Habichte und Sperber | ||||||||||
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Habicht (Accipiter gentilis) | ||||||||||
Systematik | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Accipiter | ||||||||||
Brisson, 1760 |
Habichte und Sperber (Accipiter) sind eine Gattung der Vögel innerhalb der Familie der Habichtartigen (Accipitridae). Sie umfasst etwa 50 Arten und ist damit die artenreichste Gattung der Greifvögel. Die Vertreter der Gattung sind klein bis mittelgroß, haben relativ kurze, runde Flügel und einen vergleichsweise langen Schwanz. Die Gattung ist fast weltweit verbreitet, sie fehlt nur in der Antarktis und auf einigen Inseln. Alle Arten sind an bewaldete Lebensräume gebunden. Viele Arten sind spezialisierte Vogeljäger, bei anderen Arten umfasst das Nahrungsspektrum auch andere kleine Wirbeltiere und Insekten.
Beschreibung
Habichte und Sperber sind kleine bis mittelgroße Greifvögel. Der Rumpf ist schlank, die Flügel sind bei allen Arten relativ kurz und gerundet, der Schwanz ist sehr lang. Die Beine und die Zehen sind sehr lang und bei den kleineren Arten oft ausgesprochen grazil.
Bei allen Arten sind Weibchen deutlich größer als die Männchen (reverser Geschlechtsdimorphismus), die Maße überlappen sich allenfalls geringfügig. Bei einigen der reinen Vogeljäger ist dieser reverse Geschlechtsdimorphismus am stärksten unter allen Greifvögeln ausgeprägt. Bei den kleinsten Arten, wie zum Beispiel beim Däumlingssperber (Accipiter superciliosus), haben die Männchen mit einer Körperlänge von 20 cm und einem Gewicht von 61,5 g etwa die Größe einer Singdrossel, die größte Art ist der auch in Mitteleuropa verbreitete Habicht (Accipiter gentilis), bei dem die Weibchen mit einer Körperlänge von bis zu 63 cm und einem Gewicht bis 2,2 kg noch größer als ein Mäusebussard sind.
Bei fast allen Arten ist die Oberseite einfarbig sehr dunkel grau oder schwärzlich und die Unterseite dazu scharf kontrastierend sehr hell und häufig fein quergebändert (Fachjargon: gesperbert). Insbesondere tropische Arten sind oft durch rötliche Färbungen auf der Unterseite und am Hals ausgesprochen farbenprächtig. Schwingen und Steuerfedern sind meist dunkel gebändert. Jungvögel sind generell viel weniger auffallend gefärbt und oberseits meist bräunlich und unterseits heller bräunlich mit dunkler Strichelung.
Die typischen Proportionen sind auch im Flug gut erkennbar, fast alle Arten haben darüber hinaus auch eine typische Flugweise mit einigen schnellen Flügelschlägen und einer anschließenden kurzen Gleitphase. Sitzende Habichte und Sperber zeigen eine sehr aufrechte Körperhaltung, die oft schon auf größere Entfernung zumindest die Bestimmung der Gattung erlaubt.
Verbreitung und Lebensraum
Die Gattung ist auf allen Kontinenten (außer der Antarktis) vertreten, die meisten Arten leben in den Tropen. Aufgrund ihrer Bindung an Wald dringt die Gattung nicht so weit nach Norden vor wie Vertreter der Greifvogelgattungen Haliaeetus, Circus oder Falco. Den größten Artenreichtum erreichen die Accipiter in Südostasien und Ozeanien, wo zahlreiche Arten auf einzelnen Inseln oder Inselgruppen endemisch sind. Alle Arten zeigen eine enge Bindung an Wälder oder zumindest waldreiche Habitate.
In Europa kommen nur drei Arten vor, davon zwei in Mitteleuropa: der Habicht (Accipiter gentilis) und der Sperber (Accipiter nisus). Der Kurzfangsperber (Accipiter brevipes) besiedelt Südost- und Osteuropa sowie das westliche Asien.
Jagdweise und Nahrung
Habichte und Sperber erjagen ihre Beutetiere überwiegend aus dem bodennahen Flug oder vom Ansitz aus in einem kurzen, schnellen Verfolgungsflug im bodennahen Luftraum, aber auch in allen Schichten der Vegetation bis in die Baumkronen. Dabei werden natürliche Strukturen wie Hecken, Bäume, im Siedlungsraum auch Häuser sehr geschickt für einen gedeckten Anflug genutzt. Die Tiere sind bei der Jagd außerordentlich wendig.
