Als neolithische Revolution wird das erstmalige Aufkommen erzeugender (produzierender) Wirtschaftsweisen (Ackerbau bzw. Pflanzenbau und Tierhaltung bzw. Tierproduktion), der Vorratshaltung und der Sesshaftigkeit in der Geschichte der Menschheit bezeichnet. Dies löste in einigen Gebieten die Lebensweise der reinen Jäger und Sammler ab, und es beginnt hier die Epoche der Jungsteinzeit (Neolithikum). Die Bezeichnung wurde ab den 1930er Jahren von Vere Gordon Childe geprägt.
Epochenwechsel
Childe definierte das Neolithikum über das Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht. Dagegen hatte John Lubbock den Unterschied zwischen Alt- und Jungsteinzeit mit der Verwendung polierter Steingeräte verbunden. Forscher diskutieren sowohl die Entstehung (neolithische Revolution) als auch die Verbreitung (Neolithisierung) neolithischer Kulturgruppen. Nach derzeitiger Kenntnis entstand der Ackerbau weltweit mehrmals unabhängig voneinander: Gesichert sind der Fruchtbare Halbmond des Nahen Ostens, China und Mexiko. Von diesen Zentren aus wurde er durch Migration oder Imitation verbreitet.
Begriff und Begriffsdiskussion
Die neolithische Revolution markiert nach Ansicht vieler Wissenschaftler einen der wichtigsten Umbrüche in der Geschichte der Menschheit.
Das ist zum einen der Übergang von „nomadisierender Lebensweise und vorwiegender extraktiver Wirtschaft“ der Jäger, Sammler und Fischer zum sesshaften Leben als Bauer. Der Übergang zu bodenständiger oder herdenbegleitender Arbeit mit zumindest semi-sesshafter Lebensweise vollzog sich im Vorderen Orient bereits im Epipaläolithikum der Natufien-Kultur. Nach traditioneller Sichtweise begann dort der Ackerbau (Präkeramisches Neolithikum A), während heute der Südrand des Zagros-Gebirges favorisiert wird. Dieser Prozess begann weit vor dem 10. Jahrtausend v. Chr. Nach dem Verschwinden der Gazellenbestände in der Levante – als Folge eines Klimawandels – wurden Schaf, Ziege und Rind domestiziert. Im Jahre 2009 entdeckten Forscher bei Bab edh-Dhra in Jordanien 11.000 Jahre alte Gebäude, die als Kornspeicher angesehen werden.
Zum anderen geht es um den Übergang von erzwungener Anpassung an die Umwelt zu einem durch folgenreiche Erfindungen dynamisierten Prozess mit rasant steigender Produktivität. Die Anfänge dieser Entwicklung – mit dem Sammeln von Wildgetreidearten – fanden in der Levante statt, beginnend vor etwa 14.000 bis 20.000 Jahren.
Bereits Gabriel de Mortillet hatte 1897 im Zusammenhang mit dem Neolithikum von der ersten Revolution der Menschheit gesprochen. Die Bezeichnung „neolithische Revolution“ wurde 1936 von dem Archäologen Vere Gordon Childe in Anlehnung an den Ausdruck „industrielle Revolution“ eingeführt. Ähnlich dem epochalen Wandel von vorindustrieller zu industrieller Zeit bedeute die Neolithisierung einen fundamentalen Einschnitt in der Geschichte der Menschheit, der sich an mehreren Merkmalen erkennen lässt. Als nächste Entwicklungsstufe sah er die „urbane Revolution“ an.
Childe, der archäologische und ethnologische Quellen benutzte, stellte die auf Vorratshaltung ausgerichtete Wirtschaftsweise des Neolithikums, die er auf den damaligen Klimawandel zurückführte, als determinierend in den Vordergrund. Die Veränderungen wurden seiner Ansicht nach in einem begrenzten Gebiet mit entsprechenden Ressourcen erzwungen (Oasentheorie). Er geht davon aus, dass die hier wild lebenden Pflanzenfresser – die einen geordneten Ackerbau beeinträchtigt hätten – in der postglazialen Trockenphase abgewandert bzw. domestiziert, ansonsten jedoch ausgerottet wurden. In Deutschland wurden Childes Thesen vor allem von Günter Smolla in seinem Buch Neolithische Kulturerscheinungen bekannt gemacht.
