NoFap ist ein Internetforum sowie eine daraus hervorgegangene Bewegung von Menschen, die den Konsum von Pornografie sowie Masturbation freiwillig einschränken beziehungsweise vermeiden wollen. Der Name kommt vom englischen Slangbegriff to fap, der die männliche Masturbation bezeichnet.

Grundprinzip

Üblicherweise wird sich eine Zeitperiode gesetzt, innerhalb der Praktizierende auf durch Pornografiekonsum bzw. Masturbation begleitete bzw. hervorgerufene Orgasmen verzichten. Dabei wird NoFap in unterschiedlichen Abstufungen durchgeführt:

  • im soft mode kann weiterhin masturbiert werden, allerdings unter Verzicht auf Pornografie jeglicher Art
  • im normal mode wird zudem auf Masturbation verzichtet (sofern diese dem Erreichen des Orgasmus dient)
  • im hard mode wird jeglicher Orgasmus, auch beim Geschlechtsverkehr, vermieden

Es geht jedoch nie um den Verzicht auf partnerschaftliches Zusammensein und den Austausch von Intimität. Wie bei Karezza ist sexuelle Stimulation weiterhin möglich und gewollt, sie sollte allerdings nicht den Orgasmus als Ziel haben.

Geschichte

NoFap wurde im Juni 2011, nach einer Diskussion auf der Internetplattform Reddit über eine chinesische Studie von 2003, von dem damals 21-jährigen US-amerikanischen Programmierer Alexander Rhodes gegründet. Die chinesische Studie fand Anzeichen dafür, dass der männliche Testosteronspiegel im Blut nach sieben Tagen Enthaltsamkeit auf bis zu 145,7 Prozent ansteigen könne. Rhodes diskutiert seine Ergebnisse und seine Ansichten über Masturbation in Nicholas Tanas Dokumentarfilm „Sticky: A (Self) Love Story“. Die Anzahl der Nutzer im Subreddit verdreifachte sich innerhalb von nur zwei Jahren, was dazu führte, dass Rhodes schließlich die Webseite NoFap.com erstellte.

Am 22. Oktober 2019 reichte Alexander Rhodes Klage gegen die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin Nicole Prause und das Institut Liberos LLC ein. Rhodes wirft Prause Diffamierung von NoFap und seiner Person vor. Prause soll seit 2013 unter Pseudonymen auf den Plattformen Twitter, Wikipedia und Xhamster verleumderisches Material über Rhodes gepostet haben. Unter anderem soll NoFap als „anti-Porno Profiteur“ bezeichnet worden sein, der Teenager mit „Selbstmordgedanken“ behafte. Die Klage wird durch Crowdfunding finanziert.

Seit 2017 wurde die Internet-Challenge mit dem Namen No Nut November populär, bei der es darum geht, im Monat November sexuell abstinent zu bleiben. Die Phrase wurde erstmals 2011 im Urban Dictionary erwähnt. No Nut (zu Deutsch: keine Nuss) bezieht sich dabei auf das Unterdrücken der Spermaproduktion im Hodensack („Nüsse“). Das Phänomen wurde in der Netzkultur durch entsprechende Memes gewürdigt. Eine scherzhafte Nachfolge des No Nut Novembers ist der Destroy Dick December, bei dem es darum geht, im Dezember sexuell möglichst aktiv zu sein bzw. viel zu masturbieren. Dieser ist aber kein Bestandteil der NoFap-Bewegung.

Diskussionsforum

Das Subreddit „NoFap“ richtet sich primär an Personen, die sich als „pornographiesüchtig“ bezeichnen. Es enthält weltliche Diskussionsabschnitte zum Verzicht auf Masturbation zu pornographischen Inhalten, wobei Diskussionen sich häufig mit den Auswirkungen und der Wahrnehmung von Pornographiekonsum beschäftigen sowie persönliche Schilderungen von Erfahrungen enthalten. Mitglieder tauschen untereinander Ratschläge aus und fordern sich teilweise gegenseitig heraus. Im Jahr 2018 hatte das Forum mehr als 260.000 registrierte Mitglieder. Eine Umfrage aus dem Jahr 2014 – die gemäß den Organisatoren nur eine beschränkte Aussagekraft hat – ergab, dass die große Mehrheit der Mitglieder unter 28, männlich und heterosexuell ist. Das Forum zielt allerdings nicht nur auf diese Gruppe ab.