Viele Arten sind spezialisierte Vogeljäger, aber eine Reihe anderer Arten nutzt ein breites Spektrum von Wirbeltieren sowie Insekten, wobei Vögel oft nur einen geringen Teil der Beute ausmachen. Von den drei europäischen Arten gehört der Sperber (A. nisus) zu den Vogelspezialisten, der Habicht (A. gentilis) frisst neben Vögeln auch in erheblichem Umfang Säugetiere und der Kurzfangsperber (A. brevipes) ernährt sich in erster Linie von Eidechsen und Insekten und nur in geringem Umfang von Säugetieren und Vögeln.
Fortpflanzung
Alle Arten sind, soweit bekannt, monogam und streng territorial. Das Nest wird aus Zweigen und Ästen auf Bäumen gebaut. Die Bebrütung der Eier und die Betreuung der kleinen Jungvögel erfolgt fast ausschließlich durch das Weibchen, während das Männchen das Weibchen und dann die Familie mit Nahrung versorgt.
Systematik
Die Anzahl der rezenten Arten der Gattung Accipiter wird je nach Autor unterschiedlich angegeben. Ferguson-Lees und Christie gaben 2001 47 Arten an, hielten aber bis zu 54 für wahrscheinlich. Damit ist die Gattung Accipiter die artenreichste aller Greifvögel. Die hier wiedergegebene Liste mit 50 Arten folgt Avibase. Aktuelle deutsche Vogelnamen, Stand 2020, in Klammern vorherige Namen.
- A. gentilis-Artengruppe (Habichtklade)
- Zweifarbensperber (Accipiter bicolor)
- Rundschwanzsperber (Accipiter cooperii)
- Habicht (Accipiter gentilis)
- Kubahabicht (Gundlachsperber) (Accipiter gundlachi)
- Madagaskarhabicht (Accipiter henstii)
- Dominohabicht (Accipiter melanoleucus)
- Papuahabicht (Meyerhabicht) (Accipiter meyerianus)
- A. nisus-Artengruppe (Sperberklade)
- Weißbrustsperber (Accipiter chionogaster)
- Rotschenkelsperber (Accipiter erythronemius)
- Madagaskarsperber (Accipiter madagascariensis)
- Sperber (Accipiter nisus)
- Ovambosperber (Accipiter ovampensis)
- Graubauchhabicht (Accipiter poliogaster)
- Rotbauchsperber (Accipiter rufiventris)
- Eckschwanzsperber (Accipiter striatus)
- Andensperber (Accipiter ventralis)
- Lophospiza-Klade
- Graukopfhabicht (Accipiter griseiceps)
- Schopfhabicht (Accipiter trivirgatus)
- übrige Accipiter-Arten
- Elsterhabicht (Accipiter albogularis)
- Schikrasperber (Accipiter badius)
- Dreifarbensperber (Accipiter brachyurus)
- Kurzfangsperber (Accipiter brevipes)
- Nikobarensperber (Accipiter butleri)
- Rotflankenhabicht (Accipiter castanilius)
- Chilehabicht (Chilesperber) (Accipiter chilensis)
- Sydneysperber (Accipiter cirrocephalus)
- Rotnackensperber (Accipiter erythrauchen)
- Waldsperber (Accipiter erythropus)
- Bänderhabicht (Accipiter fasciatus)
- Echsenhabicht (Accipiter francesiae)
- Anjouan-Sperber (Accipiter francesiae pusillus)
- Trillersperber (Accipiter gularis)
- Weißbauchhabicht (Accipiter haplochrous)
- Halmaherahabicht (Accipiter henicogrammus)
- Inselhabicht (Accipiter hiogaster)
- Trughabicht (Accipiter imitator)
- Schiefermantelhabicht (Rabaulhabicht) (Accipiter luteoschistaceus)
- Schwarzmantelhabicht (Accipiter melanochlamys)
- Zwergsperber (Accipiter minullus)
- Sulawesisperber (Archboldsperber) (Accipiter nanus)
- Weißbrauenhabicht (Accipiter novaehollandiae)
- Aschkopfhabicht (Accipiter poliocephalus)
- Prinzenhabicht (Accipiter princeps)
- Rosenbrustsperber (Schlegelsperber) (Accipiter rhodogaster)
- Fidschihabicht (Accipiter rufitorques)
- Froschsperber (Accipiter soloensis)
- Afrikahabicht (Accipiter tachiro)
- Rotbrusthabicht (Accipiter toussenelii)
- Fleckschwanzsperber (Accipiter trinotatus)
- Besrasperber (Accipiter virgatus)
Der Däumlingssperber (Microspizias superciliosus) und seine Schwesterart, der Halsbandsperber (M. collaris), die beide bis 2021 ebenfalls zu Accipiter gehörten, sind näher mit dem Sperberbussard (Kaupifalco monogrammicus) und der Gattung Harpagus (Doppelzahnweih (H. bidentatus) und Braunschenkelweih (H. diodon)) verwandt als mit den übrigen Accipiter-Arten. Sie wurden 2021 in die neu eingeführte Gattung Microspizias überstellt.
