Zoon politikon (altgriechisch ζῷον πολιτικόν Lebewesen in der Polis­gemeinschaft) ist ein philosophisch-naturwissenschaftlicher Fachbegriff, der auf den griechischen Philosophen Aristoteles zurückgeht, als Fremdwort aber auch von der deutschen Sprache übernommen wurde. Grundsätzlich handelt der Begriff von einer Bestimmung des „Menschen als soziales und politisches Lebewesen“, wie sie Aristoteles in seinen Werken Politik und Die Seele vorgestellt hat. Platons Philosophie geht ihnen voran, indem er die in ihrer naturgesetzlichen Urverfasstheit gerechte Seele teils eher poetisch-intuitiv, wie im Phaidros-Mythos, teils eher sachlich-rational erörtert, wie im Idealen Staat.

In diesem Dialog beschreibt der Autor den Staat als äußeren Ausdruck der Seele und legt besonderen Wert darauf, sie auf ihre Eignung hin zu prüfen, sich in kämpferischen Situationen zu bewähren. Als Beispiel beschreibt Platon einen prähistorischen Konflikt, der sich ab ca. 10.000 v. u. Z. zwischen den politischen Organisationen Ur-Athens und dem mythischen Atlantis ergeben habe, und nimmt an, dass diese Auseinandersetzung schließlich zur vollständigen Vernichtung des atlantischen Ur-Staates führte. Eigentliche Ursache für den Untergang dieses mythischen Inselreiches sei ein fataler Kultur-Irrtum seiner herrschenden Klasse gewesen, und zwar die Entscheidung der Götter, sich mit den von ihnen einst erschaffenen Menschen zu vermischen (Timaios 24e; Kritias 120e, 121c). Weil der „göttliche Anteil“ des Staates durch die Verpaarung mit dem Geschlecht der Menschen zusehends geschwunden sei, habe die Herrscher eine Gier nach Macht und Reichtum ergriffen (Kritias 121a–c), im weitesten Sinne also eine selbstverschuldete seelischen Störung. Platons Modell der idealen (gesunden) Seele des Menschen als ein durch politische Verhältnisse illustrierbares Gebilde, stellt insofern ein Kontrastmittel dar, das die pathogenen Abweichungen als solche erkenn- und benennbar macht (diskussionsfähig).

Zwischen diesen umfangreichen, für uns Heutige auf teils rätselhafte Begriffe wie Götter und Menschen gegründeten Ausführungen Platons und denen seines Nachfolgers existiert ein bemerkenswerter Unterschied: Aristoteles ist der erste Philosoph im Abendland, der das politische Vermögen und weitere Besonderheiten des Menschen in fachspezialiserter Abgrenzung zu den anderen Arten der Tiere (zoon) herauszuarbeiten beginnt. Mit diesem Anfang einer echt wissenschaftlichen Klassifikation zur Begründung seiner Definition des Homo sapiens als 'politisches Lebewesen' arbeitete Aristoteles eine Reihe von Argumenten heraus, die man heute weiter nach den Gebieten der Psychologie, Eusozialität, Human- und Primaten-Ethologie differenziert und zu klären versucht.

Allgemeines

Im Folgenden werden verschiedene, u. a. auch mythologische Aspekte des Fachbegriffes behandelt. Dabei ist zu beachten, dass trotz der wissenschaftlichen Herangehensweise Aristoteles' in der Forschung umstritten blieb, welchen Sinnes genau er den Ausdruck verstanden haben könnte. Einige Wissenschaftler, etwa Wolfgang Kullmann, nehmen an, der Autor habe mit seinem Begriff einen ersten Versuch unternommen, den Menschen als ein auf die Bildung und den Erhalt von Gemeinschaft angelegtes Lebewesen zu bestimmen. Dies kennzeichnet indes alle Tierarten, die in sozialen Verbänden organisiert leben, u. a. die Bienen. Diese Tierart erwähnt bereits Aristoteles, interessanterweise unter dem Hinweis, dass sie als unvermögend zum Staatswesen in dem von ihm gemeinten Sinne aufzufassen sei. Dies steht in einem direkten Widerspruch zu der im deutschen Sprachraum auch üblichen Bezeichnung der Bienen als staatenbildende Lebewesen.

