Gold, Weihrauch und Myrrhe sind als wertvolle Gaben, die die Weisen aus dem Morgenland Jesus Christus darbringen, ein Einzelmotiv aus dem Sondergut des Matthäusevangeliums (Mt 2,11 ). Sie haben die Phantasie der Ausleger in besonderem Maße beschäftigt.

Exegese

Die Magier brechen in der Erzählung des Matthäusevangeliums auf, um einen König zu verehren. Am Ziel angekommen, öffnen sie ihre Schatzkästen. Einen König ohne Geschenke zu besuchen, wäre für den antiken Leser gleichbedeutend mit einem Affront. Es sind jedenfalls drei überaus kostbare Geschenke, „Königsgaben“. Die Importartikel Weihrauch und Myrrhe wurden im Kultus, aber z. B. auch für Kosmetika oder Heilmittel verwendet. Antiochos VII. Sidetes veranstaltete luxuriöse Gastmähler, bei denen die Speisen (Fleisch, Fisch und Honigkuchen) mit Kränzen aus Weihrauch und Myrrhe sowie goldenen Bändern geschmückt waren. Ein hypothetischer Erstleser würde die königliche Konnotation der Szene und der Geschenke also deutlich wahrnehmen.

Matthäus verweist am Anfang seines Evangeliums sehr oft auf das Alte Testament, vielleicht auch hier. Da aber die Trias Gold, Weihrauch und Myrrhe so nirgendwo im Alten Testament vorkommt, ist nicht eindeutig, welche Stelle er meint. Möglich ist eine Anspielung auf Jes 60,6  oder Hld 3,6 . Jes 60,6 und damit die Völkerwallfahrt zum Zion klingt als intertextuelle Referenz in Mt 2,11 mit, ist aber messianisch umgeformt, denn die Magier wollen einen König verehren, und ihre Reise findet nicht in Jerusalem, sondern in Bethlehem ihr Ziel. Jerusalem ist im ganzen Matthäusevangelium negativ konnotiert. „Das Hinzukommen der Völker ist nicht mehr als ein Kommen nach Jerusalem denkbar, sondern als ein Kommen zum Messias, zum Immanuel, transformiert.“

Später wird die Jesaja-Stelle bei der Ausgestaltung der Legende von den Heiligen Drei Königen herangezogen. Aus der Dreizahl der Gaben wird dann auch die Dreizahl der Überbringer gefolgert.

Rezeptionsgeschichte

Christologische Deutung

Dieser Auslegungstyp ist der älteste. Schon Irenäus von Lyon und Origenes sahen die Myrrhe als einen Hinweis auf den Tod Jesu und zogen eine Verbindung zu Mk 15,23  und Joh 19,39 . Die altkirchliche Exegese deutet das Detail der drei Gaben vom Zentrum der neutestamentlichen Botschaft her: „Gold kommt Jesus als König, Weihrauch als Gott, Myrrhe als Mensch zu.“ Prägnant formulierte Juvencus diesen Gedanken als Hexameter: „Thus aurum murram regique hominique Deoque / dona ferunt.“ Christologisch betrachtet, passen die drei Begriffe König, Gott und Mensch allerdings nicht recht zusammen. Denn die Begriffe Gott und Mensch beziehen sich auf die Natur Christi (Zweinaturenlehre), König dagegen ist ein Amt. Die drei Ämter Christi sind klassischerweise König, Priester und Prophet.

Die Deutung der drei Gaben in der Nachfolge von Irenäus und Origenes ging in die Liturgie des Epiphaniasfestes (Dreikönigstag, 6. Januar) ein:

„Regem deumque annuntiant / thesaurus et fragrans odor / turis Sabaei, at myrrheus / pulvis sepulcrum praedocet. (Den König und Gott verkünden, / der Schatz und der duftende Geruch / des Weihrauchs von Saba, die Myrrhe aber, / die Körner, sagt das Grab voraus.)“

Hymnus Magi videntes parvulum

„Ab oriente venerunt magi in betlehem adorare dominum et apertis thesauris suis preciosa munera obtulerunt aurum sicut regi magno thus sicut deo uero mirram sepulture eius. (Vom Osten kamen Magier nach Bethlehem, anzubeten den Herrn, und taten ihre Schätze auf und brachten kostbare Gaben dar: Gold dem großen König, Weihrauch dem wahren Gott, Myrrhe für sein Begräbnis).“

Antiphon, Nonnenbrevier aus dem Stift Admont, fol. 112v.