Heute dominiert die Auffassung, dass zwischen den verschiedenen „Erfindungen“ wie Sesshaftigkeit, Keramik, erste Tier- und Pflanzenzucht bis zur kulturell vorherrschenden Agrargesellschaft möglicherweise mehr als 3000 Jahre liegen, mithin dieser „Revolution“ der Charakter eines rapiden sozialen Wandels fehlt, weshalb man jetzt in der Forschung eher den evolutionären Wandel betont und das Wort Revolution seltener verwendet, wobei zu bedenken ist, dass diesen lediglich 5000 Jahren eine sehr lange Periode der Alt- und Mittelsteinzeit von mindestens 2,5 Millionen Jahren (0,2 %) gegenübersteht.
Der Begriff wird von Archäologen heute kritisiert:
„Der von Gordon Childe geprägte Begriff der ‚neolithischen Revolution‘ verkürzt die entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge aus heutiger Sicht auf unzulässige Weise. Die Veränderung der Wirtschaftsform im Vorderen Orient, in China, Nordafrika oder später in Mittel- und Südamerika war ein über mehrere Jahrtausende ablaufender Prozess, dessen Unumkehrbarkeit erst spät feststand.“
In Anlehnung an den Begriff „Neolithische Revolution“ wurden auch andere Veränderungen als Revolution bezeichnet, wie Kent Flannerys Broad spectrum revolution, die Symbol-Revolution am Übergang zum Jungpaläolithikum und die Secondary products revolution Andrew Sherratts.
Überblick
Neben neuen Wirtschaftsweisen sind noch andere Neuerungen festzuhalten, die auf die Lebensweise großen Einfluss hatten: Schliff von Steingeräten, später auch Keramikherstellung. Seit Childe wird das Neolithikum aber vor allem über die Wirtschaftsweise definiert, nicht mehr, wie bei John Lubbock, über fein zugeschlagene bzw. geschliffene Steingeräte. Kennzeichnend für die ersten 20 Jahrtausende bis ca. 1000 v. Chr. ist die regelmäßige Zunahme von Neuerungen.
Bestimmend für die neolithischen Kulturformen waren die permanente Sesshaftigkeit – die nach heutigem Kenntnisstand als Voraussetzung und nicht als Folge der Landwirtschaft gesehen wird – sowie die Domestizierung von Pflanzen und Tieren. Der Wandel von der aneignenden Lebensweise der Sammler und Jäger zur erzeugenden Wirtschaftsweise von Bauern und Hirten ging mit bedeutenden gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen einher.
Etwa 14.000 Jahre alte Brotreste aus Wildgetreide und Wurzeln wurden 2008 in Feuerstellen des Natufien im Nordosten Jordaniens gefunden. Vor etwa 11.500 Jahren setzte sich der Getreideanbau in der Südosttürkei und Nordsyrien, später in der gesamten Levante durch. Gleichzeitig entstanden die ersten Tempel Jerf el Ahmar, Göbekli Tepe und in der Folge größere nicht primär agrarisch tätige Siedlungen.
Vorgeschichte
Setzt man den Beginn der Menschheitsgeschichte mit dem Auftreten des Homo sapiens in Ostafrika vor mindestens 150.000 Jahren an, so ernährte sich der rezente Mensch den größten Teil seiner Geschichte von dem Wild, das er erbeutete, Fischen, die er fing, sowie Kleingetier und wilden Pflanzen, die er sammelte. Er zog regional sein gesamtes Leben – den Wanderungen der Tierherden folgend – von einem Lagerplatz zum anderen. Gemeinschaft gab es für ihn in Form seiner Gruppe. Bei der Nahrungsbeschaffung war jedes der Mitglieder eingebunden, so dass sich kaum Spezialisierung ausbildete. Die Forschung ist sich uneins, inwieweit die Steinverarbeitung, die Flechtkunst und der Bootsbau zu der Entwicklung von Spezialwissen führte. Wahrscheinlich gab es Individuen/Familien, die sich auf besondere Fähigkeiten spezialisierten und ihre Erfahrungen weitergaben, doch wird ausgeschlossen, dass sie sich von diesen Fähigkeiten ernährten.
