Die Liebfrauenkirche in Worms war eine Stifts- und ist heute eine römisch-katholische Pfarrkirche. Sie ist die einzig erhaltene gotische Kirche in Worms.

Geografische Lage

Die Liebfrauenkirche ist nach Osten ausgerichtet. Sie liegt nördlich der Altstadt von Worms, knapp innerhalb des zweiten, spätmittelalterlichen, aber außerhalb des hochmittelalterlichen inneren Mauerrings der Altstadt, an der Einmündung der Straße „Liebfrauenstift“ in den „Liebfrauenring“. Nachdem das Gelände der Stadterweiterung innerhalb des äußeren Mauerrings auch in der frühen Neuzeit nur in geringem Umfang bebaut wurde, steht die Kirche, obwohl im Wormser Stadtgebiet zentral gelegen, immer noch in einer großen Grünfläche. Die dort kultivierten Weingärten und ihr Wein, die Liebfrauenmilch, erhielten ihren Namen von der Kirche.

Geschichte

Vorgängerbauten

Über die Vorgängerbauten des heutigen Kirchengebäudes ist wenig bekannt. Archäologische Grabungen haben nicht stattgefunden. Aufgrund der Lage am Rande des römischen Friedhofs östlich der Römischen Rheintalstraße nach Mainz (heute: Mainzer Straße) wird eine spätantike, christliche Friedhofskapelle als Keimzelle des Standortes vermutet. Von 1173 stammt die älteste erhaltene urkundliche Erwähnung einer hier stehenden Marienkirche.

Die gotische Kirche

1267 gewährte Papst Pius II. einen Ablass zur Finanzierung des Kirchenbaus und der Arbeiten am Kreuzgang mit Jodokuskapelle. 1276 wurde mit dem Neubau begonnen. Aus dieser Phase ist das Südportal erhalten. Zum 31. Oktober 1298 wurde die Kirche von Bischof Emich I. Raugraf von Baumburg, unterstützt von seinem Neffen, dem Dompropst und späteren Bischof Heinrich III. von Daun, in ein Kollegiatstift mit zwölf Kanonikern umgewandelt.

1310 folgte eine Planänderung des Neubaus. Eine Marienwallfahrt kann 1478 erstmals urkundlich belegt werden, ist aber wesentlich älter, da sie damals schon als „berühmt“ galt. 1380 war das Langhaus fertiggestellt, 1381 das mit Figuren geschmückte Westportal. Im gleichen Jahr wurde mit dem Chorumgang begonnen, 1450 bis 1465 die Türme errichtet. Zur gleichen Zeit entstanden die Maßwerkfenster, der zweigeschossige Kreuzgang und die St. Jodokuskapelle. 1465 wurden, laut einer Bauinschrift am nordwestlichen Querhauspfeiler, die Bauarbeiten abgeschlossen.

Neuzeit

Im Rahmen des Reichstags zu Worms (1495) besuchten Kaiser Maximilian I. und seine Gattin Bianca die Kirche. Wegen des mit der Reformation im 16. Jahrhundert verbundenen Bildersturms wurde die Marienfigur 1565 ausgelagert.

1630 ließen sich Kapuziner in Worms nieder und erhielten die Jodokuskapelle im Kreuzgang als Konventskirche. Sowohl im Dreißigjährigen Krieg als auch während des Pfälzischen Erbfolgekrieges, als Truppen Ludwigs XIV. die Stadt 1689 niederbrannten, wurde die Liebfrauenkirche schwer beschädigt. Betroffen waren besonders der südliche Turmhelm, das Dach und der Innenraum. Erst 15 Jahre später begann der Wiederaufbau. Die Deckengewölbe wurden erneuert, wobei die gotischen Formen gewahrt wurden. Auch erhielt die Kirche 1710 eine barocke Orgel. In Folge der Zerstörungen blieben dauerhaft statische Probleme, die endgültig erst in den 1960er Jahren behoben werden konnten.