Ansichten

Nach einer gewissen Zeit des Pornografie- und Masturbationsverzichts behaupten einige NoFap-Nutzer, „dramatische Steigerungen des sozialen Vertrauens, der Energie, der Konzentration, der mentalen Schärfe, der Motivation, des Selbstwertgefühls, der emotionalen Stabilität, des Glücks, der sexuellen Fähigkeiten und der Attraktivität für das andere Geschlecht“ zu erleben. Gemäß einem 2018 erschienenen Fachartikel ist die Ansicht, dass der Verzicht zu solchen „Superkräften“ führt, einer der zentralen Grundsätze von NoFap. Einige NoFap-Nutzer sagen, dass ihr Gehirn durch Pornos verzerrt wurde, auf Kosten echter Beziehungen.

Der Buchautor Gary Wilson, der in der taz als „Wissenschaftler der Nichtwichser“ bezeichnet wurde, argumentiert, dass „Neuheit“ im männlichen Gehirn Erregung auslöst und deshalb Dopamin ausgeschüttet wird. Da das Internet quasi unbegrenzt neue sexuelle Reize zur Verfügung stelle, blieben die Pornographie-Konsumenten auf einer Art „Dopamin-Welle“, was zur Abschwächung des Belohnungssystem und zu Symptomen wie den von Vertretern von NoFap genannten führe.

Aus medizinischer Sicht ist der menschliche Orgasmus durch Masturbation für sich genommen nicht gesundheitsschädlich. Laut dem Merck-Handbuch für Diagnose und Therapie gilt es dann als anormal, wenn es „partnerschaftliches Verhalten hemmt, in der Öffentlichkeit durchgeführt wird oder ausreichend zwanghaft ist, um Ärger zu verursachen“.

Wissenschaftliche Studien gibt es zu NoFap wenige. Viele Kritiker behaupten deswegen, dass die Vorteile von NoFap dem „Placebo-Effekt“ zu verdanken sind. Es gibt aber auch wissenschaftliche Untersuchungen, die das Gegenteil beweisen sollen. Eine Studie aus dem Jahr 2003 hat bewiesen, dass eine sexuelle Enthaltsamkeit für eine Woche den Testosteronspiegel um etwa 40 % steigen lässt. Eine andere Studie hat bewiesen, dass nach einer 3-wöchigen Abstinenz ein erhöhter Testosteronspiegel und ein gesenkter Prolactinspiegel bei den Teilnehmern zu finden war. Was nach der dritten Woche hormonell während NoFap passiert, ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Es gibt aber einzelne Evidenzen. Laut einer Befragungsstudie aus dem Jahr 2016 sind Menschen, die durchschnittlich 47 Tage auf Pornografie und Masturbation verzichten disziplinierter, risikofreudiger und extrovertierter.

Die Schädlichkeit von Pornografie auf das Gehirn soll dagegen deutlich besser belegt sein. Laut einer MRT-Studie aus dem Jahr 2014 haben Menschen mit einem hohen Pornokonsum ein deutlich geschädigtes Belohnungssystem. „In der MRT-Volumetrie hatten Männer mit hohem Pornokonsum einen deutlich verkleinerten Schweifkern (Nucleus caudatus): Je mehr Zeit sie mit Pornos verbrachten, umso kleiner war diese Hirnstruktur. Der Schweifkern ist etwa wichtig, um eine Belohnung zu entdecken und wahrzunehmen, um zwischen Belohnungen zu differenzieren und um die Motivation zu erzeugen, eine Belohnung zu erlangen. Er ist daher auch für die Fokussierung der Aufmerksamkeit entscheidend.“. Die Studie betont aber auch die Möglichkeit, dass erst der verkleinerte Schweifkern den erhöhten Pornkonsum auslöst. Laut dem amerikanischen Neurowissenschaftler Andrew D. Huberman könne der übermäßige Pornografiekonsum, insbesondere während der Adoleszenz, dazu führen, dass sich eine Prägung hin zu einer voyeuristische Form der Sexualität manifestiere und die sexuelle Erregbarkeit im partnerschaftlichen Kontext gehemmt werde.

Auf der Webseite „Your Brain On Porn“ finden sich über 80 Studien, die darauf hindeuten, dass sich ein regelmäßiger Pornografie-Konsum schädlich auf die mentale Gesundheit ausübt. Weitere 50 Studien belegen, dass es eine Korrelation zwischen regelmäßigem Pornokonsum und Erektionsstörungen gibt. Evidenzen auf eine „Toleranzentwicklung“ durch regelmäßigen Pornokonsum gibt es auch.

