Jamshid Sharmahd oder Dschamschid Scharmahd (auch Djamshid Sharmahd, persisch جمشید شارمهد; * 23. März 1955 in Teheran, Iran) ist ein deutscher Unternehmer. Er wurde im Sommer 2020 von iranischen Geheimdienstlern aus Dubai entführt und nach jahrelanger Haft, wahrscheinlicher Folter und ohne rechtsstaatliches Verfahren im Februar 2023 wegen angeblichem Terrorismus zum Tod verurteilt.

Familie, Ausbildung, Beruf

Jamshid Sharmahd wurde in Teheran geboren. Sein Vater zog 1962 mit ihm nach Deutschland und heiratete dort eine Deutsche. Sharmahd wuchs in Peine und Hannover auf. Er machte eine Ausbildung zum Elektriker, studierte und wurde Elektroingenieur. Als solcher arbeitete er bei Siemens und baute eine eigene kleine Softwarefirma auf. Später zog er nach Teheran, verließ das Land aber 1979 nach der Islamischen Revolution wieder. Seine Frau und seine Tochter Gazelle Sharmahd holte er 1983 nach. Sein Sohn wurde in Deutschland geboren. Danach wohnte er mit seiner Familie in Hannovers Nordstadt und betrieb dort ein Computergeschäft. Seit 1995 hat er die deutsche Staatsangehörigkeit.

2003 zog er in die USA und gründete dort ein Softwareunternehmen. Dort kam er in Kontakt mit einer kleinen exiliranischen Oppositionsgruppe, für die er einen Exilradiosender mit aufbaute. Infolge der Proteste nach der iranischen Präsidentschaftswahl 2009 engagierte er sich für Menschenrechte im Iran und machte laut seiner Tochter viele Verbrechen des iranischen Regimes und deren Opfer bekannt. Er betrieb eine Website, auf der Menschen über die Lage im Iran berichten konnten.

Entführung und Haft

Am 25. Juli 2020 unternahm Sharmahd eine Geschäftsreise und flog von Frankfurt am Main nach Dubai. Dort fiel sein geplanter Anschlussflug nach Mumbai aus. Er musste in Dubai übernachten, informierte seine Angehörigen in Los Angeles über seinen Aufenthaltsort und ermöglichte ihnen, sein Mobiltelefon über einen Google-Tracker zu orten. Danach konnten sie ihn telefonisch nicht mehr erreichen. Ab dem 29. Juli 2020 bewegte sich das Mobiltelefon dem Tracker zufolge über Buraimi und Suhar im Oman in den Iran. Einen Monat später zeigte das iranische Staatsfernsehen ein Video, in dem Jamshid Sharmahd mit verbundenen Augen und geschwollenem Gesicht leise sagte, er habe einer Terrorgruppe Explosionsmaterial zur Verfügung gestellt. Weitere Propagandabilder zeigten, wie schwer bewaffnete Männer mit Sturmhauben ihn in Handschellen abführten. Der Leiter des Geheimdienstministeriums Irans behauptete, man habe ihn durch eine „komplexe Operation“ gefasst. Das Regime beschuldigt ihn ohne jeden Beweis, er habe einen Bombenanschlag geplant. Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass iranische Regimekräfte Sharmahd wie dutzende Oppositionelle zuvor entführt, verschleppt, gefoltert und so ein erfundenes Geständnis erzwungen haben. Irans Behörden hielten den Ort geheim, wo sie Sharmahd gefangen hielten, und erlaubten keine Besuche. Die Angehörigen durften nur selten mit ihm für wenige Minuten telefonieren. Jedes Telefonat wurde von mehreren Wächtern überwacht. Obwohl Sharmahd keine Details zu seinen Haftumständen mitteilen durfte, gab er seiner Tochter indirekt zu verstehen, dass man ihm die Zähne ausgeschlagen hatte, er nie Tageslicht sah, nur mit seinen Peinigern sprechen und keinen Rechtsanwalt auswählen durfte, sondern ihm ein regimetreuer Anwalt gestellt wurde.

Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), die den Fall begleitet, wurde Sharmahd jahrelang ohne Rechtsbeistand in Isolationshaft gehalten, war der Folter ausgesetzt und erhielt keine Medikamente. Obwohl sein Gesundheitszustand sich in der Haft stark verschlechterte, verweigerten Irans Behörden ihm systematisch eine angemessene medizinische Versorgung. Der Anwalt des Regimes gab gegenüber den Angehörigen zu, dass Sharmahd als politische Geisel festgehalten werde, um westliche Staaten, in diesem Fall Deutschland, zu erpressen. Konsularischer Zugang wurde ihm verwehrt. Bis Juli 2022, anderthalb Jahre lang, durfte Sharmahds Tochter Gazelle nicht mehr mit ihrem Vater telefonieren; auch seiner Frau wurden mehrere Telefonate mit ihm verboten.

Schauprozess und Todesurteil

Im Juli 2022 begann Irans Regime einen Schauprozess gegen Sharmahd mit mehreren Anhörungen. Er wurde angeklagt, an einem Bombenanschlag auf eine Moschee in Schiras (Provinz Fars) im Jahr 2008 mit 14 Toten und über 200 Verletzten beteiligt gewesen zu sein. Jedoch hatte Irans Nationaler Sicherheitsrat selbst im Jahr 2008 über die staatliche Nachrichtenagentur Fars News eine Bombe und einen Anschlag von Oppositionellen als Ursache der Explosion in der Moschee in Schiras ausgeschlossen und einen Unfall durch explodierende Munition aus dem früheren Krieg Irans mit Irak als Ursache angegeben. Doch nach fünf Prozessterminen im Juli 2022 teilte der vom Regime gestellte Anwalt Gazelle Sharmahd mit, ein letzter öffentlicher Prozesstag stehe bevor. Das Todesurteil gegen ihren Vater sei sicher. Dessen baldige Hinrichtung wurde befürchtet. AI und die exiliranische National Union For Democracy in Iran (NUFDI) appellierten dringend an die US-Regierung von Präsident Joe Biden, Sharmahd und andere widerrechtlich Gefangene im Iran aus der Gefahr der Folter und Hinrichtung zu retten. AI verwies dabei auch auf den Widerspruch der erfundenen Anklage gegen Sharmahd zur früheren staatlichen Erklärung der Explosion in Schiras. Gazelle Sharmahd informierte westliche Medien und erklärte, das Regime mache ihren Vater zum nachträglichen Sündenbock für den Unfall von 2008 in Schiras, um Dissidenten zu verfolgen. Sie kritisierte die deutsche Bundesregierung für Passivität gegenüber dem Regime Irans. Diese erklärte, sie verurteile die Todesstrafe allgemein und suche weiter konsularischen Zugang zu Sharmahd. Mehrere prominente Exiliraner forderten die Bundesregierung aus diesem Anlass auf, unmissverständlich den Abbruch aller wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Iran anzukündigen, falls Sharmahd hingerichtet werde.

Im Dezember 2022 setzte Irans Regime den Schauprozess gegen Jamshid Sharmahd fort. Fotografien der staatlichen Nachrichtenagenturen zeigten ihn gebeugt und verstört. Ein angekündigtes Todesurteil wurde zunächst ausgesetzt. Vermutet wurde, dass das Regime wegen der laufenden Proteste im Iran seit September 2022 zusätzlichen internationalen Druck vermeiden wollte und abwartete. Am 21. Februar 2023 gab ein staatliches Justizportal im Iran bekannt, dass ein iranisches Gericht Sharmahd wegen „Korruption auf Erden“ zum Tod verurteilt hat. Sharmahd und seine Familie hatten seine Beteiligung an den ihm zugeschriebenen Gewalttaten bestritten. Menschenrechtler stufen das Urteil wegen des fehlenden Rechtsverfahrens, fehlender Beweismittel und des durch Folter erzwungenen Geständnisses als reines Unrechtsurteil ein. Anfang März 2023 gab Irans Justiz eine Berufung gegen das Todesurteil direkt an den Obersten Gerichtshof des Iran weiter. Seitdem droht Sharmahd die Hinrichtung. Am 26. April wurde das Urteil bestätigt.

