Der VI. Große Preis der Schweiz fand am 20. August 1939 auf der 7,280 km langen Bremgarten-Rundstrecke in Bremgarten bei Bern statt. Er zählte als letztes Grande Épreuve vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zur Grand-Prix-Europameisterschaft 1939 und wurde nach den Bestimmungen der Internationalen Grand-Prix-Formel (i. W. Rennwagen bis 3 Liter Hubraum mit Kompressor und bis 4,5 Liter Hubraum ohne Kompressor; Mindestgewicht 850 kg; Renndistanz mindestens 300 km), wobei für Rennwagen bis 1,5 Liter Hubraum (den sogenannten Voiturettes) und darüber jeweils ein separater Vorlauf über 20 Runden durchgeführt wurde. Der gemeinsame Finallauf um den Großen Preis der Schweiz führte dann über 30 Runden à 7,28 km, was einer Gesamtdistanz von 218,4 km entsprach.

Sieger im Grand Prix wurde Hermann Lang auf einem Mercedes-Benz W 154, der damit den zweiten und letzten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere erringen konnte. Den Prix de Berne gewann Giuseppe Farina auf einem Alfa Romeo Tipo 158 „Alfetta“.

Rennen

Zum Zeitpunkt des Großen Preises der Schweiz von 1939 befand sich der Grand-Prix-Sport wieder einmal in einer Krise. Durch den vorangegangenen Rückzug von Alfa Romeo und nach dem Verkauf der Grand-Prix-Rennwagen von Maserati an den privaten Rennstall des US-amerikanischen Rennfahrerehepaars Laury und Lucy O’Reilly Schell waren als Kontrahenten praktisch nur noch die Mannschaften von Daimler-Benz und der Auto Union übrig geblieben. Um etwas gegen die drohende Monotonie zu unternehmen, und vor allem die Italiener wieder anzulocken, die sich mittlerweile ganz auf die populäre Kategorie der Voiturette-Rennwagen konzentrierten, hatten sich die Schweizer Organisatoren für das Rennwochenende ein neues Format überlegt. Das bislang alleinstehende Rennen um den Preis von Bern für Voiturette-Rennwagen (bis 1,5 Liter Hubraum), das jedes Jahr im Rahmenprogramm stattfand, wurde nun zusätzlich auch als Qualifikationslauf gewertet, aus dem sechs Teilnehmer dann am Hauptrennen – dem eigentlichen Grand Prix – teilnehmen durften. Dies war möglich, weil genau genommen die Formule Internationale (die Internationale Rennformel) auch Fahrzeuge mit kleineren Hubräumen mit entsprechendem Gewichtsvorteil ganz offiziell umfasste. Alle Voiturettes mit einem Gewicht von mehr als 560,75 kg waren damit automatisch auch als Grand-Prix-Rennwagen zugelassen. Ein weiterer Vorlauf wurde außerdem für die „echten“ Grand-Prix-Rennwagen (über 1,5 Liter Hubraum) ausgerichtet, von denen die elf besten dann im Finale antreten durften. Aufgrund der relativ kurzen Distanzen der einzelnen Läufe waren anders als sonst während der Rennen keine Tank- oder Reifenstopps nötig.

Zum letzten Grande Épreuve des Jahres – der Große Preis von Italien war wegen Bauarbeiten in Monza bereits im Vorfeld abgesagt worden – traten die beiden deutschen Rennställe mit allem auf, was sie zu bieten hatten. Mercedes schickte vier Mercedes-Benz W 154 vom letzten Ausbaustand plus ein Trainingsauto für Hermann Lang, der die Saison mit bislang schon vier Siegen absolut dominierte, Europameister Rudolf Caracciola, den erfahrenen Manfred von Brauchitsch sowie als Nachwuchsfahrer Hans Hugo Hartmann auf die kurze Reise nach Bern. Auch das Team der Auto Union war mit vier Teilnehmern vertreten. Neben Top-Pilot Tazio Nuvolari und dem zum Stammfahrer aufgestiegenen Hermann Paul Müller griffen auch die altbewährten Hans Stuck und Rudolf Hasse ins Steuer eines der Auto-Union-Grand-Prix-Modelle Auto Union "Typ D".

