Migrantifa ist ein selbstorganisiertes Netzwerk in Deutschland, das sich als Reaktion auf den rassistischen Anschlag in Hanau im Jahr 2020 gründete. Die verschiedenen bundesweit organisierten Gruppen setzten sich für soziale Gerechtigkeit ein und machen auf strukturellen Rassismus und dessen Auswirkungen aufmerksam. Ein Hauptanliegen dabei ist die Bekämpfung von Faschismus und Nazismus in Behörden und Institutionen.

Geschichte und Themenschwerpunkte

Die Migrantifa ist ein Netzwerk aus bundesweit agierenden Gruppen, das sich nach den rassistischen Morden von Hanau im Februar 2020 gründete. Die antifaschistische Gruppierung bezeichnet sich als „loses Bündnis, das bundesweit antifaschistische Politik von Migrant*innen für Migrant*innen macht“ und ist vor allem in Berlin aktiv. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bedürfnisse und das Empowerment von rassismusbetroffenen Personen und der Stärkung sozialer Rechte, um gegen Rassismus und Faschismus zu agieren. Die Wortschöpfung Migrantifa entstand im Kontext rechtsradikaler Gewalt vor 2021, wie der Anschlag in Halle und Hanau. Der Begriff hat sich aus dem We’llcome united und dem NSU-Komplex-Auflösen-Bündnis gebildet, die Migrantifa! als Motto etabliert hatten.

Migrantifa setzt sich dafür ein, strukturelle Diskriminierungen wie Rassismus und deren Auswirkungen sichtbar zu machen. Die Gruppierung versucht mittels verschiedener Formen wie Demonstrationen, Gedenkveranstaltungen, Lesungen u. a. auf unzureichende Maßnahmen, um rassistisch motivierte Gewalttaten und Rechte Gewalt in Deutschland zu verhindern, hinzuweisen. Ein Kritikpunkt der Gruppierung ist die mangelnde Bereitschaft durch Ermittlungsbehörden und der Polizei, trotz umfassender Informationen durch den Verfassungsschutz, der Einblicke in rechte Netzwerke hat, diese effektiv zu zerschlagen.

Eine Person berichtet zur Entstehung des Netzwerkes in einem Interview mit Ze.tt: „Migrantifa ist geboren, weil so viele Migrant*innen gestorben sind. Sie leben in uns weiter und sind nicht für nichts gestorben. Wir kämpfen gegen Rassismus, um dem Schmerz der Opfer, Hinterbliebenen und von Rassismus Betroffenen Würde zu tragen.“

Ferat Koçak, prominenter Vertreter der Berliner Gruppe, beschrieb das Netzwerk Migrantifa als Beispiel, wie antifaschistische und antirassistische Bewegungen stärker zusammenrücken konnten, insbesondere weil als links gesehene Strukturen überwiegend aus weißen Personen bestanden. Menschen, die von Rassismus betroffen sind, würden dank der jahrelangen antirassistischen Kritik verstärkt wahrgenommen werden.

Kritik

Auf Grund von Positionierungen zum Nahostkonflikt wurde den Gruppen Migrantifa Berlin und Migrantifa Hessen in der Vergangenheit Antisemitismus vorgeworfen. Als Reaktion erklärten letztere daraufhin: „Wo jüdisches Leben existiert, muss es geschützt und bewahrt werden. Dazu gehört auch das unverhandelbare Existenzrecht Israels als Schutzraum und Zufluchtsort jüdischer Menschen auf der ganzen Welt.“

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 rief die Migrantifa Rhein-Main zur Teilnahme an "pro-palästinensischen" Demonstrationen auf. Diese wurden von den Ordnungsbehörden in Frankfurt aus Sorge um die öffentliche Sicherheit verboten, nachdem es bei den ersten Veranstaltungen in mehreren Städten - auch Frankfurt - zu Sachbeschädigungen, Angriffen auf pro-israelische Versammlungen und Polizeikräfte kam. Die Migrantifa Rhein-Main rief über soziale Medien zu Solidarität mit der Anmelderin einer verbotenen Demonstration auf, die wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Billigung/Leugnung von Straftaten, die durch die Hamas begangen wurden, verhaftet wurde. Auf ihren sozialen Medienkanälen verfasste Migrantifa Rhein-Main bereits vor Oktober 2023 mehrmals Beiträge, die beispielsweise mit "Yallah Intifada" unterzeichnet wurden und Israel als "Apartheidsstaat" diffamieren.

