Jürgen Ponto (* 17. Dezember 1923 in Bad Nauheim; † 30. Juli 1977 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Bankmanager. Von 1969 bis zu seiner Ermordung war er Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Ponto wurde beim Versuch, ihn zu entführen, von Mitgliedern der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF) erschossen.
Leben
Jürgen Ponto war ein Sohn einer Hamburger Kaufmannsfamilie; er verbrachte einige Kindheitsjahre in Ecuador, wo sein Vater Robert Ponto Handelsgeschäfte betrieb. Er war der Neffe des Schauspielers Erich Ponto.
Im März 1942 machte er sein Abitur am Hamburger Wilhelm-Gymnasium; direkt danach wurde er zur Wehrmacht bzw. zum Kriegsdienst eingezogen. Nach einem Kriegsoffiziers-Lehrgang kam er zum Fronteinsatz im Russlandfeldzug als Panzerjäger in Süd- und Mittelrussland. Im Februar 1943 wurde er schwer verwundet. Noch vor seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst begann Ponto im April 1944 an der Universität Göttingen ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften mit den Nebenfächern Philosophie und Kunstgeschichte, das er nach dem Krieg in Hamburg fortsetzte. Während des Studiums in Hamburg schrieb er nebenbei für die Hamburger akademische Rundschau und spielte in Studententheatern mit. 1950 heiratete er Ignes von Hülsen (1929–2020), 1951 wurde ein Sohn, 1957 die Tochter Corinna geboren.
Ponto machte beide Staatsexamina (das zweite 1952). 1950/51 arbeitete er im Rahmen seines Referendariats in der von Joachim Entzian geleiteten Rechtsabteilung der Hamburger Kreditbank, einem Nachfolgeinstitut der von den Alliierten entflochtenen Dresdner Bank. Entzian gab Ponto eine gute Beurteilung, stellte ihn 1951 als Volontär ein und förderte ihn. 1951 studierte er an der Universität Seattle (USA); ab Februar 1952 war er wieder bei der Hamburger Kreditbank und erhielt nach dem Assessor-Examen eine Anstellung als Mitarbeiter der Rechtsabteilung. 1959 wurde Ponto als Nachfolger von Entzian zum Chefsyndikus der inzwischen neu gegründeten Dresdner Bank AG, Hauptverwaltung Hamburg, ernannt.
In den folgenden Jahren leitete Ponto in der Dresdner Bank das Ressort Geld und Kredit. Im Juni 1969 wurde er Sprecher des Vorstands der Dresdner Bank und folgte damit auf Erich Vierhub. Ponto, bis dahin relativ unbekannt, internationalisierte die Dresdner Bank in den Jahren darauf. So eröffnete die Bank Niederlassungen in Singapur, New York, London (alle 1972), Tokio (1973), Los Angeles (1974) und Chicago (1974), ferner eine Repräsentanz in Moskau (1973). Zudem schob er überfällige organisatorische Veränderungen an und initiierte einen Image-, Kommunikations- und Marketingwandel. Im Rahmen der „Deutschland AG“ hielt er eine Reihe von Aufsichtsratsmandaten großer Unternehmen. Beim Verkauf einer 14-prozentigen Beteiligung an Daimler-Benz aus dem Vermögen der Quandt-Familie an Kuwait war Ponto führend beteiligt; dieser Verkauf galt als sein Meisterstück, löste zugleich aber Sorgen vor einem Ausverkauf an Scheichs aus. Sein Rat war auch in Regierungskreisen gefragt; unter anderem beriet er Helmut Schmidt, der im Mai 1974 Bundeskanzler geworden war. 1977 galt Ponto als möglicher Kandidat für das Amt des Bundesbankpräsidenten, was er aber ablehnte.
Der künstlerisch interessierte Ponto gründete 1972 zusammen mit Herbert von Karajan eine Stiftung der Dresdner Bank zur Unterstützung junger Musiktalente. Außerdem rief er eine Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des deutschen Musiklebens ins Leben.
