Frauen in der Philosophie beschreibt das Wirken von Philosophinnen als Wissenschaftlerinnen in Geschichte und Gegenwart. Während Frauen viele Jahrhunderte lang gar nicht oder nur als marginale Randerscheinung eines traditionell männlich dominierten Wissenschaftsfeldes wahrgenommen wurden, erhalten sie seit mehreren Jahrzehnten wachsende Aufmerksamkeit. Die Sozial- und Geschichtswissenschaften haben die Rolle und das Wirken von Frauen in der Wissenschaft untersucht und Hindernisse für Philosophinnen analysiert, die sich ihnen in der Vergangenheit bei einem beruflichen Einstieg stellten und heute in anderer Form stellen.

Geschichte der Philosophinnen

Die im christlichen Abendland über Jahrhunderte gepflegte Annahme, Männern komme der Geist zu und Frauen die Sinnlichkeit, hinderte daran, als Philosophin bekannt und erfolgreich zu werden. Ebenso stellten Beschränkungen beim Zugang zu höherer Bildung und Berufsverbote hohe Hürden für philosophierende Frauen dar. Der französische Philosoph Jacques Derrida bemerkte: „Die Geschichte der Philosophie ist phallozentrisch.“

Tatsächlich hat es in der Geschichte der Philosophie stets bedeutende Frauen gegeben, wenngleich gesellschaftliche Einschränkungen den Zugang zur philosophischen Öffentlichkeit lange verwehrten. Dies betraf, nicht nur in der Antike, sondern auch in Mittelalter und Neuzeit, teils auch den Zugang zu höherer Bildung, fast durchgehend aber die öffentliche Präsentation von Forschungsergebnissen, das Lehren und Lernen an Fachinstituten wie Philosophenschulen oder Universitäten. Dies änderte sich in Europa erst seit dem 19. Jahrhundert nach und nach.

In Deutschland konnte zum ersten Mal 1901 eine Frau als Philosophin promovieren. Helene Stöcker durfte dabei aktiv studieren, nicht nur als Gasthörerin, wie es sonst Frauen gestattet war. Da es aber keine Möglichkeit für sie gab, bei einem Philosophieprofessor zu promovieren, musste sie sich auf ein kulturästhetisches Thema einlassen, das ihr vorgegeben wurde.

Beruf Philosophin

In der Vergangenheit waren Frauen in der Philosophie stets unterrepräsentiert. Jüngere Statistiken ergeben einen Anteil der Philosophinnen von ca. 10–20 % in Lehre (Anteil an Universitätsdozenturen) und Forschung (Anteil an Publikationen in Fachorganen), in Ausnahmefällen auch mehr als 30 %. Der Anteil von Frauen unter den Promovierten in Philosophie an US-amerikanischen Fakultäten lag 2009 bei 29,6 %.

Im Juni 2013 wertete der Soziologe und Ethiker Kieran Healy Artikel in vier der wichtigsten Zeitschriften analytischer Philosophie aus, die in den Jahren 1993–2013 erschienen waren, und wies auf die signifikante Unterrepräsentierung von Philosophinnen hin. Daraufhin schrieben die Herausgeber der Stanford Encyclopedia of Philosophy alle Herausgeber/-innen an mit der Bitte, sicherzustellen, dass die Artikeleinträge nicht die Arbeiten „von Frauen oder allgemeiner von Mitgliedern unterrepräsentierter Gruppen“ vernachlässigen.

Dies ist eine Entwicklung, die u. a. Hannah Arendt 1964 mit der Bemerkung vorwegnahm: „Das braucht ja nicht eine männliche Beschäftigung zu bleiben!“

Philosophinnen in Sachbüchern und Belletristik

Die Sachbuchautorin Marit Rullmann versucht in ihren 1993/1995 erschienenen Porträts berühmter Denkerinnen zu zeigen, dass zahlreiche Impulse für die Philosophiegeschichte durch Frauen gegeben wurden. Ähnliche Bücher gibt es inzwischen in größerer Zahl. Wie einige andere feministische Autorinnen meint Rullmann, dass ein gravierender Unterschied in der Philosophie von Männern und Frauen darin bestehe, dass Philosophinnen bislang stets expliziter ihre Geschlechtszugehörigkeit mit berücksichtigten. Dies spiegele sich in der Regel in ihrer Philosophie wider. Männern sei ein allgemeiner Androzentrismus zur eher unreflektierten Gewohnheit geworden.

Auch Annegret Stopczyk-Pfundstein hat in einer Zitatesammlung zu belegen versucht, dass die meisten der dort zitierten männlichen Philosophen der Überzeugung anhingen, das männliche Geschlecht sei in besonderer Weise zum abstrakten Denken prädestiniert.

Im Roman Die Philosophin schildert Peter Prange die Geschichte der im 18. Jahrhundert lebenden Philosophin Sophie Volland, die jedoch nicht als Philosophin, sondern lediglich als Geliebte des Philosophen Diderot bekannt wurde.

