Das Kreisgericht war von 1952 bis 1990 in der DDR (und noch bis Ende 1992 in den neuen Bundesländern) ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit erster Instanz.

Entstehung

Am 4. September 1945 wurde in der SBZ der SMAD-Befehl Nr. 49 über die Reorganisation des Gerichtswesens erlassen. Es sollten diejenigen Gerichte wiederhergestellt werden, die am 30. Januar 1933 bestanden hatten. Das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945 bestätigte diese Regelung. Dies waren als Eingangsgerichte die Amtsgerichte.

Nach Bildung der DDR wurde durch sechs Verordnungen zur Änderung von Gerichtsbezirken die Gerichtsorganisation an die bestehenden Stadt- und Landkreise angepasst. Mit der Verwaltungsreform von 1952 wurden die Länder in der DDR aufgehoben und durch Bezirke ersetzt. Gleichzeitig wurden die bestehenden Gerichte aufgehoben. An Stelle der Amtsgerichte traten nun die Kreisgerichte.

Die neugeschaffenen Kreisgerichte übernahmen nur die Aufgaben der streitigen Gerichtsbarkeit. Die freiwillige Gerichtsbarkeit wurde nun von verschiedenen anderen Behörden wahrgenommen. Die Räte der Kreise, Städte und Stadtkreise übernahmen Vormundschafts- und Pachtschutzsachen sowie die Führung der Grundbücher und Handels- und Genossenschaftsregister. Die Volkspolizeikreisämter erhielten die Führung der Vereinsregister und die jeweiligen Staatlichen Notariate die Testaments- und Nachlasssachen.

Die Kreisgerichte

Grundsätzlich bestand für jeden Landkreis sowie für jeden Stadtkreis bzw. – soweit vorhanden – für jeden Stadtbezirk ein Kreisgericht. Mitte der 1980er-Jahre gab es 225 Kreisgerichte, nämlich

Dazu kamen auf gleicher Ebene die 11 Stadtbezirksgerichte in Berlin.

Benannt waren die Kreisgerichte stets nach ihrem Kreis (bzw. Stadtbezirk), auch wenn sie ihren Sitz nicht in der namensgebenden Kreisstadt hatten (Kreisgerichte Lübz in Plau, Gransee in Zehdenick, Calau in Lübbenau, Jessen in Annaburg, Geithain in Bad Lausick, Flöha in Oederan, Sebnitz in Neustadt) oder der Kreisname gar keine Stadt bezeichnete (Kreisgerichte Rügen in Bergen, Saalkreis in Halle).

Jedes Kreisgericht wurde von einem Direktor geleitet. 1989 waren bei den Kreisgerichten insgesamt 1111 Richter tätig; über die Hälfte davon waren Frauen. Die Rechtsprechung wurde durch Kammern ausgeübt, die in den Verhandlungen mit einem hauptberuflichen Richter und zwei Schöffen besetzt waren. Außerdem bestanden bei den Kreisgerichten unentgeltliche Rechtsauskunftsstellen.

Die Zuständigkeit der Kreisgerichte erstreckte sich auf die Gebiete des Zivil-, Familien-, Arbeits- und Strafrechts, erst in der Endphase der DDR auch auf das Verwaltungsrecht (nach dem Enumerationsprinzip). Sie waren Eingangsinstanz; daneben entschieden sie über Einsprüche gegen Entscheidungen der gesellschaftlichen Gerichte (Konflikt- und Schiedskommissionen). Gegen Urteile des Kreisgerichts gab es als Rechtsmittel zum Bezirksgericht die Berufung (durch die Parteien) und den Protest (durch den Staatsanwalt), gegen Beschlüsse die Beschwerde; bereits rechtskräftige Entscheidungen konnten im Kassationsverfahren durch das Bezirksgericht oder das Oberste Gericht aufgehoben werden.

Rechtsgrundlagen

Die Aktenführung richtete sich nach der Aktenordnung für die Kreis- und Bezirksgerichte vom 3. Mai 1957, später nach der Ordnung über die Verwaltung von Verfahrensakten bei den Kreis- und Bezirksgerichten (Verfahrensaktenordnung – ѴАО) vom 14. November 1975 bzw. vom 29. November 1982.

Aufhebung

Zum 1. Juli 1990 wurde im Zusammenhang mit der neuen Kommunalverfassung anstelle der 22 Kreisgerichte in den Stadtbezirken jeweils ein einziges Kreisgericht in den fünf betreffenden Großstädten errichtet.