Die letzten Eiszeiten (Weichsel-Kaltzeit) überlebten die Menschen als Jäger und Sammler. Die Natur bot ausreichend tierische und einige pflanzliche Ressourcen. Nach der letzten Eiszeit wanderten in weiten Teilen der Welt die großen Säugetiere ab. Arten wie das Mammut starben aus, möglicherweise aufgrund einer Kombination aus Bejagung und Klimawandel.
Im Übergang vom präkeramischen zum keramischen Neolithikum (8000–5500 v. Chr.), in der eine gezielte Nutzung gebrannter Keramik möglich wurde (obgleich diese vereinzelt auch schon in vorausgehenden Zeiten in Gebrauch war), kam es noch zu einer Reihe weiterer technisch-instrumenteller und wirtschaftlicher Neuerungen: Zu nennen sind hier neben Ackerbau und Viehzucht die erwähnte Keramikproduktion, eine verbesserte Werkzeug- und Arbeitsmittelherstellung, die Sesshaftigkeit, späterhin der Haus- und Brunnenbau sowie das Erstellen von Grabenwerken.
Erste Vorformen der Landwirtschaft werden mit dem Präkeramischen Neolithikum A von etwa 9500 v. Chr. in der Levante in Verbindung gebracht. Mit einiger Sicherheit kann für die im gleichen Raum folgende Kultur Präkeramisches Neolithikum B ab etwa 8800 v. Chr. von einer dauerhaften Landwirtschaft und Sesshaftigkeit ausgegangen werden. Dieses Bild ist allerdings möglicherweise verschoben, da die Levante archäologisch besonders gut erforscht ist. Die Erkenntnisse über den amerikanischen und den südostasiatischen Raum bleiben bislang hingegen äußerst lückenhaft.
Überall dort, wo sich neolithische Lebensweisen gründeten, stellte sich eine direkte Abhängigkeit vom Wetter ein. Sesshaftigkeit wurde in spezifischer Weise abhängig vom Rhythmus der Jahreszeiten, so dass eine genaue Beobachtung von Wetter und Jahreszeiten notwendig wurde. Daher nimmt man parallel zu einem Übergang von einer mesolithischen zu einer neolithischen Gesellschaft bzw. von einer Jäger- und Sammlergesellschaft zu einer sesshaften Lebensweise einen Übergang vom Lunar- zum Solarkalender an (siehe hierzu die Stichbandkeramik und die Kreisgrabenanlage von Goseck). Die Vorratshaltung wurde erforderlich, um zum einen die gereiften Kulturpflanzen für den Verzehr haltbar zu machen, und zum anderen Saatgut für die nächste Saison vorrätig zu haben. Hierzu waren Konservierungsmethoden (im weiteren Sinne für die bevorratete Pflanzensamen) notwendig, um sie vor Schädlingen zu schützen.
Während der Jungsteinzeit herrschten Emmer (Triticum dicoccum) und Einkorn (Triticum monococcum) vor. Die aufgeführten Getreidearten können als Wintergetreide im Herbst oder als Sommergetreide im Frühling ausgesät werden. Die Ernte erfolgte dann zeitlich versetzt im Sommer. Nach Art der Kornhülle sind Spelz- (Emmer, Einkorn, Spelzgerste, Dinkel) und Nacktgetreide (Nacktweizen) zu unterscheiden. Beim Spelzgetreide sind die das Korn umschließenden Spelzen mehr oder weniger fest mit diesem verwachsen. Beim Nacktgetreide dagegen liegen sie lose an und fallen beim Dreschen ab. Der Vorteil des Spelzgetreides liegt darin, dass es eine primitive Lagerung besser verträgt, der Nachteil ist, dass die Körner vor dem Mahlen entspelzt werden müssen; hierzu müssen sie aber völlig trocken sein.
Theorien und Kritik
Es gibt verschiedene Theorien darüber, welche Faktoren zur so genannten neolithischen Revolution und zur Veränderung der Lebensweise im Neolithikum geführt haben. Ende des 19. Jahrhunderts gingen Wissenschaftler davon aus, dass der Ackerbau entscheidende Vorteile für das Überleben gebracht habe (Mangelhypothese). Mitte des 20. Jahrhunderts wurden verschiedene Spielarten der Überflusshypothese populär: Demnach sei der Getreideanbau bei bereits relativ sesshaften und reich mit Nahrungsmitteln versorgten spezialisierten Jägern und Sammlern als „Spiel mit den Möglichkeiten“ der Vorratshaltung entstanden. Diese Experimente hätten dann einen unumkehrbaren kulturellen Wandel zur bäuerlichen Lebensweise ausgelöst.