Die einzige halbwegs ernstzunehmende Konkurrenz in der Grand-Prix-Klasse stellten die zwei früheren Maserati-Werksrennwagen dar, die erst kürzlich an die Écurie Schell übereignet worden waren, die sich bis dahin weitgehend vergeblich mit ihren Delahaye-Rennwagen mit 4,5-Liter-Saugmotor abgemüht hatte. Das Modell Maserati 8CTF zeichnete zwar ein hervorragendes Handling aus, war aber an Motorleistung und Zuverlässigkeit den deutschen Silberpfeilen deutlfich unterlegen.

In der Voiturette-Klasse war die dominierende Farbe dagegen rot. Die Werksmannschaft von Alfa Romeo erschien mit zwei ihrer überragenden Alfettas Alfa Romeo Tipo 158 für Clemente Biondetti und Giuseppe Farina, die ihren Qualifikationslauf gegen eine Riege von Maseratis und britischen ERA klar gewinnen konnten.

Auch im Vorlauf der Grand-Prix-Rennwagen, bei dem angesichts von lediglich 13 Teilnehmern die Qualifikationshürde nicht allzu hoch lag, gab es eine klare Dominanz einer Marke. Mit Lang vor Caracciola und von Brauchitsch gab es einen Dreifachsieg für Mercedes-Benz, aber das Quartett der Auto Union wie auch der einzige gestartete Maserati der Écurie Schell mit René Dreyfus am Steuer konnten sich ihre Plätze für den Endlauf problemlos sichern.

Unmittelbar zum Start des Hauptrennens begann es zu regnen, was die Bedingungen auf der zu einem großen Teil gepflasterten Rennstrecke äußerst trickreich machte. Lang ging erwartungsgemäß von der besten Startposition aus direkt in Front, aber dahinter sortierte sich zur allgemeinen Überraschung Farina auf der „kleinen“ Alfetta ein, der schon im Training mit der viertbesten Gesamtzeit aller Teilnehmer für einiges Aufsehen gesorgt hatte. Rundenlang konnte er alle Attacken Caracciolas abwehren, bis dann bei nachlassendem Regen die Grand-Prix-Rennwagen ihre überlegene Motorleistung immer besser auf die Straße bringen konnten und dem Italiener, der am Ende noch Siebter wurde, eine um die andere Position abrangen.

In der Zwischenzeit hatte sich an der Spitze Caracciola als ausgemachter Regenspezialist auf die Verfolgung seines teaminternen Erzrivalen Lang gemacht und arbeitete sich kontinuierlich heran. Bis zum Beginn des letzten Umlaufs war der Vorsprung auf zwei Sekunden zusammengeschmolzen, doch mit einer letzten Rekordrunde konnte sich Lang seinen zweiten – und letzten – Erfolg bei einem Grande Épreuve doch noch sichern.