Ermordung
Im Frühjahr 1977 geriet Ponto in den Fokus der Roten Armee Fraktion, nachdem Susanne Albrecht der Gruppe über die Freundschaft ihrer Familie zu den Pontos berichtet und damit Zugang zu einem möglichen Opfer geboten hatte. Ihr Vater Hans-Christian Albrecht war Studienfreund und ihre jüngere Schwester Julia Albrecht Patenkind von Jürgen Ponto. Tatsächlich entschloss die RAF sich, ihn aus seinem Haus zu entführen. Ziel war der Erhalt von Lösegeld oder die Freipressung inhaftierter Mitglieder. Im Mai und Juni 1977 besuchte Albrecht die ahnungslose Familie Ponto zweimal zu Hause. Eine Warnung durch den Staatsschutz oder die Familie Albrecht, welche von Susannes Zugehörigkeit zur RAF bereits wusste, war nicht erfolgt. Am 29. Juli vereinbarte man einen Besuch zum Tee für den nächsten Tag.
Am 30. Juli, einem Samstag, klingelte Albrecht in Begleitung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar bei den Pontos (50° 11′ 36,2″ N, 8° 34′ 12,3″ O ) und erbat Einlass. Jürgen Ponto führte die drei Mitglieder der RAF ins Esszimmer. Als Klar ihm unter vorgehaltener Waffe erklärte, er werde entführt, kam es zu einem Handgemenge zwischen den beiden. In der Folge gaben Klar und Mohnhaupt mehrere Schüsse auf Ponto ab, der von mehreren Kugeln in Kopf und Körper getroffen wurde. Anschließend flüchteten die gescheiterten Entführer mit einem von Peter-Jürgen Boock bereitgehaltenen Auto. Pontos Ehefrau Ignes hielt sich zum Tatzeitpunkt im Nebenzimmer auf. Er selbst erlag zwei Stunden später im Universitätsklinikum Frankfurt seinen Verletzungen.
Erst zwei Wochen nach der Tat – deutlich später als gewöhnlich – veröffentlichte die RAF ein wenige Zeilen langes Bekennerschreiben, in dem sie erklärte, nicht mit einem solchen Verhalten Pontos gerechnet zu haben. Das Schreiben war im Gegensatz zum normalen Vorgehen der RAF von Susanne Albrecht persönlich unterzeichnet. Bereits wenige Tage nach der Tat hatte sich durch zwei Anrufe bei Reuters eine „Befreiungsbewegung Roter Morgen“ bzw. „Aktion Roter Morgen“ zu der Tat bekannt und „die sofortige Freilassung aller politischen Kriegsgefangenen in der BRD“ gefordert. Ansonsten würden „weitere Mitglieder der Ausbeuterklasse hingerichtet“. Die versuchte Entführung Pontos stellte nach der Ermordung von Siegfried Buback einen weiteren Teil der sogenannten Offensive 77 der RAF dar, die im Deutschen Herbst ihren Höhepunkt erreichte.
Für die Beteiligung an der Tat wurden später Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar, Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann und Susanne Albrecht wegen Mordes, Beihilfe zum Mord oder versuchter Geiselnahme und versuchten Menschenraubs verurteilt. Später stellte sich heraus, dass Hofmann entgegen dem Urteil von 1982 nicht unmittelbar beteiligt gewesen war. Ein Verfahren gegen Adelheid Schulz wurde wegen der Verurteilung in anderen Fällen eingestellt.
Als Susanne Albrecht 1991 vor Gericht stand, behauptete sie, bei der Ermordung Pontos habe es keine Gegenwehr Pontos gegeben. Dies nährte Spekulationen, auch durch Pontos Biographen, es sei zumindest einem Teil der Täter von Anfang an um eine Ermordung Pontos gegangen. Diese Auffassung gilt heute jedoch als widerlegt. Die RAF hatte zur Entführung Pontos in Hattersheim bei Frankfurt eine konspirative Wohnung im Hochhaus Südring 3a angemietet.
Nach dem Attentat zogen seine Witwe, Tochter und Sohn in die USA. Pontos Grabstätte befand sich zunächst auf dem alten Waldfriedhof von Ober-Sensbach. 2021 wurde Ponto in das Grab seiner 2020 verstorbenen Witwe Ignes auf den Friedhof Heerstraße nach Berlin umgebettet, wo auch sein Schwiegersohn Klaus Schultz begraben liegt.
