Gisèle van Waterschoot van der Gracht, nach ihrer Heirat Gisèle d’Ailly van Waterschoot van der Gracht (* 11. September 1912 in Den Haag; † 28. Mai 2013 in Amsterdam), war eine niederländische Künstlerin.

Leben

Gisèle van Waterschoot van der Gracht war die Tochter des niederländischen Geologen und Juristen Willem van Waterschoot van der Gracht und der Österreicherin Josephine Freiin von Hammer-Purgstall (1881–1955). Die Familie ging 1915 in die USA, wo sie bis 1931 blieb. Nach der Rückkehr wohnte die Familie zunächst in Österreich auf einem Landgut und dann im Kasteel des niederländischen Wijlre in der Provinz Limburg. In Paris studierte Gisèle van Waterschoot van der Gracht die beiden Techniken Kupferstich und Radierung. Von 1936 bis Ende 1939 arbeitete sie beim Glasmaler Joep Nicholas in Roermond.

Mit ihrer Familie wechselte Gisèle van Waterschoot van der Gracht 1940 nach Bergen. Hier lernte sie 1941 im Haus des Dichters und Schriftstellers Adriaan Roland Holst die beiden deutschen Immigranten Wolfgang Cordan und Wolfgang Frommel kennen. Im selben Jahr bezog sie in Amsterdam an der Herengracht 401 eine Wohnung. Ein Jahr später zogen Frommel und Friedrich W. Buri dort ein. Gemeinsam versteckten sie eine Gruppe meist jüdischer Jugendlicher deutscher und niederländischer Nationalität. Der Beitrag Gisèle van Waterschoot van der Gracht zum Überleben der versteckten Menschen während der deutschen Besatzungs- und Verfolgungszeit war aktiv und essentiell. 1942 kam es zu ihrer Bekanntschaft mit Max Beckmann, zu dem sie auch nach dessen Emigration in die USA den Kontakt aufrechterhalten konnte.

Aus der Gruppe der Überlebenden entstand 1951 der deutschsprachige Verlag Castrum Peregrini. Seit 1957 war Gisèle van Waterschoot van der Gracht Schirmherrin der Stiftung Castrum Peregrini mit dem gemeinsamen Geschäftssitz in der Herengracht 401, die sie 1958 kaufte.

1959 heirateten Gisèle van Waterschoot van der Gracht und Arnold Jan d’Ailly (1902–1967), ehemaliger Bürgermeister von Amsterdam. Durch die Heirat lautete ihr vollständiger Name: Gisèle d’Ailly van Waterschoot van der Gracht. Das Ehepaar renovierte das ehemalige Kloster Agios Ioannis auf der griechischen Insel Paros. Nach dem Tod ihres Mannes zog sich die Witwe jedes Jahr hierhin zurück. 1982 gab sie das Quartier schließlich auf und lebte seitdem in Amsterdam.

Ehrung

In der Gedenkstätte Yad Vashem ist seit dem Jahr 1998 ihr Name im Garten der Gerechten unter den Völkern verzeichnet. In dem Garten werden seit 1996 für nichtjüdische Retter deren Namen eingeschrieben. Hier finden auch die Verleihungszeremonien des Ehrentitels für diese Personen statt.

Quelle

Literatur

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Claus Victor Bock: Untergetaucht unter Freunden. Ein Bericht. Amsterdam 1942–1945. Castrum-Peregrini-Presse, Amsterdam 1985 und weitere Auflagen, ISBN 90-6034-053-1.
  • Gisèle und ihre Freunde. Porträts der Malerin Gisèle d'Ailly van Waterschoot van der Gracht im Wechsel mit ihr gewidmeten Gedichten. Castrum-Peregrini-Presse, Amsterdam 2000.
  • Friedrich W. Buri: Ich gab dir die Fackel im Sprunge. W. F. ein Erinnerungsbericht. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Stephan C. Bischoff. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2009, ISBN 978-3-86650-068-6.
  • Manuel Goldschmidt, Claus Victor Bock: „... überhaupt fehlst Du mir sehr“. Die Freundschaft zweier junger Exilanten. Der Briefwechsel von Manuel Goldschmidt und Claus Victor Bock (1945–1951). Hrsg.: Leo van Santen. Quintus Verlag, 2017.
  • Annette Jacoba Mooij: De eeuw van Gisèle. Mythe en werkelijkheid van een kunstenares. De Bezige Bij, Amsterdam 2018, ISBN 978-94-0311850-5.
    • deutsche Ausgabe, unter dem Namen Annet Mooij: Das Jahrhundert der Gisèle. Mythos und Wirklichkeit einer Künstlerin. Wallstein, Göttingen 2021, ISBN 978-3-8353-3957-6.

Einzelnachweise

  1. Ausführlich beschrieben ist diese Zeit des Lebens und Überlebens in der Herengracht 401 bei Friedrich W. Buri und Claus Victor Bock.
  2. Gisèle van Waterschoot van der Gracht auf der Website von Yad Vashem (englisch)
  3. Wolfgang Matz: Eine Frau im Männerbund. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Februar 2021.
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