Karli Julius Willy Bandelow (* 8. September 1905 in Magdeburg; † 11. November 1954 in Dresden) war 1954 als Hauptangeklagter eines DDR-Schauprozesses, des sogenannten Gehlen-Prozesses, in Ost-Berlin wegen Spionage vor Gericht und wurde wegen „Kriegs- und Boykotthetze“ zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Leben

Bandelow arbeitete von 1927 bis 1942 als Ingenieur und Oberingenieur in Magdeburg, bis er 1942 zur Wehrmacht einberufen wurde. Im Mai 1945 geriet er in Österreich in amerikanische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung kehrte Bandelow im Juni 1945 nach Magdeburg zurück und nahm seine Tätigkeit als Oberingenieur wieder auf. Im Herbst 1949 wurde er bei der Landesregierung Sachsen-Anhalt im Ministerium für Verkehr, Abteilung Straßenwesen, als Referent eingestellt. Im November 1950 wurde er wegen „Verstosses gegen die Plandisziplin“ fristlos entlassen. Dann erhielt er eine neue Anstellung als Referent, später als Hauptreferent im Staatssekretariat für Kraftverkehr und Straßenwesen.

Bandelow war seit 1946 Mitglied der SED. Außerdem war er Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und des FDGB.

Verhaftung und Ermittlungsverfahren

Bandelow war am 2. August 1954 im Rahmen der Aktion „Pfeil“ der Staatssicherheit festgenommen worden. Bei dieser groß angelegten Aktion wurden über 500 Personen verhaftet, bei denen es sich überwiegend um mutmaßliche Agenten westlicher Nachrichtendienste handelte. Über die Festnahme wurde am 1. September im SED-Zentralorgan Neues Deutschland berichtet. Ein Bericht über das Geständnis findet sich am 28. September.

Der Gehlen-Prozess, zu dem auch Vertreter westlicher Medien geladen waren, richtete sich gegen sieben mutmaßliche Agenten der Organisation Gehlen. Bandelow wurde vorgeworfen, der Organisation Gehlen Besprechungsprotokolle seiner Dienststelle, Volkswirtschaftspläne und monatlich mehr als 100 Fotografien von Karten und Plänen geliefert zu haben, auf denen die Tragfähigkeit von Brücken eingezeichnet war. Vor Gericht gab Bandelow an, aus finanziellen Gründen für die Organisation Gehlen gearbeitet zu haben, da er zwei Haushalte zu unterhalten habe. Einen Haushalt führte er mit der Mitangeklagten Käthe Dorn und den anderen mit seiner Ehefrau und drei Kindern. Am 9. November 1954 sprach das Oberste Gericht der DDR das Todesurteil gegen ihn und den Mitangeklagten Ewald Misera.

Besonderer Wert wurde in der Verhandlung und in der SED-Presse auf den „Generellen Auftrag für alle“ gelegt, eine angebliche Geheimanweisung der Organisation Gehlen mit Verhaltensanweisungen für den Kriegsfall, die als Mikrofilm in der Wohnung von Bandelows Ehefrau in einem Lichtschalter gefunden worden sein soll.

Das Todesurteil an Bandelow wurde bereits nach weniger als zwei Tagen, am 11. November 1954 um 4:15 Uhr, in der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Dresden vollstreckt. Vom Hinrichtungstermin wurde nicht einmal sein Pflichtverteidiger Friedrich Wolff informiert, der noch vier Tage später ein Gnadengesuch an den Staatspräsidenten Wilhelm Pieck richtete. Eine Begnadigung war offenkundig von vornherein ausgeschlossen und eine Ablehnung eines entsprechenden Gesuchs bereits administrativ vorbereitet worden.

Freispruch nach dem Ende der SED-Diktatur

Das Urteil wurde am 4. März 1992 durch das Kassationsgericht des Landgerichts Berlin aufgehoben, weil es auf „einer schwerwiegenden Verletzung des Rechts“ beruhte, weil zum Zeitpunkt der Verurteilung eine Strafbarkeit der Spionage auf dem Gebiet der DDR nicht gegeben war und die Heranziehung des Artikels 6 der DDR-Verfassung und der Kontrollratsdirektive 38 eine im Strafrecht verbotene Analogie darstellte. Alle vom Prozess Betroffenen wurden freigesprochen.

Familie

Bandelow war verheiratet. Sein Sohn war der 2011 verstorbene deutsche Mathematiker Christoph Bandelow, der unter anderem durch seine Bücher zum Zauberwürfel bekannt wurde. Sein Enkel Nils C. Bandelow ist Leiter des Lehrstuhls für Innenpolitik an der TU Braunschweig.

Literatur

  • Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann: „Konzentrierte Schläge“. Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953–1956. Ch. Links, Berlin 1998, ISBN 3-86153-147-X, S. 130–138 (Kalter Krieg und Spionage – der Fall Karli Bandelow, Ewald Misera und andere).
  • Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung: Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532–1987. 1. Auflage, Kindler, Berlin 2001, ISBN 3-463-40400-1, S. 995 ff. (Spionage, Sabotage, „Diversion“: Die Nachwehen des 17. Juni.).

Einzelnachweise

  1. Thomas Klug: Unumkehrbares Urteil. Die Todesstrafe. 12. Juli 2006, abgerufen am 22. Mai 2018.
  2. Jefferson Adams: Historical Dictionary of German Intelligence. Scarecrow Press, 2009, ISBN 978-0-8108-6320-0, S. 18.
  3. Jens Gieseke: The History of the Stasi. Berghahn Books, 2014, ISBN 978-1-78238-255-3 S. 172.
  4. Bernd Stöver: Die Befreiung vom Kommunismus. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, 2002, ISBN 978-3-412-03002-5 S.257.
  5. 1 2 Urteil des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. November 1954. Beilage zu Neue Justiz, Heft 22/1954, S. 4 f.
  6. „Tote Briefkästen“ zur Kriegsvorbereitung – Weitere Beweismaterialien brandmarken die Verbrechen der Gehlen-Organisation, Neues Deutschland Nr. 204 vom 1. September 1954, S. 6.
  7. Geheimdokumente und Aussagen verhafteter Agenten beweisen: Gehlen sattelt die Pferde zum Ostlandritt, Neues Deutschland Nr. 227 vom 28. September 1954, S. 2.
  8. 1 2 The Age: Gave East German Secrets to West. 4. November 1954
  9. Urteil des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. November 1954. Beilage zu Neue Justiz, Heft 22/1954, S. 5.
  10. 1 2 Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann: „Konzentrierte Schläge“. Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse, Berlin 1998, S. 130–138.
  11. Ein ungeheuerliches Dokument: „Funken Sie: Wie trafen unsere Bomben?“, Neues Deutschland Nr. 201 vom 28. August 1954, S. 3.
  12. Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann: „Konzentrierte Schläge“. Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953–1956, Berlin 1998, S. 137 f.
  13. Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann: „Konzentrierte Schläge“. Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953–1956. Berlin 1998, S. 133.
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