Oliver Cromwell (* 25. April 1599 in Huntingdon; † 3. September 1658 in Westminster) war ein englischer Parlamentarier, Heerführer und während der kurzen republikanischen Periode in der Geschichte Englands ab 1649 der führende Staatsmann des Landes. Von 1653 bis zu seinem Tod war er unter dem Titel Lordprotektor auch formell das Oberhaupt des Commonwealth von England, Schottland und Irland.

Ursprünglich ein einfacher Abgeordneter des englischen Unterhauses, stieg er im Bürgerkrieg des Parlaments gegen König Karl I. erst zum Organisator, dann zum entscheidenden Feldherrn des Parlamentsheeres auf. Mit der von ihm betriebenen Hinrichtung Karls endeten alle Versuche der Stuart-Könige, England in eine absolutistische Monarchie umzuwandeln.

In der Geschichte der Britischen Inseln ist Cromwell eine umstrittene Persönlichkeit. Er gilt einerseits als religiöser Eiferer, Königsmörder und Militärdiktator, andererseits als Vorkämpfer des Parlamentarismus, der den Weg zum modernen, demokratischen Verfassungsstaat ebnete. In einer Umfrage der BBC von 2002 wurde er als Zehnter unter den 100 Greatest Britons gewählt. Als strenggläubiger Puritaner nahm er eine tolerante Stellung gegenüber den verschiedenen protestantischen Dissenters seiner Zeit ein, während er die Katholiken entschieden bekämpfte. In Irland ist er wegen seiner brutalen Maßnahmen gegen die katholische Bevölkerungsmehrheit, die von manchen Historikern als „genozidal“ bezeichnet wurden, weitgehend verhasst.

Leben

Herkunft

Oliver Cromwell wurde als Sohn des Landadligen Robert Cromwell (um 1560–1617) und dessen Frau Elizabeth Steward (oder Stewart; 1564–1654) aus dem Clan Stewart (dem das schottische und englische Königshaus Stuart entstammte) in Huntingdon in der Grafschaft Huntingdonshire in East Anglia geboren. Sein Vater stammte von Catherine Cromwell ab, einer älteren Schwester Thomas Cromwells, der als Lordsiegelbewahrer Heinrichs VIII. die Loslösung der Church of England von Rom betrieben hatte. Vermutlich um die Verbindung zu dem berühmten Verwandten zu dokumentieren, nahmen die Kinder Catherines deren Nachnamen an, obwohl sie verheiratet war.

Anfänge als Parlamentarier

Während seines Studiums in Cambridge kam Oliver Cromwell erstmals mit den Ideen des Puritanismus in Berührung. Zum bekennenden Puritaner wurde er aber erst in den Jahren 1628/29, als er zum ersten Mal als Abgeordneter für Huntingdon im Unterhaus saß. In den elf Jahren von 1629 bis 1640, in denen Karl I. (engl. Charles I.) versuchte, ohne Parlament zu regieren, führte Cromwell in Huntingdon das Leben eines wohlhabenden Gutsbesitzers.

1640 berief der König das Parlament wieder ein, weil er für den Bischofskrieg gegen Schottland dringend Geld benötigte. Cromwell schloss sich sofort den Gegnern des Königs an, welche die Bewilligung der geforderten Steuergelder an die Gewährung politischer Freiheiten knüpften. Im November 1641 gehörte er neben John Pym zu den Initiatoren der Großen Remonstranz, einer Beschwerdeschrift des Unterhauses, in der die Verfehlungen der Regierung Karls I. aufgelistet waren.

Heerführer im Bürgerkrieg

Am 4. Januar 1642 scheiterte der Versuch des Königs, die Führer der Opposition im Unterhaus verhaften zu lassen. Dieser versuchte Staatsstreich löste zwei Bürgerkriege aus. Cromwell stellte 1642 zunächst eine leichte Kavallerietruppe auf: die Ironsides. Die Eisenseiten - so benannt wegen ihrer Härte, nach einer anderen Darstellung, weil sie die Flanken der Infanterie schützten - galten rasch als besonders zuverlässige Truppe. Denn sie bestanden zum einen aus gut ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten und setzten sich zum anderen fast nur aus gläubigen Puritanern zusammen: Männern, die nicht für Geld, sondern aus Überzeugung für ihre Sache kämpften. Zum Dritten wurden die Offiziersstellen ausschließlich nach Verdienst und Fähigkeiten besetzt, so dass zum Beispiel auch einfache Handwerker zu Offizieren aufsteigen konnten. Das führte zu einer sehr hohen Kampfbereitschaft der Männer und zu einer allgemein sehr hohen Moral. Die Ironsides waren bald für ihre Disziplin – auch gegenüber der Zivilbevölkerung – bekannt, und dank ihrer Kampfkraft wurden sie als Elitetruppe für das Parlament schnell unentbehrlich.