Reaktionen

Sharmahds Entführung, Folterung, der Schauprozess und das Todesurteil gegen ihn werden international verurteilt. Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen machte Irans Regierung bereits 2020 „für das Kidnapping und die Verschleppung von Herrn Sharmahd“ verantwortlich. Amnesty International bewertete das Gerichtsverfahren als politisch motiviert und forderte Sharmahds Freilassung und internationalen Druck auf das Regime.

Das deutsche Auswärtige Amt bestellte den iranischen Botschafter Mahmoud Farazandeh ein und wies zwei iranische Diplomaten als Personae non gratae aus. Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete das Urteil als „absolut inakzeptabel“ und forderte den Iran auf, es zu widerrufen. Der als Kind selbst aus dem Iran geflüchtete Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Omid Nouripour, sah in der Verurteilung ein Zeichen der „Unmenschlichkeit des iranischen Unrechtsregimes“, die keine Grenzen kenne. Auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), der eine politische Patenschaft für Sharmahd übernommen hat, kritisierte den Schauprozess und das Todesurteil scharf. Bis Ende März 2023 unterschrieben mehr als 320.000 Menschen eine Petition von Sharmahds Tochter Gazelle Sharmahd, die Außenministerin Annalena Baerbock auffordert, sich stärker für ihren Vater einzusetzen.

Ende Juni 2023 erstattete Gazelle Sharmahd gemeinsam mit zwei in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisationen bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen acht ranghohe Mitarbeiter in Justiz und Geheimdienst des Irans. Die Anzeige beruft sich auf das Weltrechtsprinzip nach Paragraph 1 des Völkerstrafgesetzbuchs.

Commons: Jamshid Sharmahd – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Frederik Schindler: „Verhandeln Sie nicht mit den Kidnappern meines Vaters“. Welt, 21. Februar 2023.
  2. 1 2 Nach Todesurteil: Solidarität mit Deutsch-Iraner in Hannover. NDR, 25. Februar 2023
  3. Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd in Teheran zum Tode verurteilt. Spiegel, 21. Februar 2023.
  4. 1 2 3 4 5 6 Livia Gerster: Teherans langer Arm - Irans Schergen sind überall. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 30. Dezember 2022
  5. Die Angst der Tochter um den Vater. Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 23. Februar 2023, S. 17
  6. Todesstrafe im Iran. „Mein Vater braucht keine Zahnpasta. Sein Leben muss gerettet werden“. Interview: Amonte Schröder-Jürss, Zeit Online, 31. März 2023
  7. 1 2 3 Iran: Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd muss aufgehoben werden! AI, 21. Februar 2023
  8. Livia Gerster: Deutsch-Iraner Sharmahd: Politische Geisel Irans. FAZ, 21. Februar 2023
  9. 1 2 Nach Todesurteil gegen Sharmahd – Auswärtiges Amt weist zwei Iran-Diplomaten aus. n-tv, 22. Februar 2023
  10. 1 2 Benjamin Weinthal: ‘Death sentence certain’ for German-Iranian journalist. The Jerusalem Post, 23./25. Juli 2022
  11. Jamshid Sharmahd: Verurteiltem Deutsch-Iraner droht offenbar schnelle Hinrichtung. FAZ, 5. März 2023
  12. Oberster Gerichtshof bestätigt Todesurteil gegen Deutsch-Iraner. In: tagesschau.de. 26. April 2023, abgerufen am 26. April 2023.
  13. Baerbock kündigt »deutliche Reaktion« auf Todesurteil gegen Sharmahd an. Spiegel, 21. Februar 2023.
  14. Johanna Sagmeister: Kritik an „stiller Diplomatie“ der Regierung. Tagesschau.de, 30. März 2023.
  15. Verurteiler Deutscher im Iran. „Herr Scholz, was tun Sie, um mich zu retten?“, FAZ.net, 17. Juli 2023
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