Zum Andenken an Jürgen Ponto wurden auf dem Oberurseler Rathausplatz ein Brunnen und in Frankfurt am Main ein Platz in der Innenstadt nach ihm benannt; an diesem Platz steht der Silberturm (Jürgen-Ponto-Hochhaus).
Wenige Monate nach dem Mord gründeten seine Frau Ignes und die Dresdner Bank die Jürgen Ponto-Stiftung zur Förderung junger Künstler.
Film und Familienkonflikt
Nach dem Erscheinen des Spielfilms Der Baader Meinhof Komplex im September 2008 kritisierte Pontos Witwe die fehlende historische Authentizität bei der Darstellung der Ermordung ihres Mannes im Film. So seien die laut hörbaren Schüsse im Film in Wirklichkeit mit Schalldämpfern abgegeben worden, Ponto völlig anders als im Film gezeigt auf den Boden gestürzt, der Raum dunkel anstatt lichtdurchflutet gewesen und sie habe während der Tat nicht auf der Terrasse gesessen, sondern sei im Nachbarraum gewesen. Ignes Ponto strengte deswegen eine Klage gegen die Produktionsfirma Constantin Film an, um zu erreichen, dass die Szene nicht mehr gezeigt werden darf. Zuvor hatte sie aus Protest gegen den Film ihr Bundesverdienstkreuz an den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zurückgeschickt. Die Zivilkammer des Kölner Landgerichts wies ihre Klage im Januar 2009 ab und stellte fest, dass ihre Persönlichkeitsrechte durch den Film nicht verletzt würden, durch die Szene weder das Lebensbild Pontos verfälscht noch seine Person entwürdigt werde und die kritisierte Szene im Film auch durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit gedeckt sei.
2011 veröffentlichten Corinna Ponto, die Tochter Jürgen Pontos, und Julia Albrecht, die Schwester Susanne Albrechts, das Buch Patentöchter. Sie hatten es gemeinsam verfasst, „eine Art Versöhnungsbuch“, das sich mit dem Mord an Jürgen Ponto und der Rolle beider Familien auseinandersetzt. Stefan Ponto, der Sohn Jürgen Pontos, nahm dazu 2014 in einem Spiegel-Gespräch sehr kritisch Stellung. Er nannte es ein „unerträgliches Buch“, warf den Autorinnen Verharmlosung des Mordes an seinem Vater vor und konstatierte: „Ich sehe unser Verhältnis [sein Verhältnis zu seiner Mutter und seiner Schwester] als nicht reparabel an.“
Veröffentlichungen
- Strukturprobleme der Kapitalmärkte in internationaler Sicht. 1968.
- Die Rolle der Banken in der Welt von morgen. 1970.
- Banken und Staat im Konflikt. In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen. 1973.
- Wirtschaft auf dem Prüfstand. 1975.
- Mut zur Freiheit. 1977.
Literatur
- Julia Albrecht, Corinna Ponto: Patentöchter: Im Schatten der RAF – ein Dialog. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, ISBN 978-3-462-04277-1.
- Hans G. Meyen: Ponto, Jürgen. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 618 f. (Digitalisat).
- Ignes Ponto: Sie kamen mit Rosen in der Hand ... Lebens-Einschnitte. Kranich-Verlag, Zollikon/Schweiz 1991, ISBN 3-906640-40-X.
- Ralf Ahrens, Johannes Bähr: Jürgen Ponto. Bankier und Bürger. Eine Biografie. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-65581-4.
Weblinks
- Literatur von und über Jürgen Ponto im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Jürgen Ponto in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Dresdner Bank: Kurzbiografie Jürgen Pontos (PDF-Datei; 791 kB)
- Jürgen Ponto Stiftung
- detaillierter Lebenslauf (Memento vom 13. September 2014 im Internet Archive)
- Dossier zu Jürgen Ponto bei Spiegel Online
- Ponto, Jürgen. Hessische Biografie. (Stand: 9. Mai 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Ponto, Jürgen im Frankfurter Personenlexikon
Einzelnachweise
- ↑ Ralf Ahrens, Johannes Bähr: Jürgen Ponto 1923-1977. In: Hans Pohl (Hrsg.), Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts. 2007, ISBN 978-3-51508954-8: Archivlink (Memento vom 13. September 2014 im Internet Archive) (S. 10)
- ↑ Dresdner Bank AG (Hrsg.): Jürgen Ponto: Kurzbiographie (PDF-Datei; 791 kB). Eugen-Gutmann-Gesellschaft e.V., Historisches Archiv der Dresdner Bank. (abgerufen am 16. Januar 2011.)