Zu Beginn des Bürgerkriegs waren die Royalisten zunächst erfolgreich. Auf Cromwells Betreiben wurden daher die modernen Prinzipien, nach denen er die Ironsides aufgestellt hatte, auf das gesamte Parlamentsheer übertragen. Seit Anfang 1645 war diese New Model Army, die „Armee neuen Musters“, einsatzbereit. Sie gewann schließlich die Oberhand über die Truppen des Königs. Nach Cromwells Sieg im zweiten Bürgerkrieg wurde Karl I. der Prozess gemacht. Am 30. Januar 1649 wurde er vor seiner Residenz in Whitehall wegen Verrats, Mordes und Hochverrats hingerichtet. Das Parlament erklärte England zur Republik und übertrug 1650 Cromwell das Kommando über die gesamte New Model Army.

Als Staatsoberhaupt des Commonwealth

In der Friedenszeit nach den Bürgerkriegen regierte Cromwell das Commonwealth of England, ab dem 16. Dezember 1653, nach Auflösung des Rumpfparlaments und Selbstauflösung des „Parlaments der Heiligen“, trug er den Titel eines „Lordprotektors von England, Schottland und Irland“. Die Königswürde lehnte er trotz des Angebots des Parlaments 1657 ab. Er unterdrückte gegen Ende des Krieges Meutereien und Aufstände in der Armee, die durch ausstehende Soldzahlungen ausgelöst wurden. Er zeigte auch keine Sympathien für die Bewegung der Levellers, der Gleichmacher, die sich für die Interessen des Kleinbürgertums einsetzten und von Teilen des Parlaments unterstützt wurden. Die True Levellers unter Führung von Gerrard Winstanley bekämpfte er sogar aktiv. 1653 entließ er sein Kabinett; seine Außenpolitik – insbesondere der Erlass der Navigationsakte – führte zum ersten Englisch-Niederländischen Krieg (1652–1654). Schrittweise näherte sich sein Regierungsstil einer Militärdiktatur an, der Titel des Lord Protector wurde erblich.

Krieg hatte Cromwell zuvor auch in Schottland und Irland (siehe Rückeroberung Irlands) geführt und beide Länder – im Prinzip autonome Königreiche – durch englische Truppen besetzen lassen. Nach der Eroberung Droghedas wurden 3500 Menschen ermordet: etwa 2700 königstreue Soldaten und alle waffentragenden Männer der Stadt, egal ob Zivilisten, Gefangene oder katholische Priester. Dieses Massaker und die brutale Unterdrückung der Royalisten in Irland im Jahr 1649 belasten noch heute die irisch-englischen und katholisch-protestantischen Beziehungen. Cromwell hielt seinen Tötungsbefehl für gerechtfertigt, da die Verteidiger Droghedas entgegen geltendem Kriegsrecht weiterkämpften, nachdem die Mauern der Stadt gebrochen waren.

Cromwell starb am 3. September 1658 an Malaria, mit der er sich in Irland infiziert hatte, kombiniert mit „Stein-Beschwerden“ (Nieren- und Blasensteinen). Kurz zuvor war seine Lieblingstochter Elisabeth gestorben.

Cromwells Sohn Richard, der von seinem Vater als Nachfolger vorgesehen war, blieb erfolglos, da er es nicht verstand, die Armee zu führen. Er gab seine Regentschaft im April 1659 auf und ging ins Exil nach Paris.

Das Parlament verlieh danach 1660 Karl II. die Königswürde. 1661 wurde der Leichnam Oliver Cromwells zusammen mit denen Henry Iretons und John Bradshaws aus Westminster Abbey exhumiert und am 30. Januar, dem zwölften Jahrestag der Hinrichtung König Karls I., einer postumen symbolischen Hinrichtung als Königsmörder zugeführt. Die Köpfe der drei wurden auf Stangen gegenüber von Westminster Hall zur öffentlichen Abschreckung ausgestellt. Später geriet der Kopf Cromwells in die Hände von Sammlern, die ihn für Geld vorzeigten. Schließlich wurde der Schädel (dessen Authentizität allerdings bezweifelt wurde) 1960 im Sidney Sussex College in Cambridge bestattet, wo Cromwell studiert hatte.