Meldeliste

Team Nr. Klassea Fahrer Info Chassis Motor Reifen
 Auto Union AG 2 GP  Rudolf Hasse Auto Union Typ D Auto Union 3.0L V12 Kompressor
4 GP  Hermann Paul Müller
6 GP  Tazio Nuvolari
8 GP  Hans Stuck
 Daimler-Benz AG 10 GP  Manfred von Brauchitsch Mercedes-Benz W 154 Mercedes-Benz M 163 3.0L V12 Kompressor
12 GP  Heinz Brendel DNAb
12 GP  Hans-Hugo Hartmann
14 GP  Rudolf Caracciola
16 GP  Hermann Lang
 R. Mazaud 18 GP  Robert Mazaud Delahaye 135CS Delahaye 3.6L I6
 R. Sommer 20 GP  Raymond Sommer DNA Alfa Romeo Tipo 308 Alfa Romeo 3.0L I8 Kompressor
 Écurie Lucy O’Reilly Schell 22 GP  Luigi Chinetti DNA Delahaye 145/155 Delahaye 4.5L V12
26 GP Fahrer nicht benannt DNA
28 GP  René Dreyfus Maserati 8CTF Maserati 3.0L I8 Kompressor
30 GP  „Raph“ DNSc
 M. Christen 24 GP  Max Christen Maserati Tipo 26B „Monoposto“ Maserati 2.0L I8 Kompressor
 K. Evans 32 GP  Kenneth Evans Alfa Romeo Tipo B Alfa Romeo 3.0L I8 Kompressor
 P. Pietsch 40 V  Paul Pietsch Maserati 4CL Maserati 1.5L I4 Kompressor
 Süddeutsche Renngemeinschaft 42 V  Hans Dipper DNA Maserati 6CM Maserati 1.5L I6 Kompressor
44 V  Leonhard Joa Maserati 4CM/1937 Maserati 1.5L I4 Kompressor
 M. Horvilleur 46 V  Marc Horvilleur Maserati 4CM Maserati 1.5L I4 Kompressor
 R. Ansell 48 V  Robert Ansell ERA B-Type ERA 1.5L I6 Kompressor
 A. Pollock 50 V  Allen Pollock ERA A-Type ERA 1.5L I6 Kompressor
 A. Rolt 52 V  Tony Rolt DNA ERA B-Type ERA 1.5L I6 Kompressor
 J. Wakefield 54 V  John Peter Wakefield Maserati 4CL Maserati 1.5L I4 Kompressor
 G. Barbieri 56 V  Guido Barbieri Maserati 6CM Maserati 1.5L I6 Kompressor
 E. Bianco 58 V  Ettore Bianco DNA Maserati 4CL Maserati 1.5L I4 Kompressor
 Officine A. Maserati 60 V  Giovanni Rocco Maserati 4CL Maserati 1.5L I4 Kompressor
 E. Romano 62 V  Emilio Romano DNA Maserati 6CM Maserati 1.5L I6 Kompressor
 Alfa Corse 64 V  Giuseppe Farina Alfa Romeo Tipo 158 Alfa Romeo 1.5L I8 Kompressor
66 V  Clemente Biondetti
 Scuderia Ambrosiana 68 V  Arialdo Ruggeri DNA Maserati 4CL Maserati 1.5L I4 Kompressor
70 V  Piero Taruffi DNA
 E. de Graffenried 72 GPd  Toulo de Graffenried Maserati 6C-34 Maserati 3.0L I6 Kompressor
a 
GP – Grand-Prix-Klasse (Rennwagen nach der Formule Internationale); V – Voiturette-Klasse (Rennwagen bis 1,5 Liter Hubraum)
b 
Verletzungsbedingt nicht angetreten.
c 
Aufgrund technischen Defekts nicht am Start.
d 
Ursprünglich für die Voiturette-Klasse gemeldet.

Klassifikation

Rennen 1 – Voiturette-Klasse (1500 cm³)

Startaufstellung

321
 Pietsch
2:50,1 min
 Rocco
2:48,1 min
 Farina
2:45,2 min
54
 Biondetti
2:53,6 min
 Wakefield
2:50,9 min
876
 Ansell
3:18,1 min
 Joa
(unbekannt)
 Pollock
3:05,5 min
109
 Barbieri
3:45,3 min
 Horvilleur
3:34,7 min

Rennergebnis

Pos.Nr.FahrerKonstrukteurRundenZeitAusfallgrund
1 64 Giuseppe Farina Alfa Romeo2056:28,0 min
2 66 Clemente Biondetti Alfa Romeo20+ 37,0 s
3 54 John Peter Wakefield Maserati20+ 1:08,9 min
4 60 Giovanni Rocco Maserati20+ 1:46,9 min
5 40 Paul Pietsch Maserati19+ 1 Runde
6 48 Robert Ansell ERA19+ 1 Runde
7 44 Leonhard Joa Maserati18+ 2 Runden
8 50 Allen Pollock ERA17+ 3 Runden
DNF 56 Guido Barbieri Maserati3Kupplung
DNF 46 Marc Horvilleur Maserati1Kupplung

Schnellste Rennrunde:  Giuseppe Farina (Alfa Romeo), 2:46,5 min = 157,4 km/h

Rennen 2 – Grand-Prix-Klasse (3000 cm³)

