Lenormandkarten, kleines Deck, 19. Jahrhundert

Lenormandkarten sind Wahrsagekarten, die nach Marie Anne Lenormand (1772–1843) benannt sind. Das „kleine“, heute fast ausschließlich benutzte Lenormanddeck mit 36 Karten erweist sich schon durch den biedermeierlichen Stil als Produkt des frühen 19. Jahrhunderts. Die „großen“ 54 Lenormandkarten gehen vermutlich auf Tarotkarten von Etteilla (1738–1791) zurück, dessen Karten Marie Anne Lenormand benutzt hatte. Die Erstveröffentlichung der Karten erfolgte erst nach ihrem Tod.

Neben dem Tarot gelten die Lenormandkarten als beliebteste Karten zur Weissagung durch Kartenlegen.

Geschichte

Das Grand jeu de Mlle Lenormand erschien zwei Jahre nach ihrem Tod im Jahre 1843 und wurde zusammen mit einer Kollektion von fünf Büchern verkauft. Die Verfasserin benutzte das Pseudonym „Mme la comtesse de ***“ und der Verlag gab keinen Namen, sondern nur eine Adresse „46 rue Vivienne“. Das Spiel hatte 54 Karten, darin enthalten eine weibliche und eine männliche Karte für den Konsultanten. Der Inhalt der 5 Bücher war recht umfassend, Astrologie, Chiromantie und andere Orakelformen wurden behandelt. Die Kartenbilder des großen Spiels, des „astromythologischen Decks“, zeigen Szenen aus der griechischen Mythologie, Sternbilder, Geomantie, 22 Buchstaben (Kabbala), 7 Talismane, Skatkarten und jeweils eine Blume (Blumensprache). Eine Variation der Karten (diesmal mit 55 Karten) wurde ca. 1850 in Deutschland von dem Verlag J.F. Aug. Reiff unter dem Namen Wahrsage-Karten der berühmten Mlle Le Normand produziert.

Ebenfalls ca. 1850 erschien das Petit Lenormand mit 36 Karten. Dieser Spieltypus fand Gestaltung bei Kartenmachern in Deutschland, Österreich, Belgien und in der Schweiz. Detlev Hoffmann hat 1972 nachgewiesen, dass das Spiel auf Das Spiel der Hoffnung, mit neuen Figurenkarten von 36 illum. Blättern. 2. verbesserte Auflage (erschienen ca. 1800 bei G.P.J. Bieling in Nürnberg) zurückgeht, wobei dieses Spiel nur in der Zweitverwendung als Wahrsagespiel gedacht und eigentlich ein Rennspiel mit 2 Würfeln war, bei dem die Karten in der Reihenfolge von 1 bis 36 ausgelegt und bespielt wurden (einzelne Zellen hatten glückliche oder unglückliche Bedeutung wie bei anderen Rennspielen). Symbole und Ziffern waren die gleichen wie beim kleinen Lenormand, jedes Symbol war mit einem Miniatur-Kartenblatt (entweder das Ansbauer Blatt oder Bayrisch-Pariser Blatt) ergänzt. Das Spiel der Hoffnung war entwickelt durch Johann Kaspar Hechtel von Nürnberg.

Jede der Karten enthält neben Bildsymbolen, meist in biedermeierlicher Gestaltung (z. B. Reiter, Haus, Blumenstrauß), die Abbildung einer üblichen Spielkarte im Kleinformat mit den französischen Farben. In einigen Ausgaben ist das Kartenbild durch einen Vers ersetzt, der den Kern der Kartenaussage formulieren soll.

Das kleine Deck mit 36 Karten ist im deutschsprachigen Raum verbreiteter.

