Kriegsfotografie ist der Arbeitsbereich des Fotojournalismus, der über Kriege und bewaffnete Konflikte berichtet. Der Begriff wird auch breiter für jegliche fotografische und filmische Dokumentation von Krieg verwendet. Vor der Entwicklung praxistauglicher Fotoausrüstung wurde die bildliche Dokumentation von bewaffneten Konflikten durch Kriegsmaler vorgenommen.

Begriffserweiterung

Im weiteren Sinne können auch Fotografien, die der militärischen Aufklärung und Dokumentation dienen, so zum Beispiel Luftbildaufnahmen vor und nach Bombardements, als Kriegsfotografien bezeichnet werden. Eine weitere Sonderstellung nehmen Fotografien ein, die von einer beteiligten Konfliktpartei zu Propagandazwecken erstellt und eingesetzt werden. Eine neue Entwicklung, deren Auswirkungen noch nicht abzuschätzen sind, ist die durch Digitalfotografie und Internet zunehmend einfache Verbreitung von privaten Aufnahmen der Soldaten oder anderer Konfliktbeteiligter. Solche Aufnahmen spielten beispielsweise beim Folterskandal im Abu-Ghuraib-Gefängnis eine bedeutende Rolle.

Geschichte

Der mexikanisch-amerikanische Krieg 1846–1848 ist der erste Krieg, in dem fotografiert wurde. Bei den Aufnahmen handelt es sich um Daguerreotypien. Die Kriegsfotografie entstand im Wesentlichen im Krimkrieg und im amerikanischen Sezessionskrieg. Professionelle Studiofotografen besuchten aus eigenem Antrieb heraus die Schlachtfelder nach den Kämpfen oder wurden von Regierungsseite dazu angehalten. Sie boten somit der Öffentlichkeit erstmals ein realistischeres Abbild, als es bei der sonst üblichen glorifizierenden Historienmalerei möglich war.

Die wahrscheinlich erste Fotografie von Kriegstoten auf dem Schlachtfeld wurde nach der Schlacht von Melegnano im Sardinischen Krieg von 1859 aufgenommen. Die Urheberschaft dieses Fotos, das im Katalog: „Excursion sur le théâtre de la guerre d'Italie, photographiée pour l'usage du stéréoscope“ der Fotoagentur „Ferrier père et fils & Soulier“ erschien, ist unklar; die Aufnahme wird von manchen Autoren Charles Soulier zugeschrieben, von anderen Jules Couppier, wieder andere vermuten Claude-Marie Ferrier als den Autor; auch Bérady wird als möglicher Urheber genannt.

Die Nordstaaten setzten im Sezessionskrieg unter der Leitung des renommierten Studiofotografen Mathew Brady professionelle Teams von 22 Einheiten ein, die mit komplett fahrbaren Entwicklungs- und Vergrößerungslabors ausgerüstet waren. Brady war es auch, der nach dem Krieg etliche Fotografien von Amputationsopfern und Invaliden veranlasste, denen mit frühen Formen der Plastischen Chirurgie ein einigermaßen menschenwürdiges Leben wiedergegeben wurde. Als Bilddokumente für die Medizingeschichte sind sie unerlässlich.

Eine radikale Erweiterung und Neuausrichtung erfuhr die Kriegsfotografie, als in den 1890er Jahren erstmals Bilder in der illustrierten Massenpresse gedruckt wurden. Der spanisch-amerikanische Krieg 1898, der südafrikanische Krieg 1899–1902 („Burenkrieg“) und der russisch-japanische Krieg 1904–1905 fanden bereits breiten Niederschlag in der illustrierten (Wochen)Presse.

Viele der im Ersten Weltkrieg gemachten Aufnahmen, die jahrzehntelang als authentisch galten, stellten sich in den letzten Jahren und Quellenstudium als im Nachhinein oder lange nach Abschluss der Kampfhandlungen gemachte Fotografien heraus. So war es nach den Erfahrungen des Spanischen Bürgerkrieges selbst zu Beginn des Zweiten Weltkrieges noch aus Sicherheitsgründen üblich, gestellte Aufnahmen zu fertigen.