Commons: Migrantifa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Mischa Pfisterer: Yallah, Yallah gegen Polizeigewalt (nd-aktuell.de). In: www.nd-aktuell.de. 20. Juli 2020, abgerufen am 19. Januar 2023.
  2. Lisa Doppler: Widerstand der Refugees. In: Widerständiges Wissen. Herbert Marcuses Protesttheorie in Diskussion mit Intellektuellen der Refugee-Bewegung der 2010er Jahre. transcript Verlag 2021, ISBN 978-3-8394-5941-6. S. 110
  3. Gareth Joswig: „Wir vertrauen der Polizei nicht“. In: taz.de. 23. Juni 2020, abgerufen am 19. Januar 2023.
  4. Markus Mack: "Rassismus soll keine einzige weitere Familie zerstören": Migrantifa Berlin demonstriert per Schiff. In: www.zeit.de. 8. Mai 2020, abgerufen am 19. Januar 2023.
  5. Peter Nowak: »Das Urteil ist ein Freifahrschein für Nazis«. In: Neues Deutschland. 30. Juni 2020, abgerufen am 20. Januar 2023.
  6. Onur Suzan Nobrega, Ferat Koçak: Was ist eigentlich alles passiert, was wir nicht wahrgenommen haben? In: Onur Suzan Nobrega, Matthias Quent, Jonas Zipf: Rassismus. Macht. Vergessen. Von München über den NSU bis Hanau: Symbolische und materielle Kämpfe entlang rechten Terrors. transcript Verlag 2021, ISBN 978-3-8394-5863-1. S. 50
  7. Hanning Voigts: Israelfeindliche Parolen auf Frankfurter Demo führen zu Streit. In: fr.de. 5. Oktober 2020, abgerufen am 20. Januar 2023.
  8. Antisemitische Parolen auf “Revolutionärer 1. Mai”-Demonstration in Berlin. In: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus. 2. Mai 2021, abgerufen am 20. Januar 2023.
  9. Hanning Voigts: Nach israelfeindlichen Parolen in Frankfurt: „Migrantifa“ übt Selbstkritik. In: fr.de. 19. Oktober 2020, abgerufen am 20. Januar 2023.
  10. Verbote für Pro-Palästina-Demos laut Organisatoren Angriff auf Meinungsfreiheit. 11. Oktober 2023, abgerufen am 14. Oktober 2023.
  11. Verletzte bei Pro-Israel-Demo in Frankfurt – Gegner stören Veranstaltung. 8. Oktober 2023, abgerufen am 14. Oktober 2023.
  12. hessenschau de, Frankfurt Germany: Verwaltungsgerichtshof bestätigt: Pro-Palästina-Demo in Frankfurt nun doch verboten. 14. Oktober 2023, abgerufen am 14. Oktober 2023 (deutsch).
  13. https://twitter.com/migrantifaRM/status/1712825632311095577. Abgerufen am 14. Oktober 2023.
  14. Anna-Sophia Lang, Theresa Weiß, Sascha Zoske, Frankfurt: Verwaltungsgericht hebt Verbot von Pro-Palästina-Kundgebung auf. In: FAZ.NET. 13. Oktober 2023, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 14. Oktober 2023]).
  15. https://twitter.com/migrantifaRM/status/1669454930837483520. Abgerufen am 14. Oktober 2023.
  16. https://twitter.com/migrantifaRM/status/1701268410833805650. Abgerufen am 14. Oktober 2023.
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