Kamarina oder Camerina war eine antike Stadt im heutigen Freien Gemeindekonsortium Ragusa an der Südküste von Sizilien, 16 km südwestlich von Vittoria.
Lage
Die Überreste der antiken Stadt Kamarina finden sich im Osten Siziliens an der südlichen Küste, in der Nähe des heutigen Ortes Scoglitti. Die Stadt war auf drei Hügeln zwischen den Flüssen Hipparis und Oanis angelegt.
Geschichte
Kamarina wurde laut Thukydides im Jahr 599 v. Chr. von Einwohnern von Syrakus gegründet. Nach kurzer Zeit trennte sich Kamarina von Syrakus und verbündete sich mit Sikelern gegen die Mutterstadt. Darauf wurde es 553 v. Chr. von Syrakus zerstört. Hippokrates, ein Tyrann von Gela, baute die Stadt wieder auf. Gelon von Syrakus zerstörte die Polis 484 v. Chr. erneut und siedelte deren Einwohner in Syrakus an. Nach dem Sturz der Deinomeniden wurde die Stadt von Gela aus wieder aufgebaut. Seit etwa 460 v. Chr. genoss Kamarina eine Ära des Wohlstands und verbündete sich während des Peloponnesischen Krieges 427 v. Chr. als einzige dorische Stadt mit Athen, bis die kriegerischen Auseinandersetzungen drei Jahre später eingestellt wurden. Während der athenischen Sizilienexpedition ging Kamarina aber auf Distanz zu Athen und schloss sich schließlich 413 v. Chr. Syrakus an.
405 v. Chr. wurde das Territorium von Kamarina von den Karthagern verheert. Die Einwohner verließen vorübergehend ihre Stadt und zogen nach Syrakus und weiter nach Leontinoi. Nach dem Frieden zwischen Dionysios I. von Syrakus und Karthago durften sie wieder heimkehren, mussten nun aber den Puniern Tribut zahlen. 339 v. Chr. wurde Kamarina von Timoleon durch neue Kolonisten verstärkt. Als der Tyrann Agathokles von Syrakus 311 v. Chr. besiegt worden war, trat die Stadt auf die Seite der Karthager über. Während des Ersten Punischen Krieges im Jahr 255 v. Chr. geriet eine römische Flotte auf dem Rückweg von einem Einsatz gegen die Karthager vor der Küste von Kamarina in einen Sturm. Von den knapp 400 Galeeren sanken fast 300, rund 100.000 Römer ertranken bei der Schiffskatastrophe vor Kamarina, rund 15 Prozent der erwachsenen männlichen Bevölkerung. Im Jahre 258 v. Chr. zerstörten die Römer Kamarina endgültig und versklavten dessen Bevölkerung.
Ihren Namen erhielt die Stadt nach der Wassernymphe Kamarina, die als Herrin des nahegelegenen, vom Fluss Hipparis gespeisten Sees verehrt wurde. Das Bild der auf einem Schwan reitenden Nymphe sieht man auf Silbermünzen (Didrachmen), die in Kamarina im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. geprägt wurden. Die andere Seite dieser Münzen zeigt den Kopf eines Jünglings mit Stierhörnern, durch den der Fluss Hipparis in göttlicher Gestalt verkörpert wird.
Die Stadt
Kamarina war von einer etwa 7 km langen Stadtmauer umgeben. Der Aufbau der Stadt ist regelmäßig. Es gab ein Heiligtum, welches der Göttin Athene geweiht war.
Ausgrabungen und Museum
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde mit den Ausgrabungen begonnen, 1958 wurden sie fortgeführt. Diese Ausgrabungen förderten ein Großteil der Fundstücke zu Tage, die heute im Regionalmuseum für Archäologie von Kamarina ausgestellt sind.
Das Museum befindet sich in einem Baglio, einem traditionellen italienischen Weingut, das Ende des 19. Jahrhunderts auf den Fundamenten des Athene-Tempels erbaut wurde. Teile der Tempelmauern wurden in den östlichen Teil des Gutshofes integriert. Zuvor waren sie Bestandteil der Kirche Madonna di Cammarana, die in der arabisch-normannischen Periode erbaut und 1837 bei einem Brand zerstört worden war.