In Gesetzen der neu gebildeten Länder wurden die Kreisgerichte 1992/93 endgültig aufgehoben und an ihrer Stelle wieder Amtsgerichte gebildet:

  • in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Gerichtsorganisationsgesetz vom 10. Juni 1992 zum 1. Juli 1992,
  • in Sachsen-Anhalt mit dem Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. August 1992 zum 1. September 1992,
  • in Sachsen mit dem Sächsischen Gerichtsorganisationsgesetz vom 30. Juni 1992 zum 1. Januar 1993,
  • in Thüringen mit dem Thüringer Gesetz zur Überleitung der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 16. August 1993 zum 1. September 1993,
  • in Brandenburg mit dem Gesetz zur Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit und zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes im Land Brandenburg vom 14. Juni 1993 zum 1. Dezember 1993.

Einzelnachweise

  1. Karin Jünemann: Recht und Justiz in der DDR
  2. im Lande Brandenburg vom 21. März 1950 (GBl. Nr. 40 S. 303); in den Ländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg vom 19. September 1950 (GBl. Nr. 107 S. 1001); im Lande Sachsen vom 5. Mai 1951 (GBl. Nr. 55 S. 404); im Lande Brandenburg vom 12. Juni 1951 (GBl. Nr. 72 S. 579); im Lande Thüringen vom 6. November 1951 (GBl. Nr. 130 S. 1005); im Lande Sachsen vom 15. Februar 1952 (GBl. Nr. 29 S. 185)
  3. Verordnung über die Neugliederung der Gerichte vom 28. August 1952 (GBl. Nr. 120 S. 791)
  4. Verordnung über die Übertragung der Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 15. Oktober 1953 (GBl. Nr. 146 S. 1057)
  5. Eintrag "Amtsgerichte" beim sächsischen Landesarchiv, Online
  6. Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Bildung des Kreisgerichts der Stadt Halle vom 13. Februar 1984 (GBl. I Nr. 6 S. 75)
  7. Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die zeitweilige Bildung eines Kreisgerichts für den Stadt- und den Landkreis Suhl vom 26. Februar 1968 (nicht veröffentlicht); siehe Erlaß der Deutschen Demokratischen Republik über die Zuständigkeit der Kreisgerichte Suhl und Neubrandenburg vom 20. November 1969 (GBl. I Nr. 13 S. 245)
  8. Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die zeitweilige Bildung eines Kreisgerichts für den Stadt- und den Landkreis Neubrandenburg vom 4. November 1968 (GBl. I Nr. 19 S. 346)
  9. Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Zuständigkeit des Kreisgerichts Greifswald vom 23. Januar 1974 (GBl. I Nr. 7 S. 65)
  10. Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Bildung von Kreisgerichten für mehrere Kreise vom 22. September 1975 (GBl. I Nr. 39 S. 661)
  11. Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Bildung von Kreisgerichten für mehrere Kreise vom 28. Februar 1979 (GBl. I Nr. 7 S. 67)
  12. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1990 S. 448
  13. Gesetz über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vom 14. Dezember 1988 (GBl. I Nr. 28 S. 327) bzw. vom 29. Juni 1990 (GBl. I Nr. 41 S. 595)
  14. Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums der Justiz Nr. 4 und 5/57, S. 15–22 und Nr. 3/63, S. 9–12
  15. Dokumente und Informationen des Ministeriums der Justiz und des Obersten Gerichts der DDR В 2 – 27/75
  16. Leitungsinformation des Ministers der Justiz Nr. 19/82
  17. Durchführungsverordnung zum Gerichtsverfassungsgesetz — Bildung von Kreisgerichten in Großstädten mit Stadtbezirken — vom 6. Juni 1990 (GBl. I Nr. 32 S. 283)
  18. GVOBl. M-V S. 314 (Art. 1 § 1)
  19. GVBl. LSA S. 648 (§ 24)
  20. SächsGVBl. S. 287 (Art. 1)
  21. GVBl. S 554 (Art. 1 § 1)
  22. GVBl. I S. 198 (Art. 1 § 2)

Literatur

  • Verzeichnis der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Staatlichen Notariate auf Staats-, Bezirks- und Kreisebene in der DDR und Berlin (Ost). Gesamtdeutsches Institut, Bonn 1987.
  • Inga Markovits: Gerechtigkeit in Lüritz: eine ostdeutsche Rechtsgeschichte. Beck, München 2006, ISBN 3-406-55054-1. – Rechtsgeschichte „von unten“ aufgrund der Akten eines Kreisgerichts im Norden der DDR.
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