Karamba Diaby (* 27. November 1961 in Marsassoum, Senegal) ist ein deutscher Politiker (SPD) und seit der Bundestagswahl 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages, wo er dem linken Parteiflügel der SPD-Bundestagsfraktion angehört. Er ist promovierter Chemiker und Geoökologe.

Leben und Beruf

Diaby wurde in Marsassoum in der Region Casamance im Südwesten Senegals als jüngstes von vier Geschwistern geboren und wuchs dort auf. Seine Mutter starb drei Monate nach seiner Geburt, sein Vater, als er sieben Jahre alt war. Nach dem Tod beider Eltern wurde er als Waise von seiner 17 Jahre älteren Schwester und ihrem Ehemann aufgenommen. Im Alter von 13 Jahren besuchte er ein Internat in Sédhiou und vier Jahre später bekam er einen Platz im Lycée Gaston Berger in Kaolack, das ihn auf die Universität in der Hauptstadt Dakar vorbereitete.

Von 1982 bis 1984 studierte er mit Unterstützung seines Bruders Biologie und Geologie auf Lehramt an der Universität Dakar. Dabei entwickelte sich auch sein Interesse für politische Themen. Während seines Studiums lernte er den späteren Präsidenten des Senegal Macky Sall kennen. Durch sein politisches Engagement in Dakar in den frühen 1980er Jahren kam er in Kontakt mit dem Weltstudentenbund, welcher ein Studium für junge Menschen aus der ganzen Welt in den sozialistischen Staaten Europas förderte. Er bewarb sich um ein Stipendium und bekam die Zulassung für die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; die DDR vergab auch einige Stipendien an Studenten aus nicht-sozialistischen Ländern. Vor Studienbeginn belegte er von 1985 bis 1986 einen neunmonatigen Deutschkurs am Herder-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig. Im Anschluss studierte er von 1986 bis 1991 Chemie an der Martin-Luther-Universität. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau Ute kennen, die Agrarwissenschaften studierte. Nach seinem Studienabschluss als Diplom-Chemiker schloss er von 1992 bis 1996 ein Promotionsstudium an. 1996 reichte er seine Dissertation Untersuchungen zum Schwermetall- und Nährstoffhaushalt in Halleschen Kleingartenanlagen – ein Beitrag zur geoökologischen Charakteristik der Stadtregion Halle ein.

Nach der Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) wechselte Diaby zum Eine-Welt-Haus Halle, wo er als Projektleiter von 1996 bis 2001 tätig war. Es folgten weitere Stationen im Bereich interkulturelle Bildung und Jugendarbeit in Halle (Saale), bevor Diaby 2011 als Referent in das Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt wechselte.

Karamba Diaby ist seit 1995 verheiratet und hat drei Kinder. Er ist konfessionslos und seit 2001 deutscher Staatsbürger. Neben Deutsch und seiner Muttersprache Diakhanke/Mandingo spricht er auch Französisch, die Amtssprache Senegals. Sein Vorname, der auf der letzten Silbe betont wird, ist eine Kurzform für Karamokhoba, was auf Mandingo „der Gelehrte“ bedeutet.

Im Januar 2020 wurde auf sein Wahlkreisbüro in Halle (Saale) geschossen; parallel erhielt Diaby eine schriftliche Todesdrohung. Die Staatsanwaltschaft ging zum Ende ihrer Ermittlungen im Juni 2021 im Hinblick auf die Schüsse nicht davon aus, dass es sich um eine gezielte Aktion auf Diaby oder sein Büro gehandelt habe. Am 3. Mai 2023 wurde ein Brandanschlag auf sein Büro verübt, bei dem erheblicher Sachschaden entstand. Der mutmaßliche 55-jährige Täter wurde noch am Tatort festgenommen.

Engagement

Schon früh engagierte sich Karamba Diaby, zunächst im Schülerrat; während des Studiums in Halle war er Sprecher der internationalen Studenten. Später ließ er sich in den Ausländerbeirat von Halle wählen und wurde Bundesvorsitzender des Integrationsrats, eines Dachverbands der kommunalen Ausländerbeiräte. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet Diaby in verschiedenen sozialen Projekten, mit den Schwerpunkten Bildung und Integration. Im Januar 2002 wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau als Anerkennung des Engagements für die Verständigung zwischen Migranten und Deutschen empfangen.

