Hans-Diedrich Cremer, auch Hans-Dietrich (* 14. Februar 1910 in Kiel; † 18. April 1995 in Gießen) war ein deutscher Mediziner, Ernährungsphysiologe und Hochschullehrer.
Leben
Cremers Eltern waren der Gerichtsassessor Georg Cremer und dessen Ehefrau Ilse, geborene Thomsen. Nach bestandener Reifeprüfung auf dem Domgymnasium Naumburg begann er 1928 ein Studium der Medizin an der Universität Bonn, wechselte dann nach Kiel, Köln und Innsbruck. In Köln schloss er dieses Studium unter Ernst Leupold am 21. Dezember 1933 mit der Promotion zum Dr. med. ab, der Titel seiner Dissertation lautete „Funktionsstörungen der Kaninchen-Niere nach Nierenextraktinjektion“.
Danach war er als Assistenzarzt tätig, ab 1936 bei der Militärärztlichen Akademie in Berlin am dortigen Physiologisch-Chemischen Institut und gehörte zusätzlich der „Chirurgischen Sondergruppe des Oberkommandos des Heeres“ an. Während des Zweiten Weltkrieges baute er ab 1942 das Gebirgsphysiologische Institut in St. Johann in Tirol auf und leitete dort die Heeresgebirgssanitätsschule. Als Oberstabsarzt nahm er ebenso wie Konrad Lang am 26. und 27. Oktober 1942 in Nürnberg an der Tagung über Ärztliche Fragen bei Seenot und Wintertod teil, wo über die „Unterkühlungsversuche“ im KZ Dachau referiert wurde. Seine eigenen Untersuchungen trug Cremer zum Teil schon am 6. Oktober 1942 auf einer Tagung in St. Johann vor und publizierte sie 1943 und 1944 in der Klinischen Wochenschrift. Im Januar 1944 habilitierte er sich in Berlin mit einem Vortrag Chemische Beiträge zur Gebirgsphysiologie für das Fach Physiologische Chemie. Zum Erhalt der Lehrbefugnis hielt er in Innsbruck einen Probevortrag über Die Bergkrankheit und lehrte danach an der Universität Innsbruck.
Nach Kriegsende war Cremer Dozent an der Universität Heidelberg, ab 1946 zunächst Dozent und ab 1950 außerplanmäßiger Professor für Physiologische Chemie an der Universität Mainz, dort im Arbeitskreis um Konrad Lang. Zwischenzeitlich war er für drei Jahre am Institut von Arne Tiselius in Schweden beschäftigt, wo er die Festphasen-Elektrophorese mitentwickelte. Zusammen mit Martin Herrmann leitete er in den 1950er Jahren ein in Zusammenarbeit mehrerer Fachrichtungen der Universität Mainz gegründetes „Institut für Kariesforschung“, dessen wissenschaftlicher Beirat ab Januar 1957 unter Vorsitz des Leiters des Zahnmedizinischen Instituts der Hochschule Gießen, Albert Keil, stand. Keil hatte unter Hermann Schröder seinerzeit in einem Berliner Institut gleichen Namens mitgewirkt. Beim geplanten Wechsel nach Gießen, bereits 1956, stellte Cremer der dortigen Hochschule eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Keil in Aussicht.
An der Justus-Liebig-Hochschule Gießen war bereits im Jahr 1951 ein „Institut für Ernährungswissenschaft“ neu eingerichtet worden, das unter der kommissarischen Leitung von Karl-Heinz Wagner (1911–2007) stand. Wagner trug in der Folge Querelen mit der Hochschul-Leitung in Gerichtsverfahren durch mehrere Instanzen aus und gewann 1960. In Verbindung mit einem Forschungsauftrag des Bundesverteidigungsministeriums für die deutsche Bundeswehr hatte inzwischen aber Cremer am 1. November 1956 Wagners Professur übernommen, so dass laut Gerichtsurteil ein zweites Institut für Ernährungswissenschaften unter Leitung von Wagner eingerichtet werden musste. Cremer wurde 1960 Ordinarius an der jetzigen Universität. Von 1961 bis 1963 leitete er in Rom die Abteilung für Angewandte Ernährungswissenschaft der FAO, wo er sich mit der Unterversorgung mit Nahrungsmitteln in den Entwicklungsländern beschäftigte. Im Jahr 1963 machte er sich um die Gründung des eigenständigen Studiengangs „Haushalts- und Ernährungswissenschaften“ (Ökotrophologie) verdient. Als Direktor des "Instituts für Ernährungswissenschaft I" leitete er am Tropeninstitut der Universität Gießen auch die Abteilung „Ernährung in den Tropen“.