Nach der Säkularisation des Liebfrauenstiftes am Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Kirche profaniert. In der Folge wurden der Kreuzgang und Jodokuskapelle zerstört und weitgehend abgetragen. Erst ab 1816 wurden in der Kirche wieder Gottesdienste gefeiert. Sie war nun der Pfarrei St. Martin zugeordnet. Unter deren Pfarrer Nikolaus Reuß wurde 1854 der Beschluss gefasst, die Kirche zu sanieren. Das Sanierungskonzept entwarf der Architekt und Mainzer Kreisbaumeister Ignaz Opfermann ab 1858. Die Arbeiten begannen im April 1860 mit der Außeninstandsetzung. Dem folgte bis 1862 die Sanierung des Chors und Querschiffs. Dabei wurde der alte Lettner abgetragen und das Material für den Bau der Chorschranken verwendet, die den Chorumgang und den Zentralraum des Chors voneinander trennen. Ab 1862 folgte das Langhaus. Dabei wurden, um die Außenwände statisch zu entlasten (Strebepfeiler fehlen), die zerstörten Mittelgewölbe in tieferer Lage erneuert, was den Raumeindruck gegenüber der mittelalterlichen Gestaltung sehr veränderte. Die erforderlichen neuen Kapitelle sind Laubwerkkapitelle und wurden in Gips ausgeführt. Die historischen Kapitelle blieben im Dachraum über den Gewölben erhalten. Die Gewölbe wurden von Peter Muth blau mit goldenen Sternen ausgemalt, Pfeiler, Dienste und Gewölberippen erhielten Sandsteinfarbe. Fast alle Fenster wurden ersetzt. Die neuen stammen von Nikolaus Usinger, Ignaz Hirschvogel und Ignaz Neumair. Die Kirche erhielt insgesamt eine neugotische Innenausstattung. Nach dem Tod Opfermanns 1866 wurden die Arbeiten vom Kreisbaumeister des Kreises Worms abgeschlossen. Die Weihe der neuen Altäre fand am 6. September 1868 statt. Später wurde noch der seit langem beschädigte Südturm restauriert und erhielt eine dem Nordturm entsprechende Spitze, Arbeiten, die 1882 abgeschlossen waren.

Südlich der Liebfrauenkirche befanden sich bis 1956 die Reste der ehemaligen Pfarrkirche St. Amandus. Im September 1956 gestattete Oberbürgermeister Heinrich Völker US-Streitkräften, die für den Bau eines Sportplatzes einige Kubikmeter Schutt zum Auffüllen benötigten, die Ruine dafür abzureißen.

Zum 1. Januar 1898 wurde Liebfrauen eigenständige Pfarrkirche. Eine Valentinus-Wallfahrt führt seit dem 19. Jahrhundert in die Liebfrauenkirche. Seit 1928 gibt es wieder eine offizielle Marien-Wallfahrt.

Bestand

Gebäude

Die Liebfrauenkirche ist eine langgestreckte, dreischiffige Basilika mit kreuzförmigem Grundriss. Östlich des nur wenig über die Seitenschiffe hinausragenden Querhauses werden die drei Langhausschiffe mit Chor und beidseitigem Chorumgang fortgesetzt. Der Chor hat einen Fünfachtelschluss. Die Gesamtlänge des Innenraums beträgt 78 m, die des Querhauses 22 m. Die Kirche ist komplett mit einem Kreuzrippengewölbe versehen, das bis zu 18,5 m hoch ist. Im Westen schließt das Schiff mit einer barocken Empore ab, auf der ein mit geschnitzten Figuren verzierter Orgelprospekt steht.

Die Westfassade weist zwei Türme und eine Vorhalle auf. Die Türme sind in den Untergeschossen von viereckigem Grundriss, weiter oben achteckig. Der südliche Turmhelm würde nach vorangegangener Zerstörung im 19. Jahrhundert ergänzt. Das mit reichem Figurenschmuck versehene Westportal, um 1310, weist stilistisch Zusammenhänge mit dem Südportal des Wormser Doms und gleichzeitigen Teilen des Straßburger Münsters auf. Die Kirche ist überwiegend aus Buntsandstein errichtet.

Die Kirche ist heute ein Kulturdenkmal aufgrund des Rheinland-Pfälzischen Denkmalschutzgesetzes.

Ausstattung

Um 1260 entstand das in der Kirche erhaltene, jedoch im 19. Jahrhundert durch Gottfried Renn aus Speyer entstellend überarbeitete Holz-Gnadenbild der Mutter Gottes. Nordöstlich im Seitenschiff steht eine Figurengruppe „Anna Selbdritt“, ursprünglich vom Südportal und um 1276 geschaffen, deren Jesuskind allerdings verloren gegangen ist.