Laut Belltower-News gebe es angeblich einzelne Vertreter der NoFap Community, die ihren Pornografie- und Masturbationsverzichts mit antisemitischen Verschwörungstheorien begründen. So wird die Pornoindustrie teils als „jüdische Weltverschwörung“ beschrieben, die Männer finanziell ausnutzen, kontrollieren und manipulieren wolle. Durch einen übermäßigen Pornokonsum würden Männer „verweichlicht“ und ihr Widerstand werde kleingehalten. Evidenzen, dass die NoFap-Bewegung selbst dieser Ideologie angehört, gibt es keine.

Beziehung zu anderen Gruppen

Im Jacobin, einem linksgerichteten Magazin, wurde NoFap als „Rekrutierungsfeld“ für die politische Rechte bzw. die Alt-Right beschrieben. Rechte werben in diesen Communitys bei politisch Unentschlossenen und von Einsamkeit betroffenen Männern für ihre Ansichten und versuchen so, Einfluss zu gewinnen. Begünstigt werde dies durch die Schwäche der politischen Linken, der es bisher kaum gelang, in der Netzkultur Fuß zu fassen. NoFap ist ein zentrales Element der rechtsextremistischen Proud Boys. In Deutschland bedient die Junge Alternative ähnliche Argumentationsmuster wie die NoFap-Community.