Zwei weitere Arten, der südasiatische und südostasiatische Schopfhabicht (A. trivirgatus) und der Graukopfhabicht (A. griseiceps) von Sulawesi sind systematisch isoliert und stehen ebenfalls außerhalb von Accipiter. Sie sollen der Gattung Lophospiza zugeordnet werden, die 1844 durch den deutschen Zoologen Johann Jakob Kaup eingeführt wurde. Dies wird von der International Ornithologists’ Union aber noch nicht anerkannt.
Auch die verbliebenen Accipiter-Arten bilden kein Monophylum, sondern zerfallen in vier Kladen. Eine Klade, darunter der Habicht (A. gentilis), ist näher mit dem Salvadorihabicht (Megatriorchis doriae) und den morphologisch und verhaltensbiologisch verschiedenen Weihen (Circus) verwandt als mit den anderen Accipiter-Arten. Die Habichtklade und die Weihen zusammen sind die Schwestergruppe einer weiteren Klade zu der der Sperber (A. nisus) gehört. Alle drei Kladen zusammen sind die Schwestergruppe einer großen Klade aus allen (ca. 30) übrigen Accipiter-Arten.
Das Kladogramm zeigt die Stellung der verschiedenen Kladen in der Unterfamilie Accipitrinae.
Accipitrinae |
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Gattungsname
Der wissenschaftliche Gattungsname wurde dem gleichlautenden lateinischen accipiter („Habicht, Sperber, Falke, Stoßvogel“) entnommen, das wohl mit volksetymologischer Anlehnung an accipere („aufnehmen, erhalten, bekommen“) über altlateinisch *acupeter (erschlossen, nicht nachgewiesen) von altgriechisch ὠκυπέτης okypetes („Schnellflieger“) entweder abgeleitet oder doch wenigstens mit letzterem urverwandt ist.
Für den Habicht sind auch der griechische Name ὀξύπτερος oxypteros („Scharf-/Schnellflügler“) – verwandt mit ὠκυπέτης okypetes – und die nur volksetymologisch zu erklärende lateinische Nebenform acceptor (wörtlich „Empfänger“) nachgewiesen.
Literatur
- J. Ferguson-Lees, D. A. Christie: Raptors of the World. Christopher Helm, London 2001: S. 148–181 und 516–600, ISBN 0-7136-8026-1.
Einzelnachweise
- ↑ Die Gattung Accipiter auf Avibase, abgerufen am 14. November 2008
- ↑ H. Barthel, Ch. Barthel, E. Bezzel, P. Eckhoff, R. van den Elzen, Ch. Hinkelmann & F. D. Steinheimer: Deutsche Namen der Vögel der Erde Vogelwarte Bd. 58, S. 1–214, 2020
- 1 2 George Sangster, Guy M. Kirwan, Jérôme Fuchs, Edward C. Dickinson, Andy Elliott, Steven M. S. Gregory: A new genus for the tiny hawk Accipiter superciliosus and semicollared hawk A. collaris (Aves: Accipitridae), with comments on the generic name for the crested goshawk A. trivirgatus and Sulawesi goshawk A. griseiceps. Vertebrate Zoology. 71: 419–424. doi:10.3897/vz.71.e67501
- ↑ Frank Gill, David Donsker & Pamela Rasmussen (Hrsg.): Hoatzin, New World vultures, Secretarybird, raptors in der IOC World Bird List Version 13.1
- ↑ Jenő Nagy u. Jácint Tökölyi: Phylogeny, Historical Biogeography and the Evolution of Migration in Accipitrid Birds of Prey (Aves: Accipitriformes). Juni 2014, Ornis Hungarica 22(1):15-35, DOI:10.2478/orhu-2014-0008
- 1 2 D. P. Mindell, J. Fuchs und J. A. Johnson (2018), Phylogeny, taxonomy, and geographic diversity of diurnal raptors: Falconiformes, Accipitriformes, and Cathartiformes. In: José Hernán Sarasola et al. et al.: Birds of prey, Kapitel 1, S. 3–32. Springer. ISBN 978-331973744-7
- ↑ Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8., verbesserte und vermehrte Auflage. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1918 (zeno.org [abgerufen am 23. Februar 2023]).
- 1 2 Alois Walde, Johann Baptist Hofmann: Lateinisches Etymologisches Wörterbuch. 3., neubearbeitete Auflage. Band 1. Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1938 (Stichwort accipiter im Textarchiv – Internet Archive [abgerufen am 23. Februar 2023] – dort direkte Ableitung angezweifelt, „urverwandt“ wegen Hinweis auf die gemeinsamen indogermanischen Wurzeln).
Weblinks
- Integrated Taxonomic Information System Accipiter Brisson, 1760