Familie

Am 22. August 1620 heiratete Cromwell in St Giles-without-Cripplegate in London Elizabeth Bourchier (1598–1665). Das Paar hatte neun Kinder:

  1. Robert (1621–1639), starb im Internat
  2. Oliver (1622–1644), starb als Offizier des Parlamentsheeres
  3. Bridget (1624–1662), heiratete Henry Ireton, dann Charles Fleetwood
  4. Richard (1626–1712), Nachfolger seines Vaters als Lord Protector ⚭ Dorothy Maijor (1620–1675)
  5. Henry (1628–1674), bis 1658 Lord Deputy of Ireland
  6. Elizabeth (1629–1658), heiratete John Claypole
  7. James (1632), starb kurz nach der Geburt
  8. Mary (1637–1713), heiratete Thomas Belasyse, 1. Earl Fauconberg
  9. Frances (1638–1720), heiratete Robert Rich (1634–1658), dann Sir John Russell, 3. Baronet

Gedenken

Eine Statue von Oliver Cromwell steht vor dem Palace of Westminster in London sowie am Genfer Reformationsdenkmal.

Obwohl die Cromwellsche Republik scheiterte, war sie ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Ausgestaltung der englischen Demokratie. Der Verfassungsentwurf der Independenten, Agreement of the People (1647), betonte als Folge starker demokratischer Tendenzen die zentralen Themen Religionsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeine politische Teilhabe und ein Ende der Kerkerstrafen für Schuldner. Cromwells Plan, das protestantische Europa unter der Führung Englands zu einigen, konnte nicht verwirklicht werden. In dem toleranten John Milton hatte Cromwell zeitweise einen engagierten und fähigen Mitarbeiter.

Im Evangelischen Namenkalender steht Cromwell am 3. September.

Künstlerische Rezeption

Werk

  • The Writings and Speeches of Oliver Cromwell. Edited by W.C. Abbott. 4 Bände, Cambridge/Massachusetts 1937–1947

Literatur

  • Friedrich Wilhelm Bautz: Cromwell, Oliver. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 1163–1166.
  • Dieter Berg: Oliver Cromwell: England und Europa im 17. Jahrhundert. Kohlhammer, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-033160-0 (Rezension von Andreas Pečar, Rezension von Hannes Ziegler).
  • Martyn Bennett: Oliver Cromwell. Routledge, Abingdon 2006, ISBN 0-415-31921-8.
  • Antonia Fraser: Cromwell: Our Chief of Men. Methuen, London 1985, ISBN 0-413-57390-7.
  • Michael Freund: Oliver Cromwell. Biographische Skizze. Coleman, Lübeck 1933.
  • Peter Gaunt: Oliver Cromwell. Blackwell 1996, ISBN 0-631-18356-6.
  • Christopher Hill: God’s Englishman. Oliver Cromwell and the English Revolution. Littlehampton Book Services, London 1970, ISBN 0-297-00043-8.
  • Roger Howell: Cromwell – Ein absolutistischer Puritaner. Wilhelm Heyne Verlag, München 1981, ISBN 3-453-55086-2.
  • Ronald Hutton: The Making of Oliver Cromwell. Yale University Press, New Haven and London, 2021, ISBN 978-0-300-25745-8.
  • Theodor Kolde: Cromwell, Oliver. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 4, Hinrichs, Leipzig 1898, S. 333–343.
  • Peter de Mendelssohn: Das Gewissen und die Macht. In: ders: Die Geburt des Parlaments. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-22524-8.
  • Karl Heinz Metz: Oliver Cromwell. Muster-Schmidt, Göttingen 1993, ISBN 3-7881-0142-3.
  • Ulrich Niggemann (Hrsg.): Oliver Cromwell und das Commonwealth. Staatsverständnisse zwischen Revolution und hergebrachter Ordnung. Nomos, Baden-Baden 2022 (Staatsverständnisse; 169), ISBN 978-3-8487-7338-1.
  • Robert Southey: Geschichte Oliver Cromwell’s. Ernst Schäfer, Leipzig 1845.
  • Richard Bedingfiel: Moll Cutpurse; or, Cromwell and the Cavalier. W. Strange, A Tale. London 1846.
Commons: Oliver Cromwell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Oliver Cromwell – Quellen und Volltexte (englisch)

Einzelnachweise

  1. BBC: Ten greatest Britons chosen
  2. 1 2 3 Eva Kötting: Podcast Kalenderblatt auf Bayern2. (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive), ebenso Horst Aspöck von der Medizinuniversität Wien in https://orf.at/stories/3118044/
  3. The Life of Oliver Cromwell. Abgerufen am 29. Januar 2021 (britisches Englisch).
  4. Cromwell's family. The Cromwell Association, abgerufen am 6. August 2017.
  5. W. Wertenbruch: Menschenrechte. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 3. Auflage. Band 4, Mohr-Siebeck, Tübingen 1960, Sp. 869.
  6. R. Nürnberger: Cromwell, Oliver. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 3. Auflage. Band 1, Mohr-Siebeck, Tübingen 1957, Sp. 1884–1885.
  7. Oliver Cromwell im Ökumenischen Heiligenlexikon
  8. Ballade von Fontane
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