In der Mathematik, genauer in der algebraischen Topologie, sind die Homotopiegruppen ein Werkzeug, um topologische Räume zu klassifizieren. Die stetigen Abbildungen einer n-dimensionalen Sphäre in einen gegebenen Raum werden zu Äquivalenzklassen, den sogenannten Homotopieklassen, zusammengefasst. Dabei heißen zwei Abbildungen homotop, wenn sie stetig ineinander überführt werden können. Diese Homotopieklassen bilden eine Gruppe, die n-te Homotopiegruppe des Raumes genannt wird.
Anschaulich kann die Homotopiegruppe als Maß dafür verstanden werden, auf wie viele wesentlich unterschiedliche Arten die in den Raum abgebildet werden kann.
Die erste Homotopiegruppe heißt auch Fundamentalgruppe.
Homotopieäquivalente topologische Räume haben isomorphe Homotopiegruppen. Haben zwei Räume verschiedene Homotopiegruppen, so können sie nicht homotopieäquivalent sein, somit auch nicht homöomorph. Für CW-Komplexe gilt nach einem Satz von Whitehead auch eine partielle Umkehrung.
Definition
In der Sphäre wählen wir einen Punkt , den wir Basispunkt nennen. Sei ein topologischer Raum und ein Basispunkt. Wir definieren als die Menge der Homotopieklassen stetiger Abbildungen (d. h. es ist ). Genauer gesagt, werden die Äquivalenzklassen durch Homotopien definiert, die den Basispunkt festhalten. Äquivalent könnten wir als die Menge der Homotopieklassen relativ zu der stetigen Abbildungen definieren, d. h. derjenigen stetigen Abbildungen vom n-dimensionalen Einheitswürfel nach , die den Rand des Würfels in den Punkt abbilden. Dies ist auf zurückzuführen.
Für kann man die Menge der Homotopieklassen mit einer Gruppenstruktur versehen. Die Konstruktion der Gruppenstruktur von ähnelt der im Falle , also der Fundamentalgruppe. Die Idee der Konstruktion der Gruppenoperation in der Fundamentalgruppe ist das Hintereinanderdurchlaufen von Wegen, in der allgemeineren -ten Homotopiegruppe gehen wir ähnlich vor, nur, dass wir nun -Würfel entlang einer Seite zusammenkleben, d. h. wir definieren die Summe zweier Abbildungen durch
In der Darstellung durch Sphären ist die Summe zweier Homotopieklassen die Homotopieklasse derjenigen Abbildung, die man erhält, wenn man die Sphäre zunächst am Äquator entlang zusammenzieht und dann auf der oberen Sphäre f, auf der unteren g anwendet. Genauer: ist die Komposition der 'Äquatorzusammenzurrung' (Einpunktvereinigung) und der Abbildung .
Ist , so ist eine abelsche Gruppe. Zum Beweis dieser Tatsache beachte man, dass zwei Homotopien ab Dimension zwei umeinander "gedreht" werden können. Für ist das nicht möglich, da der Rand von nicht wegzusammenhängend ist.
Beispiele
Homotopiegruppen von Sphären
Für gilt , für folgt aus dem Satz von Hopf, dass
ist. Jean-Pierre Serre hat bewiesen, dass für eine endliche Gruppe sein muss.
Eilenberg-MacLane-Räume
Topologische Räume , die für alle erfüllen, heißen Eilenberg-MacLane-Räume mit .
Beispiele von -Räumen sind geschlossene, orientierbare Flächen mit Ausnahme der , geschlossene, orientierbare, prime 3-Mannigfaltigkeiten mit Ausnahme der und alle CAT(0)-Räume, darunter lokal-symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ, insbesondere hyperbolische Mannigfaltigkeiten.
Die lange exakte Sequenz einer Faserung
Ist eine Serre-Faserung mit Faser , das heißt eine stetige Abbildung, die die Homotopiehochhebungseigenschaft für CW-Komplexe besitzt, so existiert eine lange exakte Sequenz von Homotopiegruppen
Die betreffenden Abbildungen sind hier keine Gruppenhomomorphismen, da nicht gruppenwertig ist, sie sind aber exakt in dem Sinne, dass das Bild dem Kern (die Komponente des Basispunktes ist das ausgezeichnete Element) gleicht.
Beispiel: Die Hopf-Faserung
Die Basis ist hier und der Totalraum ist . Sei die Hopfabbildung, die die Faser hat. Aus der langen exakten Sequenz
und der Tatsache, dass für , folgt, dass für gilt. Insbesondere ist
n-Äquivalenzen und schwache Äquivalenzen. Der Satz von Whitehead
Eine stetige Abbildung heißt -Äquivalenz, wenn die induzierte Abbildung für ein Isomorphismus und für eine Surjektion ist. Ist die Abbildung für alle ein Isomorphismus, so nennt man die Abbildung eine schwache Äquivalenz.
Ein Satz von J. H. C. Whitehead besagt, dass eine schwache Äquivalenz zwischen zusammenhängenden CW-Komplexen bereits eine Homotopieäquivalenz ist. Falls und Dimension kleiner als haben, so genügt bereits, dass eine -Äquivalenz ist.
Homotopie und Homologie. Der Satz von Hurewicz
Für punktierte Räume gibt es kanonische Homomorphismen von den Homotopiegruppen in die reduzierten Homologiegruppen
die Hurewicz-Homomorphismen (nach Witold Hurewicz) genannt werden. Ein Satz von Hurewicz besagt: Ist ein -zusammenhängender Raum, d. h. gilt für , dann ist der Hurewicz-Homomorphismus im Fall die Abelisierung und für ein Isomorphismus.
Relative Homotopiegruppen
Man kann auch relative Homotopiegruppen für Raumpaare definieren, ihre Elemente sind Homotopieklassen von Abbildungen , zwei solche Abbildungen und heißen dabei homotop, wenn es eine Homotopie gibt. Man erhält die absoluten Homotopiegruppen im Spezialfall .
Für jedes Raumpaar gibt es eine lange exakte Sequenz
Literatur
- J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999. ISBN 0-226-51183-9.
Weblinks
Quellen
- ↑ Fridtjof Toenniessen: Topologie: Ein Lesebuch von den elementaren Grundlagen bis zur Homologie und Kohomologie. Springer Berlin Heidelberg, 2017, ISBN 978-3-662-54963-6 (google.com [abgerufen am 31. Dezember 2021]).
- ↑ Es ist wichtig, hier nur Homotopien zuzulassen, die den Basispunkt festlassen. Die Menge der freien Homotopieklassen hat keine natürliche Gruppenstruktur und sie ist im Allgemeinen nicht in Bijektion zu . Man hat eine surjektive Abbildung , unter der zwei Elemente genau dann derselben freien Homotopieklasse entsprechen, wenn sie im selben Orbit der Wirkung von auf liegen.
- ↑ J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999. ISBN 0-226-51183-9, Abschnitt 9.6
- ↑ J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999. ISBN 0-226-51183-9, Abschnitt 10.3
- ↑ J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999. ISBN 0-226-51183-9, Abschnitt 15.1