Wie die meisten Fachleute heute annehmen, war der Prozess in Wirklichkeit komplizierter.
Ohne den Einsatz spezieller Kenntnisse, langfristiger Planung und technologischer Hilfsmittel ist extraktives dem produzierenden Wirtschaften überlegen, da bei letzterem für den gleichen Kalorienertrag ein wesentlich größerer Arbeitsaufwand erforderlich ist; die Abhängigkeit von Klima und Wetter nicht kompensiert werden kann; die Ortsbindung die Ausnutzung der natürlichen Dynamik verhindert und Ernte und Vorratshaltung vielen Risiken unterliegen. Der US-amerikanische Anthropologe Marshall Sahlins bezeichnete die historischen Wildbeuterkulturen deshalb als „ursprüngliche Wohlstandsgesellschaft“. Diese Tatsache wirft die Frage auf, warum Menschen dennoch die anstrengendere Lebensweise gewählt haben.
- Oasen-Theorie: In den 1930er Jahren formulierte Childe die „Oasen-Hypothese“. Danach hätte eine Periode extremer Trockenheit die Menschen in Vorderasien am Ende der letzten Eiszeit gezwungen, sich auf wenige verbliebene Oasen und Flusstäler zu konzentrieren, so dass ein Umherziehen über größere Flächen nicht sinnvoll gewesen sei. Die Folge seien Ackerbau und Domestizierung von Tieren gewesen. Diese These gilt mittlerweile als widerlegt. In den 1940er Jahren formulierte zuerst Robert John Braidwood die Hypothese, dass die Sesshaftigkeit eine Anpassung an veränderte Umweltbedingungen gewesen sei, wobei die Ursachen in verschiedenen Regionen differierten. Der Übergang sei allmählich erfolgt. Nach Barbara Bender wurden die Veränderungen im Wesentlichen durch soziale Prozesse und die Ausbildung komplexer Gesellschaftsstrukturen bereits vor dem Neolithikum ausgelöst.
- Klimawandel: Aufgrund archäologischer und archäozoologischer Funde im Vorderen Orient wird heute mehrheitlich angenommen, dass einige Kulturen der Levante im milden Alleröd-Interstadial weitgehend sesshaft wurden, da große Bestände an Gazellenherden und wilden Getreidestandorten ganzjährig und dauerhaft ausreichend Nahrung boten. Die neue Lebensweise etablierte sich kulturell, führte jedoch im Umfeld der Siedlungen nach einigen Generationen zur Überjagung der Wildbestände. Dies veranlasste die Menschen, vermehrt Wildgetreide zu nutzen – und erstmals durch Wiederaussaat künstlich zu vermehren. Mit Beginn der jüngeren Dryas-Kaltzeit um 10.700 v. Chr. verschlechterten sich die Nahrungsgrundlagen jedoch zusätzlich dramatisch, sodass immer häufiger saisonale Engpässe auftraten. Da eine Rückkehr zur nomadisierenden Lebensweise nach vielen Jahrhunderten weitgehender Sesshaftigkeit für einige Gruppen weder möglich noch gewollt war, waren die Menschen gezwungen, ihre Nahrung nunmehr vorwiegend selbst zu produzieren.
- Da es eine ungekannte Sicherheit der Ernährung bot, wurde Getreide angeblich schon sehr bald außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebiets angebaut. 1500 bis 2000 Jahre lang konnte die Bevölkerung in der Levante den Forschern zufolge ihren Fleischbedarf noch durch die Gazellenjagd decken. Zeugnisse dafür sind die Tierknochenanalysen in den Siedlungen sowie die „Wüstendrachen“ genannten Fanganlagen, in denen Herden zusammengetrieben und geschlachtet wurden. Erst vor ca. 10.000 Jahren brachen die Gazellenbestände zusammen, und es erfolgte als Ausgleich die Domestizierung von Schaf, Ziege, Rind und Schwein. Dieses Zeitgerüst stimmt insofern nicht, als dass das menschenleere Zypern spätestens 8300 v. Chr. mit domestizierten Großsäugern besiedelt wurde.
