Koordinaten: 36° 49′ 46″ N, 38° 0′ 54″ O

Karkemiš

Karkemiš, biblisch Karchemisch (hethitisch: URUKargamišša; assyrisch Gargamiš; bibelhebräisch: Karkәmîš; in römischer Zeit: Europos) war eine bedeutende bronze- und eisenzeitliche Stadt am Euphrat. Die Hauptgöttin der Stadt war Kubaba.

Lage und Stadtbild

Karkemiš liegt in der türkischen Provinz Gaziantep, direkt an der syrischen Grenze. Der dazugehörende Landkreis heißt Karkamış. Heute ist Karkemiš ein ausgedehntes Ruinenfeld am rechten Ufer des Euphrat. Auf der Akropolis von Karkemiš wurde eine türkische Militärbasis errichtet, deshalb ist der Zugang momentan eingeschränkt. Der heutige Ort auf türkischer Seite ist Karkamış, der Nachbarort in Syrien heißt Dscharābulus (Jerablus). Im Altertum beherrschte Karkemiš eine wichtige Furt durch den Euphrat, was seine Bedeutung für die Hethiter bei der Kontrolle Syriens erklärt.

Sollte auf dem hohen Burghügel ein Palast oder wie im nordwestsyrischen Tell Ain Dara ein Tempel gestanden haben, so wurde er bereits in römischer Zeit abgetragen. Südlich unterhalb der ehemaligen Zitadelle umschloss eine runde Mauer den inneren Stadtbereich und eine zweite Umfassungsmauer eine wesentlich größere Außensiedlung, deren Ost-West-Ausdehnung über 600 Meter betrug. Die heutige Landesgrenze verläuft quer durch die ehemalige Stadt. Zur Türkei gehören der Burghügel und die wesentlichen Gebäudereste unmittelbar südlich, während der größte Teil der Unterstadt auf syrischem Gebiet liegt. Die Gebäudereste der Innenstadt sind weniger bedeutend als die dort ausgegrabenen Skulpturen. Von den Bauwerken wurden ein Tempel mit Treppenaufgang, zwei große Torbauten und ein Hilani-Haustyp identifiziert.

Geschichte

Die Stätte ist seit neolithischer Zeit bewohnt, wie Ostraka von ca. 3000 v. Chr. und Gräber von ca. 2300 v. Chr. dokumentieren. Die Stadt wird auch in Dokumenten der Ebla-Archive aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. erwähnt. Nach einer babylonischen Urkunde gab es schon um 1720 v. Chr. Könige von Karkemiš.

Der Hethiterkönig Ḫattušili I. (um 1640–1620) kämpfte vergeblich um die Stadt. Auch der altägyptische König Thutmosis I. marschierte mit seiner Armee im vierten oder fünften Regierungsjahr bis nach Nordmesopotamien und ließ in Karkemiš eine Siegesstele errichten. Unter Thutmosis III. (1486–1425) gehörte Karkemiš zum Großreich der Ägypter, im 15. Jahrhundert v. Chr. war es Teil von Mittani. Unter dem Hethiterkönig Šuppiluliuma I. (ca. 1350–1322) wurde Karkemiš, nach der Unterwerfung von Mittani, eine hethitische Sekundogenitur; erster hethitischer König von Karkemiš war Piyaššili, ein Sohn von Šuppiluliuma I. Er und seine Nachfolger verwalteten von hier aus die hethitischen Gebiete in Syrien. Zur Zeit des hethitischen Königs Ḫattušili III. hatte Karkemiš unter den Überfällen der Turira, eines mitannischen Reststaats, zu leiden.