Dieses östliche Gebäude, in dem früher die Winzerfamilie lebte, beherbergt die ältesten Funde aus der Region. Dort sind Fossilien von Säugetieren aus der Gegend um Ragusa und Gegenstände aus der frühen Bronzezeit aus Siedlungen entlang der Küste und aus dem Dorf Branco Grande ausgestellt. Ein zweiter Raum in diesem Gebäude zeigt Funde aus der Nekropole von Kamarina. Die ältesten dieser Funde aus dem frühen 6. Jahrhundert v. Chr. belegen die Angaben antiker Quellen, dass die Siedlung 598 v. Chr. gegründet wurde. In einem dritten Raum sind weibliche Statuetten aus dem Heiligtum der Persephone und Fragmente vom Tempel der Athene zu sehen. Der vierte Raum des Gebäudes zeigt Teile der ursprünglichen Kellermauern und Fundamente des Tempels sowie ein Modell seines ursprünglichen Zustandes.
Das westliche Gebäude diente einst als Scheune für die Tiere. In ihm sind Fundstücke von 500 v. Chr. bis zur Aufgabe Kamarinas im 1. Jahrhundert v. Chr. ausgestellt.
Der einstige Weinkeller des Gutes dient heute als Ausstellungsraum für mehr als 1.000 antike Amphoren. Diese stammen aus unterschiedlichen Ländern am Mittelmeer, beispielsweise aus Korinth, Attika, Lakonien, Massalia, Chios, Etrurien und Phönizien. Die meisten dieser Amphoren dienten in der griechischen Zeit dazu, tote Kinder zu bestatten.
Der Eingangsbereich des Museums im ehemaligen Palmento, der Kelter, zeigt Fundstücke aus Schiffswracks aus der Bucht von Kamarina. Darunter befinden sich ein korinthischer Helm und ein Silberbarren aus dem 7. bis 6. Jahrhundert v. Chr. aus dem sogenannten Korintherhelm-Schiffswrack, Bleigewichte aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., diverse Glas- und Bronzegefäße aus dem im 2. Jahrhundert n. Chr. versunkenen Säulen-Schiffswrack und mehr als sechstausend Münzen aus dem Sechs-Kaiser-Schiffswrack des 3. Jahrhunderts n. Chr. Ferner werden dort Hufeisen und Werkzeuge aus einer im Mittelalter versunkenen Tafurrea gezeigt, einem Schiff, das dem Pferdetransport diente.
Literatur
- Hans-Peter Drögemüller: Kamarina. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 3, Stuttgart 1969, Sp. 96 f.
Weblinks
- Informationen zu Kamarina (italienisch)
Einzelnachweise
- ↑ Pindar, Olympische Oden 5,9–14
- ↑ Thukydides 6, 5, 3
- ↑ Thukydides 6, 5, 3; Philistos, FGrH Nr. 556, F 5
- ↑ Herodot, Historien 7, 154, 3; Thukydides 6, 5, 3; Philistos, FGrH Nr. 556, F15
- ↑ Herodot, Historien 7, 156, 2; Thukydides 6, 5, 3; Philistos, FGrH Nr. 556, F15
- ↑ Thukydides 6, 5, 3; Diodor 11, 76, 5
- ↑ Thukydides 3, 86, 2
- ↑ Thukydides 7, 33, 1 und 7, 58, 1; Diodor 13, 12, 4
- ↑ Diodor 13, 108, 3
- ↑ Diodor 13, 114, 1
- ↑ Diodor 16, 82, 7
- ↑ Diodor 19, 110, 3
- ↑ Maritimer Aderlass – Das größte Militärdesaster der Antike, Clausewitz – Magazin für Militärgeschichte, 4 / 2019, S. 7
- ↑ Polybios 1, 24, 12; Diodor 23, 9, 4f.; Zonaras 8, 12
- 1 2 3 4 5 Museo Archeologico Regionale die Camarina, Camarina, 2012, herausgegeben vom Museum
Koordinaten: 36° 52′ 19,6″ N, 14° 26′ 51,7″ O