Heterometrus bengalensis

Heterometrus bengalensis

Systematik
Unterstamm: Kieferklauenträger (Chelicerata)
Klasse: Spinnentiere (Arachnida)
Ordnung: Skorpione (Scorpiones)
Familie: Scorpionidae
Gattung: Heterometrus
Art: Heterometrus bengalensis
Wissenschaftlicher Name
Heterometrus bengalensis
(C. L. Koch, 1841)

Heterometrus bengalensis ist ein indischer Skorpion aus der Familie der Scorpionidae.

Beschreibung

Adulte Exemplare habe eine Länge von 95 bis 115 Millimetern und eine dunkle rötlichbraune bis hellbraune Körperfärbung. Die Kämme des Kammorgans haben bei beiden Geschlechtern 14 bis 17 Zähne. Bei den männlichen Tieren sind Chelae, Femora und Patellen der Pedipalpen schmaler und länger als bei den Weibchen. Die Oberflächen der Chelae sind uneben, aber ohne ausgeprägte Granulen und Kiele. Das Telson ist behaart und kugelförmig, mit einer Giftblase, die länger als der Stachel ist.

Verbreitung und Lebensraum

Die Terra typica von Heterometrus bengalensis wurde von Carl Ludwig Koch in seiner Erstbeschreibung mit „Vaterland: Ostindien, Bengalen“ angegeben. Seither wurden zahlreiche Synonyme der Art beschrieben, mit teilweise stark abweichenden Herkunftsangaben. Darunter befand sich immer wieder unzutreffend Myanmar und sogar Madagaskar. Sicher als Heterometrus bengalensis identifizierte Exemplare stammen aus den indischen Bundesstaaten Westbengalen und Odisha. Der tschechische Arachnologe František Kovařík hält es für möglich, dass die Art in weiteren indischen Bundesstaaten und in Bangladesch vorkommt. Ältere Verbreitungsangaben, die Uttar Pradesh, Madhya Pradesh, Assam, Meghalaya und Maharashtra einschließen, beruhen möglicherweise auf Verwechslungen mit anderen Arten der Gattung Heterometrus und bedürfen der Überprüfung.

Heterometrus bengalensis lebt in trockenem Brachland, vorzugsweise an den Rändern von Gräben, auf dem ein dichter Bewuchs mit Sträucher Schatten und Deckung gibt.

Lebensweise

Heterometrus bengalensis gräbt Wohnröhren, die von außen an ihrer charakteristischen halbmondförmigen Öffnung von fünf bis zehn Zentimetern Breite und einem bis vier Zentimetern Höhe zu erkennen sind und in eine Kammer münden. Bei starken Regenfällen kann die halbmondförmige Erscheinung des Eingangs vorübergehend verloren gehen, sie tritt jedoch bald wieder auf, wenn die Trockenheit einsetzt und der Skorpion sich einige Male hindurchbewegt hat. Die Bauten werden von einem einzelnen Tier bewohnt. In seltenen Fällen befindet sich in ihnen ein Paar oder ein Muttertier mit seinen Jungen.

In den Bauten sind häufig Reste der Exoskelette von Insekten, Tausendfüßern und Spinnentieren vorhanden, selten auch Eierschalen von Eidechsen und anderen Tieren, die den Skorpionen als Nahrung dienen. Heterometrus bengalensis verlässt seinen Bau zur Jagd während der Nacht, bleibt aber nach einer Mahlzeit oft mehrere Nächte in seiner Wohnröhre.

Systematik

Erstbeschreibung

Die Erstbeschreibung erfolgte durch Carl Ludwig Koch im Jahr 1841 im neunten Band seines Werks Die Arachniden nach einem Sammlungsexemplar.

Etymologie

Der Artname bezieht sich auf die geografische Region Bengalen als Herkunftsort der Art.

Typmaterial

Von Carl Ludwig Koch wurde in der Sammlung des Museum für Naturkunde in Berlin eine Serie von sieben Syntypen hinterlassen.

H. W. C. Couzijn legte in seiner 1981 veröffentlichten Revision der Gattung Heterometrus zwei dieser Exemplare als Paratypen von Heterometrus (Chersonesometrus) fastigiosus fest und bestimmte ein Museumsexemplar aus der Sammlung des Muséum national d’histoire naturelle in Paris zum Neotypen von Heterometrus bengalensis.

František Kovařík nannte die Änderungen Couzijns in seiner Revision von 2004 „völlig unverständlich“ und bestimmte für die Art aus der Serie der Syntypen Kochs einen Lectotyp, um die von Couzijn getroffene Festlegung eines Neotypen aufzuheben und die in der zoologischen Nomenklatur zwingend vorgeschriebene Festlegung von Typusexemplaren zu erfüllen. Darüber hinaus erklärte Kovařík die übrigen sechs Exemplare Kochs zu Paralectotypen.