Ein u. U. besser geeigneter Begriff umschreibt das zugrunde liegende Verhalten als Eusozialität und die betreffenden Arten als solche, deren Mitglieder eher frei beweglichen Organe als 'echten Individuen' gleichen. Königinnen und Dronen verkörpern hierbei den reproduktiven Apparat, das 'Volk' hingegen jene Funktionen, die der Beschaffung von Nahrung, dem Nestbau und der Verteidigung der jeweiligen Gebildes dienen. Die interne Kommunikation und Kooperation dieser eusozialen Gemeinschaften, welche treffend – den politisch konnotierten Begriff des "Staates" meidend – auch als Super-Organismen bezeichnet werden, basiert auf dem Austausch opto-chemisch-taktiler Signale. Die Abstimmung erfolgt dezentral organisiert aus jedem einzelnen der Genome, so gibt es keine Steuerung von Oben, wie es die deutsche Bezeichnung "Insekten-Staat" suggeriert.

Solche Organismen entstanden in der Evolutionsgeschichte lange vor jenen, deren soziale Verbände vielleicht eher aus echten Individuen bestehen. Jedes einzelne unter ihnen ist befähigt zur Reproduktion; man nennt sie u. a. Schwärme, Herden und Rudel. Am evolutionsgeschichtlich jüngsten Punkt dieser keineswegs abgeschlossenen Entwicklung stehen die sog. Horden der bewusstseinsmäßig am höchsten evolutionierten Primaten. Dieser Name (s. a. Primus Omnium, der Klassenbeste) umschreibt ihre geistige Sonderstellung im Reich der belebten Materie und gilt es als unzweifelhaft, dass der Mensch jene Primaten-Art darstellt, die die am umfangreichsten evolutionierte Bewusstseinskapazität aufzuweisen hat.

Die Erklärung zur Entstehung des Bewusstseins und des sozialen (kooperativen) Verhaltens ist für die Evolutionsbiologie, die im Allgemeinen einen rücksichtlos Konkurrenzkampf postuliert, ein Problem, dessen Lösung aktuell noch aus steht. Andere Forscher, darunter Eckart Schütrumpf, wenden sich daher von den Untersuchungen der sozialen Phänomene tendenziell eher ab und verlegen den Schwerpunkt ihrer Betrachtungen auf das Phänomen der Politik. So stellt die Fähigkeit, existenzielle Daseinskrisen (Raumknappheit und-oder Nahrungsmängel infolge Überbevölkerung) anhand politischer Übereinkünfte zwischen an sich verfeindeten Gruppen zu entschärfen, nach Befunden der modernen Anthropologie erst einen spezifisch menschlichen Vorzug dar, der als solcher ein genügend weit evolutioniertes Bewusstsein voraussetzt.

Der potenzierende Beitrag, den unsere artikulierte Sprache hierbei leistet, indem sie das rational reflektierende Denken (logon echon) der 'einzelnen Gehirne' auf akustischem Wege miteinander vernetzt und somit die Bildung hocheffizient kooperierender Gruppen nochmals begünstigt (selbst in der Nacht oder während die Hände mit dem Gebrauch von Schusswaffen wie 'Pfeil und Bogen' befasst sind), wurde ebenfalls schon von Aristoteles selbst berücksichtigt. Auch Redewendungen wie Das Wort geben und halten; Wortbruch, zeugen von einer engen Verbindung zwischen Sprachvermögen und Politik, wiewohl ersteres vermutlich lange vor den ersten politischen Superstrukturen entstand. Kommunikation im Allgemeinen stellt ein Grundphänomen der Evolution dar; siehe z. B. die Schleimpilze, die sich in schwierigen Situationen nicht nur zu quasi vielzelligen Organismen koordinieren, sondern dazu auch das sog. Kürzesteweg-Problem hocheffezient lösen. Den Bienen gelingt dies mit ihrer Tanzsprache ihrerseits, evolutionsgeschichtlich aber traten die eusozialen Insekten erst sehr viel später in Erscheinung als jene Pilze.

Zusammenhänge dieser Art erklären nun auf dem Wege der Naturwissenschaft, warum nicht zuletzt unseren evolutionsgeschichtlich nächsten Verwandten zwar instinktiv hochsoziale Gemeinschaften zu bilden vermögen, ungeachtet aber ihrer technologisch recht beachtlichen Intelligenz, Laut- und Gestensprache gänzlich außer Stande blieben, eine akute Überbevölkerungskrise mittels politischer Verträge zu überbrücken. Eröffnet sich den betroffenen Hordengemeinschaften keine andere Option als Ausweg (Emigration in freie Territorien; rasche Dezimierung durch tödliche Epidemien) müssen sie den sich aufgrund der verknappenden Nahrung und Überlastung der max. Kommunikationskapazität einstellende Stress anhand jener Methode auflösen, die dem Menschen infolge einer genetischen Disposition seinerseits allzu vertraut ist: es kommt zu den partiell auf Genozid hinauslaufenden Kriegen der Schimpansen. Hier 'sprechen' ggf. nur noch die Waffen.