Startaufstellung

321
 Caracciola
2:35,6 min
 von Brauchitsch
2:34,3 min
 Lang
2:33,3 min
54
 Nuvolari
2:36,2 min
 Stuck
2:35,8 min
876
 Hartmann
2:40,9 min
 Müller
2:39,6 min
 Hasse
2:38,7 min
(10)9
( „Raph“)a
(unbekannt)
 Dreyfus
2:50,0 min
131111
 Mazaud
(unbekannt)
 Evans
3:04,1 min
 de Graffenried
(unbekannt)
14
 Christen
3:19,5 min
a 
nicht am Start

Rennergebnis

Pos.Nr.FahrerKonstrukteurRundenZeitAusfallgrund
1 16 Hermann Lang Mercedes-Benz2053:40,0 min
2 14 Rudolf Caracciola Mercedes-Benz20+ 4,8 s
3 10 Manfred von Brauchitsch Mercedes-Benz20+ 30,7 s
4 6 Tazio Nuvolari Auto Union20+ 40,5 s
5 12 Hans-Hugo Hartmann Mercedes-Benz20+ 2:53,1 min
6 8 Hans Stuck Auto Union19+ 1 Runde
7 4 Hermann Paul Müller Auto Union19+ 1 Runde
8 2 Rudolf Hasse Auto Union19+ 1 Runde
9 28 René Dreyfus Maserati19+ 1 Runde
10 32 Kenneth Evans Alfa Romeo18+ 2 Runden
11 72 Toulo de Graffenried Maserati18+ 2 Runden
12 18 Robert Mazaud Delahaye17+ 3 Runden
DNF 24 Max Christen Maserati6Bremsen
DNS 30 „Raph“ Maserati

Schnellste Rennrunde:  Rudolf Caracciola (Mercedes-Benz), 2:36,0 min = 168,0 km/h

Finale

Startaufstellung

Die Positionen wurden anhand der in den Vorläufen erzielten Gesamtzeiten vergeben.

321
 Caracciola Caracciola Lang
54
 Hartmann Nuvolari
876
 Biondetti Stuck Farina
109
 Hasse Müller
131211
 Dreyfus Rocco Wakefield
1514
 Ansell Pietsch
1716
 de Graffenried Evans

Rennergebnis

Pos.Nr.FahrerKonstrukteurRundenZeitAusfallgrundEM-Punkte
1 16 Hermann Lang Mercedes-Benz301:24:47,6 h1
2 14 Rudolf Caracciola Mercedes-Benz30+ 3,1 s2
3 10 Manfred von Brauchitsch Mercedes-Benz30+ 1:09,9 min3
4 4 Hermann Paul Müller Auto Union30+ 2:13,7 min4
5 6 Tazio Nuvolari Auto Union30+ 2:25,0 min4
6 12 Hans-Hugo Hartmann Mercedes-Benz29+ 1 Runde4
7 64 Giuseppe Farina Alfa Romeo29+ 1 Runde4
8 28 René Dreyfus Maserati28+ 2 Runden4
9 66 Clemente Biondetti Alfa Romeo28+ 2 Runden4
10 8 Hans Stuck Auto Union28+ 2 Runden4
11 32 Kenneth Evans Alfa Romeo27+ 3 Runden4
12 54 John Peter Wakefield Maserati26+ 4 Runden4
13 48 Robert Ansell ERA25+ 5 Runden4
DNF 72 Toulo de Graffenried Maserati22unbekannt5
DNF 2 Rudolf Hasse Auto Union20Schmierung5
DNF 40 Paul Pietsch Maserati7unbekannt7
DNF 60 Giovanni Rocco Maserati3unbekannt7

Schnellste Rennrunde:  Hermann Lang (Mercedes-Benz), 2:38,4 min = 165,4 km/h

Commons: Automobilsport 1939 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. die Typenbezeichnung der Auto-Union-Rennwagen wurde von Fachautoren erst nachträglich zur Unterscheidung der einzelnen Modelle eingeführt
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