Die 36 Karten des kleinen Decks im Einzelnen

Nr. Bild entspricht
im Skatblatt
Grundbedeutung
1. Reiter Herz Neun Gute Nachricht, etwas kommt in Bewegung, (Neu-)Anfang
2. Klee Karo Sechs Glück, gutes Gelingen, kein Grund zur Sorge; Zeitfaktor: Kurz
3. Schiff Pik Zehn Reise, Entfernung, Umstände verändern sich; auch: Ereignisse auf sich zukommen lassen
4. Haus Herz König Stabilität, Haus, Familie, Autorität, Beständigkeit (auch als Personenkarte)
5. Baum Herz Sieben Gesundheit, Leben; Zeitfaktor: es dauert noch, lange (Ein Leben lang)
6. Wolken Kreuz König Unklarheiten, Schwierigkeiten, mangelnde Perspektive (Vernebelt, Medikamente oder ähnliches)
7. Schlange Kreuz Dame Verwicklungen, List, Intelligenz, Verführung, Umwege
8. Sarg Karo Neun Ende, Krankheit, Abschied, Loslassen, physischer Tod
9. Blumenstrauß Pik Dame Geschenk, Einladung, Hoffnung, Zufriedenheit, Kreativität und Vielfalt
10. Sense Karo Bube Erfolg Einbringen der Ernte, Lohn der Mühe, Belohnung für Anstrengung; Zeitfaktor: plötzlich, unangekündigt, schneller als erwartet
11. Rute Kreuz Bube Streit, Kommunikation, Diskussion, Auseinandersetzungen, Gespräche
12. Pirole Karo Sieben Umzug, Aufregung, Unruhe, Nervosität; als Zahl: zwei
13. Kind Pik Bube Kind, Neuanfang, Neugier, Unschuld, unbelastet, kleinlich; als Zeitfaktor: bald (meist als Personenkarte)
14. Fuchs Kreuz Neun Betrug, Lügen, Unehrlichkeit, Falschheit, auch Selbstbetrug oder negative Einstellung; als Zeitfaktor: gar nicht, falscher Zeitpunkt
15. Bär Kreuz Zehn Personenkarte, Chef, Sturheit, ältere oder offizielle Person, Stärke, Macht, Besitz
16. Sterne Herz Sechs Klarheit, Eingebung, Spiritualität, Erkenntnis, das große Glück
17. Storch Herz Dame Veränderungen, eine Reise machen, umziehen, Jobwechsel, Flexibilität
18. Hund Herz Zehn Treue, Freundschaft, Bindung, festhalten; Zeitfaktor: dauerhaft
19. Turm Pik Sechs oft Behörde oder Amt, auch Einsamkeit oder Trennung, als Personenkarte: Person in führender Position.
20. Park Pik Acht Öffentlichkeit, Publikum, Kundschaft, Treffen, offizieller Anlass, etwas ist/wird offen sichtbar
21. Berg Kreuz Acht Blockade, Hindernis, Hemmungen, Frust; als Zeitfaktor: zurzeit nicht
22. Weg Karo Dame eine Entscheidung steht an, Wahl, mehrere Möglichkeiten; als Zahl: 2 oder mehrere
23. Mäuse Kreuz Sieben etwas «nagt» an einem, Verlust, Diebstahl, Reduzierung, Abnahme, Niederlage, Misslingen
24. Herz Herz Bube Liebe, Glück, Partnerschaft, innige Gefühle, mit dem Herzen dabei sein
25. Ring Kreuz Ass Partnerschaft, Ehe, auch Verträge, Abmachungen, etwas dreht sich im Kreis, zyklisch, repräsentativ
26. Buch Karo Zehn Geheimnis, Verschlossenheit, Unbekanntes, Bildung
27. Brief Pik Sieben Nachricht, Telefonat, E-Mail, auch Oberflächlichkeit; als Zeitfaktor: kurzfristig
28. Herr Herz Ass Fragesteller oder Herzensmann
29. Dame Pik Ass Fragestellerin oder Herzensdame
30. Lilie Pik König Harmonie, Sexualität, Familie, Intimität
31. Sonne Karo Ass Wärme, Energie, Kreativität, Lebenskraft
32. Mond Herz Acht Seelenspiegel, Gefühle, Intuition, Psyche, auch Ruhm und Ehre bzw. gesellschaftliche Anerkennung
33. Schlüssel Karo Acht Sicherheit, Schlüssel zum Erfolg, Erfüllung, etwas geschieht bestimmt
34. Fische Karo König Finanzen, Besitz, auch (im) Unterbewusstsein wirkende Kräfte (auch negativ wie z. B. Alkohol)
35. Anker Pik Neun Arbeit, Beruf, fleißig sein, sich festlegen, in Beziehungen der sprichwörtliche Anker füreinander sein
36. Kreuz Kreuz Sechs Schicksal, Belastung, Bürde, Karma

Anmerkung zur Karte Nr. 12 Diese Karte wird aufgrund der Abbildung oft auch Eulen genannt. Mitunter verlagert sich der Bedeutungsrahmen dann eher in Richtung Weisheit, Nutzung des eigenen Wissens oder Beobachtung der Sachlage.

Sach- und Personenkarten

Die Lenormandkarten unterscheidet man in Sach- und Personenkarten. Die Personenkarten sind beispielsweise die Dame (Karte Nr. 29), der Herr (Karte Nr. 28), das Kind (Karte Nr. 13). Sachkarten sind das Buch (Karte Nr. 26), der Ring (Karte Nr. 25). Des Weiteren gibt es auch solche, die sowohl Personen als auch Sachen repräsentieren. Dazu zählt z. B. der Bär (Karte Nr. 15) – er steht als Personenkarte für eine ältere Person, Chef, Anwalt oder Unternehmer. Als Sachkarte gesehen, steht er für Besitz, Stärke und Kraft. Situation kann ebenfalls mit den Lenormandkarten dargestellt werden, wobei die Situationskarten unter die Sachkarten gezählt werden. So drückt die Sonne (Karte Nr. 31) Energie und Glück aus, die Wolken (Karte Nr. 6) bedeuten unter anderem Unklarheiten.