Synonyme (chronologisch)

  • Buthus bengalensis Koch, 1841: unter diesem Namen wurde die Art 1841 von Carl Ludwig Koch beschrieben.
  • Palamnaeus costimanus glaucus Thorell, 1876b: Tamerlan Thorell beschrieb 1876 in seinen Études scorpiololiques diese neue Unterart von Palamnaeus costimanus mit der Herkunftsangabe Ostindien und Bengalen. 1981 synonymisierte H. W. C. Couzijn diese Unterart mit Heterometrus (Heterometrus) bengalensis.
  • Palamnaeus bengalensis Simon, 1884: Eugène Simon stellte Buthus bengalensis 1884 in die Gattung Palamnaeus und gab als Herkunftsort „Birma“ an, das heutige Myanmar. Die Grundlage für diese Entscheidung war die Untersuchung von Exemplaren, die tatsächlich zur erst später von Pocock beschriebenen Art Heterometrus thorellii gehörten. Darüber hinaus war die Gattung Palamnaeus bereits 1879 von Ferdinand Karsch zum Synonym von Heterometrus erklärt worden.
  • Scorpio bengalensis Pocock, 1893: gegen Ende des 19. Jahrhunderts bezeichneten Pocock und Karl Kraepelin die Art als Scorpio bengalensis. Wenige Jahre später stellte Kraepelin sie in die Gattung Heterometrus.
  • Heterometrus (Scorpio) bengalensis Kraepelin, 1901: in einem Katalog der in den Sammlungen des Pariser Muséum national d’histoire naturelle vorhandenen Skorpione verwendete Kraepelin 1901 diese Bezeichnung.
  • Heterometrus (Heterometrus) bengalensis Couzijn, 1981: Im Rahmen seiner umfassenden Revision der Gattung Heterometrus beschrieb H. W. C. Couzijn vier Untergattungen, darunter Heterometrus (Heterometrus). Diese wurden 2004 von František Kovařík verworfen, weil Couzijn keine diagnostischen Merkmale zur Abgrenzung der Untergattungen voneinander angegeben hatte, und Kovařík die Auffassung vertrat, dass die Gattung allenfalls durch informelle Artengruppen weiter aufgeteilt werden könne.
  • Heterometrus (Chersonesometrus) fastigiosus Couzijn, 1981: Diese neue Art wurde von Couzin auf der Grundlage von Museumsexemplaren aus dem 19. Jahrhundert beschrieben. Darunter befanden sich auch zwei der sieben von Carl Ludwig Koch 1841 als Syntypen von Heterometrus bengalensis festgelegten Exemplare, die Couzijn an anderer Stelle als im Zweiten Weltkrieg verschollen bezeichnete. 2004 erklärte Kovařík diese Änderungen für ungültig, zumal er die angeblich verschollenen Syntypen in der Sammlung des Berliner Museum für Naturkunde vorgefunden und untersucht habe. Er synonymisierte Heterometrus fastigiosus mit Heterometrus bengalensis.

Medizinische Bedeutung

Vergiftungen treten häufig auf, insbesondere im Sommer und während des Monsuns von Mai bis Oktober. Lokal verursachen die Stiche starke brennende Schmerzen, die für Minuten bis Stunden anhalten können und Ödeme. Schwerwiegender sind die systemischen Reaktionen wie Hypotonie, Bradypnoe, Ruhelosigkeit, Schwindelgefühl und Erbrechen, Leibschmerzen, starkes Durstgefühl, Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Schock. Es liegen nur wenige Berichte über Todesfälle vor, die Kinder und Säuglinge betreffen. Die Behandlung ist auf die Linderung der Symptome beschränkt.

Toxikologie

Da in Indien keine Antivenine gegen Skorpiongifte verfügbar sind spielt die Naturheilkunde bei der Behandlung der Stiche auch von gefährlichen Arten eine bedeutende Rolle. Im Tierversuch konnte das Gift von Heterometrus bengalensis durch Wurzelextrakte von Aristolochia indica, Hemidesmus indicus und Pluchea indica neutralisiert werden.

Das im Gift von Heterometrus bengalensis enthaltene Protein Bengalin hat sich im Laborversuch als wachstumshemmend, zytotoxisch, apoptotisch und als Auslöser der Autophagozytose gegenüber verschiedenen Leukämie-Zelllinien erwiesen.

Intraperitoneal injiziertes Bengalin bewirkte im Tierversuch bei weiblichen Laborratten, bei denen eine Osteoporose hervorgerufen worden war, einen Wiederaufbau von Knochengewebe.