Archäo- und mythologische Hintergründe

Das Vermögen des Homo sapiens, zur Vermeidung kriegerischer Konflikte politische Abkommen zu vereinbaren, liegt allen sog. Hochkulturen der Menschheit zugrunde. Älteste architektonische Hinterlassenschaften diesen Sinnes verkörpern die megalithischen Bauwerke in mehrerer Hinsicht, so zunächst vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Errichtung der größeren unter ihnen nicht ohne eine bereits gruppen-übergreifend organisierte Arbeitsteilung möglich gewesen sei. Klaus Schmid, der Urheber dieser sich auf die von ihm entdeckten Anlagen von Göbekli Tepe beziehenden Aussage, macht weiterhin zwischen diesen eine Verbindung zur sumerischen Genesis explizit. Dieser Mythos beschreibt eine große politischen Organisation während der von ihr vorgenommenen Gestaltung des Gartens von Eden (s. u.). Im Sinne eines hypothetisch universellen Motives, das ggf. weltweit immer wieder unabhängig voneinander zur Entstehung solcher Kulturen führte, nennt der Kognitionsarchäologe Colin Renfrew zwei wesentliche Faktoren: einerseits den der Überbevölkerung, welche u. a. als Folge der entwickelten Agrarwirtschaft (neolithische Revolution) aufzufassen sei, und andererseits die sich daraus ergebendene Notwendigkeit, das Zusammenleben politisch zu ordnen. Nicht zu vernachlässigen sei zudem der stark Zusammenhalt stiftende Effekt, der sich aus der gemeinsamen Verwirklichung großer kultureller Projekte (Urbarmachung ganzer Landschaften, monumentaler Bauten) ergibt.

In diesen Zusammenhang fügt sich recht nahtlos die Hypothese anderer renommierter Forscher, der zufolge das bekannteste und imposanteste der Megalith-Monumente, Stonehenge, spätestens in der jüngsten seiner Bauerversionen eine Art Selbstporträt zweier politisch geeinter Stammesverbände darstellt. Diese Deutung stützt sich auf die hierarchische Doppelausführung der das Bauwerk kennzeichnenden Formationen aus bearbeiteten Steinen, die die Autoren demzufolge als Symbole zweier Menschengruppen mit ihren respektiven Kulturen auffassen. Ergänzt und gefestigt wird diese Interpretation durch die Tatsache, dass die Formationen grundsätzlich aus zwei sehr verschiedenen Materialien hergestellt worden sind: Sarsen als ein relativ weicher Sandstein und dem gegenüber Bluestone: ein sehr hartes Tiefengestein. Letzteres wurde zu den kleinen, dafür aber in doppelter Anzahl vorhandenen Menhire zylindrischer Form verarbeitet, erstere zu den bis dreifach so großen Quadern.

Schriftlich sehr gut dokumentierte Beispiele bieten weiterhin die griechischen Stadtstaaten, da jede dieser Polis ihrerseits aus wenigstens zwei zueinander hierarchisch positionierten Gemeinschaften organisiert war: Gegenüber der Minderheit der ursprünglich führenden Aristokratie stand die Mehrheit des zur Gefolgschaft verpflichteten Demos. Daran geknüpft waren oft die Zusage letzterer Partei, der Siegermacht gewisse Tributsleistungen zu entrichten (Ablieferung von Anteilen der Ernte- oder Viehzuchterträge). Auf Übereinkünfte dieser Art, wie ebenfalls auf die Tatsachen der unaufhörlichen ex- und internen Konflikte bis hin zu den Verstragsbrüchen der teilhabenden Parteien, bezieht sich Aristoteles' Argumentation bei der Definition des Begriffes Zoon Politkon im Wesentlichen. Denn wer ohne politische Verbindung da steht, keinen Geschlechterverband kennt, keinen Staat und kein Recht – sei es weil er minderwertig ist oder übermenschlicher Herkunft (wie z. B. der mythische Einäugiger Polyphem als Abkömmling des Gottes Poseidon) – , der sucht zugleich Streit.