Deutung

Die oben aufgeführten Bedeutungen entsprechen der Grundbedeutung der jeweiligen Karte; je nach Zusammenhang sind weiterführende Interpretationen möglich. Bei einer Legung werden die Bedeutungen der einzelnen Karten durch die umliegenden beeinflusst oder gar negiert.

Legesysteme

Insbesondere die folgenden Legesysteme bieten sich für die Arbeit mit den Lenormandkarten an:

  • Tages-, Wochen- oder Monatskarte – Um das Hauptthema eines vorher festgelegten Zeitraums zu identifizieren oder näher zu ergründen, wird aus dem Gesamtdeck eine Karte gezogen.
  • Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft – Mittels Auslage von 3 Karten werden die drei zeitlichen Entwicklungsaspekte einer Situation beleuchtet.
  • Das Kreuz – Ein einfaches Grundlagensystem, bei dem 4 Karten gezogen werden, die folgende Bedeutung haben:
            3 Dies ist der richtige Weg
1 Darum geht es                 2 Dieser Weg ist nicht richtig
               4 Dahin führt es
  • Entscheidungsspiel – Um die möglichen Entwicklungswege einer Angelegenheit zu beleuchten, werden insgesamt 7 Karten ausgelegt:
  3 1 5   Die Karten 3, 1 und 5 stehen für die weitere Entwicklung, wenn die Frage mit Ja beantwortet bzw. die Angelegenheit weiterverfolgt wird.
7         Die 7. Karte gibt Auskunft über den Haupteinfluss in der betreffenden Angelegenheit.
  4 2 6   Die Karten 4, 2 und 6 zeigen an, wie es weitergeht, wenn die Frage mit Nein beantwortet bzw. die Angelegenheit nicht weiterverfolgt wird.
  • Große Tafel – Hierfür werden alle 36 Karten entweder in 4 Reihen à 9 Karten oder in 5 Reihen (4x8 und darunter mittig 1x4) ausgelegt.
  • Keltisches Kreuz – Ein klassisches Legesystem, bei dem in der Regel 10 Karten ausgelegt werden und das auch für die meisten anderen Kartendecks verwendet werden kann.
  • Wochen-, Monats- oder Jahreslegung – Um einen genaueren Überblick über anstehende Entwicklungen in einem vorher festgelegten Zeitraum zu bekommen, werden mehrere Karten auf die einzelnen Tage, Wochen oder Monate gelegt. Die Karten werden dann in Kombination gedeutet. Beispiel:
Montag       1  8   15        Januar      1  13  25
Dienstag     2  9   16        Februar     2  14  26
Mittwoch     3  10  17        März        3  15  27
Donnerstag   4  11  18        April       4  16  28
Freitag      5  12  19        Mai         5  17  29
Samstag      6  13  20        Juni        6  18  30
Sonntag      7  14  21        Juli        7  19  31
                              August      8  20  32
                              September   9  21  33
                              Oktober    10  22  34
                              November   11  23  35
                              Dezember   12  24  36

Siehe auch

Commons: Lenormandkarten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Detlef Hoffmann, Erika Kroppenstedt: Wahrsagekarten: Ein Beitrag zur Geschichte des Okkultismus. Deutsches Spielkarten Museum, Bielefeld 1972, S. 17, 21.
  2. Freeman Marius O’Donoghue: [http://www23.us.archive.org/stream/aen4312.0001.001.umich.edu/aen4312.0001.001.umich.edu_djvu.txt Catalogue of the Collection of Playing Cards Bequeathed to the Trustees of the British Museum by the late Lady Charlotte Schreiber]. Britischen Museum, London 1901.
  3. Ronald Decker, Thierry Depaulis, Michael Dummett: A Wicked Pack of Cards: The Origins of the Occult Tarot. Gerald Duckworth and Company, London 1996, ISBN 978-0-7156-2713-6, S. 141, 282.
  4. [http://books.google.de/books?id=kU9CAAAAcAAJ&pg=PA104&dq=%22Spiel+der+Hoffnung%22#v=onepage&q=%22Spiel%20der%20Hoffnung%22&f=false Humoristische Blätter für Kopf und Herz]. Gustav Philipp Jakob Bieling, Nürnberg 1799.
  5. Georg Andreas Will, Christian Conrad Nopitsch: [http://books.google.de/books?id=tDpKAAAAcAAJ&pg=PA37&dq=%22Johann+Kaspar%22+Hechtel&hl=de&sa=X&ei=FJLIT5PhH4iIhQeUmL3vDw&ved=0CEUQ6AEwAw#v=onepage&q=%22Johann%20Kaspar%22%20Hechtel&f=false Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon: Sechster Theil von H-M]. Altdorf bei Nürnberg 1805.
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