Sie klingt auch in modernen Kirchenliedern an, z. B. in Die Weisen aus dem Morgenland (Maria Luise Thurmair 1952): „Gold, Weihrauch, Myrrhe brachten sie / dem Kind zum Opfer dar, / das da, so arm im Stall beim Vieh, / ihr Gott und König war.“

Etwas anders deutet die „Syrische Schatzhöhle“ (6. Jahrhundert): Christus ist König (= Gold), Priester (= Weihrauch) und Arzt (= Myrrhe). Die beiden christologischen Deutungen konnten kombiniert werden, wie Marco Polo aus Persien überlieferte. Dort, so heißt es in Il Milione, gebe es eine Ortschaft Cala Ataperistan, wo man die Tradition habe, es seien einst drei Könige aus jener Gegend aufgebrochen, um einen neugeborenen Propheten anzubeten – und zu testen. Wenn er nach dem Gold greife, sei er ein weltlicher Herrscher. Greife er nach dem Weihrauch, sei er ein Gott. Greife er nach der Myrrhe, sei er ein Arzt.

Moralische Deutung

Seit dem Frühmittelalter wurden die drei Gaben zusätzlich zu der relativ feststehenden dogmatischen Deutung auch in der Paränese verwendet, was größere Spielräume eröffnete. Sie stehen dann für das, was der Christ Gott schenken soll:

Gold Weihrauch Myrrhe
Opus imperfectum in Matthaeum Glaube Gebet gute Werke
Euthymios Zigabenos reine Werke Gebet Tötung der Leidenschaften
Gregor der Große Weisheit Gebet Ertötung des Fleisches (mortificatio carnis)
Martin Luther Hoffnung Glaube Liebe: Bekenntnis zum Leiden und Sterben Christi
Johann Arndt Glaube Andacht, Gebet Buße; Kreuz und Leiden

Die kostbaren materiellen Geschenke der Weisen aus dem Morgenland wurden zu geistigen Gaben, die jeder Mensch dem Jesuskind schenken konnte. Auch hier führt die Spur weiter in die Kirchenmusik, z. B. zu der Kantate Sie werden aus Saba alle kommen (BWV 65):

„Des Glaubens Gold, der Weihrauch des Gebets, / Die Myrrhen der Geduld sind meine Gaben, / Die sollst du, Jesu, für und für / Zum Eigentum und zum Geschenke haben.“

Weitere Deutungen

Seit dem Hochmittelalter gibt es einen dritten Deutungstyp, der die Nützlichkeit der Gaben herausstellt: Gold – denn Maria und Josef waren arm; Weihrauch – um den Gestank im Stall zu überdecken; Myrrhe – für die Gesundheit des Säuglings. Johann Albrecht Bengel sah in den Geschenken vorrangig Erzeugnisse aus dem Herkunftsland der Sterndeuter. „Diese Erstlingsgaben sollten darthun, daß einst Alles Christi sein werde, auch das Mineral-, das Pflanzenreich.“

Christusreliquien

Die Ehrwürdigen Gaben der drei Sterndeuter werden in dem Athos-Kloster Agiou Pavlou verehrt. Es handelt sich dabei um 28 goldene Anhänger (drei- oder viereckige, 5 bis 7 cm große Plättchen, die mit filigranen Ornamenten verziert sind) und daran befestigte, auf Silberfäden aufgezogene olivengroße Perlen aus Weihrauch und Myrrhe, insgesamt 70. Der Überlieferung nach übergab Maria diese Schätze vor dem Tod zwei rechtschaffenen Frauen. Sie seien danach zunächst in Jerusalem verwahrt worden, von dort in die Sophienkirche in Konstantinopel gelangt; nach dem Fall Konstantinopels seien sie durch Mara Branković dem Konvent des Athos-Klosters übergeben worden, wo sie sich seitdem befinden. Die Athosmönche sind der Meinung, dass die Reliquien heilende Kräfte hätten und auf diese Weise die Ankunft Jesu Christi in der Welt bezeugten.