- ↑ Ponto Nummer 2. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1968, S. 102 (online).
- 1 2 Die Zeit 22/1969: Ein Vorstand nahm seinen Abschied
- ↑ Archivlink (Memento vom 13. September 2014 im Internet Archive) (S. 16)
- 1 2 3 Johannes Bähr: Robert Bosch – Paul Reusch – Jürgen Ponto. In: Werner Plumpe (Hrsg.): Unternehmer – Fakten und Fiktionen. Historisch-biografische Studien (Schriften des Historischen Kollegs, 88), De Gruyter Oldenbourg, München 2014, S. 197–225, hier S. 220, ISBN 978-3-486-71352-7.
- ↑ Johannes Bähr: Robert Bosch – Paul Reusch – Jürgen Ponto. In: Werner Plumpe (Hrsg.): Unternehmer – Fakten und Fiktionen. Historisch-biografische Studien (Schriften des Historischen Kollegs, 88), De Gruyter Oldenbourg, München 2014, S. 197–225, hier S. 218 f, ISBN 978-3-486-71352-7.
- ↑ Bundesbank: Wer wird Präsident? Hamburger Abendblatt vom 19. März 1977.
- ↑ Archivlink (Memento vom 13. September 2014 im Internet Archive) (S. 21)
- 1 2 Ralf Ahrens, Johannes Bähr: Jürgen Ponto. Bankier und Bürger. Eine Biografie. S. 207 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- 1 2 Julia Jüttner: RAF-Mord: „Du kennst ja den Herrn Ponto“. Spiegel Online vom 28. Juli 2007.
- ↑ Ralf Ahrens, Johannes Bähr: Jürgen Ponto: Bankier und Bürger. C. H. Beck, München 2013.
- ↑ Jürgen Ponto-Stiftung zur Förderung junger Künstler: Bundesrepublik Deutschland. Terrorismus. Ermordung von Jürgen Ponto (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive). Archiv der Gegenwart, 5. August 1977, ohne Jahr.
- ↑ Trick mit Krücke. In: Der Spiegel. Nr. 25, 1982, S. 45–47 (online).
Michael Sontheimer: Terrorprozesse: Die zweifelhaften Urteile der RAF-Tribunale. Spiegel Online, 2. Mai 2010, bearbeiteter Auszug aus: Michael Sontheimer: „Natürlich kann geschossen werden“. Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion. Deutsche Verlags-Anstalt, 2010. - ↑ RAF ermordet Jürgen Ponto. RP Online, 29. Juli 2007.
- ↑ Vgl. Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex. 2008, vollständig überarbeitete Auflage, S. 461–463; Butz Peters: Tödlicher Irrtum: die Geschichte der RAF. Fischer Taschenbuch Verlag, 2008, S. 388–390.
- ↑ stern.de / Thomas Seythal: Mord an Jürgen Ponto: Die Mörder hatten Blumen dabei. Stern online, 29. Juli 2007, Zugriff am 7. April 2021.
- ↑ Initiative Frankfurter Stiftungen e.V.: Jürgen Ponto-Stiftung zur Förderung junger Künstler, abgerufen am 27. März 2015.
- ↑ Ponto-Witwe geht gerichtlich gegen RAF-Kinofilm vor, Spiegel Online vom 1. November 2008.
- ↑ Ponto-Witwe gibt Verdienstkreuz zurück 7. Oktober 2008.
- ↑ Ponto-Witwe scheitert mit Klage gegen RAF-Film, Spiegel Online vom 9. Januar 2009.
- 1 2 Philipp Oehmke [Interview mit Stefan Ponto]: Die wahre Tragödie meines Lebens. In: Der Spiegel. Nr. 25, 2014, S. 118–121 (online – 16. Juni 2014).
- ↑ www.kiwi-verlag.de
- ↑ Rezension von Christopher Kopper