Nach dem Zusammenbruch des Hethitischen Großreichs um 1180 v. Chr. nahmen die Herrscher von Karkemiš den Titel „Großkönig“ an. Um 1100 v. Chr. griff der assyrische König Tiglat-pileser I. (1114–1076 v. Chr.) König Ini-Teššub II. von Ḫatte an, der in Karkemiš residierte. Im 10. Jahrhundert v. Chr. wehrte Großkönig Ura-Tarhunza erfolgreich einen assyrischen Angriff ab. Seine Familie wurde dann von Suhi I. aus der Herrschaft gedrängt, dessen Nachkommen sich „Landesherr“ nannten, der Titel Großkönig wurde nicht mehr benutzt. Um 900 baute der Landesherr Katuwa einen Tempel für den Wettergott Tarhunza und für Kubaba. Er unternahm einen Feldzug nach dem in Syrien gelegenen Land Kawa. Um 870 zog Assurnasirbal II. gegen Sangara von Karkamis, König von Ḫatti, der ihm einen hohen Tribut auszahlte. Sangara beteiligte sich an der Koalition syrischer Kleinstaaten gegen Salmanessar III. des Jahres 858. Salmanessar III. zog in den Jahren 849 und 848 erneut gegen Karkamis. Nach dem Tode von König Astiruwa wurde Yariri als Regent und Erzieher der unmündigen Söhne Astiruwas eingesetzt. Während seiner Zeit führte der assyrische König den Wettergott von Aleppo weg. Dem Yarri folgte dann der rechtmäßige Thronerbe Kamani. Die Herrschaft ging dann offensichtlich auf dessen Wesir Sastura über und dann auf dessen namentlich nicht bekannten Sohn. In den Jahren 738 und 732 leistete Pisiri den Assyrern Tribut. Im Jahre 717 wurde Pisiri von Sargon II. beschuldigt, mit Mita von Muški (vielleicht Midas) gegen Assyrien gemeinsame Sache zu machen. Sargon annektierte Karkamis und gliederte es als Provinz ins Assyrische Reich ein.

Im Sommer von 605 v. Chr. (oder nach manchen Quellen 607 v. Chr.) wurde in Karkemiš eine Schlacht zwischen der babylonischen Armee von Nebukadnezar II. und der ägyptischen Armee von Necho II. geschlagen (Schlacht bei Karkemiš). Diese Schlacht wird in der Bibel in Jer. 46,2 erwähnt. Necho wollte eine weitere Ausbreitung des babylonischen Reichs nach Westen verhindern und den Handelsweg über den Euphrat unterbrechen. Die Ägypter wurden jedoch durch einen unerwarteten Angriff der Babylonier besiegt und mussten Syrien später vollständig aufgeben.

Herrscher

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  • Ir-Teššub, späteres 12. Jahrhundert. Es ist umstritten, ob er König von Karkamiš war.
  • Ini-Teššub II. ?, spätes 12. bis frühes 11. Jahrhundert (König von Ḫatti, genaue Platzierung unklar)

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  • Tuthaliya, evtl. 11. oder 10. Jahrhundert (Platzierung unklar, evtl. auch nach Ura-Tarhunza)
  • Sipazidi, evtl. späteres 11. oder 10. Jahrhundert
  • Ura-Tarhunza, Sohn von Sipazidi, evtl. späteres 11. oder 10. Jahrhundert

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  • Suhi I., evtl. 10. Jahrhundert
  • Astuwalamanza, Sohn von Suhi I., evtl. 10. Jahrhundert
  • Suhi II., Sohn von Astuwatamanza, evtl. 10. Jahrhundert
  • Katuwa, Sohn von Suhi II., evtl. 10. oder frühes 9. Jahrhundert
  • Suhi III., ev. Sohn von Katuwa
  • Sangara, ca. 870 bis 848
  • Isarwilimuwa, Sohn von Sangara
  • Kuwalanamuwa, Sohn von Isarwilimuwa
  • Astiruwa, Sohn von Kuwalanamuwa, spätes 9. bis Anfang 8. Jahrhundert
  • Yariri (Regent, Eunuch?), frühes bis mittleres 8. Jahrhundert
  • Kamani, Sohn des Astiruwa, frühes bis mittleres 8. Jahrhundert
  • Sastura? (Wesir von Kamani), Mitte 8. Jahrhundert
  • Astiru[wa] (?), Sohn von Sastura, 2. Hälfte 8. Jahrhundert
  • Pisiri, ca. 738 bis 717

Grabungen

George Smith lokalisierte 1876 die in biblischen, assyrischen und ägyptischen Texten erwähnte Stadt. Ausgrabungen wurden unter Leitung des Britischen Museums von 1911 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 und danach 1920 durchgeführt. Diese Expeditionen legten wertvolle Überreste der assyrischen und neo-hethitischen Perioden frei. Dazu gehören neben den architektonischen Resten Basaltstatuen und Reliefs mit luwischen Hieroglyphen. Bis in die Tiefe der bronzezeitlichen Schichten drangen sie nicht vor. An den Ausgrabungen waren David George Hogarth, Reginald Campbell Thompson, Leonard Woolley und T. E. Lawrence (Lawrence von Arabien) beteiligt. Es wird behauptet, dass die Grabungen nicht allein wissenschaftlichen, sondern auch militärischen Zwecken gedient hätten. Ein Teil der Fundstücke, darunter mächtige Orthostatenreliefs, sind im Museum für anatolische Zivilisationen in Ankara zu sehen.

