Die jüdische Gemeinde Niederzissen im rheinland-pfälzischen Landkreises Ahrweiler, deren Wurzeln in das 16. und 17. Jahrhundert zurückreichen, bestand bis 1942. Ab 1847 war Niederzissen Sitz des Synagogenbezirk Niederzissen.

Geschichte

Laut Angaben des Sohnes des letzten Gemeindevorstehers soll das Memorbuch der Gemeinde bis ins 13. Jahrhundert zurückgereicht haben. Eine erste urkundliche Erwähnung eines Juden im Gebiet von Niederzissen stammt aus dem Jahr 1580. Sie findet sich in den Unterlagen der Burgherren der Burg Olbrück die Zahlungen von Schutzjuden belegen. Zur Gemeinde gehörten die jüdischen Einwohner von Oberzissen, Hain, Wehr, Glees, Burgbrohl und bis 1943 die Einwohner der jüdischen Gemeinde Königsfeld und Dedenbach. 1947 wurde mit dem Inkrafttreten des preußischen Judengesetzes der Synagogenbezirk Niederzissen gegründet, dessen Sitz die jüdische Gemeinde war. Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner zu. 1808, als noch Königsfeld und Dedenbach zur Gemeinde gehörten, umfasste die Gemeinde 180 Mitglieder. Die, nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahr 1933, einsetzende antijüdische Propaganda und die Aufrufe zum Boykott jüdischer Geschäfte wurden anfangs nur langsam umgesetzt, wie aus einem Schreiben aus dem Jahr 1935 hervorgeht. So lebten bei Kriegsbeginn noch 76 Juden im Synagogenbezirk. Dies änderte sich dann allerdings in den folgenden Jahren. 1942 wurden die letzten jüdischen Einwohner dann deportiert.

Entwicklung der jüdischen Einwohnerzahl

JahrJudenJüdische FamilienBemerkung
1763 6
1775 2
1808 53 in Niederzissen 180 im Synagogenbezirk Niederzissen
1858 75
1860 140 im Synagogenbezirk Niederzissen
1895 64
1900 80
1925 73 18
1939 76

Quelle: alemannia-judaica.de; jüdische-gemeinden.de;; „… und dies ist die Pforte des Himmels“

Einrichtungen

Synagoge

Die Synagoge wurde im Jahre 1841 errichtet und befindet sich in der Mittelstraße. Bei den Novemberpogromen 1938 wurde sie verwüstet und anschließend als Schmiede genutzt. 2011 wurde das Gebäude mit staatlichen Mittel renoviert und dient heute als Begegnungsstätte.

Mikwe

Die Gemeinde verfügte über eine Mikwe. Sie befand sich in einem 1955 abgerissenen Badehaus direkt neben der Synagoge.

Schule

Die Gemeinde verfügte über eine Religionsschule. Es war ein Religionslehrer angestellt, der auch die Aufgaben des Vorbeters und Schochet innehatte. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es auch zeitweilig eine jüdische Elementarschule im Ort.

Friedhof

Die Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof Niederzissen beigesetzt. Das Gelände des Friedhofs ging erst im Jahr 1850 an die jüdische Gemeinde über. Dem war ein Streit mit dem Eigentümer des Geländes vorausgegangen.

Opfer des Holocaust

Das Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945 und die Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer von Yad Vashem führen 68 Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Niederzissen auf (die dort geboren wurden oder zeitweise lebten), die während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden.

Literatur

  • Stefan Fischbach, Ingrid Westerhoff: „… und dies ist die Pforte des Himmels“. Synagogen Rheinland-Pfalz und Saarland. Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Staatliches Konservatoramt des Saarlandes, Synagogue Memorial Jerusalem. (Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland, 2). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3313-7.
  • Hans Warnecke (Hrsg.): Zeugnisse jüdischen Lebens im Kreis Ahrweiler. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1998, ISBN 9783929154238.

Einzelnachweise

  1. Anne Wagner, Richard Keuler: Das Synagogengebäude in Niederzissen im Wandel der Zeit. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler (= Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler. Jahrgang 68). Weiss-Druck, Monschau 2011, S. 179–183. (online)
  2. 1 2 Niederzissen mit Kempenich, Oberzissen (VG Brohltal, Kreis Ahrweiler). alemannia-judaica.de, abgerufen am 3. Juli 2021.
  3. 1 2 3 Niederzissen (Rheinland-Pfalz). jüdische-gemeinden.de, abgerufen am 3. Juli 2021.
  4. 1 2 Stefan Fischbach, Ingrid Westerhoff: „… und dies ist die Pforte des Himmels“. Synagogen Rheinland-Pfalz und Saarland. Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Staatliches Konservatoramt des Saarlandes, Synagogue Memorial Jerusalem. (Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland, 2). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3313-7, S. 292 f.
  5. Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945. Bundesarchiv, abgerufen am 3. Juli 2021.
  6. Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer. Yad Vashem – Internationale Holocaust Gedenkstätte, abgerufen am 3. Juli 2021.
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