Partei

Diaby trat 2008 in die SPD ein. Bei der Aufstellung der Landesliste für Sachsen-Anhalt, auf dem Landesparteitag der SPD am 16. Februar 2013, wurde er auf den dritten Platz der Landesliste für die Bundestagswahl 2013 gewählt. Gleichzeitig war er Direktkandidat im Wahlkreis Halle. Bei der Bundestagswahl 2021 gelang ihm erstmals der Gewinn des Direktmandats.

Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages war Diaby Mitglied im von Petra Köpping geführten SPD-Verhandlungsteam zum Thema Gleichstellung, Vielfalt.

Abgeordneter

Im Jahr 2009, ein Jahr nach seinem Eintritt in die SPD, wurde Diaby in den Stadtrat von Halle gewählt. Dort gehörte er als Mitglied dem Ausschuss für Ordnung und Umweltangelegenheiten und dem Bildungsausschuss an. Den Betriebsausschuss Eigenbetrieb für Arbeitsförderung verließ er 2012. Nach seiner Wahl in den Bundestag gab er aus zeitlichen Gründen sein Ratsmandat im November 2015 auf.

18. Deutscher Bundestag

Bei der Bundestagswahl 2013 kandidierte Diaby im Wahlkreis Halle. Er erreichte dort mit 23,34 Prozent der Erststimmen das drittbeste Ergebnis hinter dem früheren Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Christoph Bergner (CDU mit 36,29 Prozent) und Petra Sitte (Die Linke, 25,51 Prozent). Er konnte jedoch über den dritten Landeslistenplatz der SPD in Sachsen-Anhalt in den Bundestag einziehen. Damit waren Diaby und Charles M. Huber (CDU) die ersten afrodeutschen Mitglieder des Bundestages. Entgegen vielen zu seiner Wahl erschienenen Presseberichten ist er nicht der erste Bundestagsabgeordnete, der in Afrika geboren wurde. Zum Beispiel gehörte der in Gare geborene Kai-Uwe von Hassel bereits seit 1953 dem zweiten Bundestag an.

Diaby wurde in der 18. Wahlperiode in den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, wo er auch den stellvertretenden Vorsitz innehat, in den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, in den Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ sowie als Schriftführer gewählt.

Von 2014 bis 2015 war er stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

19. Deutscher Bundestag

Auch bei der Bundestagswahl 2017 unterlag er in seinem Wahlkreis mit 21,3 Prozent der Erststimmen dem Direktkandidaten der CDU (diesmal Christoph Bernstiel), der 27,1 Prozent der Erststimmen erlangte. Er lag jedoch vor Petra Sitte, die 20,3 Prozent der Erststimmen erlangte. Wie bei der Bundestagswahl im Jahr 2013 konnte er auch 2017 über den dritten Landeslistenplatz der SPD in Sachsen-Anhalt in den Bundestag einziehen.

In dem 19. Deutschen Bundestag ist Diaby nach wie vor im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, allerdings als stellvertretendes Mitglied. Als ordentliches Mitglied ist er im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement sowie im Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung tätig. Zudem ist Diaby als stellvertretendes Mitglied im Unterausschuss Globale Gesundheit sowie im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vertreten.

Seit 2019 ist Karamba Diaby Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.

20. Deutscher Bundestag

Bei der Bundestagswahl 2021 konnte er seinen Wahlkreis Halle erstmals das Direktmandat als Wahlkreisabgeordneter gewinnen. Diaby lag diesmal mit 28,8 Prozent der Erststimmen vor Christoph Bernstiel, der 20,7 Prozent der Erststimmen erlangte. Im 20. Deutschen Bundestag ist Diaby ordentliches Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im Auswärtigen Ausschuss, im Unterausschuss Globale Gesundheit und in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung. Zudem hat er den Vorsitz der Parlamentariergruppe Westafrika inne und ist stellvertretendes Mitglied im Unterausschuss Internationale Klima- und Energiepolitik.

