Der Heinemanhof (früher auch Heinemann-Stift) in Hannover ist ein ehemals jüdisches Damenstift, das der Architekt Henry van de Velde Anfang der 1930er Jahre erbaute. Das als „national wertvolles Kulturdenkmal“ eingestufte Gebäude im Bauhausstil dient heute als überkonfessionelles Pflege- und „Kompetenzzentrum Demenz“ in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Der Standort liegt in der Straße Heinemanhof an der Brabeckstraße im Stadtteil Kirchrode.

Geschichte

Der 1872 als Kind der jüdischen Auswanderer aus Deutschland, Minna und James Heineman, in den USA geborene Industrielle Dannie N. Heineman begründete nach dem Tod seiner Mutter 1927

„… [gemeinsam] mit seiner Ehefrau Hettie zur Erinnerung an seine Studienzeit [.. an der Technischen Hochschule] in Hannover und zum Andenken an seine Eltern …“

1928 die Minna-und-James-Heineman-Stiftung. Nach der Stiftungsurkunde sollte

„… älteren, bedürftigen, alleinstehenden Damen der gebildeten Stände, vorzugsweise jüdischen Glaubens und vorzugsweise aus der Stadt Hannover, in einem eigenen Stiftungshaus Wohnung und Verpflegung für ihren Lebensabend gewährt werden, und zwar in der Regel unentgeltlich.“

Zur Durchführung der Stiftungszwecke wurde nun ein entsprechendes Gebäude benötigt: „Heinemann“ beauftragte den Architekten Henry van de Velde zum Bau des Heinemanhofes, den dieser in den Jahren 1930 bis 1931 errichtete mit besonders großzügig gestalteten Appartements. Das Alten- und Pflegeheim für jüdische Damen wurde dann von der Minna-und-James-Heineman-Stiftung unterhalten.

1930, etwa zeitgleich mit der Bauerrichtung, schuf der Garten- und Landschaftsarchitekt Wilhelm Hübotter den – in seiner ursprünglichen Konzeption nicht mehr erhaltenen – Garten des „Heinemanstifts“.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 lebten bis 1939, dem Jahr des Beginns des Zweiten Weltkriegs, rund 60 Personen im Heinemanstift (einschließlich des Personals). Doch spätestens 1941 änderte sich die Situation für die Heimbewohnerinnen in dem Ruhestift dramatisch: Durch die sogenannte „Aktion Lauterbacher“ wurde das Altersheim ab dem 4. September 1941 zwangsweise zum Massenquartier für insgesamt 190 Mitbürger jüdischen Glaubens umfunktioniert und schließlich im November desselben Jahres geräumt. Während die Bewohner zwangsweise in eines der sogenannten Judenhäuser zusammengepfercht wurden, wurde die Minna-James-Heineman-Stiftung auf Anordnung des Reichsinnenministers in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert – und dann enteignet. Die ehemaligen Bewohner des Altersheimes wurden nahezu sämtlich „Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft“: Emmy Steinfeld etwa, geborene Rinteln, und Ida Steinfeld, geborene Hirschfeld, wurden 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert und schließlich in Treblinka ermordet. Von den ehemaligen Bewohnerinnen des Heinemanstifts kehrte nach den Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager Riga, Auschwitz oder Theresienstadt niemand zurück.

Unterdessen war das Gebäude des ehemaligen Heinemanstifts durch die NS-Volkswohlfahrt erworben worden. Zuvor war in der Nähe des Gebäudes des ehemaligen Generalkommandos der deutschen Wehrmacht (heute, Stand September 2012: Kurt-Schumacher-Kaserne des Wehrkreiskommandos an der Hans-Böckler-Allee), das bereits 1938 fertiggestellt worden war, das etwa zeitgleich in der Bult errichtete Altersheim der Gustav-Brandtschen Stiftung „für unbescholtene bedürftige christliche Männer aus der Kaufmannschaft“ errichtet worden. Nachdem nun die ehemaligen Bewohner des Heinemanstifts deportiert worden waren, wurde 1942 das Gebäude der Gustav-Brandtschen-Stiftung durch die Wehrmacht beschlagnahmt und 1942 nun die männlichen Bewohner christlichen Glaubens in das ehemalige Damenstift umgesiedelt. Noch im selben Jahr wurde das Gebäude der Gustav-Brandtschen-Stiftung durch die Luftangriffe auf Hannover vielfach beschädigt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das ehemalige Heinemanstift von 1945 bis 1958 für die Unterbringung britischer Militäreinheiten genutzt. Schließlich wurde der Henry-van-de-Velde-Bau der 1960 wiedergegründeten Minna-James-Heineman-Stiftung zurückgegeben. Diese verkaufte das Gebäude an die Stadt Hannover, die mit dem Haus dann zunächst Obdachlosen Zuflucht gewährte.

In den späteren Wiederaufbaujahren baute die Stadt Hannover von 1965 bis 1968 – 1969 wurde vor dem Gebäude die Skulptur Tanzende von Herbert Volwahsen aufgestellt – und später auch 2007 das ehemalige Stift jüdischer Hannoveranerinnen zu einem größeren Alten- und Pflegeheim aus; zahlreiche Neubauten rings um das ehemalige Damenstift beeinträchtigen seitdem die Wirkung des van-de-Velde-Baus. Insbesondere das ehemals durch den Garten- und Landschaftsarchitekten Wilhelm Hübotter konzipierte parkartige Freigelände wurde massiv überbaut.

Von 2011 bis 2016 wurde die Dauer der Sanierung des Heinemanhofs angesetzt.

