Der Nationalratswahlkreis St. Gallen-Nordwest war ein Wahlkreis bei Wahlen in den Schweizer Nationalrat. Er bestand von 1848 bis 1919 (Einführung des heute üblichen Proporzwahlrechts) und umfasste den nordwestlichen Teil des Kantons St. Gallen.

Wahlverfahren

Hierbei handelte es sich um einen Pluralwahlkreis. Dies bedeutet, dass zwar mehrere Sitze zu verteilen waren, jedoch das Majorzwahlrecht zur Anwendung gelangte. Im Sinne der romanischen Mehrheitswahl benötigte ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen, um gewählt zu werden. Zur Verteilung aller Sitze waren unter Umständen mehrere Wahlgänge notwendig. Jeder Wähler hatte so viele Stimmen, wie Sitze zu vergeben waren.

Bezeichnung und Sitzzahl

St. Gallen-Nordwest ist eine inoffizielle geographische Bezeichnung. Im amtlichen Gebrauch üblich war eine über die gesamte Schweiz angewendete fortlaufende Nummerierung, geordnet nach der Reihenfolge der Kantone in der schweizerischen Bundesverfassung. Aufgrund der wechselnden Anzahl im Laufe der Jahre erhielten manche Wahlkreise mehrmals eine neue Nummer. St. Gallen-Nordwest trug ab 1851 (erstmalige Anwendung eines einheitlichen Bundesgesetzes) die Nummer 31, ab 1863 die Nummer 30, ab 1872 die Nummer 31, ab 1881 die Nummer 32 und ab 1890 die Nummer 34.

Zunächst standen St. Gallen-Nordwest 2 Sitze zur Verfügung, ab 1863 waren es 3 Sitze, ab 1890 wiederum 2 Sitze.

Ausdehnung

Das Gebiet des Wahlkreises wurde am 21. Dezember 1850 mit dem «Bundesgesetz betreffend die Wahl der Mitglieder des Nationalrathes» erstmals verbindlich festgelegt, wobei man den bereits 1848 von der St. Galler Kantonsregierung geschaffenen Wahlkreis IV unverändert übernahm. St. Gallen-Nordwest umfasste:

Zu einer Gebietserweiterung kam es mit dem «Nachtragsgesetz betreffend die Wahlen in den Nationalrath» vom 23. Juli 1863, als bei der Auflösung des Wahlkreises St. Gallen-West insgesamt sechs Gemeinden der Bezirke Alttoggenburg und Neutoggenburg zu St. Gallen-Nordwest gelangten. Der Wahlkreis umfasste nun:

  • den Bezirk Alttoggenburg
  • den Bezirk Gossau (inkl. die Gemeinde Straubenzell)
  • den Bezirk Neutoggenburg
  • den Bezirk Untertoggenburg
  • den Bezirk Wil

Eine markante Verkleinerung hatte das «Bundesgesetz betreffend die Wahlen in den Nationalrath» vom 20. Juni 1890 zur Folge. Die Bezirke Neutoggenburg und Untertoggenburg gelangten zum neu geschaffenen Wahlkreis St. Gallen-Mitte. Der Wahlkreis St. Gallen-Nordwest bestand somit aus zwei nicht miteinander verbundenen Gebieten und umfasste noch:

  • den Bezirk Alttoggenburg
  • den Bezirk Gossau (inkl. die Gemeinde Straubenzell)
  • den Bezirk Wil

Schliesslich wurde mit dem «Bundesgesetz betreffend die Nationalratswahlkreise» vom 4. Juni 1902 die Gemeinde Straubenzell an den Wahlkreis St. Gallen-Stadt abgetreten. Zuletzt umfasste St. Gallen-Nordwest:

  • den Bezirk Alttoggenburg
  • den Bezirk Gossau
  • den Bezirk Wil

1919 wurden die fünf St. Galler Wahlkreise zum heute noch bestehenden Nationalratswahlkreis St. Gallen zusammengelegt, in welchem das Proporzwahlrecht gilt.