Positionen

Karamba Diaby wehrt sich dagegen, auf seine Hautfarbe oder ein Wirken in der Integrationspolitik reduziert zu werden. Bereits zu seiner Zeit im Stadtrat von Halle entschied er sich gegen die Integrationspolitik und ließ sich im Stadtrat und im Bundestag in die Ausschüsse für Umwelt und Bildung wählen. Auch im Bundestag will er nicht als Integrationsfachmann auftreten.

Volksverhetzung

Die Vollversammlung des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats beschloss am 13. Mai 2011 unter dem Vorsitz von Karamba Diaby die Forderung, rassistische Propaganda strafrechtlich stärker zu verfolgen und zu ahnden. Dazu sollte per Petition die Verschärfung des § 130 StGB (Volksverhetzung) gefordert werden. Auslöser für den Vorstoß des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats war das 2010 erschienene Buch Deutschland schafft sich ab und die Äußerungen von Thilo Sarrazin. In einem Telefoninterview mit der Jungen Freiheit, bei dem er den Namen der Zeitung nicht verstand, erläuterte er den Beschluss des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats. Der Online-Artikel in der Jungen Freiheit führte zu einer Welle von Hetztiraden und massiven Bedrohungen gegen Diaby. Ihn erreichten rund 400 E-Mails und Dutzende Drohbriefe, manche gingen auch an den SPD-Bundesvorstand in Berlin, auch Morddrohungen waren darunter. Der Staatsschutz ermittelte. Auch das Blog Politically Incorrect griff das Thema auf und stellte ihn mit dem Grand Boubou, einer traditionellen Kleidung für Männer in Westafrika, dar. Seitdem trägt er seinen Boubou nicht mehr in der Öffentlichkeit.

Am 21. August 2017 veröffentlichte die NPD einen Facebook-Beitrag mit einem Bild, auf dem ein Wahlkampfplakat Diabys zu sehen ist, und kommentierte dies als „Deutsche Volksvertreter nach heutigem SPD-Verständnis“. Diaby erstattete aufgrund der Suggestion auf seine Hautfarbe und der rassistischen Kommentare unter dem Beitrag zwei Tage später Strafanzeige gegen die Verfasser des Beitrages.

Racial Profiling

Karamba Diaby sieht das Agieren aufgrund von Racial Profiling als rassistisch an. Er fordert sowohl ein gesetzliches Verbot der Praxis als auch zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rassismus, etwa wenn Passanten Zeugen davon werden, dass andere Menschen mit Begleitumständen von Racial Profiling kontrolliert werden.