Heinemanhof Pflegezentrum Kompetenzzentrum Demenz

Das heute städtische Alten- und Pflegeheim titelt heute als „Heinemanhof Pflegezentrum Kompetenzzentrum Demenz“. 2009 verfügte die Einrichtung insgesamt über mehr als 150 Pflegeplätze, darunter rund 100 für geronto-psychiatrisch betreute Menschen.

Baubeschreibung des historischen Hauptbaus

Die bald 500 m lange Fassadenfront des langgestreckten Hauptbaus, den Van de Velde Anfang der 1930er Jahre mit „belgischen Handstich-Klinkern“ verblendete, zeigt eine „ruhige Nordseite mit schmalen Fensterbändern“, der eine Rampe als Eingangsvorbau vorgelegt wurde. Dagegen wird die rhythmisch bewegte Südseite durch mehrstufig vorgezogene Treppen, Vorbauten, Erker und Balkons belebt.

Siehe auch

Literatur

  • Henning Rischbieter: Die Zwanziger Jahre in Hannover. Bildende Kunst, Literatur, Theater, Tanz, Architektur, 1916–1933, Ausstellungskatalog zur Ausstellung Die Zwanziger Jahre in Hannover vom 12. August bis 30. September 1962, Hannover: Kunstverein e.V., 1962 (auch englischsprachige, laminierte Broschüre).
  • Günther Stamm: Zur Architektur Henry van de Veldes. Das Heinemann-Stift in Hannover und Vorläuferbauten. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Bd. 11/1972, München und Berlin: Deutscher Kunstverlag, S. 284–320.
  • G. Wagnerin: Vernunftmäßige Gestaltung. Zwei van-de-Velde-Bauten in Hannover. In: der architekt, Jahrgang 1982, Heft 1, S. 10–12.
  • Marlis Buchholz: Die hannoverschen Judenhäuser. Zur Situation der Juden in der Zeit der Ghettoisierung und Verfolgung 1941 bis 1945, in der Reihe Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, hrsg. vom Historischen Verein für Niedersachsen, Bd. 101, Hildesheim: Lax 1987, ISBN 3-7848-3501-5, S. 106–111.
  • Andrea Volz: Henry van de Velde und der Heinemanhof in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge 48 (1994), S. 1–45 (mit weiterführender Literatur).
    • hiervon Sonderdruck unter dem Titel: Der Heinemanhof in Hannover von Dannie N. Heinemann und Henry van de Velde, hrsg. von der Minna-James-Heinemann-Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen: Eigenverlag, 1994, 46 Seiten; Kurzinformation bei baufachinformation.de, eine Seite des Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB.
  • Helmut Knocke: VELDE, Henry Clemens van de. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 368f. u.ö.; online über Google-Bücher
  • Peter Schulze: Heinemanhof. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 281.
  • Helmut Knocke, Hugo Thielen: Heinemanhof. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, S. 133.
  • Wolfgang Neß: Kirchrode, in Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 2, Bd. 10.2, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1985, ISBN 3-528-06208-8, S. 92–97, hier: Bauliche Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg, S. 97; sowie Kirchrode im Addendum Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege) / Stand: 1. Juli 1985 / Stadt Hannover, S. 19.
  • „Kompetenzzentrum Demenz“ im Heinemanhof eröffnet, Pressemitteilung von der Landeshauptstadt Hannover auf presse-hannover.de vom 20. August 2008, zuletzt abgerufen am 25. September 2012
  • Hans Werner Dannowski: „Wir gehen ins Dorf“. Kirchrode. In: Hannover – weit von nah: In Stadtteilen unterwegs, Hannover: Schlütersche, 2002, ISBN 3-87706-653-4, S. 151–176, hier: S. 162f.; online über Google-Bücher
  • Sebastian Harfst: Denkmalpflege / Neue Fassade für das Kulturdenkmal Heinemanhof auf der online-Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 25. August 2011, zuletzt abgerufen am 26. September 2011
Commons: Heinemanhof (Hannover) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. So bei Günter Stamm, 1972 (s. Lit.) und Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bremen Niedersachsen, München 1992, S. 636
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Peter Schulze: Heinemanhof (siehe Literatur)
  3. 1 2 3 Sebastian Harfst: Denkmalpflege / Neue Fassade … (siehe Literatur)
  4. 1 2 3 4 5 6 siehe dieses Foto der Gedenktafel von 1982 am Eingangsvorbau des Heinemanhofs
  5. 1 2 3 Hans Werner Dannowski: „Wir gehen ins Dorf“ … (siehe Literatur)
  6. Vergleiche diese Stadttafel Hannover Nummer 80, „Brabeckstraße 86“
  7. Helmut Knocke: HÜBOTTER .... In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 179, 368, online über Google-Bücher
  8. 1 2 3 Helmut Knocke, Hugo Thielen: Heinemanhof (siehe Literatur)
  9. Waldemar R. Röhrbein: Israelitische Gartenbauschule Ahlem. In: Stadtlexikon Hannover, S. 318f.
  10. Vergleiche die Inschriften auf den ersten beiden Stolpersteinen vor der Brabeckstraße 86
  11. Kai de Weldige: Minna-James-Heineman-Stiftung / Stiftungszweck … / Stiftungsgeschichte … (siehe Weblinks)
  12. Wolfgang Neß: Bult. In: Denkmaltopographie … [siehe Literatur] …, Teil 1, Bd. 10.1, 1983, S. 140–144; hier: S. 143
  13. 1 2 3 seniorenzentrum-gbs.de: Die Geschichte der Gustav-Brandt’schen-Stiftung (Memento vom 18. September 2012 im Internet Archive)
  14. Wolfgang Neß: Kirchrode (siehe Literatur)

Koordinaten: 52° 21′ 6,5″ N,  49′ 31,2″ O

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