Sir John Macdonald Kinneir (* 3. Februar 1782 in Carnden, Linlithgow; † 11. Juni 1830 in Tabriz) war ein schottischer Offizier der Ostindien-Kompanie (East India Company, EIC) und britischer Diplomat.
Biografie
Jugend
John Macdonald Kinneir war der illegitime Sohn von John Macdonald von Sanda Island, Schottland, und Cecilia Maria Douglas Kinneir von Kinneir, in Fife bei Wormit. Der Tod seines Vaters ließ ihn im Besitz von mehreren Ländereien, die aber so überschuldet waren, dass sie nach langen Rechtsstreitigkeiten verkauft werden mussten; allein Sanda Island, den Stammsitz seiner Familie, konnte er zurückerwerben. In seiner Jugend schlug John Macdonald Kinneir – der sich in seinen früheren Jahren und in offiziellen Dokumenten „Macdonald“, später aber des Öfteren „Kinneir“ nannte – mit anderen Angehörigen seines Klans in einer Einheit von Fencibles (einer Miliz von Hintersassen) einen Aufstand in Irland nieder.
Die Schwierigkeiten mit dem Erbe seines Vaters veranlassten ihn, eine Ernennung zum Kadetten in Madras (h. Chennai) anzunehmen, wo er 1803 eintraf. Im September 1804 stieg er zum Fähnrich in der Madras Native Infanterie auf, die zu diesem Zeitpunkt noch der englischen Ostindien-Kompanie unterstand, doch trat er seinen dortigen Dienst erst im Jahr 1807 an. In späteren Jahren diente er als Hauptmann in diesem Truppenteil und erreichte später noch den Rang eines Oberstleutnants.
Reisen im Iran und im Vorderen Orient (1808–1811)
1808–1809 nahm er als „political assistant“ an der Mission von Sir John Malcolm in Persien teil, nachdem er auf einem Posten als Sekretär eines Offiziers während eines Einsatzes in Malabar gesundheitlich schwer mitgenommen worden war. Die britische Mission war erforderlich geworden, weil man zu dieser Zeit (als Folge des Friedensschlusses zwischen Frankreich und Russland im Juli 1807) befürchtete, eine französisch-russische Bündnisarmee könnte zur Besetzung Nordindiens auf den Weg geschickt werden, zumal auch Persien seit 1807 mit Frankreich vertraglich verbunden war (Vertrag von Finckenstein). Andererseits befand sich Persien mit Russland seit 1804 im Krieg, und die britische Strategie setzte nun darauf, dass die Verständigung zwischen Frankreich und Russland den Schah wieder in die Arme Großbritanniens treiben würde. Die Mission Malcolms erreichte von Bombay aus Buschehr am Persischen Golf, dann Schiras, doch die Bemühungen, Fath Ali Schah von der französischen auf die britische Seite zu ziehen, wurden von den in Teheran anwesenden Französen hintertrieben und hatten nicht den gewünschten Erfolg, und Malcolm zog sich wieder nach Indien zurück. Erst einer neuerlichen Mission unter Sir Harford Jones war es zu verdanken, dass im März 1809 ein Vertrag zwischen Persien und Großbritannien zustande kam. Kinneir selbst war währenddessen als Agent in Buschehr tätig und bereiste mehrere Regionen Persiens. Anschließend, im Jahr 1810, reiste er nach Bagdad und von dort in Richtung Syrien, wurde aber unterwegs von arabischen Beduinen überfallen, ausgeraubt und verwundet. Er ging nach Bagdad zurück, brach dann aber über Mosul und Diyarbakır nach Konstantinopel auf. Auf dem Seeweg (via Portugal) kehrte er schließlich aus der Türkei nach England zurück. Aus dem ersten Aufenthalt in Persien ging Kinneirs erster Reisebericht hervor, den er nach seiner Rückkehr nach England verfasste und der 1813 veröffentlicht wurde.
Reise nach Indien (1813–1814)
Im Jahr 1813 wurde angeordnet, er müsse zu seinem Regiment nach Indien zurückkehren. Zusammen mit Colonel Neil Campbell (1776–1827) machte er sich deshalb nach Stockholm auf, um von dort durch Russland und Persien nach Indien zu gelangen. Inzwischen war aber (nach dem gescheiterten Russlandfeldzug Napoleons) die Lage im südlichen Russland wieder befriedet, und so nahm man stattdessen die Route durch Polen und Ungarn und über den Balkan nach Konstantinopel. Kinneir besuchte dann Kleinasien und Zypern, bevor er sich anschließend nach Armenien und von dort weiter nach Bagdad begab. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen stand dabei die Erkundung der Wege, die eine mögliche russische (oder andere europäische) Armee auf dem Landweg nach Indien einschlagen könnte; aus diesem Grund interessierte er sich auch sehr für die Geschichte der Asienfeldzüge Alexanders des Großen, die er in seinem zweiten Reisebericht (1818) ausführlich behandelt. Vom Iraq aus reiste Kinneir schließlich auf dem Seeweg nach Indien. Ab 1814 war er für einige Jahre Stadtkommandant in Fort St. George, Madras (h. Chennai) sowie Agent bei den Nawabs von Karnatik (bzw. Arcot).