Cremer war Autor beziehungsweise Mitautor von über 200 ernährungswissenschaftlichen Publikationen. Er wurde 1975 emeritiert und verstarb 1995.
Ehrungen
- Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (1980)
- Ehrenmitglied des American Institute of Nutrition
- Bundesverdienstkreuz am Bande (12. Februar 1985)
Literatur
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
Weblinks
- Literatur von und über Hans-Diedrich Cremer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hans-Diedrich Cremer im Mainzer Professorenkatalog
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Diedrich Cremer: Funktionsstörungen der Kaninchen-Niere nach Nierenextraktinjektion. Inaugural-Dissertation, Universität Köln, 1934.
- 1 2 3 4 Erich Menden: Prof. em. Dr. med. Hans-Diedrich Cremer. In: Zeitschrift für Ernährungswissenschaft, Ausgabe 34: 164, Nummer 2, 1995, doi:10.1007/BF01636951. (Nachruf)
- 1 2 3 4 Siegfried Bär: Was geschah in Sudelfeld? auf www.laborjournal.de
- 1 2 3 4 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 97
- ↑ Hans-Diedrich Cremer: Die Leistungsfähigkeit im Gebirge IN Klinische Wochenschrift 22 (21. August 1943) S. 541 f.
- ↑ B. Balke, H.D. Cremer, K. Kramer, H. Reichel: Untersuchungen zur Kälteanpassung IN Klinische Wochenschrift 23 (Juni 1944) S. 204 f.
- ↑ H.D. Cremer, K. Kramer, H. Reichel: Über die chemischen Veränderungen des Blutes während der allgemeinen Auskühlung IN Klinische Wochenschrift 23 (Juni 1944) S. 210 f.
- ↑ Hans-Diedrich Cremer: Ernährungsfragen im Hochgebirge, in: Klinische Wochenschrift 23 (Juni 1944) S. 239 f.
- ↑ H.D. Cremer: Akte zur Habilitation und Dozentur
- ↑ Erich Menden: Prof. em. Dr. med. Hans-Diedrich Cremer, Z. Ernährungswiss. 34 (1995) 164
- ↑ Miiteilungen und Berichte. Mainz. ZWR 57: Nr. 4 (1956) 94
- ↑ P. Riethe: Erste Arbeitstagung des Kariesforschungsinstituts an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Zahnärztl. Mitteil. 44 (1956) 8
- ↑ Hochschulnachrichten. Gießen. Zahnärztl. Mitteil. 45 (1957) 238; Dtsch. Zahnärztl. Zeitschr. 12 (1957) 104
- ↑ Albert Keil, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Kariesforschung am Zahnärztlichen Institut der Universität Berlin: Grundzüge der Zahnforschung bei den Wirbeltieren und beim Menschen. Verlag Bornträger, Berlin Zehlendorf, 1942
- ↑ Bila: Vermerk. Lehrstuhl und Institut für Ernährungswissenschaften in Giessen. Wiesbaden, 28. April 1956 in: Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, "Institut für Ernährungswissenschaft an der Universität Giessen." HHStAW 504-12560
- ↑ Hochschulnachrichten. Gießen. Deutsche Stomatologie 1 (1951) 24
- ↑ Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden HHStAW 504-12560 (Institut für Ernährungswissenschaft an der Universität Gießen), HHStAW 502-1483 (Karl-Heinz Wagner, Korrespondenz) und HHStAW 527-II-23224 (Wagner, Karl-Heinz)
- ↑ 50 Jahre Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Gießen (hier online) (Memento vom 13. November 2010 im Internet Archive)
- ↑ Auskunft des Bundespräsidialamtes