Parareptilien

Auswahl verschiedener Parareptilien (von oben nach unten und von links nach rechts): Skelett von Mesosaurus in Kalkstein der Irati-Fomration (Unterperm von Brasilien), Schädel von Hypsognathus (Procolophonier, Newark-Supergruppe, Obertrias, östliche USA), Schädel von Delorhynchus (Unterperm, Texas, USA), Schädel von Nyctiphruretus (Mittelperm, europäischer Teil Russlands), Skelettrekonstruktion von Scutosaurus (Pareiasaurier, Oberperm, europäischer Teil Russlands)

Zeitliches Auftreten
Oberkarbon bis Obertrias
303,7 bis 201,3 Mio. Jahre
Fundorte
  • weltweit
Systematik
Kiefermäuler (Gnathostomata)
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Reptiliomorpha
Amnioten (Amniota)
Sauropsida
Parareptilien
Wissenschaftlicher Name
Parareptilia
Olson, 1947

Parareptilien sind eine ausgestorbene Gruppe der Reptilien, die einer ersten Diversifizierung der höheren Landwirbeltiere im frühen Oberkarbon entsprang, jedoch mit der Gattung Erpetonyx erst ab dem jüngsten Oberkarbon durch Fossilfunde belegt ist und mit den Procolophoniden bis zum Ende der Trias überlebte.

In der modernen, kladistisch basierten Systematik werden Parareptilien definiert als jene Abstammungsgemeinschaft, auf deren jüngsten gemeinsamen Vorfahr die Arten Milleretta rubidgei und Procolophon trigoniceps zurückgehen, nicht jedoch Captorhinus aguti (siehe Tsuji und Müller, 2009). Schwestergruppe der Parareptilien sind die Eureptilien, denen neben den Captorhiniden auch die im Großtaxon Diapsida vereinten, heute lebenden Gruppen der Schuppenreptilien, Krokodile und Vögel angehören. Das Parareptilia-Konzept hat in der modernen Systematik das Anapsida-Konzept ersetzt, insbesondere weil die Schildkröten (Testudinata) nunmehr als sekundär Schädelfensterlose Diapsiden gelten.

Merkmale

Diagnostische Merkmale der Parareptilien sind (laut Müller und Tsuji 2007; Tsuji und Müller 2009) unter anderen das Fehlen eines Kontaktes des Lacrimale zur Nasenöffnung, das Fehlen einer Eckzahnregion, eine einzelne mittig gelegene Einbuchtung am Hinterrand des Schädeldaches, das Fehlen einer Supraglenoid-Öffnung, das Fehlen eines Subtemporalfortsatzes am Jugale, der feste Kontakt des Präfrontale zum Palatinum, ein bauchseitig verlängertes Quadratojugale, sowie die Lage des Kiefergelenks auf Höhe des Hinterhauptes oder etwas dahinter.

Die Parareptilien sind sehr vielgestaltig und umfassen sowohl die aquatischen Mesosaurier als auch vollterrestrische Gruppen wie die massig gebauten Pareiasaurier sowie die eidechsenartigen Bolosauriden, Milerettiden, „Nycteroleteriden“ und Procolophonoideen. Während manche Gruppen wie die Millerettiden wahrscheinlich Insektenfresser waren (größere „Nycteroleteriden“, wie Macroleter, vermutlich sogar Fleischfresser) und die Mesosaurier sich von Fischen und aquatischen Arthropoden ernährten, werden Bolosauriden, Procolophonoideen und Pareiasaurier aufgrund ihrer Gebisse als Pflanzenfresser interpretiert (siehe Benton 2005, S. 113–118).

Verwandtschaftsverhältnisse

Das folgende Kladogramm stellt die Verwandtschaftsverhältnisse der Parareptilien nach Tsuji und Müller (2009) dar. Die Untergliederung der Eureptilien folgt Laurin und Reisz (1995) (siehe auch Benton, 2005).

  Amniota  

 Synapsida (einschließlich der Säugetiere)


  Reptilia  
  Parareptilia  

 Mesosauridae


   


 Millerettidae


   

 Eunotosaurus



  Ankyramorpha  

 Lanthanosuchoidea


   

 Nyctiphruretus


   

 Bolosauridae


   

 Procolophonoidea


   

 Pareiasauria


   

 „Nycteroleteridae“




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  Eureptilia 

 Captorhinidae


   

 Paleothyris


   

 Diapsida (einschließlich der heutigen Reptiliengruppen und der Vögel)






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Die Gruppe der Reptilien (Reptilia) beinhaltet hier gemäß der Definition von Modesto und Anderson (2004) die heutigen Reptiliengruppen sowie alle Tiere, die mit ihnen näher verwandt sind als mit den Säugetieren. Synonym zu Reptilia wird auch Sauropsida als Gruppenbezeichnung verwendet. Die Stellung von Eunotosaurus neben den Milleretidae ist unsicher, osteologische Befunde deuten auf eine nähere Verwandtschaft mit den seit spätestens 2010 allgemein als Diapsiden (und damit Eureptilien) geltenden Schildkröten hin.

Stammgruppe der Schildkröten?

Die im Vergleich zu anderen heutigen Reptiliengruppen deutlich abweichende Anatomie der Schildkröten, unter anderem der anapside Schädel, d. h. ein Schädel ohne Schläfenöffnungen, gab und gibt immer noch einigen Paläontologen Anlass zu glauben, dass diese speziellen Merkmale auf eine frühe Trennung der Stammlinien der Schildkröten und der heute lebenden Diapsiden zurückzuführen seien und dass es sich bei den Parareptilien um die nächsten fossilen Verwandten der Schildkröten handele. Als mögliche Parareptil-Schwestergruppen der Schildkröten galten früher die Procolophoniden (Laurin und Reisz, 1995) sowie die Pareiasaurier (siehe z. B. Lee 1997) und neuerdings wieder Eunotosaurus (Lyson et al., 2010).

Für die entsprechende Klade (Parareptilien einschließlich der Schildkröten) war zwischenzeitlich die Bezeichnung Anapsida in Gebrauch (Modesto, 1999).

Dass osteologische Übereinstimmungen, die auf eine Verwandtschaft der Schildkröten mit den Parareptilen verweisen, tatsächlich homologe Merkmale darstellen, gilt als zweifelhaft (siehe Rieppel und Reisz 1999; Rieppel 2000) und besonders molekularbiologische Befunde verweisen auf eine Position der Schildkröten innerhalb der Diapsiden (Zardoya und Meyer 1998, Cao u. a. 2000). Zudem bestehen kaum knochenhistologische Übereinstimmungen zwischen den Hautknochenplatten (Osteodermen) der Pareiasaurier und den Schildkrötenpanzern, die histologisch eher den Hautverknöcherungen der Diapsiden ähneln (Scheyer und Sander 2009).

Literatur

Commons: Parareptilien (Parareptilia) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sean P. Modesto, Diane M. Scott, Mark J. MacDougall, Hans-Dieter Sues, David C. Evans, Robert R. Reisz: The oldest parareptile and the early diversification of reptiles. Proceedings of the Royal Society B. Bd. 282, Nr. 1801, 2015, doi:10.1098/rspb.2014.1912.
  2. Tyler R. Lyson, Gabe S. Bever, Torsten M. Scheyer, Allison Y. Hsiang, Jacques A. Gauthier: Evolutionary Origin of the Turtle Shell. In: Current Biology. Bd. 23, Nr. 12, 2013, ISSN 0960-9822, S. 1113–1119, doi:10.1016/j.cub.2013.05.003.
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