Außerhalb Griechenlands wurden die Reliquien nach dem 15. Jahrhundert erst einmal gezeigt: im Januar 2014 in Moskau, Sankt Petersburg, Kiew und Minsk, unter großer Beteiligung der orthodoxen Bevölkerung.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vgl. 1 Sam 10,27 ; 1 Kön 5,14  lautet in der Fassung der Septuaginta: „Und alle Völker kamen, um die Weisheit Salomos zu hören, und sie brachten Geschenke von allen Königen der Erde, die seine Weisheit hörten.“ (Wolfgang Kraus, Martin Karrer Hrsg.: Septuaginta Deutsch, Stuttgart 2009, S. 393)
  2. Eduard Schweizer: Das Evangelium nach Matthäus, Göttingen 1976, S. 18.
  3. Moisés Mayordomo-Marín: Den Anfang hören: leserorientierte Evangelienexegese am Beispiel von Matthäus 1-2, Göttingen 1998, S. 303.
  4. 1 2 3 Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1–7), Neukirchen-Vluyn, 4. Auflage 1997, 121.
  5. Matthias Konradt: Das Evangelium nach Matthäus, Göttingen 2015, S. 42.
  6. Contra Haereses III,9,2: Die Magier „haben durch die Darbringung ihrer Geschenke angezeigt, wer der war, den sie anbeteten: durch die Myrrhe, daß er es war, der für das sterbliche Geschlecht der Menschen sterben und begraben werden wollte; durch das Gold, daß er der König war, dessen Reich kein Ende hat; durch den Weihrauch, daß er der in Judäa bekannt gewordene Gott ist, der sich denen offenbarte, die ihn suchten.“
  7. Diözese Rottenburg-Stuttgart: Gregorianisches Repertoire (Übersetzer: Bernhard Schmid, Rottenburg)
  8. Hier zitiert nach: Regina D. Schiewer: Die deutsche Predigt um 1200: Ein Handbuch, Göttingen 2013, Berlin / New York 2008, S. 156.
  9. Die Weisen aus dem Morgenland, EG Rheinland-Westfalen-Lippe 553,4.
  10. Alexander Toepel: Die Adam- und Seth-Legenden im syrischen Buch der Schatzhöhle: Eine quellenkritische Untersuchung. Leuven 2006, S. 171 Anm. 66.
  11. Pseudo-Chrysostomos: Opus imperfectum in Matthaeum, Migne, Patrologia Graeca 56, 642. „Si quis ergo praebet se Christo fidei sapientia plenum, obtulit ei aurum. Thus autem est oratio, sicut scriptum est: Dirigatur oratio mea sicut incensum in conspectu tuo (Psal. 140,2). Si quis ergo Christo mundam offert orationem, obtulit ei thus. Myrrham aestimo esse opera bona: quoniam sicut myrrha corpus defunctorum insolubile servat, sic bona opera Christum crucifixum in memoria hominis perpetuum servant, et hominem servant in Christo. Primum ergo oportet Christo offerre fidem rationabilem, deinde orationem mundam, et tertio opera sancta.“
  12. Vgl. Ps 141,2  und Offb 8,4 
  13. Martin Luther: Predigt am Epiphaniastag 1517, WA 1,122-125. Ebd. S. 124, 6–9: „Denn nicht materielles Gold, Weihrauch und Myrrhe, wohl aber Glauben können wir darbringen, Vertrauen auf das, was man nicht sieht. Glauben, dass Christus König, Gott und Mensch ist, das heißt jene drei Gaben darbringen.“
  14. Johann Arndt: Postilla, Das ist: Geistreiche Erklärung / der Evangelischen Texte / durchs gantze Jahr …, hrsg. von Philipp Jacob Spener, Frankfurt am Main 1625, S. 157–160.
  15. BWV 65 Sie werden aus Saba alle kommen, Recitativo T. Vgl. Mathias Peter: Musik von J. S. Bach zu Epiphanie. Alttestamentliche Verheißungen. In: domradio.de, 8. januar 2017.
  16. Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1–7), Neukirchen-Vluyn, 4. Auflage 1997, 121 f. Vgl. Thomas von Aquin: Super Evangelium S, Matthaei Lectura z. St.: „Aliqui assignant rationem istorum munerum litteralem et dicunt isti, quod tria invenerunt: domum sordidam, puerum infirmum, et matrem pauperem. Et ideo obtulerunt aurum ad sustentationem matris, myrrham ad sustentationem membrorum pueri, thus ad tollendum foetorem.“
  17. Johann Albrecht Bengel: Gnomon oder Zeiger des Neuen Testamentes, eine Auslegung desselben in fortlaufenden Anmerkungen. In deutscher Sprache herausgegeben von C. F. Werner. Stuttgart 1853/54, Band 1, S. 28.
  18. 1 2 3 Gifts of the Magi delivered to Minsk for worship. TASS Russian News Agency, 17. Januar 2014.
  19. 20,000 Line Up to See Gifts of the Magi, The Moscow Times, 10. Januar 2014.
  20. Pravoslavie.ru: 585.000 believers venerate Gifts of the Magi in Russia over 10 days (17. Januar 2014).
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