen-Nr. 58)Vorlage:Raumgruppe/58 mit den Gitterparametern a = 4,80 Å; b = 5,78 Å und c = 3,58 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Die Kristallstruktur besteht aus Ketten von FeSe2-Oktaedern parallel der c-Achse [001], die über gemeinsam genutzte Kanten untereinander sowie durch gemeinsam genutzte S2-Dimere miteinander verbunden sind. Die S-S-Bindungen liegen alle parallel der Flächen (001), das heißt senkrecht zur c-Achse.

Kristallstruktur von Ferroselit
Farblegende: _ Fe _ Se

Modifikationen und Varietäten

Die Verbindung FeSe2 ist dimorph und kommt in der Natur neben dem orthorhombisch kristallisierenden Ferroselit noch als kubisch kristallisierender Dzharkenit vor.

Bildung und Fundorte

Ferroselit bildet sich in zementierten Sandsteinen, Rotsandsteinen („Red Bed“) und Peliten, wo er oft vergesellschaftet mit anderen Sulfiden und Seleniden wie unter anderem Bornit, Chalkopyrit, Markasit, Pyrit und Sphalerit; Cadmoselit, Clausthalit und Cobaltomenit sowie gediegen Selen, Baryt (Bariumsulfat), Laumontit (Calcium-Alumosilikat) und Uraninit (Uranoxid).

Als seltene Mineralbildung konnte Ferroselit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 60 Vorkommen dokumentiert sind (Stand 2023). Außer an seiner Typlokalität in der Lagerstätte Ust'-Uyuk in der Republik Tuwa trat das Mineral in der Russischen Föderation bisher nur noch in der ebenfalls in Sibirien liegenden Uran-Lagerstätte Malinovskoye (russisch Малиновское) in der Oblast Kemerowo auf.

In Deutschland konnte das Mineral bisher nur in der Fluorit-Grube Marienschacht bei Wölsendorf im bayerischen Landkreis Schwandorf (Oberpfalz), in den Gruben Roter Bär und Wennsglückt im Bergbaurevier Sankt Andreasberg sowie im Trogtal bei Lautenthal in Niedersachsen, in einem Grauwacke-Steinbruch bei Rieder (Ballenstedt) und im „Eine-Stollen“ bei Tilkerode in Sachsen-Anhalt sowie in der Uranerz-Ganglagerstätte Schlema-Alberoda und im Steinbruch Pansberg bei Horscha in Sachsen gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Brasilien, China, Finnland, Indien, Kasachstan, Tschechien und Teilen der Vereinigten Staaten (Colorado, New Mexico, Utah, Wyoming).

Siehe auch

Literatur

  • Staffan Tengnér: Über diselenide und ditelluride von eisen, kobalt und nickel. In: Zeitschrift für Anorganische und Allgemeine Chemie. Band 239, 1938, S. 126–132 (rruff.info [PDF; 447 kB; abgerufen am 18. August 2023]).
  • Е. З. Бурьянова, А. И. Комков: Новый Минерал – Ферроселит. In: Доклады Академии наук. Band 105, Nr. 4, 1955, S. 812–813 (russisch, rruff.info [PDF; 664 kB; abgerufen am 8. September 2023] englische Übersetzung: E. Z. Buryanova, A. I. Komkov: A new mineral – ferroselite. In: Doklady Akademii Nauk.).
  • Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 41, 1956, S. 671–674 (englisch, rruff.info [PDF; 275 kB; abgerufen am 8. September 2023]).
  • Arne Kjekshus, Trond Rakke, Arne F. Andresen: Compounds of the marcasite type crystal structure. IX. Structural data for FeAs2, FeSe2, NiAs2, NiSb2, and CuSe2. In: Acta Chemica Scandinavica. A28, 1974, S. 996–1000, doi:10.3891/acta.chem.scand.28a-0996 (englisch, actachemscand.org [PDF; 568 kB; abgerufen am 8. September 2023]).
  • J. Pickardt, B. Reuter, E. Riedel, J. Söchtig: On the formation of FeSe2 single crystals by chemical transport reactions. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 15, Nr. 4, 1975, S. 366–368, doi:10.1016/0022-4596(75)90293-5 (englisch).
Commons: Ferroselite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. 1 2 Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 16. August 2023]).
  2. 1 2 3 Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 106 (englisch).
  3. 1 2 Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, September 2023, abgerufen am 9. September 2023 (englisch).
  4. 1 2 3 4 Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. 1 2 3 4 Arne Kjekshus, Trond Rakke, Arne F. Andresen: Compounds of the marcasite type crystal structure. IX. Structural data for FeAs2, FeSe2, NiAs2, NiSb2, and CuSe2. In: Acta Chemica Scandinavica. A28, 1974, S. 996–1000, doi:10.3891/acta.chem.scand.28a-0996 (englisch, actachemscand.org [PDF; 568 kB; abgerufen am 8. September 2023]).
  6. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Ferroselite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 50 kB; abgerufen am 16. August 2023]).
  7. W. F. De Jong, H. W. V. Willems: Die Verbindungen FeSe2, CoSe2 und NiSe2. In: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie. Band 170, Nr. 1, 1928, S. 241–245, doi:10.1002/zaac.19281700132.
  8. Gunnar Hääg, Anna-Lisa Kindström: Röntgenuntersuchung am System Eisen—Selen. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie. 22B, Nr. 1, 1933, S. 453–464, doi:10.1515/zpch-1933-2240.
  9. Staffan Tengnér: Über Diselenide und Ditelluride von Eisen, Kobalt und Nickel. In: Zeitschrift für Anorganische und Allgemeine Chemie. Band 239, 1938, S. 127 (rruff.info [PDF; 447 kB; abgerufen am 8. September 2023]).
  10. Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 41, 1956, S. 671–674 (englisch, rruff.info [PDF; 275 kB; abgerufen am 8. September 2023]).
  11. Typlokalität Ust'-Uyuk bzw. Ust' Uyuk beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 8. September 2023.
  12. Catalogue of Type Mineral Specimens – F. (PDF 633 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 18. August 2023.
  13. Catalogue of Type Mineral Specimens – Depositories. (PDF; 311 kB) Commission on Museums (IMA), 18. Dezember 2010, abgerufen am 16. August 2023.
  14. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 16. August 2023 (englisch).
  15. Ferroselit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 16. August 2023.
  16. Ferroselite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 18. August 2023 (englisch).
  17. Fundortliste für Ferroselit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 18. August 2023.
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