Als Gesandter im Iran (1826–1830)
Als im Jahr 1823 beschlossen wurde, das den britischen Gesandten in Persien abzuziehen und durch einen Angehörigen der Ostindien-Kompanie zu ersetzen, fiel die Wahl auf Kinneir. Dieser wurde 1824 offiziell ernannt und traf im September 1826 in Persien ein, just zu dem Zeitpunkt, als sich Persien wieder in einem erneuten Krieg mit Russland befand. Fath Ali Schah forderte britische Unterstützung, doch Kinneir verweigerte diese, weil britische Unterstützung nur für den Fall zugesichert worden war, Persien werde angegriffen, doch 1826 hatten persische Truppen russisches Gebiet besetzt und den neuerlichen Konflikt begonnen. Kinneir war im Jahr 1827 anwesend, als die persischen Truppen im Oktober aus Yerevan vertrieben wurden und weiter auf Tabriz vorstießen; er versuchte mit allen Mitteln, den Konflikt zu beenden und wurde von den Russen schließlich als inoffizieller Vermittler akzeptiert. Aus den Verhandlungen ging im Februar 1828 der Friede von Turkmantschai hervor, der für Persien sehr ungünstige Bedingungen (einschließlich Verlust von Territorien und Reparationszahlungen) hatte und dazu führte, dass der Einfluss Großbritanniens in Persien auf ein Mindestmaß schwand. Kinneir wurde jedoch dafür nicht verantwortlich gemacht und stand bei Russen und Persern in gutem Ruf. Er erhielt in der Folge den persischen Sonnen- und Löwenorden und wurde im November 1829 von der britischen Regierung als Knight Bachelor geadelt; bis zu seinem Tod in Tabriz, am 11. Juni 1830 in Folge einer längeren Krankheit, blieb er britischer Gesandter beim Schah von Persien. Aus Anlass seines Todes wurde in Persien eine dreimonatige Staatstrauer angeordnet.
Kinneir war mit Amelia Harriet verheiratet, Tochter von Sir Alexander Campbell (1760–1824), Generalleutnant in Madras. Lady Harriet begleitete ihren Ehemann während seiner Gesandtschaft in Persien. Sie überlebte ihn um drei Jahrzehnte; sie starb 1860 in Boulogne.
Im Urteil von Zeitgenossen
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Schriften
- 1813: A Geographical Memoir of the Persian Empire, Accompanied by a Map. London: John Murray (Google)
- Französischsprachige Ausgabe 1827: Mémoires géographiques sur l’empire de Perse. Traduit de l’anglais par le colonel [Gaspard] Drouville. 2 Bände. St. Petersburg
- 1818: Journey through Asia Minor, Armenia, and Koordistan, in the Years 1813 and 1814; with Remarks on the Marches of Alexander, and Retreat of the Ten Thousand. London: John Murray (Google)
- Französische Ausgabe 1818: Voyage dans l’Asie Mineure, l’Arménie et le Kourdistân, dans les années 1813 et 1814; Suivi de remarques sur les Marches d’Alexandre, et la Retraite des Dix-Mille. Traduit de l’anglais, par N. Perrin. Avec une grande carte. 2 Bände. Paris: Gide Fils (Google: Band I – Band II)
- Niederländische Ausgabe 1819: Reizen door Klein Azie, Armenie, en Koerdistan; (gedann in het jaar 1813 en 1814,) benevens Aanmerkingen wegens de Krijgstogten van Alexander, en den Terugtogt van de Tien Duizend. Uit het Engelsch. 2 Bände. Rotterdam: Arbon en Krap (Google: Band I – Band II)
- Deutsche Ausgabe 1821: Reise durch Klein-Asien, Armenien und Kurdistan, in den Jahren 1813 und 1814. Aus dem Englischen von F.A. Ukert. Weimar: Landes-Industrie-Comptoir (Google)
- Neuausgabe 2004: Martin Ewans (Hg.): The Great Game. Britain and Russia in Central Asia. Band III (London – New York: RoutledgeCurzon), Part 1: A Geographical Memoir of the Persian Empire / Part 2: A Dissertation on the Invasion of India
Die Bibliothek der Universität Edinburgh besitzt in ihrem Archiv (unter GB 237 Coll-798) Manuskripte und Drucksachen aus Kinneirs hinterlassenen Papieren.
Literatur
- Memoir of Sir John Macdonald Kinneir. In: The Asiatic Journal and Monthly Register for British and Foreign India, China, and Australasia, Band N.S. VI (Januar–April 1831), S. 144–146.
- C.E. Buckland: Kinneir, Sir John Macdonald. In: Dictionary of Indian Biography. Haskell House Publ, New York 1968 (11906), S. 237 f.
- Vanessa Martin (Hrsg.): Anglo-Iranian Relations since 1800. Routledge, Abingdon – New York 2005.
- Phiroze Vasunia: The Classics and Colonial India. Oxford University Press, Oxford 2013, S. 64–67.
- Henry Manners Chichester: Kinneir, John Macdonald. In: Sidney Lee (Hrsg.): Dictionary of National Biography. Band 31, Smith, Elder & Co., London 1892, S. 192 f.
Einzelnachweise
- ↑ In einigen zeitgenössischen Quellen wird auch der 12. Juni als Todestag angegeben, z. B. im „Memoir of Sir John Macdonald Kinneir“ (1831), S. 144.
- ↑ Alexander Mackenzie: History of the Macdonalds and Lords of the Isles. With Genealogies of the Principal Families of the Name. A. & W. Mackenzie, Edinburgh 1881, S. 476.
- ↑ Vernon Charles Paget Hodson: List of the Officers of the Bengal Army, 1758‒1834. IV: L‒R. Constable, London 1946, S. 117.
- ↑ So die Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt seines Geographical Memoir of the Persian Empire (1813).
- ↑ „Memoir“ (1831), S. 144.
- ↑ „Memoir“ (1831), S. 145.
- ↑ „Memoir“ (1831), S. 146.
- ↑ Papers of Sir John MacDonald Kinneir of Sanda (1782–1830). Abgerufen am 12. November 2019.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Henry Willock | Britischer Botschafter in Teheran 1826–1830 | John Campbell |