Literatur

  • David G. Hogarth: Carchemish I: Introductory. London 1914.
  • Leonard Woolley: Carchemish II: The Town Defences. London 1921.
  • Leonard Woolley: Carchemish III: Excavations in the Inner Town. London 1952.
  • Immanuel Benzinger: Europos 6. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band VI,1, Stuttgart 1907, Sp. 1310.
  • Kurt Bittel: Die Hethiter. Die Kunst Anatoliens vom Ende des 3. bis zum Anfang des 1. Jahrtausends vor Christus. Beck, München 1976, ISBN 3-406-03024-6.
  • Die Hethiter und ihr Reich. Das Volk der 1000 Götter. Kunst-und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland 18. Januar - 28. April 2002. Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2002, ISBN 3-8062-1676-2.
  • Erhard Gorys: Handbuch der Archäologie – Ausgrabungen und Ausgräber – Methoden und Begriffe. Weltbildverlag, Augsburg 1989, ISBN 3-89350-120-7.
  • Alessandra Gilibert: Syro–Hittite Monumental Art and the Archeology of Performance: The Stone Reliefs at Carchemish and Zincirli in the Earlier First Millennium BCE (= Topoi. Berlin Studies of the Ancient World. Band 2). de Gruyter, Berlin/ New York 2011, ISBN 978-3-11-022225-8.
  • John D. Hawkins: North Syria and South-East Anatolia. In: M. Liverani (Hrsg.): Neo-Assyrian geography (= Quaderni di geografia storica. Band 5). Università di Roma, Dipartimento di scienze storiche, archeologiche e antropologiche dell’Antichità, Rom 1995, S. 87–101.
  • Nicolò Marchetti (Hrsg.): Karkemish. An Ancient Capital on the Euphrates. (= OrientLab, Researches on the archaeology of the ancient Near East. Band 2). Ante Quem, Bologna 2014, ISBN 978-88-7849-103-8 (online als PDF).
  • Irene J. Winter: Carchemish Ša Kišad Puratti. In: Anatolian Studies Band 33, 1983, S. 177–197.
Commons: Karkemiš – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Giuseppe F. del Monte, Johann Tischler: Die Orts- und Gewässernamen der hethitischen Texte (= Répertoire Géographique des Textes Cunéiformes. Band 6). Reichert, Wiesbaden 1978, ISBN 3-88226-037-8, S. 181f. Karkamiš.
  2. Antonio Sagona, Paul Zimansky: Ancient Turkey (= Routledge World Archaeology.). Routledge, London/ New York 2009, ISBN 978-3-406-59853-1, S. 299–302.
  3. Hermann Alexander Schlögl: Das alte Ägypten. Beck, München 2008, ISBN 3-406-48005-5, S. 196.
  4. (Keilschrifttexte aus Boghazköi, hethitische Forschungen) KBo l 14
  5. 1 2 Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland: Die Hethiter und ihr Reich; Das Volk der 1000 Götter. Stuttgart 2002. S. 315.
  6. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Trevor Bryce: The World of the Neo-Hittite Kingdoms; A Political and Military History. Oxford University Press, Oxford/ New York 2012, ISBN 978-0-19-921872-1, S. 302.
  7. 1 2 Christian Marek, Peter Frei: Geschichte Kleinasiens in der Antike (= Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung.). 2., durchgesehene Auflage Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-59853-1, S. 803.
  8. 1 2 3 Nicolò Marchetti, Hasan Peker: The Stele of Kubaba by Kamani and the Kings of Karkemish in the 9th Century BC. In: Zeitschrift für Assyriologie. 2018, Band 108, Nr. 1), S. 81–99.
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