Der Kreis Neurode war ein preußischer Landkreis im Regierungsbezirk Breslau in der Provinz Schlesien an der Grenze zu Böhmen bzw. ab 1918 zur Tschechoslowakei. Er bestand von 1855 bis 1932. Sitz des Kreises war die Stadt Neurode.

Geographie

Der Kreis Neurode befand sich in der Mittelgebirgslandschaft der Sudeten. Im Norden dominiert das Eulengebirge (Góry Sowie), das in der Hohen Eule (Wielka Sowa) eine Höhe von 1015 m erreicht. Auf ihr wurde 1906 der Bismarck-Turm (Orlowicz-Turm) erbaut. Im Südwesten des Kreises liegt das Heuscheuergebirge (Góry Stołowe), dessen wichtigste Berge der Große Heuscheuer (Szczeliniec Wielki) mit 919 m und der Kleine Heuscheuer (Szczeliniec Mały) sind, und deren Tafelberg-Form die Namensgeber offenbar an riesige Heuscheuer erinnerte. Geologisch handelt es sich um Sandstein-Formationen mit den für diese charakteristischen Klüften, Türmen und Schluchten, die seit dem 18. Jahrhundert als Ausflugsziele beliebt sind. Das Heuscheuergebirge ist heute Nationalpark. Weitere Berge sind der Annaberg (647 m). der Allerheiligen Berg (648 m), der Hupprich (556 m) und der Hopfenberg (435 m).

Bedeutende Flüsse im Kreis sind die Steine (Ścinawka) die Weistritz (Bystrzyca) und die Walditz.

Verwaltungsgeschichte

Das zum Königreich Böhmen gehörige Gebiet wurde ab dem 13. Jahrhundert von deutschen Siedlern kolonisiert. Die Siedler waren von König Ottokar II. ins Land geholt worden. Das Glatzer Gebiet, das immer kirchenrechtlich dem Erzbistum Prag unterstellt war, wurde 1459 vom böhmischen König Georg von Podiebrad zur Grafschaft erhoben. Die Erhebung wurde 1459 und 1462 von Kaiser Heinrich III. bestätigt. Da die Bewohner im Dreißigjährigen Krieg zunächst zu den protestantischen böhmischen Ständen hielten, entzog Kaiser Ferdinand II. den Bürgern und Adligen nach der Schlacht am Weißen Berge ihre Privilegien und rekatholisierte das Land. Nach den Schlesischen Kriegen fiel die Grafschaft Glatz zusammen mit Schlesien an Preußen.

Durch eine Kabinettsorder vom 26. August 1854 wurde die Genehmigung zur Bildung eines Kreises Neurode aus den Distrikten Neurode und Wünschelburg des Kreises Glatz erteilt. Am 2. August 1855 wurde das neue Landratsamt in Neurode eröffnet. Erster Landrat des neuen Kreises wurde Valerian von Pfeil und Klein-Ellguth.

Die Fläche des Kreises betrug 317 km². Von den 48.952 Einwohnern, die 1895 gezählt wurden, waren 96 % katholisch. 1910 hatte der Kreis 52.872 und 1925 schon 54.967 Einwohner. Das Bevölkerungswachstum lag demnach bei jährlich etwa 0,4 % und die Bevölkerungsdichte bei 175 EW/km². Der Kreis zählte somit zu den dichter besiedelten Gebieten Schlesiens. In Neurode und Wünschelburg bestanden Amtsgerichte, die dem Landgericht Glatz untergeordnet waren.

Am 1. Oktober 1932 wurde der Kreis Neurode aufgelöst und mit dem Kreis Glatz wiedervereinigt.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lebten fast ausschließlich deutschsprachige Bewohner in diesem Gebiet. Seit 1945 gehört das ehemalige Kreisgebiet zum polnischen Powiat Kłodzki.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohner Quelle
187148.530
188551.062
189049.729
189548.952
190049.405
191052.872
192554.967

Landräte

1855–1868Valerian von Pfeil und Klein-Ellguth (1809–1892)
1868–1890Eberhard von Pfeil
1890–1899Richard von Rechenberg
1899–1914Siegfried zu Dohna-Schlobitten
1914–1920Carl Albrecht Leopold von Hoffmann
1920–1923Leopold Nagel
1923–1925Karl Franz (1881–1967)
1925–1931Emil Schubert
1931–1932Alfred Poppe

Wirtschaft

In der vor- und frühindustriellen Zeit dominierte im Kreis die Land- und Forstwirtschaft. Schon bald siedelten sich hier andere Gewerbe an, was mit zur hohen Bevölkerungsdichte beitrug. So zählte man 1849 4.140 Weber, deren wirtschaftliche Notlage sich nicht wesentlich von derjenigen der am Schlesischen Weberaufstand beteiligten Arbeiter unterschied. Ein weiterer bedeutender Wirtschaftszweig war der Bergbau; seit dem Spätmittelalter wurden Steinkohle, Eisen, Kupfer, Schiefer und Gold gefördert. 1849 waren in dieser Branche 560 Arbeiter beschäftigt, sie überrundete die Textilindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Gemeinden

Zum Kreisgebiet gehörende Gemeinden mit den Einwohnerzahlen von 1901:

Persönlichkeiten

Literatur

  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 208–209, Ziffer 22.
  • Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 152–157 (Faksimile in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise

  1. Klaus Hübner: Die Grafschaft Glatzer Kreise - Zur Verwaltungsgeschichte des Glatzer Landes. In: Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz (Hrsg.): AGG-MITTEILUNGEN. Nr. 15, Oktober 2016, ISSN 1610-1308 (Digitalisat [PDF]).
  2. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau 1855, Nr. 33. Einrichtung des Kreises Neurode. Breslau, S. 237 f. (Digitalisat).
  3. Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung 1871
  4. Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1885
  5. 1 2 Michael Rademacher: Glatz. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  6. 1 2 3 www.gemeindeverzeichnis.de
  7. Buchau (Memento vom 18. September 2012 im Webarchiv archive.today)
  8. Königswalde (Memento vom 18. September 2012 im Webarchiv archive.today)
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.