Schriften

  • Untersuchungen zum Schwermetall- und Nährstoffhaushalt in Halleschen Kleingartenanlagen: ein Beitrag zur geoökologischen Charakteristik der Stadtregion Halle. 1. Auflage. Tectum, Marburg 1996, ISBN 3-89608-463-1.
  • Interkulturelle und antirassistische Pädagogik in Sachsen-Anhalt: das Projekt IKaP. In: Wolfram Stender, Georg Rohde, Thomas Weber (Hrsg.): Interkulturelle und antirassistische Bildungsarbeit: Projekterfahrungen und theoretische Beiträge (= Wissen & Praxis). 1. Auflage. Band 117. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-86099-317-0, S. 165–176.
  • Methoden der interkulturellen Bildung am Beispiel der täglichen Arbeit im Begegnungszentrum der Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ Halle-Saalekreis e.V. In: Johann Bischof (Hrsg.): Kultur verstehen – Kultur vermitteln: Kulturkompetenzvermittlung in der Hochschulausbildung (= Merseburger medienpädagogische Schriften: künstlerisch-technische Grundlagenvermittlung für die Ausbildung im Bereich der angewandten Kultur-, Medien- und Sozialpädagogik). Band 5. Shaker, Aachen 2008, ISBN 978-3-8322-7512-9, S. 203–209.
  • Irmhild Schrader, Anna Joskowski, Karamba Diaby, Hartmut M. Griese (Hrsg.): Vielheit und Einheit im neuen Deutschland: Leerstellen in Migrationsforschung und Erinnerungspolitik. 1. Auflage. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-95558-160-2 (160 S.).
  • Mit Karamba in den Bundestag: mein Weg vom Senegal ins deutsche Parlament. 1. Auflage. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2016, ISBN 978-3-455-50420-0 (240 S.).
  • Leben für die Demokratie: mein Weg vom Senegal ins deutsche Parlament. 1. Auflage. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020, ISBN 978-3-455-01029-9 (238 S.).
Commons: Karamba Diaby – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. https://www.parlamentarische-linke.de/unsere-mitglieder/
  2. Franz Werfel: Bundestagskandidat Dr. Karamba Diaby erinnert sich gerne an seine Zeit in Leipzig. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Leipziger Volkszeitung Online. 27. August 2013, archiviert vom Original am 27. September 2013; abgerufen am 23. September 2013.
  3. 1 2 Tony Paterson: Karamba Diaby: The man who aims to become Germany’s first black MP. In: The Independent. 23. Juli 2013, abgerufen am 23. September 2013.
  4. 1 2 Chris Cottrell: German From Senegal Vies to Break Bundestag Barrier. In: The New York Times. 31. Mai 2013, abgerufen am 23. September 2013.
  5. Heimat sollte kein Tabuthema sein, Sachsen-Anhalt-Journal 1/2018
  6. Bundestagswahl: "Es ist wieder härter geworden", Der Tagesspiegel, 14. September 2017
  7. Politiker im Bundestag: Karamba Diaby und die AfD, rp-online.de, 9. November 2017
  8. DER SPIEGEL: Karamba Diaby: SPD-Politiker erhält Morddrohung - DER SPIEGEL - Politik. Abgerufen am 23. Januar 2020.
  9. mdr.de, Schüsse auf Bürgerbüro des SPD-Abgeordneten Karamba Diaby, 15. Januar 2020
  10. Staatsanwaltschaft geht nicht von gezieltem Angriff auf Diaby aus; spiegel.de, vom 17. Juni 2021, abgerufen am 9. November 2021
  11. Mutmaßliche Brandstiftung an Wahlkreisbüro der SPD. In: Zeit Online, 4. Mai 2023.
  12. Erneuter Angriff: Mutmaßlicher Brandanschlag auf Büro von SPD-Politiker Karamba Diaby. In: Der Spiegel, 4. Mai 2023.
  13. Ampel-Koalition: Das sind die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP. In: Business Insider Deutschland. 21. Oktober 2021, abgerufen am 21. Oktober 2021.
  14. Mit Karamba in den Bundestag., S. 194/195
  15. Mr Karamba DIABY (Germany, SOC). Parlamentarische Versammlung des Europarates, abgerufen am 17. Juli 2023 (englisch).
  16. Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Abgerufen am 27. April 2020.
  17. Jennifer Lichnau: Diversität im Bundestag: Diese Menschen machen den Bundestag diverser. In: ze.tt. Zeit online, 27. September 2021, abgerufen am 11. Februar 2022.
  18. Deutscher Bundestag - Karamba Diaby. Abgerufen am 18. Mai 2022.
  19. Julius Lukas: Gerade hier – Alles spricht dafür, dass Karamba Diaby aus Halle bald im Bundestag sitzen wird. Er versteht die Aufregung darum nicht. In: Die Zeit. 7. Mai 2013, abgerufen am 29. September 2013.
  20. Uwe Köhn: „Zehn Kugeln für Dich!“ – Morddrohung gegen halleschen Stadtrat. In: Bild. 29. Mai 2011, abgerufen am 29. September 2013.
  21. 1 2 Björn Hengst: Rechtsextremismus-Hochburg Sachsen-Anhalt: Herr Diaby bekommt Morddrohungen. In: Spiegel Online. 5. August 2011, abgerufen am 29. September 2013.
  22. Henriette Jedicke: Karamba Diaby: Wie sich ein schwarzer Politiker gegen NPD-Hass wehrt. In: Focus Online. 23. August 2017, abgerufen am 8. November 2017.
  23. Amnesty International Deutschland: Alltagsrassismus protokolliert: Verdachtsfall Polizei, intervenieren gegen Racial Profiling. In: Serie "Alltagsrassismus protokolliert". 21. März 2017, abgerufen am 6. Januar 2018.
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