Das geschnitzte Retabel des Hochaltars im Chor stammt vom Ende des 15. Jahrhunderts, wurde aus der Martinskirche hierher versetzt und mit neugotischen Aufbauten versehen. Aus gleicher Zeit, von 1470, stammt ein Heiliges Grab mit lebensgroßen Steinfiguren im Erdgeschoss des Südturmes sowie das turmartige Sakramentshäuschen, das am nordöstlichen Vierungspfeiler steht. Vor der nördlichen Außenwand steht die Kopie einer Kreuzigungsgruppe von 1493, wobei die beiden begleitenden Figuren der Maria und des Johannes Ergänzungen aus dem 18. Jahrhundert sind.

Im Querhaus steht von Christoph Franck aus Speyer um 1625 geschnitztes, manieristisches Chorgestühl.

Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt der neugotische Valentinus-Altar im südlichen Querhaus.

1919 wurde außen vor der Südwand eine Beweinung Christi von Heinrich Waderé aufgestellt, zugleich ein Denkmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs.

1966 bis 1995 schuf der Mainzer Glasmaler Alois Plum einen Fensterzyklus als Ersatz für die im Bombenangriff von 1943 zerstörten Fenster. Nach Art der mittelalterlichen Biblia pauperum sind hier Szenen aus der Heilsgeschichte des Alten und Neuen Testaments dargestellt: Die fünf Fenster auf der Nordseite zeigen Szenen aus dem Alten und die entsprechenden Fenster auf der gegenüberliegenden Südseite Szenen aus dem Neuen Testament.

Grablege

Im Chorumgang der Liebfrauenkirche befinden sich zahlreiche Grabdenkmäler von hier beigesetzten Stiftsklerikern und anderen Personen aus der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, unter ihnen die von

Weinberge

Die Liebfrauenkirche gab der Liebfrauenmilch aus den umgebenden Weingärten ihren Namen. Weinhändler Peter Joseph Valckenberg kaufte die Weingärten 1808 bei einer Versteigerung von Nationalgütern im Rahmen der Säkularisation und machte den Markennamen berühmt.

Literatur

nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet

Commons: Liebfrauenkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Laut der Kirschgartener Chronik (um 1500) des Johannes Heydekyn von Sonsbeck hatte Bischof Emich schon einige Jahre zuvor, als er selbst noch Dompropst war, hier eine Marienkapelle errichten lassen und mit mehreren Priesterpräbenden versehen.
  2. Eine entsprechende Bauinschrift ist erhalten.
  3. Die Außenmauer des Kreuzgangs und dessen Strebepfeiler sind auf eine Höhe von ca. 2 m erhalten und bilden heute eine Umfassungsmauer.
  4. Er gilt als „Retter der Liebfrauenkirche“, wurde wegen seiner diesbezüglichen Verdienste zum Ehrenbürger von Worms ernannt und liegt in der Kirche begraben.
  5. Diese Wallfahrt führte ursprünglich in die aus dem 13. Jahrhundert stammende St. Sylvester- und Valentinuskapelle (Spille, S. 58).
  6. Das Original steht auf dem Wormser Hauptfriedhof (Spille, S. 58).

Einzelnachweise

  1. Spille, S. 58.
  2. Spille, S. 12.
  3. Spille, S. 56.
  4. Spille, S. 56.
  5. Spille, S. 56.
  6. Spille, S. 56.
  7. Webseite zur Bauinschrift von 1465.
  8. Die wichtigsten geschichtlichen Daten der Liebfrauenkirche. In: Liebfrauen Stiftung Worms. Abgerufen am 26. April 2015.
  9. Spille, S. 58.
  10. Speckert, S. 13.
  11. Speckert, S. 14.
  12. Speckert, S. 13.
  13. W. Wagner: Mittheilungen aus Vereinen. In: Deutsche Bauzeitung 19 (1885), S. 369f.
  14. Speckert, Anm. 82.
  15. Speckert, S. 14.
  16. Speckert, S. 13.
  17. Speckert, Anm. 82.
  18. Speckert, S. 14.
  19. W. Wagner: Mittheilungen aus Vereinen. In: Deutsche Bauzeitung 19 (1885), S. 369f.
  20. Otto Böcher: Zum Wiederaufbau der Wormser Synagoge. In: Der Wormsgau 19 (2000), S. 205–218 (208f).
  21. Spille, S. 58.
  22. Spille, S. 58.
  23. Spille, S. 56–58.
  24. Spille, S. 58.
  25. Spille, S. 58.
  26. Spille, S. 58.
  27. Spille, S. 58.
  28. Spille, S. 58.
  29. Spille, S. 58.
  30. Webseite zur Grabplatte des Bischofs

Koordinaten: 49° 38′ 20,7″ N,  22′ 7,9″ O

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