Dieses für die hellenische Kultur grundlegende Phänomen wurde in ihr mythisch begründet, künstlerisch in Tragödien oder Komödien verarbeitet und philosophisch diskutiert – etwa in Gestalt der Platon'schen Kugelmenschen, deren Aufstand wider den Himmel der Autor seiner realitätsgetreu als Komödiant auftretenden Dialogsfigur Aristophanes in den Mund legt (s. Das Gastmahl). Die berühmteste dieser Erzählungen handelt von dem Bündnis, in dem sich – so Hesiods Theogonie – die Partei der Titanen Epi- und Prometheus verpflichtete, an der Seite der Götter um Zeus zu kämpfen. Dies ging gut, bis ein interner Konflikt um die gerechte Verteilung eines Rindes, den Umgang mit den Frauen der Zeuspartei sowie allgemein mit dem Feuer das friedliche Miteinander beendige: Dem Titanen Epimetheus wurde im Sinne einer strategisch unschädlich machenden Maßnahme (Entzweiung) ein fatales Hochzeitsgeschenk hergestellt (s. Pandora) und sein des Partners beraubter Bruder Prometheus in den Kaukasus verbannt.

Sumerische Kosmogonie

Ein weiteres mythisches Relikt politischer Art liegt der Forschung in Form der sumerischen Genesis vor. Am Anfang erschafft der Gott Enlil Erde und Luft inmitten des kosmischen Süßwasser-Urozeans, dann beginnt die Urbarmachung Mesopotamiens. Gemäß dem Epos Atrahasis kooperieren hierbei wiederum zwei hierarchische Parteien: die unteren Götter graben als Körper-Arbeiter, die anderen von Oben her als Überblick habende Arbeiter des Geistes zwei gewaltige Bewässerungskanäle aus, die heute unter den Namen Tigris und Euphrat bekannt sind und mittels derer ihnen gelingt, die öde Steppe: sumerisch Eden, in eine blühende Gartenlandschaft zu verwandeln. Auch das weitere Geschehen ähnelt frappant dem oben erwähnten griechischen Mythos: Die unterlegene Götterpartei ist unzufrieden mit den Nachteilen ihres Aufgabengebietes und erhebt sich zu einer Revolte, woraufhin die oberen Götter den Versuch unternehmen, diesen Konflikt mittels Herstellung eines ersten Paares von Menschen (Arbeitssklaven) zu befrieden.

Diesen speziellen Aspekt der sumerischen Schöpfungsgeschichte datiert das Epos auf ungefähr 4 Tausend Jahre vor der Sintflut, nämlich ein Ereignis, das der urhebende Dichter als von der oberen Götterpartei bewusst inszeniert darlegt und mit ihrer Absicht begründet, die sich inzwischen stark vermehrt habende Menschheit wieder zu beseitigen. Das Alte Testament behandelt den politisch-ökonomischen Hintergrund dieses mythisch misslungenen Genozids nur noch aus der monotheistisch moralisierten Perspektive., geht also auf sie nicht ein oder meidet es sogar. Gezielte Massenvernichtung gilt aber noch bei Homer als legitimes Mittel zur Behebung bedrohlicher Überbevölkerungskrisen: Das Argument, mit dem er die olympischen Götter den Trojanischen Krieg verursachen lässt, beruft sich eben darauf, dass die Mutter Erde unter der Last allzu vieler auf ihr wandelnder Menschen leide. Dies stellt eine Anthropomorphisierung dar (wie bereits die projektive Übertragung des weiblichen Gebärvermögens auf unseren Planeten bzw. jede unbelebte Mater-ie); so ist klar, es geht um eine die Menschheit selbst anbetreffende Problematik: erfolgreiche Vermehrung, Überbevölkerung, vertragliche Übereinkünfte und Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Ansätze des Zoon politikon bei Platon