- Migration: Was sich in gewissen Regionen Schritt für Schritt entwickelt hatte, wurde in anderen nach Ansicht einiger Wissenschaftler durch Einwanderung wesentlich schneller eingeführt. Ein Beispiel sei die Neolithisierung in Mitteleuropa um 5500 v. Chr. Im südlichen Afrika wurde nach Ansicht vieler Forscher die Stufe der neolithischen Ackerbaukultur ganz übersprungen. Hier trafen eisenzeitliche Ackerbauern auf eine Kultur von Sammlern und Jägern.
- Anpassung: Der Ackerbau entwickelte sich im Neolithikum in vielen klimatisch günstigeren Regionen mit reichhaltigen Ressourcen als alternative Lebensweise, während die Menschen in extrem kalten, heißen oder trockenen Gebieten zur Viehhaltung übergingen und nur dort, wo auch dies nicht möglich war, weiterhin als Jäger und Sammler lebten. Dass der Ackerbau und die Sesshaftigkeit eine Anpassung an die Umweltbedingungen darstellten, wird unter anderem durch wissenschaftliche Befunde zur so genannten Vrå Kultur im Osten Schwedens gestützt, die dort um 4000 v. Chr. als Bauerngesellschaft entstand. Als sich 1000 Jahre später das Klima veränderte (subboreale Periode) und es wieder mehr Fische und Robben in der Ostsee gab, gaben sie die Landwirtschaft auf und kehrten zur Lebensweise als Jäger und Fischer zurück. Dies gilt als Beleg dafür, dass menschliche Populationen (anders als tierische) einem Klimawandel nicht auswichen, sondern – vor Ort bleibend – zu neuen Lebensweisen gelangten.
- Revolution: Childes Interpretationen werden von verschiedenen Archäologen kritisiert, da zum Beispiel der Begriff „Revolution“ eine kurze Umbruchphase suggeriere. Tatsächlich aber handle es sich um langfristige Entwicklungen und Übergangsphasen in der Menschheitsgeschichte, die zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten stattfanden.
- Privateigentum: Die erstmalige Entstehung von Privat- und Grundeigentum in der Jungsteinzeit wird von einigen Wissenschaftlern als wahrscheinlich angenommen. Carel van Schaik und Kai Michel schreiben:
„Die Landwirtschaft erforderte, dass bestimmte Dinge nicht mehr allen gehörten. Wie sollte man etwas ernten, wenn sich vorher jeder bediente? […] Das neue Eigentumskonzept zu etablieren […] bedurfte eines enormen intellektuellen Aufwandes, der Idee, dass es nun Dinge geben sollte, die Einzelnen gehörten, in einer Gemeinschaft Geltung zu verschaffen. […] Mit dem Sesshaftwerden wurde eines der fundamentalen Gesetze menschlichen Zusammenlebens ausgehebelt, eines, das eine halbe Ewigkeit lang ein alltägliches Gebot gewesen war: Nahrung muss geteilt werden! […] Hier wird eine alltägliche, lebensnotwendige Handlung – das Sammeln von Früchten – nicht nur untersagt; sie wird kriminalisiert. […]“
- Diese Eigentumstheorie lässt sich allerdings nicht beweisen. David Graeber und David Wengrow analysieren die Menschheitsgeschichte an der Schwelle zur Agrarwirtschaft und stellen fest: „Im Rückblick auf die Urgeschichte lässt sich […] unmöglich genau bestimmen, welche Eigentumsformen an Orten wie Göbekli Tepe in der Türkei, Poverty Point in Louisiana, Sannai-Maruyama in Japan oder Stonehenge in Großbritannien üblich waren […] Wenn das Privateigentum einen »Ursprung« hat, ist er so alt wie der Gedanke des Heiligen, also vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. […] Im Fruchtbaren Halbmond, der lange als Wiege der »Landwirtschaftlichen Revolution« galt, gab es keinen »Wechsel« vom altsteinzeitlichen Jäger und Sammler zum jungsteinzeitlichen Bauern. Der Übergang von einer Nahrungsbedarfsdeckung aus vorwiegend natürlichen Ressourcen zu einer Lebensweise, die darauf fußte, Nahrungsmittel zu produzieren, brauchte um die 3000 Jahre. […] Einen Garten-Eden-artigen Zustand gab es nie, von dem aus die ersten Bauern in die Ungleichheit geraten mussten; und es ist sogar noch sinnloser, die Landwirtschaft als Ursprung für gesellschaftliche Hierarchien, Ungleichheit oder Privateigentum zu betrachten.“ Es bleibt offen, wann und in welchem Zusammenhang das Privateigentum tatsächlich die hohe Wertschätzung erlangte, die es heute innehat.