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 František Kovařík: A review of the genus Heterometrus, S. 9.
  2. 1 2 3 Carl Ludwig Koch: Die Arachniden. Neunter Band. C. H. Zeh´sche Buchhandlung, Nürnberg 1841–1842, S. 3–6, Tafel 290, Digitalisat.
  3. 1 2 3 4 Henricus Wilhelmus Cornelis Couzijn: Revision of the genus Heterometrus, S. 117–120.
  4. 1 2 3 František Kovařík: A review of the genus Heterometrus, S. 7–9.
  5. 1 2 Madhu Sudan Kanungo: The ecology and behaviour of the scorpion Palamnaeus bengalensis C. Koch, S. 536–537.
  6. 1 2 Madhu Sudan Kanungo: The ecology and behaviour of the scorpion Palamnaeus bengalensis C. Koch, S. 537.
  7. Henricus Wilhelmus Cornelis Couzijn: Revision of the genus Heterometrus, S. 120.
  8. 1 2 Henricus Wilhelmus Cornelis Couzijn: Revision of the genus Heterometrus, S. 140–142.
  9. Tord Tamerlan Teodor Thorell: Études Scorpiologiques. In: Atti della Societá Italiana di Scienze Naturali 1876, Band 19, S. 75–272, hier S. 219–221, Digitalisat.
  10. Eugène Simon: Arachnides recueillis en Birmanie par M. le chevalier J.B. Comotto, et appartenant au Musée civique d’histoire naturelle de Gènes. In: Annali del Museo Civico di Storia Naturale di Genova, 1884, Band 20, S. 325–372, hier S. 360–362, Digitalisat.
  11. Reginald Innes Pocock: Descriptions of two new genera of scorpions, with notes upon some species of Palamnaeus. In: Annals and Magazine of Natural History 1892, Serie 6, Band 9, S. 38–49 und Tafel III, hier S. 39–43, Digitalisat.
  12. Ferdinand Karsch: Skorpionologische Beiträge. I. In: Mitteilungen des Münchener Entomologischen Vereins 1879, Band 3, Nr. 1, S. 6–22, hier S. 20, Digitalisat.
  13. Reginald Innes Pocock: A small contribution to our knowledge of the scorpions of India. In: Annals and Magazine of Natural History 1894, Band 6, Nr. 13, S. 72–84, Digitalisat.
  14. Reginald Innes Pocock: Report upon a small collection of scorpions sent to the British Museum by Mr. Edgar Thurston, of the Government Central Museum, Madras. In: Journal of the Bombay Natural History Society 1893, Band 7, Nr. 3, S. 295–312, hier S. 310, Digitalisat.
  15. Karl Kraepelin: Revision der Skorpione. II. Scorpionidae und Bothriuridae. In: Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten 1893, Band 11 (erschienen 1894), S. 1–248, hier S. 28–29, 51–53, Digitalisat (ganzer Band).
  16. Karl Kraepelin: Scorpiones und Pedipalpi. In: Friedrich Dahl (Hrsg.): Das Tierreich. Eine Zusammenstellung und Kennzeichnung der rezenten Tierformen. Herausgegeben von der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. 8. Lieferung. Arachnoidea. Friedländer und Sohn, Berlin 1899, S. 114–115, Digitalisat
  17. Karl Kraepelin: Catalogue des Scorpions des collections du Muséum d`Histoire Naturelle de Paris. In: Bulletin du Muséum d'histoire naturelle 1901, Band 7, S. 265–274, Digitalisat.
  18. František Kovařík: A review of the genus Heterometrus, S. 2–4.
  19. Wolfgang Bücherl und Eleanor E. Buckley (Hrsg.): Venomous Animals and their Venoms, vol. 3. Venomous Invertebrates. Academic Press, New York 1971, S. 342, ISBN 978-0-12-138903-1.
  20. Antony Gomes and Aparna Gomes: Scorpion Venom Research Around the World: Heterometrus Species, S. 351–352.
  21. Antony Gomes and Aparna Gomes: Scorpion Venom Research Around the World: Heterometrus Species, S. 354–357.
  22. Rinku Das, Sourav Ghosh and Antony Gomes: Indian Black Scorpion (Heterometrus bengalensis) Venom Action Neutralization by Indian Medicinal Plants in Experimental Animals. In: Journal of Toxins 2016, Band 3, Nr. 2, Artikel 7, Online.
  23. Shubho Das Gupta et al.: Indian black scorpion (Heterometrus bengalensis Koch) venom induced antiproliferative and apoptogenic activity against human leukemic cell lines U937 and K562. In: Leukemia Research2007, Band 31, S. 817–825, doi:10.1016/j.leukres.2006.06.004.
  24. Shubho Das Gupta et al.: Bengalin initiates autophagic cell death through ERK–MAPK pathway following suppression of apoptosis in human leukemic U937 cells. In: Life Sciences 2013, Band 93, S. 271–276, doi:10.1016/j.lfs.2013.06.022.
  25. Antony Gomes et al.: Experimental osteoporosis induced in female albino rats and its antagonism by Indian black scorpion (Heterometrus bengalensis C.L.Koch) venom. In: Toxicon 2009, Band 53, S. 60–68, doi:10.1016/j.toxicon.2008.10.011.
  26. Subhash Haldar et al.: A high molecular weight protein Bengalin from the Indian black scorpion (Heterometrus bengalensis C.L. Koch) venom having antiosteoporosis activity in female albino rats. In: Toxicon 2010, Band 55, S. 455–461, doi:10.1016/j.toxicon.2009.09.013.
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