Der Mythos bezüglich des Bündnis zwischen Zeus' Partei und den beiden o. e. Titanen, galt den Griechen als historisches Dokument über die Früh- oder Vorgeschichte der Polis Athen (benannt nach der Frauengemeinschaft um Athena). In der Politeia u. U. noch weiter zurück, bis hin zum Beginn des Krieges ganz Ioniens mit dem sagenhaften Bündnis Atlantis (dem Pro- und Epimetheus ursprünglich angehörten) beschreibt Platon in seinen Werken Politikos und Phaidros den Menschen als ein von Natur aus doppelt angelegtes Wesen. Durch seine physische Beschaffenheit ist er im Weltlichen verankert (das schwer zu lenkende der Pferde am zwiespännigen Seelenwagen), während seiner metaphysisch-göttlich beheimateten Vernunft über das Daimonion die Möglichkeit gegeben ist, ein Modell des idealen Verhaltens und Zusammenlebens zu entwickeln. Anhand dieses Ideals – des Staates als Abbild der wohlgegliederten Seele – kann sich der Mensch vervollkommnen und über seine Grundgemeinschaften hinaus politische Superstrukturen bilden. In der Aufgabe der Staatenlenkung, zu der Platon beide Geschlechter gleich befähigt sieht, vollendet sich daher der Mensch als dem Vorbild der Götter nacheiferndes Wesen. Wie der weise Weltschöpfer Sorge trägt für die Ordnung des Kosmos, so sorgen die Staatenlenker für das Wohl der Menschen, indem sie ihre sich andernfalls bekriegenden Einzelnen zu Staaten einen.

Die höchste Aufgabe der Staatslenkung besteht im Philosophieren (Ringen um Wahrheitserkenntnis) und in der Formulierung der während dessen entdeckten Gesetze, durch deren verhaltensmäßige Umsetzung der Staat entsteht und seine Kontinuität gewährleistet ist. Unter pädagogischer Anleitung (Erziehung im Sinne der Gesetze) entfaltet der Mensch von Kindheit an seine Anlagen (unter der Erde, noch vor der Geburt nach vier Klassen der Tüchtigkeit prädestiniert) und wird ihm sein jeweils angemessener Platz in der politischen Gemeinschaft bewusst; dies fördert die gesunde Entwicklung vom Kind hin zum Bürger und bindet sie als Staat aneinander.

Verkörpert wird die Staatsführung von ab dem 60. Lebensjahr wählbaren Bestbewährten aus der Klasse der Goldenen Wächter, so gilt sie als Herrschaft der Philosophen. Sie erörtern und artikulieren das Schöne, das Gute und das Wahre gemäß eines Ideals der Gerechtigkeit, welches für Platon kein im Himmel der Ideen-Lehre gelegenes Abstraktum bleibt, sondern die gesunde Seele im Zusammenhang des Empfindens, Denkens und der zwischenmenschlichen Beziehungen darstellt. Erst anhand dieses Modells (im Kontrast zu ihm) lassen sich potentielle Abweichungen definieren und ggf. feststellen (gestuft bis hinab zum Extrem der tyrannischen Seele), wodurch den Menschen die Möglichkeit gegeben wird, erkannte Schwächen an Leib und Seele therapeutisch zu behandeln und/oder prophylaktische Maßnahmen zu ergreifen.

Der Staat als organisch gliederte Seele ist optimal strukturiert, wenn seine philosophisch herrschende Vernunft dafür zu sorgen vermag, dass all seine Teile (Bürger; Organe) die ihrer jeweiligen Beschaffenheit entsprechenden Tätigkeiten ausüben und Übergriffe in fremde Zuständigkeitsgebiete unterbleiben. Kommt es hierbei zum Versagen, hat dies notwendig Missstände zur Folge, was sich im Außen als Schwächung v. a. der militärischen Fähigkeiten bemerkbar macht, intern wiederum hinführen kann zu bürgerkriegsähnliche Situationen wie der Erhebung Prometheus'.

In seinem Werk Das Gastmahl ergänzt Platon den fatalen Ausgang dieser Erzählung durch einen Mythos eventuell eigener Urheberschaft: den Aufstand der Kugelmenschen wider den 'Himmel' der Götter um Zeus und den Beschluss dieser Partei, die Aufständischen auf dem Wege einer gekonnt durchgeführten Zerschneidung wehrlos zu machen. Bezeichnend ist, dass Platon den Bericht dieser strategisch chirurgischen Maßnahme ('Zerteile und Herrsche') zwar dem Komödiendichter Aristophanes in den Mund legt, den Dialog jedoch ausklingen lässt mit einer zur Diskussion gestellten These Sokrates: Dass ein wahrhaft großer Mann fähig sein müsse, dasselbe Ereignis sowohl als Komödie wie als Tragödie erscheinen zu lassen.