Aktuelle Forschung
Erkenntnisse der Populationsgenetik erlauben in jüngerer Zeit konkretere Aussagen zur Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht durch Wanderungsbewegungen, denn auch bei Skeletten lässt sich die DNA bestimmen. Im Jahr 2000 analysierte ein Forscherteam aus diesem Grund die DNA von 1000 Männern aus Europa und dem Nahen Osten; die entscheidenden gemeinsamen oder unterscheidenden Merkmale, die Rückschlüsse auf gemeinsame Vorfahren und deren Datierung erlauben, werden genetische Marker genannt. Das Ergebnis: Etwa 20 % der europäischen Y-Chromosomen stammen von neolithischen Einwanderern aus dem Nahen Osten. Der Populationsgenetiker Spencer Wells hält es für wahrscheinlich, dass diese den Ackerbau nach Europa und in die Mittelmeerregion brachten, es sich also nicht um eine unabhängige Entwicklung handelte. „In einem denkbaren Szenario hätte sich die Landwirtschaft demnach zunächst rund um das Mittelmeer ausgebreitet, weil die Pflanzen der neolithischen Einwanderer aus dem Nahen Osten das dortige Klima bevorzugten (…) Erst später übernahmen die paläolithischen Europäer im Landesinneren die Landwirtschaft und verbreiteten überall die Kultur (…) des Neolithikums.“
Die Genome in Europa – der genetische Anteil mesolithischer Jäger und Sammler und neolithischen Bauern – änderten sich im Laufe der Neolithischen Revolution und einige wissenschaftliche Kartierungsmodelle zeigen die regionalen Variationen der Abstammungen und die Komplexität der biologischen und kulturellen Interaktionsdynamik während dieser Periode auf.
Unabhängig vom Nahen Osten scheint sich die Landwirtschaft in Ostasien entwickelt und ausgebreitet zu haben. In Nordchina wurde Ausgrabungen zufolge wesentlich später als in der Levante, etwa 7000 Jahre v. Chr. erstmals in größerem Umfang Hirse angebaut, in Zentralchina außerdem Reis. 2000 Jahre später gab es auch Reisanbau in Südchina, um 3500 v. Chr. dann auf Taiwan, um 2000 v. Chr. auf Borneo und Sumatra, 500 Jahre später auf anderen Inseln Indonesiens. Die genetischen Forschungsergebnisse zeigten, dass die neue Kultur durch Wanderungsbewegungen von China ausgehend weiterverbreitet wurde.
Forscher des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin gehen auf Grund von archäologischen Grabungsfunden in Mesopotamien und in Anatolien davon aus, dass religiöse Kulte der wesentliche Grund für das Aufkommen der Sesshaftigkeit im Neolithikum waren. Die Bauwerke von Göbekli Tepe waren aktuellen Erkenntnissen zufolge Tempelanlagen, die bereits vor rund 11.600 Jahren errichtet wurden und damit am Beginn der Landwirtschaft. Die Bauzeit muss mehrere Jahrhunderte betragen haben. Der britische Forscher Ian Hodder vermutet soziale und religiöse Faktoren der mythisch-theistischen Vorstellungen als Hauptursache der neolithischen Revolution auf Grund von Befunden zu der Fundstätte Çatalhöyük in Anatolien.
Folgen der Entwicklung
Gewöhnlich wird der Wandel der Wirtschafts- und Lebensweise zu Beginn der neolithischen Ära als großer Fortschritt betrachtet, da die Menschen durch die landwirtschaftliche Produktion allmählich unabhängig von den Schwankungen im natürlichen Angebot der gesammelten und erjagten Nahrung wurden. Die Ergebnisse der Paläoanthropologie belegen, dass die Bevölkerung nach der Einführung des Ackerbaus stark anwuchs; ihre Versorgung wäre durch Jagen und Sammeln allein wahrscheinlich nicht ausreichend möglich gewesen. Der Feldanbau bedeutete jedoch auch die Konzentration auf wenige Nahrungsmittel und eine starke Abhängigkeit von der Ernte, die wiederum vom Wetter beeinflusst wurde. Die Sesshaftigkeit der Ackerbauern verhinderte rasche Ortswechsel und begünstigte Hungersnöte.