Einzelnachweise

  1. Tom Cowell: NoFap: Warum junge Männer aufhören zu masturbieren (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.), Men's Health. Abgerufen am 8. Oktober 2018. 
  2. Tom Cowell: Hände weg bis zur Erleuchtung, Zeit. Abgerufen am 8. Oktober 2018. 
  3. 1 2 Leben ohne Masturbation: Selbstbewusst ohne Selbstbefriedigung - Der Spiegel
  4. A Complete Beginner’s Guide to NoFap - Your Brain on Porn
  5. Jiang M, Xin J, Zou Q, Shen JW: A research on the relationship between ejaculation and serum testosterone level in men. In: J. Zhejiang Univ. Sci. 4. Jahrgang, Nr. 2, 2003, S. 236–240, doi:10.1631/jzus.2003.0236, PMID 12659241. }
  6. Sticky: A (Self) Love Story. Abgerufen am 22. Mai 2021 (englisch).
  7. RHODES v. PRAUSE et al (2:19-cv-01366), Pennsylvania Western District Court. Abgerufen am 22. Mai 2021.
  8. Nicole Prause, David Ley & @BrainOnPorn's long history of harassing & defaming Alexander Rhodes of NoFap. Abgerufen am 22. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).
  9. Settlement Notice. Abgerufen am 22. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).
  10. Ethan Vassar: Seriously: You failed No Nut November, what now? (Nicht mehr online verfügbar.) 11. November 2019, archiviert vom Original am 9. Januar 2020; abgerufen am 2. Januar 2020 (amerikanisches Englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  11. Zachary Zane: Guys Are Going a Month Without Masturbating for the Sake of 'Health'. 5. November 2019, abgerufen am 2. Januar 2020 (amerikanisches Englisch).
  12. E. J. Dickson: How a New Meme Exposes the Far-Right Roots of #NoNutNovember. In: Rolling Stone. 8. November 2019, abgerufen am 2. Januar 2020 (amerikanisches Englisch).
  13. No Nut November: the insidious internet challenge encouraging men not to masturbate. Abgerufen am 2. Januar 2020 (englisch).
  14. Nach dem „No Nut November“ kommt der „Destroy Dick December“. 16. November 2017, abgerufen am 2. Januar 2020.
  15. 1 2 3 4 5 6 Kris Taylor, Sue Jackson: ‘I want that power back’: Discourses of masculinity within an online pornography abstinence forum. In: Sexualities. Band 21, Nr. 4. SAGE journals, 2018, S. 621–639, doi:10.1177/1363460717740248 (englisch).
  16. Matthias Bolsinger: Marco will nicht mehr masturbieren, Jetzt. Abgerufen am 8. Oktober 2018. 
  17. René-Pascal Weiß: "Ich habe keinen mehr hoch bekommen, weil ich zu viel masturbiert habe", Stern. Abgerufen am 8. Oktober 2018. 
  18. Wie man es nicht macht, Welt. Abgerufen am 8. Oktober 2018. 
  19. 1 2 Francesco Giammarco: Hände weg! In: taz. 13. April 2015, abgerufen am 10. Oktober 2018.
  20. Monika Preuk: Onanieren – warum Masturbation so wichtig ist, lifeline. Abgerufen am 8. Oktober 2018. 
  21. Dennis Coon, John O. Mitterer: Introduction to Psychology: Gateways to Mind and Behavior. 14. Auflage. Cengage Learning, 2014, ISBN 978-1-305-54500-7, 11. Gender and Sexuality, S. 363 (google.com): „Is there any way that masturbation can cause harm? Seventy years ago, a child might have been told that masturbation would cause insanity, acne, sterility, or other such nonsense. "Self-abuse," as it was then called, has enjoyed a long and unfortunate history of religious and medical disapproval (Caroll, 2013). The modern view is that masturbation is a normal sexual behavior (Hogarth & Ingham, 2009). Enlightened parents are well aware of this fact. Still, many children are punished or made to feel guilty for touching their genitals. This is unfortunate because masturbation itself is harmless. Typically, its only negative effects are feelings of fear, guilt, or anxiety that arise from learning to think of masturbation as "bad" or "wrong." In an age when people are urged to practice "safer sex," masturbation remains the safest sex of all.“
  22. Lisa Z. Sigel: Masturbation: The History of the Great Terror by Jean Stengers; Ann Van Neck; Kathryn Hoffmann. In: Journal of Social History. 37. Jahrgang, Nr. 4. Oxford University Press, 2004, ISSN 0022-4529, S. 1065–1066, doi:10.1353/jsh.2004.0065: „Stengers and Van Neck follow the illness to its fairly abrupt demise; they liken the shift to finally seeing the emperor without clothes as doctors began to doubt masturbation as a cause of illness at the turn of the twentieth century. Once doubt set in, scientists began to accumulate statistics about the practice, finding that a large minority and then a large majority of people masturbated. The implications were clear: if most people masturbated and did not experience insanity, debility, and early death, then masturbation could not be held accountable to the etiology that had been assigned it. Masturbation quickly lost its hold over the medical community, and parents followed in making masturbation an ordinary part of first childhood and then human sexuality.“
  23. Is NoFap a placebo? Abgerufen am 27. Mai 2023 (englisch).
  24. Ming Jiang, Jiang Xin, Qiang Zou, Jin-Wen Shen: A research on the relationship between ejaculation and serum testosterone level in men. In: Journal of Zhejiang University. Science. Band 4, Nr. 2, 2003, ISSN 1009-3095, S. 236–240, doi:10.1631/jzus.2003.0236, PMID 12659241 (nih.gov [abgerufen am 27. Mai 2023]).
  25. M. S. Exton, T. H. Krüger, N. Bursch, P. Haake, W. Knapp, M. Schedlowski, U. Hartmann: Endocrine response to masturbation-induced orgasm in healthy men following a 3-week sexual abstinence. In: World Journal of Urology. Band 19, Nr. 5, November 2001, ISSN 0724-4983, S. 377–382, doi:10.1007/s003450100222, PMID 11760788 (nih.gov [abgerufen am 27. Mai 2023]).
  26. How Abstinence Affects Preferences | Alec Sproten's Homepage. 18. Januar 2016, abgerufen am 27. Mai 2023 (britisches Englisch).
  27. Simone Kühn, Jürgen Gallinat: Brain structure and functional connectivity associated with pornography consumption: the brain on porn. In: JAMA psychiatry. Band 71, Nr. 7, 1. Juli 2014, ISSN 2168-6238, S. 827–834, doi:10.1001/jamapsychiatry.2014.93, PMID 24871202 (nih.gov [abgerufen am 27. Mai 2023]): „Alternatively, it could be a precondition that makes pornography consumption more rewarding.“
  28. Neurosurgeon's explanation on YouTube podcast of what pornography does to a man's brain is viral - WATCH. 27. Dezember 2022, abgerufen am 4. Januar 2023 (englisch).
  29. Studien, die den Gebrauch von Pornos mit einer schlechteren geistig-emotionalen Gesundheit und schlechteren kognitiven Ergebnissen in Verbindung bringen. 26. Mai 2023, abgerufen am 27. Mai 2023.
  30. Studien, die Pornokonsum oder Porno- / Sexsucht mit sexuellen Funktionsstörungen und schlechterer sexueller und Beziehungszufriedenheit in Verbindung bringen. 26. Mai 2023, abgerufen am 27. Mai 2023.
  31. Studien berichten über Ergebnisse, die mit einer Eskalation des Pornokonsums (Toleranz), einer Gewöhnung an Pornos und Entzugssymptomen im Einklang stehen. 26. Mai 2023, abgerufen am 27. Mai 2023.
  32. 1 2 3 „No Nut November“: Wie aus einem Witz ein rechtsextremer Trend geworden ist. 12. November 2021, abgerufen am 27. Mai 2023 (deutsch).
  33. Andy King; Übersetzung von Thomas Zimmermann: Kampf um die Normies. In: Jacobin. 13. September 2021, abgerufen am 14. November 2021 (Gekürzte Vorschau; Vollständiger Artikel nur mit Abo zugänglich).
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