Nationalräte

  • Evangelische Rechte (evangelische/reformierte Konservative) (ER)
  • Freisinnige Linke (FL)
  • Katholisch-Konservative (KK), Konservative Volkspartei (KVP)
  • Liberale Mitte (LM)
  • DatumWahlGewähltePartei
    15.10.1848G Johann Matthias HungerbühlerFL
     Johann Georg AndereggLM
    26.10.1851G Johann Matthias HungerbühlerFL
     Johann Georg AndereggLM
    29.10.1854G Johann Matthias HungerbühlerFL
     Johann Georg AndereggLM
    15.06.1856E Johann Joseph MüllerKK
    25.10.1857G Johann Matthias HungerbühlerFL
     Johann Joseph MüllerKK
    28.10.1860
    11.11.1860
    G Johann Matthias Hungerbühler, Carl Georg Jakob SailerFL
    25.10.1863
    08.11.1863
    22.11.1863
    G Johann Matthias Hungerbühler, Carl Georg Jakob SailerFL
     Georg Friedrich AndereggLM
    28.10.1866
    11.11.1866
    G Johann Matthias Hungerbühler, Carl Georg Jakob SailerFL
     Georg Friedrich AndereggLM
    31.10.1869G Johann Matthias HungerbühlerFL
     Georg Friedrich Anderegg, Carl Georg Jakob SailerLM
    30.10.1870
    13.11.1870
    E Johann Fridolin MüllerKK
    27.10.1872
    17.11.1872
    G Johann Matthias HungerbühlerFL
     Johann Fridolin MüllerKK
     Georg Friedrich AndereggLM
    31.10.1875G Samuel Friedrich RikliER
     Johann Joseph Keel, Johann Fridolin MüllerKK
    27.10.1878G Johann Joseph Keel, Johann Fridolin MüllerKK
     Johann Rudolf MoserLM
    30.10.1881G Johann Joseph Keel, Johann Fridolin MüllerKK
     Johann Rudolf MoserLM
    30.07.1882E Laurenz SchönenbergerKK
    26.10.1884G Johann Joseph Keel, Johann Fridolin Müller, Laurenz SchönenbergerKK
    30.10.1887G Johann Joseph Keel, Johann Fridolin Müller, Laurenz SchönenbergerKK
    27.05.1888E Othmar StaubKK
    26.10.1890G Johann Joseph Keel, Othmar StaubKK
    29.10.1893G Johann Joseph Keel, Othmar StaubKK
    25.10.1896G Johann Joseph Keel, Othmar StaubKK
    29.10.1899G Johann Joseph Keel, Othmar StaubKK
    26.10.1902G Thomas Holenstein sr., Othmar StaubKK
    29.10.1905G Thomas Holenstein sr., Othmar StaubKK
    25.10.1908G Thomas Holenstein sr., Othmar StaubKK
    29.10.1911G Thomas Holenstein sr., Othmar StaubKK
    25.10.1914G Thomas Holenstein sr., Othmar StaubKVP
    28.10.1917G Thomas Holenstein sr., Othmar StaubKVP

    Quelle

    • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1445-3.

    Einzelnachweise

    1. Bundesgesetz betreffend die Wahl der Mitglieder des Nationalrathes (vom 21. Dezember 1850). (PDF, 676 kB) In: Bundesblatt Nr. 61 vom 28. Dezember 1850. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 2. November 2014.
    2. Nachtragsgesetz betreffend die Wahlen in den Nationalrath. (PDF, 1,0 MB) In: Bundesblatt Nr. 24 vom 6. Juni 1863. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 2. November 2014.
    3. Bundesgesetz betreffend die Wahlen in den Nationalrath (vom 20. Juni 1890). (PDF, 296 kB) In: Bundesblatt Nr. 26 vom 21. Juni 1890. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 2. November 2014.
    4. Bundesgesetz betreffend die Nationalratswahlkreise (vom 4. Juni 1902). (PDF, 281 kB) In: Bundesblatt Nr. 24 vom 11. Juni 1902. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 2. November 2014.
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