Skelettfunde aus dem Neolithikum belegen, dass die Körpergröße der Menschen in dieser Phase deutlich abnahm, was Rückschlüsse auf ihren Ernährungsstatus zulässt. Die Lebenserwartung sank signifikant im Vergleich zum Paläolithikum. Nachweislich erkrankten wesentlich mehr Menschen als vorher, vor allem an Infektionen. Die meisten dürften durch häufigen und engen Kontakt mit Vieh nach Einführung der Viehzucht entstanden sein; innerhalb größerer Populationen vermehren sich die Erreger und sterben nicht aus wie in kleinen Gruppen. Masern sollen ihren Ursprung in der Rinderpest haben. Eine andere Folge der neolithischen Revolution war die Tendenz zu zentralisierten Entscheidungsstrukturen, spezialisierten Gewerken und chaînes opératoires (mentale Vorgänge und technische Handbewegungen zur Erfüllung eines Bedürfnisses) und damit einhergehend die Entstehung sozialer Schichten.
Rechtliche Auswirkungen
Die rechtlichen Auswirkungen der neolithischen Revolution werden überwiegend mit dem Entstehen segmentärer Gesellschaften in Verbindung gebracht. Hervorgehoben wird eine Änderung der Verwandtschaftsstrukturen, des Eigentumsbegriffs und der Konfliktlösungsmechanismen. Zu beachten ist, dass es sich um vorstaatliches Recht handelt.
Segmentäre Gesellschaften beruhen zumeist auf dem Prinzip der agnatischen Verwandtschaft, im Gegensatz zur kognatischen, wie sie in Jäger- und Sammlergesellschaften und späteren modernen Gesellschaftsformen zu beobachten ist. Zurückgeführt wird dies auf das durch Ackerbau hervorgerufene Erfordernis einer generationenübergreifenden Produktionsorganisation.
Auch das Verständnis von Eigentum wandelt sich. Eigentum – jedenfalls in Bezug auf Produktionsmittel – versteht sich in segmentären Gesellschaften vorwiegend als Verwandtschaftseigentum. Daneben besteht – bereits in Jäger- und Sammlergesellschaften bekanntes – Individualeigentum an Produkten und Gegenständen des privaten Bedarfs.
Auch die Reziprozität verändert sich weg von der überwiegend positiven Reziprozität der Jäger- und Sammlergesellschaften, hin zu einer ausgeglichenen Reziprozität (vgl. auch Tausch (Soziologie) und Egalitäre Gesellschaft).
Konfliktlösungsmechanismen in segmentären Gesellschaften sind unterschiedlich. Überliefert und beobachtet sind friedliche, unfriedliche, auf Ritual oder Ordal beruhende Mechanismen. Hierbei wird überwiegend angenommen, dass in segmentären Gesellschaften friedliche Formen überwiegen. Konflikte haben dabei ganz überwiegend deliktischen Charakter und werden durch Bußen beigelegt. Hexerei und Zauberei kommt oftmals ein konfliktvorbeugender Charakter zu, indem die Äußerung negativer Gefühle unterdrückt wird.
Siehe auch
Literatur
- Die ältesten Monumente der Menschheit. Vor 12.000 Jahren in Anatolien. Hrsg.v. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Begleitbuch zur Ausstellung im Badischen Landesmuseum vom 20. Januar bis zum 17. Juni 2007. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 3-8062-2072-7.
- Marion Benz: Die Neolithisierung im Vorderen Orient. Ex oriente, Berlin 2000, ISBN 3-9804241-6-2.
- Reinhard Bernbeck: Theorien in der Archäologie. A. Francke, Tübingen 1997, ISBN 3-7720-2254-5.
- Alexander Binsteiner: Die Lagerstätten und der Abbau bayerischer Jurahornsteine sowie deren Distribution im Neolithikum Mittel- und Osteuropas, Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, 52, 2005, S. 43–155.
- Vere Gordon Childe: Man makes himself. Watts, London 1936 (dt.: Der Mensch schafft sich selbst, Verlag der Kunst, Dresden 1959).
- Jared Diamond: Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften. 3. Auflage. Fischer TB, Frankfurt 2006, ISBN 3-596-17214-4.