Groß heißt für Platon ein Mensch, der sich im Sport (Olympdiaden) und im Krieg, in der Politik und beim Philosophieren gleichermaßen bewährt, sich im Bedarfsfall somit auch mit Geschick der Lüge bedienen kann. Denn wer effektiv lügen will (wie Odysseus Trugbilder konstruieren zwecks Täuschung der Feinde oder zum Wohle der die ganze Tragweite der Realität ggf. zu ihrem Schaden missverstehenden Freunde), muss unbedingt die Wahrheit kennen. In der Politeia erörtern die Teilnehmer dieses Dialoges eine legitime Täuschung der jungen Bürger hinsichtlich der Methode, anhand derer die Reproduktion im Staate kulturell (friedlich) gelenkt werden soll: Dem offiziellen Wortlaut nach handelt es sich um ein Losverfahren (eine Zufallsverteilung); in Wirklichkeit aber begünstigt der Rat der greisen Philosophenherrscher heimlich die sich als Goldene bewährenden unter den jungen Wächtern (vgl. Darwins Entdeckung des Gesetzes der Natürlichen Zuchtwahl). In diesem Zusammenhang legt Platon dann auch Wert darauf zu betonen, dass das Kriterium der Auswahl eben nicht dem des patri- oder matrilinearen Erbrechts entspricht, sondern aus lebenslang immer wieder zu bestehenden Prüfungen besteht. So legt sich der Mensch, dessen Seele makellos gerecht ist, gerne zum Sterben, sollte sein Organismus sich im Alter oder von einer schwereren Verletzung nicht mehr erholen können.

In der Zwiefalt des menschlichen Daseins liegt nun die Ursache für den Menschen als politisches Wesen: Der physisch-triebhafte Anteil seiner Seele drängt ihn zur Ernährung und Sorge um die Nachkommenschaft (Kampf um das Dasein), während die göttlich-metaphysische Herkunft seiner Vernunft ihn befähigt, dem tatsächlich nachzukommen, auch unter erschwerten Bedingungen (Überbevölkerung; Kriege; Naturkatastrophen). Der Einzelne (Staatenlose) kann sich gegen die Widrigkeiten des Daseins nicht behaupten.

Zoon politikon bei Aristoteles

Die Konzeption des Zoon politikon basiert auf der aristotelischen Vorstellung der Teleologie. Das jedem Dinge innewohnende Telos beschreibt seinen von der ersten Ursache her bedingten Daseinszweck und den Weg zur Vervollkommnung desselben. Bezogen auf das Zoon politikon ist das Telos die Erreichung des „guten Lebens“, das nur in der Polis verwirklicht werden kann. Dieses Ziel wohnt jedem Menschen von Natur aus inne, so ist er zur Staatenbildung determiniert. Sich als Individuum diesen Sinnes entwickeln zu können (ohne Freundschaften) ist nach Aristoteles unvereinbar mit seiner Definition des Zoon politikon.

„Wie im Samen der ganze Baum veranlagt ist, so ist im Menschen der Staat veranlagt.“ Der Staat liegt demnach als (metaphisches) Potential bereits dem Naturzustand zugrunde und wird dadurch ausgebildet, dass sich der Mensch gemäß seines immanenten Telos zum Zoon politikon entwickelt und verwirklicht.

Der Wille zur Staatenbildung ist bei Aristoteles begründet durch den Willen zum Leben, da sich der Mensch trotz aller Widrigkeiten im Leben Glück und Freunde erhofft. Die Voraussetzung zur Staatenbildung ist der Besitz von Logos, anhand dessen der Mensch als sprachbegabtes sowie zum rationalen Denken befähigtes Lebewesen (zōon logon echon) Gutes/Gerechtes und Schlechtes/Ungerechtes benennen kann. Die Fähigkeit zum „Benennen“ schließt Erkenntnisfähigkeit und Sprachfähigkeit ein, durch die der Mensch sich (neben seiner Lebensdauer, dem aufrechten Gang und der Asymmetrie der Hälften) vom Tier unterscheidet.

Die Formel von der politischen Natur des Menschen bedeutet für Christof Rapp, „dass der Mensch durch seine Kooperationsbedürftigkeit, durch das Streben nach Autarkie und durch die sprachliche Kommunikationsfähigkeit seine natürlichen Anlagen am besten im Rahmen einer gesetzlich geregelten Gemeinschaft, dem Staat, verwirklichen kann.“

Eine gewisse Klarstellung erfährt die Auffassung des Menschen als zoon politikon durch Aristoteles selbst, indem er ausführt: „Die Liebe zwischen Mann und Frau besteht gemäß der Natur. Denn der Mensch ist von Natur aus ein mehr auf die Paarbeziehung* als auf das Zusammenleben in der Polis angelegtes Wesen. (* zoon syndyastikón, wörtlich: „ein für eine Gemeinschaft zu Zweien bestimmtes Lebewesen“.) Insofern ist das (familiäre) Hauswesen älter und notwendiger als die Polis.“

