Gallus Oehem — auch Öhem oder Oheim — (* um 1445 in Radolfzell; † 12. September 1521 in Konstanz) war ein Geistlicher und Chronist des Klosters Reichenau.

Leben

Sein Vater war kaiserlicher Notar und Verwalter des Klosters Reichenau. Gallus wurde als unehelicher Sohn geboren und 1464 legitimiert. Nachdem er die Lateinschule in Ulm besucht hatte, studierte er von 1461 bis 1463 an der Universität Freiburg und von 1468 bis 1469 an der Universität Basel. Danach war er Hilfspriester in Innsbruck, 1473 Kaplan in Singen, 1480 in Radolfzell und nach 1492 im Kloster Reichenau. 1505 erhielt er eine Altar-Pfründe am Konstanzer Münster.

Ermutigt durch Abt Martin von Weißenburg verfasste er, wohl nach dem Vorbild und Zeitgenossen Albrecht von Bonstetten, die Chronik des Klosters Reichenau bis zum Jahr 1453. Die Chronik besteht aus einer Abtsliste und den Lebensbeschreibungen der Äbte sowie einer Wappensammlung mit 503 Wappenabbildungen und ist heute eine der wichtigen Quellen zur Geschichte des Klosters Reichenau. Von der Handschrift wurden mehrere Abschriften angefertigt. Die farbig illustrierte Handschrift der Universitätsbibliothek Freiburg (Freiburg, UB, Hs. 15) fertigte er als Reinschrift an.

Wahrscheinlich ist er auch der Autor einer Konstanzer Bischofschronik Stiftsarchiv St. Gallen, Signatur Cod. 339, die Jakob Mennel für seine Bistumschronik verwendete. Die Zuschreibung der sogenannten Reichenauer Reichschronik, überliefert in der Österreichischen Nationalbibliothek, Signatur Cod. 2927, kann als gesichert gelten.

Werke und deren Editionen

  • Karl August Barack (Herausgeber): Gallus Oheims Chronik von Reichenau, Stuttgart, 1866 Digitalisat
  • Karl Brandi (Bearbeiter): Die Chronik des Gallus Öhem, 1893 Digitalisat
  • Harald Drös: Das Wappenbuch des Gallus Öhem: neu herausgegeben nach der Handschrift 15 der Universitätsbibliothek Freiburg / Mit einem Geleitwort von Walter Berschin, Sigmaringen: Thorbecke 1994 ISBN 3-7995-0405-2

Literatur

  • Markus Müller: Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung, 1998, (S. 51 ff.)
  • Peter Paul Albert: Zur Lebens- und Familiengeschichte des Gallus Oheim. In: Alemannia (Freiburg i. Br.), 25, 1898, S. 258–262 im Internet Archive
  • Peter Paul Albert: Zur Lebensgeschichte des Reichenauer Chronisten Gallus Oheim. In: Freiburger Diözesan-Archiv, 34, 1906, S. 259–265 im Internet Archive
  • Wilhelm Martens: Eine neuentdeckte Chronik des Bistums Konstanz. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Band 52 (1898), S. 23–53 im Internet Archive
  • Felix Heinzer: Die Reichenauer Inkunabeln der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe. Ein unbekanntes Kapitel Reichenauer Bibliotheksgeschichte. In: Bibliothek und Wissenschaft, Band 22 (1988), S. 1–127 (Digitalisat)
  • Chronik der Reichenau, Freiburger Handschrift, koloriert, Reichenau, 1505–1508 Digitalisat

Einzelnachweise

  1. Albert 1898, S. 259–260 sieht Oheim als die allein korrekte Form und Ohem als Dialektaussprache; die Kataloge der Universitätsbibliotheken haben sich auch für Oheim entschieden
  2. die bisherige Annahme (1522 in Freiburg im Breisgau) wurde aufgrund der Ausführungen bei Klaus Graf: Das Todesjahr des Chronisten Gallus Öhem (1521 statt 1522); 2. November 2016; abgerufen am 2. Oktober 2017 abgeändert.
  3. Veronika Feller-Vest: Gallus Öhem. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 20. August 2009, abgerufen am 8. Juni 2019.
  4. Chronik des Bistums Konstanz. Eintrag in: Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters
  5. Eintrag auf Handschriftencensus – Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters; abgerufen am 3. Oktober 2017
  6. Chronicon imperii germanici dialecto alamannica conscriptum Katalogeintrag der Österreichischen Nationalbibliothek
  7. Klaus Graf: Aspekte zum Regionalismus in Schwaben und am Oberrhein im Spätmittelalter. 1988, S. 176, urn:nbn:de:bsz:25-opus-53679 (uni-freiburg.de [PDF; 9,9 MB]).
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