Der Erste Weltkrieg brachte wichtige Neuerungen in der bildlichen Kriegsberichterstattung: Erstmals wurde die Fotografie systematisch und umfassend für die Propaganda genutzt. Alle großen Krieg führenden Staaten etablierten eigene Fotopropagandastellen. In Deutschland wurde Anfang 1917 das „Bild- und Filmamt“ (BUFA) gegründet, das für die Film- und Fotopropaganda zuständig war. In Österreich-Ungarn entstand ebenfalls im Frühjahr 1917 eine Bildpropagandastelle, die sogenannte „Lichtbildstelle“. Auch auf der Seite der Alliierten wurden militärisch kontrollierte Foto- und Bildpropagandastellen aufgebaut, die bald in Konkurrenz zu den privaten Bildlieferanten traten. Im April 1915 wurde in Frankreich die „Section Photographique de l’Armée française“ (SPA) und die „Section Cinématographique de l’Armée“ (SCA) gegründet. 1916 wurden die ersten offiziellen britischen Fotoreporter zur Front zugelassen, Anfang 1916 wurde das „Canadian War Record Office“ gegründet, unmittelbar nach dem amerikanischen Kriegseintritt 1917 das staatliche „Committee of Public Information“. Die Zuteilung von aktuellem Fotomaterial an die Presse wurde auf diese Weise immer stärker zentralisiert und militärisch kontrolliert.

Der Spanische Bürgerkrieg und v. a. der Zweite Weltkrieg brachten für die Kriegsfotografen einen enormen Image-Gewinn. Allmählich waren nicht mehr nur anonyme Pressefotografen, sondern Fotoberichterstatter im Einsatz, die mit ihrem Namen für die Qualität der Bilder bürgten.

Meinungs- und Informationsfreiheit

Kriegsfotografen versuchen Bilder für Nachrichtenagenturen zu machen – häufig unter Einsatz von Leib und Leben. Ihre unabhängige Arbeit ist für die Meinungs- und Informationsfreiheit besonders wichtig, da die kriegsführenden Parteien an Informationsverschleierung und Desinformation interessiert sind. Auch demokratische Staaten versuchen nach wie vor, sei es mit enormen technischem Aufwand oder gezielter Beeinflussung, Zensur auszuüben – vergleiche die Problematik der „Embedded Journalists“ im Dritten Golfkrieg.

Bedeutende Kriegsfotografen

Bedeutende Kriegsfotografinnen

Literatur

  • Rainer Fabian, Hans Christian Adam: Bilder vom Krieg. 130 Jahre Kriegsfotografie – eine Anklage. Gruner und Jahr, Hamburg 1983, ISBN 3-570-07013-1.
  • Robert Fox: Camera in Conflict. Könemann, Köln 1996, ISBN 3-89508-217-1.
  • Neil MacDonald, Peter Brune: 200 shots. Damien Parer, George Silk and the Australians at war in New Guinea. Allen & Unwin, St. Leonards, NSW 1999, ISBN 1-86448-912-X.
  • Zeitschrift Fotogeschichte: Themenheft Krieg und Fotografie. Heft 85/85, 2002.
  • Susan Sontag: Das Leiden anderer betrachten. Deutsch von Reinhard Kaiser. Hanser, München/Wien 2003, ISBN 3-446-20396-6.
  • Anton Holzer (Hrsg.): Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie. Jonas Verlag, Marburg 2003, ISBN 3-89445-324-9.
  • Gerhard Paul: Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges. Fink, München u. a. 2004, ISBN 3-506-71739-1.
  • Ute Daniel (Hrsg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-36737-6.
  • Anton Holzer: Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Primus, Darmstadt, 3. Auflage 2012, ISBN 978-3-86312-032-0.
  • Anton Holzer: Die letzten Tage der Menschheit. Der Erste Weltkrieg in Bildern. Primus, Darmstadt, 2013, ISBN 978-3-86312-004-7.
  • Michael Kirchdorfer: "Wahre Bildlegenden": Eine Studie über die interpretative Verwendung der Bildlegende im Kontext der postmodernen Kriegsfotografie. Masterarbeit, Universität Wien, 2010. (Abstract und Volltext)
  • Der Weltkrieg der Bilder. Fotoreportage und Kriegspropaganda in der illustrierten Presse 1914–1918. Themenheft der Zeitschrift Fotogeschichte, Heft 130, 2013.
  • Kriegsfotografinnen. Themenheft der Zeitschrift Fotogeschichte, hg. von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat, Heft 134, 2014.