Moderne Anthropologie

Moderne Verhaltensforscher und Anthropologen haben sich mit dem gleichen Komplex beschäftigt. Die nächsten genetischen Verwandten des Menschen leben zwar in hochsozialen Gemeinschaften, aufgrund ihres minder entwickelten Bewusstseins und fehlenden Sprachvermögens blieben sie aber außerstande, mit fremden Gruppen politische Vereinbarungen zu treffen. Lokale Daseinskrisen (Überbevölkerung; fehlende Möglichkeiten der Emigration) führen zum Ausbruch eines kriegsähnlichen Verhaltens. In der Betrachtung dieses Extrems des instinktiven Territorialverhaltens weist der Primatenforscher Frans de Waal darauf hin, dass die Bildung militärischer oder zum Zwecke des Handels kooperierender Superstrukturen erst eine artspezifische Besonderheit des Homo sapiens sei.

Literatur

  • Otfried Höffe: zôon politikon. In: ders. (Hrsg.): Aristoteles-Lexikon (= Kröners Taschenausgabe. Band 459). Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-45901-9.
  • Wolfgang Kullmann: Der Mensch als politisches Lebewesen bei Aristoteles. In: Hermes 108 (1980), S. 419–443.
  • Wolfgang Kullmann: Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-06620-9, S. 334–363.
  • Fleischer, Margot: Hermeneutische Anthropologie, Berlin-New York 1976.