Bekannte Philosophinnen

Siehe auch

Literatur

Fachliteratur

  • Halina Bendkowski, Brigitte Weisshaupt (Hrsg.): Was Philosophinnen denken. Eine Dokumentation. Ammann Verlag, Zürich 1983, ISBN 3-250-10012-9.
  • Penelope Deutscher: Yielding Gender. Feminism, Deconstruction and the History of Philosophy. Routledge, London / New York 1997
  • L. Gardiner: Can This Discipline Be Saved? Feminist Theory Challenges Mainstream Philosophy. Wellesley College Center for Research on Women, Wellesley MA 1983
  • Sally Haslanger: Changing the Ideology and Culture of Philosophy: Not by Reason (Alone) (PDF; 277 kB), ersch. vorauss. in: Hypatia 2008. Vgl. den Kommentar von Brian Weatherson (tar.weatherson.org).
  • M. Henry: Prisoner of History. Oxford University Press, New York 1995
  • Friedrich Wilhelm Korff: Der Philosoph und die Frau: zur Geschichte einer Mesalliance. Reclam, Leipzig 2000, ISBN 3-379-01691-8 (RUB 1691)
  • G. Menage: The History of Women Philosophers. University Press of America, Lanham MD 1984
  • Sandra Harding, Merrill Hintikka (Hrsg.): Discovering Reality: Feminist Perspectives on Epistemology, Metaphysics, Methodology and Philosophy of Science. 1983
  • Janet A. Kourany (Hrsg.): Philosophy in a Feminist Voice: Critiques and Reconstructions. Princeton 1998
  • Rosemary Tong, Nancy Tuana (Hrsg.): Feminism and Philosophy. Westview Press, 1995, ISBN 0-8133-2213-8
  • Mary Mahowald (Hrsg.): Philosophy of Woman
  • Reiner Wimmer: Vier jüdische Philosophinnen. Rosa Luxemburg, Simone Weil, Edith Stein, Hannah Arendt. Attempto Verlag, Tübingen 1990, ISBN 3-89308-105-4.

Nachschlagewerke

  • Ethel M. Kersey: Women Philosophers. A Bio-Critical Source Book. New York 1989, ISBN 0-313-25720-5
  • Ursula I. Meyer (Hrsg.): Die Welt der Philosophin. Ein-Fach-Verlag, Aachen:
  1. Antike und Mittelalter. 1995, ISBN 3-928089-09-9.
  2. Renaissance und frühe Neuzeit. 1996, ISBN 3-928089-13-7.
  3. Aufklärung und revolutionärer Aufbruch. 1997, ISBN 3-928089-18-8.
  4. Moderne Zeiten. Das 20. Jahrhundert. 1997, ISBN 3-928089-21-8.
  • Ursula I. Meyer, Heidemarie Bennent-Vahle (Hrsg.): Philosophinnen-Lexikon. Reclam, Leipzig 1997, ISBN 3-379-01584-9.
  • Regine Munz (Hrsg.): Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. WBG, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-16494-6.
  • Marit Rullmann (Hrsg.): Philosophinnen, Edition Ebersbach im eFeF, Zürich / Dortmund:
  1. Von der Antike bis zur Aufklärung. 1993, ISBN 3-905493-44-6.
  2. Von der Romantik bis zur Moderne. 1995, ISBN 3-905493-74-8.
  • Mary Ellen Waithe (Hrsg.): A History of Women Philosophers
Volume I: Ancient Women Philosophers, 600 B.C.-500 A.D. ISBN 90-247-3368-5
Volume II: Medieval, Renaissance and Enlightenment Women Philosophers, 500-1600. ISBN 90-247-3572-6
Volume III: Modern Women Philosophers, 1600–1900. 1991, ISBN 0-7923-0930-8

Zeitschriften

Einzelnachweise

  1. Haslanger 2008 und Berit Brogaard: Notizen zum APA Report vom April 2007 und Richard Zach: Women in (Philosophical) Logic und Brian Weathersons Notizen und die Diskussion mit Brian Leiter
  2. Doctorate Recipients from U.S. Universities, Arlington VA 2009, l (NSF 11-306), Dez. 2010, TABLE 15. Doctorate recipients, by sex and subfield of study: 2009 (Memento des Originals vom 15. Januar 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. Vgl. die grafische Aufbereitung von Kieran Healey: Philosophy in Disciplinary Perspective: Percentage of U.S. Ph.Ds awarded to Women in 2009 (PDF; 21 kB), Duke University, Durham NC 2011; kommentiert u. a. von Catarina Dutilh Novaes: The low percentage of women earning PhDs in philosophy, Amsterdam 6. Mai 2011.
  3. Kieran Healy in der englischsprachigen Wikipedia
  4. Vgl. Lewis and the Women.
  5. Vgl. z. B. whatweredoingaboutwhatitslike.wordpress.com.
  6. in einem Interview mit Günter Gaus 1964 rbb-online.de
  7. Muse, Mutter, Megäre Was Philosophen über Frauen denken
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