Filme über Kriegsfotografie

Commons: Kriegsfotografie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Getty.edu, Union List of Artist Names (ULAN) online, „Soulier, Charles, approximately 1840-approximately 1876 (French photographer, active second half of the 19th century)“, http://vocab.getty.edu/page/ulan/500023756 : „In 1859 Soulier accompanied Napoleon III on the campaign to Austria and recorded the troops departing for Magenta, Italy.“
  2. Kirill Kuzmichev, „Jules Couppier“, in: „The Third Dimension: History of stereoscopic views“, 2018, https://www.stereoview.me/couppier : „In 1859, Jules Couppier travels to the theater of the Italian war, in which France took an active part. He brought a number of stereoscopic views from this trip.“
  3. William Johnson, „Combat Photography During the Franco-Austrian War of 1859“, 18. Februar 2012, in: vintagephotosjohnson, https://vintagephotosjohnson.com/tag/ferrier-soulier/ : „So there are many individuals who might have been the authors of these glass stereographs depicting the aftermath of the Italian battles. Among these, my best guess would be that they were taken by Claude-Marie Ferrier, of the firm Ferrier & Soulier; but I would be pleased if someone could bring new information to either prove or disprove that supposition.”. S. a. Sonya de Laat, „The camera and the Red Cross: “Lamentable pictures” and conflict photography bring into focus an international movement, 1855–1865“, in: International Review of the Red Cross, Band 102, Ausgabe 913, „Digital technologies and war“, Cambridge University Press, 18. März 2021, Bildunterschrift zu Figure 6. 702 und Fußnote 71, https://www.cambridge.org/core/journals/international-review-of-the-red-cross/article/camera-and-the-red-cross-lamentable-pictures-and-conflict-photography-bring-into-focus-an-international-movement-18551865/6CF141E03BE53C812B11B2CFDDA1D321 : „Figure 6. 702. Vue du Cimetiere de Melegnano – le lendemain du Combat [View of the Cemetery at Melegnano – the Aftermath of Combat], attributed to Claude-Marie Ferrier, 1859.“ […] Fn. 71: „The photographs attributed to Jules Couppier and reproduced here have been researched by Janice Schimmelman, who has also researched Claude-Marie Ferrier, another contemporary photographer considered the possible creator of these stereographs. Based on a variety of factors including handwriting comparison, Schimmelman concludes that these images are by Couppier.“
  4. Hubertus von Amelunxen, „Das Memorial des Jahrhunderts. Fotografie und Ereignis.“, Kap. 7, S. 131–147, S. 143, in: Michel Frizot (Hrsg.), „Neue Geschichte der Fotografie“, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln, 1998. Ebenso: Helmut Gernsheim, „Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre“. Propyläen Kunstgeschichte, Propyläen-Verlag, Frankfurt am Main, Berlin, Wien, 1983, S. 326
  5. Badische-zeitung.de, Computer & Medien, 20. Februar 2016, Bettina Schulte: „Aus der Geschichte gestrichen“ (20. Februar 2016)
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