Einzelnachweise

  1. Duden online Zoon politikon. Abgerufen am 10. Januar 2012.
  2. Aristot. Pol. 1253a1-11
  3. Rafael Ferber: Platonische Aufsätze. De Gruyter, 2020, abgerufen am 18. Mai 2023 (englisch).
  4. Vgl. z. B. Karen Piepenbrink: Politische Ordnungskonzeptionen in der attischen Demokratie des vierten Jahrhunderts v. Chr. Eine vergleichende Untersuchung zum philosophischen und rhetorischen Diskurs, Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07848-7. S. 59–61.
  5. Tiergesellschaft. Abgerufen am 7. September 2022.
  6. Eckart Schütrump: Philosophische Bibliothek. Band 616. Meiner, Hamburg 2012, S. 6 (Aristoteles: Daraus geht nun klar hervor, dass der Staat zu den Dingen zu zählen ist, die von Natur sind, und dass der Mensch von Natur ein Lebewesen ist, das zum staatlichen Verband gehört, und dass derjenige, der aufgrund seiner Natur, und nicht durch eine Schicksalsfügung, außerhalb des staatlichen Verbandes steht, entweder minderwertig oder übermenschlich ist, wie derjenige, der von Homer geschmäht* wurde: «ohne Geschlechterverband, ohne Recht, ohne Herd». Denn wer von Natur aus so ist, der sucht zugleich Streit, da er ohne Verbindung dasteht wie (ein Stein) auf dem Spielbrett. Dass aber die Bezeichnung «zu einem staatlichen Verband gehörend» eher für den Menschen als für jede Biene und jedes Herdentier zutrifft, ist klar. Denn die Natur schafft, wie wir sagen, nichts ohne Zweck. Nun hat der Mensch als einziges Lebewesen Sprache; die Stimme gibt zwar ein Zeichen von Schmerz und Freude, deswegen ist sie auch den übrigen Lebewesen verliehen, denn ihre Natur gelangte bis zu der Stufe, dass sie Empfindung von Lust und Schmerz haben und sich diese untereinander anzeigen; die Sprache aber dient dazu, das Nützliche und Schädliche, und daher auch das Gerechte und Ungerechte, darzulegen. Denn dies ist den Menschen gegenüber den anderen Lebewesen eigentümlich, allein ein Empfinden für Gut und Schlecht, Gerecht und Ungerecht und anderes zu haben. Die Gemeinschaft in diesen Dingen begründet aber Haushalt und Staatsverband. (* Anmerkung vom Wiki: Der Zyklop Polyphem mit seinem Sprachverständnisproblem und Unwillen oder Unvermögen zur politischen Sitte der Gastfreundschaft)).
  7. vgl. etwa Bert Hölldobler & Edward O. Wilson: Der Superorganismus. Springer Verlag, 2010. ISBN 978-3-540-93766-1, darin Kap. 2: genetische Grundlagen der sozialen Evolution.
  8. Effizienz von Mikroorganismen | Schleimpilze imitieren Bahnnetz von Tokio, auf spiegel.de
  9. Manon Bischoff: Die fabelhafte Welt der Mathematik: Schleimpilze sind die besseren Mathematiker. Abgerufen am 9. August 2023.
  10. Katarina Fischer: Komplexe Kommunikation: Schimpansen sprechen in ganzen Sätzen. In: National Geographic. 20. Mai 2022, abgerufen am 19. Juni 2023 (deutsch).
  11. Kampf der Kriegeraffen. Abgerufen am 17. Juni 2019.
  12. David P Watts, John C Mitani: Kampf der Kriegeraffen. 86 Minuten; Regie: James Reed, 2016. abgerufen am 7. August 2023
  13. Lasset die Waffen sprechen: Sprichwörter mit Waffen-Bezug, auf supremereplicas.com
  14. Eine Revolution im großen Stil, auf spektrum.de
  15. Klaus-Dieter Linsmeier: Eine Revolution im großen Stil. Interview mit Klaus Schmidt. In: Abenteuer Archäologie. Kulturen, Menschen, Monumente. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 2006, 2, ISSN 1612-9954.
  16. Colin Renfrew: Die Megalith-Kulturen. Hrsg.: Spektrum der Wissenschaft. Januar 1984.
  17. R.S. Thorpe & O. Williams-Torpe: The myth of long-distance megalith transport. Hrsg.: In Antiquity. 1991.
  18. Rank von Graves: Griechische Mythologie. 39. Atlas und Prometheus.
  19. Rainer Albertz: Geschichte und Theologie. In: Ingo Kottsieper (Hrsg.): Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft. Nr. 326. de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017633-5.
  20. Wer baute die babylonische Arche? Ein neues Fragment der mesopotamischen Sintfluterzählung aus Assur. Abgerufen am 4. November 2022.
  21. Platon, Politeia 443b–444d. Vgl. Thomas Szlezák: Psyche – Polis – Kosmos. In: Enno Rudolph (Hrsg.): Polis und Kosmos, Darmstadt 1996, S. 26–42. Für Einzelheiten der Analogie zwischen Polis und Seele siehe Norbert Blößner: Dialogform und Argument, Stuttgart 1997, S. 152–213 und Otfried Höffe: Zur Analogie von Individuum und Polis (Buch II 367a–374d). In: Otfried Höffe (Hrsg.): Platon: Politeia, 3. Auflage, Berlin 2011, S. 51–69. Für den Zusammenhang zwischen kosmischer und menschlicher Ordnung siehe Tatjana Alekniene: Kosmios kai theios. In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 46, 1999, S. 369–387.
  22. Zum kosmischen Vorbild seines idealen Staats-Modells siehe Platon, Timaios 89d–90d.
  23. Platon, Politeia 433a–435a.
  24. Platon, Politeia 412b–414b.
  25. William Keith Chambers Guthrie: The later Plato and the Academy. In: A History of Greek Philosophy. Band 5. Cambridge University Press, Cambridge 1978, ISBN 0-521-29420-7 (archive.org).
  26. Gegen Ende des neunten Buches der Politeia wird die Frage erörtert, ob sich ein gerechter Mensch am politischen Leben seines Stadtstaates beteiligen solle oder überhaupt kann. Auf Sokrates’ Antwort, der Gerechte könne sich engagieren, vielleicht jedoch nicht in einer der jetzt auf Erden waltenden Polis, entgegnet Glaukon, dass ein solcher Idealstaat dann wohl nur als ein „Muster“ (παράδειγμα) im „Himmel“ der Ideen zu finden sei, woran man sich halten könne (Pol. 592a–b). Inwieweit dieses "sich halten könne" einen Hinweis auf die praktische Realisierbarkeit der platonischen Seelenlehre impliziere, bleibt in der modernen Forschung umstritten.
  27. Platon, Politeia 433a–435a.
  28. Fleischer, Margot: Hermeneutische Anthropologie : Platon, Aristoteles. De Gruyter, Berlin 1976, ISBN 3-11-006714-5.
  29. Christof Rapp: Aristoteles zur Einführung, Junius-Verlag, Hamburg 2001, S. 55.
  30. Nikomachische Ethik, 1162 a.
  31. Territorialverhalten. Abgerufen am 12. Juli 2019.
  32. Philip Bethgen, Rafaela von Bredow: : Hippie oder Killeraffe? In: Spiegel Online. Band 34, 21. August 2006 (spiegel.de [abgerufen am 1. Juli 2019]).
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