- David Graeber, David Wengrow: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit. (Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Henning Dedekind, Helmut Dierlamm, Andreas Thomsen); Klett-Cotta, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-608-98508-5.
- Hansjürgen Müller-Beck: Die Steinzeit. Der Weg der Menschen in die Geschichte. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-43291-3.
- Josef H. Reichholf: Warum die Menschen sesshaft wurden. Das größte Rätsel unserer Geschichte. Frankfurt am Main 2008, ISBN 3-10-062943-4.
- Thomas Terberger, Detlef Gronenborn (Hrsg.): Vom Jäger und Sammler zum Bauern. Die Neolithische Revolution (= Archäologie in Deutschland. Sonderheft 05/2014). Theiss Verlag, Darmstadt 2014, ISBN 978-3-8062-2189-3.
Weblinks
Einzelnachweise
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- ↑ Kevin Greene: V. Gordon Childe and the Vocabulary of Revolutionary Change. In: Antiquity, Volume 73, Issue 279, March 1999, pp. 97–109. 2. Januar 2015, abgerufen am 27. März 2019.
- ↑ John Lubbock: Pre-historic times as illustrated by ancient remains, and the manners and customs of modern savages. Williams and Norgate, London & Edinburg 1865.
- ↑ Als die Jäger sesshaft wurden. In: wissenschaft.de. 23. Juni 2009, abgerufen am 13. September 2019.
- ↑ Detlef Gronenborn (Hrsg.): Klimaveränderungen und Kulturwandel in neolithischen Gesellschaften Mitteleuropas, 6700–2200 v. Chr. RGZM-Tagungen, Band 1, Mainz 2005 (PDF-Datei)
- ↑ Wolf Dieter Blümel: 20 000 Jahre Klimawandel und Kulturgeschichte – von der Eiszeit in die Gegenwart. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) Wechsel Wirkungen, Jahrbuch 2002, S. 3–19 (PDF-Datei)
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- ↑ David Graeber, David Wengrow: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit. (Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Henning Dedekind, Helmut Dierlamm, Andreas Thomsen); Klett-Cotta, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-608-98508-5, S. 185 und 273 f.
- 1 2 3 4 Spencer Wells: Die Wege der Menschheit. Eine Reise auf den Spuren der genetischen Evolution, Frankfurt/Main 2003, S. 234–237
- ↑ Heightened interaction between neolithic migrants and hunter-gatherers in Western Europe In: phys.org (englisch)
- ↑ Maïté Rivollat, Choongwon Jeong, Stephan Schiffels, İşil Küçükkalıpçı, Marie-Hélène Pemonge, Adam Benjamin Rohrlach, Kurt W. Alt, Didier Binder, Susanne Friederich, Emmanuel Ghesquière, Detlef Gronenborn, Luc Laporte, Philippe Lefranc, Harald Meller, Hélène Réveillas, Eva Rosenstock, Stéphane Rottier, Chris Scarre, Ludovic Soler, Joachim Wahl, Johannes Krause, Marie-France Deguilloux, Wolfgang Haak: Ancient genome-wide DNA from France highlights the complexity of interactions between Mesolithic hunter-gatherers and Neolithic farmers. In: Science Advances. 6. Jahrgang, Nr. 22, 1. Mai 2020, S. eaaz5344, doi:10.1126/sciadv.aaz5344, PMID 32523989, PMC 7259947 (freier Volltext), bibcode:2020SciA....6.5344R.
- ↑ Ulrich Bahnsen: Gen-Archäologie. Der Treck nach Westen, zeit.de
- ↑ Stephanie Marciniak et al.: An integrative skeletal and paleogenomic analysis of stature variation suggests relatively reduced health for early European farmers. In: PNAS. Band 119, Nr. 15, April 2022, e2106743119, doi:10.1073/pnas.2106743119 (freier Volltext).
- ↑ Hans-Georg Gebel: Subsistenzformen, Siedlungsweisen und Prozesse des sozialen Wandels vom akeramischen bis zum keramischen Neolithikum. Teil II: Grundzüge sozialen Wandels im Neolithikum der südlichen Levante. Dissertation 2001/2002, S. 21, 37, 42 Online verfügbar.
- 1 2 3 Uwe Wesel: Die Geschichte des Rechts. Beck, München ²2000, ISBN 3-406-54716-8, S. 32–39 ff.